1
|
I. Die Beteiligten streiten darum, ob
Umsätze eines Landwirts aus einer „Pensionspferdehaltung
zu Zuchtzwecken“ für Nichtlandwirte der
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb im Jahr 2005 (Streitjahr) eine Pferdezucht
mit 30 eigenen Pferden. Zusätzlich unterhielt er eine
Pferdepension für ca. 70 Pferde. Im Rahmen dieser Pension bot
er folgende Dienstleistungen an: Belegung der Stuten durch
künstliche Besamung, Abfohlung, Aufzucht und Ausbildung der
Fohlen, Präsentation und Ausbildung für Pferdeschauen und
Leistungsprüfungen, Beratung über die
Zuchtmöglichkeiten, Betreuung (Futter, Stall, Auslauf,
Tierarzt) sowie Hilfe beim Kauf oder Verkauf von Pferden.
|
|
|
3
|
Der Kläger schloss mit den jeweiligen
Pferdeeinstellern Pensionsverträge ab. Der monatliche
Pensionspreis betrug durchschnittlich 185 EUR pro Stute. Sofern
zusätzliche Leistungen vom Kläger oder von Dritten (z.B.
Hufschmied) erbracht wurden, wurden diese jeweils monatlich vom
Kläger gesondert in Rechnung gestellt. Die Tierärzte
rechneten ihre Leistungen regelmäßig unmittelbar
gegenüber den Pferdeeinstellern ab. Zu den Kunden des
Klägers zählten Landwirte, gewerbliche Pferdezüchter
sowie Privatpersonen aus dem In- und Ausland.
|
|
|
4
|
In den Jahren 2008 und 2009 fand beim
Kläger eine landwirtschaftliche Betriebsprüfung statt.
Der Prüfer beurteilte die vom Kläger erbrachten
Dienstleistungen an Nichtlandwirte als einheitliche
Pensionsleistung, die außerhalb eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs erbracht werde und damit entgegen
der Auffassung des Klägers nicht der
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliege. Die
darauf entfallenden Umsätze in Höhe von ... EUR unterwarf
er der Regelbesteuerung. Auf die Umsätze aus der Unterbringung
von Pferden, deren Eigentümer Land- und Forstwirte sind,
billigte der Prüfer die vom Kläger angewandte
Durchschnittssatzbesteuerung.
|
|
|
5
|
Gegen den aufgrund der Prüfung
ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 18.3.2010 wandte
sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage, die
das Finanzgericht (FG) abwies. Nach Auffassung des FG unterliegen
Umsätze aus einer Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken nur
insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, als
der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist. Der Kläger habe mit
den „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken keine
landwirtschaftlichen Dienstleistungen i.S. des Art. 25 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) erbracht. Nach Art. 25 Abs. 2
fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG seien
landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B
aufgeführten Dienstleistungen, die von einem
landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte
und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen,
forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen
würden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG („Liste
der landwirtschaftlichen Dienstleistungen“) seien
landwirtschaftliche Dienstleistungen solche, die normalerweise zur
landwirtschaftlichen Produktion beitragen.
|
|
|
6
|
Die vom Kläger gegenüber den
Einstellern jeweils erbrachte (einheitliche) sonstige
Leistung/Dienstleistung gehöre nicht zu den in dem Katalog
aufgeführten Dienstleistungen. Auch die unter dem vierten
Gedankenstrich aufgeführten Leistungen „Hüten,
Zucht und Mästen von Vieh“ seien nicht einschlägig,
denn nach dem Einleitungssatz zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG
seien landwirtschaftliche Dienstleistungen (nur) solche, die
normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zudem
sei zu beachten, dass die Vorschrift restriktiv auszulegen sei. Das
Tatbestandsmerkmal „Hüten, Zucht und Mästen von
Vieh“ unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes zu
Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG setze voraus, dass der jeweilige
Leistungsempfänger der „Pensionsleistung“, mithin
im Streitfall der jeweilige Einsteller der Pferde, selbst ein
landwirtschaftlicher Erzeuger i.S. des Art. 25 der Richtlinie
77/388/EWG sei, denn eine „Pensionsleistung“ an einen
Nichtlandwirt trage nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei
und diene keinen landwirtschaftlichen Zwecken. Landwirtschaftliche
Erzeuger seien solche Betriebe, die eine der in Art. 25 Abs. 2
erster und zweiter Gedankenstrich i.V.m. Anhang A der Richtlinie
77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten ausübten, d.h.
die u.a. Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der
Bodenbewirtschaftung betrieben. Eine private bzw. gewerbliche
Tierzucht der Einsteller ohne Bodenbewirtschaftung falle hingegen
nicht unter die Tätigkeiten der landwirtschaftlichen
Erzeugung.
|
|
|
7
|
Das Urteil des FG ist in EFG 2013, 817 =
SIS 13 13 28 veröffentlicht.
|
|
|
8
|
Mit der hiergegen eingelegten Revision
rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Aus
den unionsrechtlichen Vorgaben zu § 24 UStG in Art. 25 Abs. 2
fünfter Gedankenstrich i.V.m. Anhang B der Richtlinie
77/388/EWG bzw. nunmehr Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Anhang VIII
der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergäben sich
keine Voraussetzungen für den Empfänger des
landwirtschaftlichen Erzeugnisses bzw. der landwirtschaftlichen
Dienstleistung. Dies sei auch nur folgerichtig, da ansonsten die
Besteuerung des Steuersubjekts von Eigenschaften eines anderen
Steuersubjekts abhängig gemacht worden wäre. Insoweit
würde die Art der Besteuerung vom Zufall abhängen. Dem
Steuerpflichtigen würde die Aufgabe auferlegt, kontinuierlich
die Voraussetzungen bei seinem Vertragspartner zu
überprüfen. Dies könne nicht dem Zweck der Regelung
entsprechen und ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Er - der
Kläger - sei „landwirtschaftlicher Erzeuger“ - das
Fohlen als „landwirtschaftliches Erzeugnis“ -, da er
„landwirtschaftliche Dienstleistungen“ - die Zucht- und
Veredelungsleistungen - erbringe, die seiner eigenen
landwirtschaftlichen Produktion - die ausgebildeten Fohlen als
landwirtschaftliches Ergebnis - dienten.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
sowie die Einspruchsentscheidung vom 8.8.2011 aufzuheben und den
Umsatzsteuerbescheid für 2005 dahingehend zu ändern, dass
Umsätze in Höhe von ... EUR der
Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG
unterworfen werden,
|
|
hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen,
|
|
höchst hilfsweise, das Verfahren bis
zu einer Entscheidung des EuGH über ein entsprechendes
Vorabentscheidungsersuchen auszusetzen.
|
|
|
10
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen,
|
|
hilfsweise, dem EuGH folgende Frage zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
|
|
„Darf der Inhaber eines
Pferdezuchtbetriebes die Sonderregelung des Art. 25 der Richtlinie
77/388/EWG anwenden, wenn die Pferde zu Zuchtzwecken von
Nichtlandwirten eingestellt werden?“
|
|
|
11
|
Es verweist im Wesentlichen auf das seines
Erachtens zutreffende FG-Urteil.
|
|
|
12
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung.
|
|
|
13
|
Das FG hat ausgehend von seinen bisher
getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht die
Anwendung der begehrten Durchschnittssatzbesteuerung auf die
streitbefangenen Umsätze des Klägers versagt. Der Senat
kann mangels Spruchreife der Sache nicht durcherkennen.
|
|
|
14
|
1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in
der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung wird für
„die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebs ausgeführten Umsätze“ vorbehaltlich
der Sätze 2 bis 4 die Steuer für die nicht näher
bezeichneten - hier einschlägigen - „übrigen
Umsätze“ auf 9 % der Bemessungsgrundlage
festgesetzt. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den
„übrigen Umsätzen“ zuzurechnen sind,
auf 9 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze
festgesetzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24
Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG). Durch diese Regelungen gleichen
sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis
für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten
hat.
|
|
|
15
|
a) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb
gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
|
|
|
|
“1. die Landwirtschaft, die
Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die
Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit
Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die
Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und
Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die
Saatzucht;
|
|
|
|
2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit
ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des
Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung
gehören.“
|
|
|
16
|
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb
gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG auch die
Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu
dienen bestimmt sind.
|
|
|
17
|
b) § 24 UStG ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) richtlinienkonform
entsprechend Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG - bzw. seit dem
1.1.2007 nach Art. 295 ff. der MwStSystRL - auszulegen (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 13.8.2008 XI R 8/08, BFHE 221, 569, BStBl II 2009,
216 = SIS 08 40 95; vom 19.11.2009 V R 16/08, BFHE 227, 275, BStBl
II 2010, 319 = SIS 09 39 24; vom 13.1.2011 V R 65/09, BFHE 233, 72,
BStBl II 2011, 465 = SIS 11 09 29; vom 13.11.2013 XI R 2/11, BFHE
243, 462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, Rz 21 bis 24; vom
10.9.2014 XI R 33/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt,
DStR 2015, 111 = SIS 15 00 04, Rz 16).
|
|
|
18
|
aa) § 24 UStG „beruht“
nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 8/1779, 49) auf Art. 25
der Richtlinie 77/388/EWG. Der deutsche Gesetzgeber hat die
unionsrechtlichen Vorgaben aber bislang lediglich dadurch
„umgesetzt“, dass er die bei der Verabschiedung
der Richtlinie 77/388/EWG bestehende nationale Regelung im
Wesentlichen fortgeführt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243,
462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, Rz 22; Klenk in Sölch/
Ringleb, Umsatzsteuer, § 24 Rz 1 ff., 21 ff.; Tehler in
Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 24 Rz 1 ff., 31 ff.; Lange
in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz 5 ff., 11 ff.).
|
|
|
19
|
bb) Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche
Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen
Mehrwertsteuerregelung oder ggf. der vereinfachten Regelung nach
Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen
würde, als Ausgleich für die Belastung durch die
Mehrwertsteuer, die auf die von Pauschallandwirten bezogenen
Gegenstände und Dienstleistungen bezahlt wird, eine
Pauschalregelung anwenden.
|
|
|
20
|
Als landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S.
von Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie
77/388/EWG gelten die in Anhang B aufgeführten Leistungen, die
von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner
Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines
landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs
vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG sind
dies Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen
Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich
dieser Bestimmung „Hüten, Zucht und Mästen von
Vieh“.
|
|
|
21
|
Dem entsprechen die seit dem 1.1.2007
geltenden unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 296 der MwStSystRL
sowie in Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Anhang VIII Nr. 4 der
MwStSystRL.
|
|
|
22
|
c) Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt Art.
25 der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. seit dem 1.1.2007 Art. 296 Abs.
1 der MwStSystRL) nur für die Lieferung landwirtschaftlicher
Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher
Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung (bzw. seit
dem 1.1.2007 Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL) definiert sind;
dagegen unterliegen die sonstigen Umsätze der
Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung
(EuGH-Urteile vom 15.7.2004 C-321/02, Harbs, Slg. 2004, I-7101,
BFH/NV Beilage 2004, 371 = SIS 04 28 53, Rz 31 und 36, sowie vom
26.5.2005 C-43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage
2005, 320 = SIS 05 30 11, Rz 21).
|
|
|
23
|
Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der
Richtlinie 77/388/EWG (bzw. seit dem 1.1.2007 Art. 296 der
MwStSystRL) eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit
anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist
(EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371,
Rz 27, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005,
320, Rz 24). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die
Steuer auf von den Landwirten bezogene Gegenstände und
Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den
landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen
eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder
Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird,
wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder
landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen (EuGH-Urteile Harbs
in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371, Rz 29, und Stadt
Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320, Rz 28).
|
|
|
24
|
Als „landwirtschaftliche
Dienstleistungen“ sind daher nicht Leistungen anzusehen,
die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf
normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben
verwendete Mittel beziehen (EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004,
I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371, Rz 31, und Stadt Sundern in Slg.
2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320, Rz 29).
|
|
|
25
|
d) Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung
des BFH (vgl. z.B. Urteile in BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216 =
SIS 08 40 95; in BFHE 227, 275, BStBl II 2010, 319 = SIS 09 39 24;
in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465 = SIS 11 09 29; in BFHE 243,
462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, Rz 24, m.w.N.). Danach
unterliegen insbesondere die Umsätze eines Landwirts aus dem
Einstellen, Füttern und Betreuen von Reitpferden (sog.
Pensionspferdehaltung) nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach
§ 24 UStG (BFH-Urteile in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465 =
SIS 11 09 29; vom 30.3.2011 XI R 9/10, BFH/NV 2011, 1405 = SIS 11 23 86, und XI R 26/09, BFH/NV 2011, 1540 = SIS 11 26 45). Dies gilt
auch für die Pensionspferdehaltung von Freizeitpferden
(BFH-Urteil in DStR 2015, 111 = SIS 15 00 04).
|
|
|
26
|
2. Bei der Anwendung dieser
Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass die
bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG seine
Entscheidung nicht tragen, dass die streitbefangenen Umsätze
nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG
unterliegen.
|
|
|
27
|
a) Das FG hat zunächst in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass
die vom Kläger gegenüber den Einstellern der Pferde
erbrachten Zucht- und Pensionsleistungen als einheitliche
Dienstleistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG zu qualifizieren
sind.
|
|
|
28
|
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich
der BFH angeschlossen hat, ist in der Regel jede Lieferung oder
Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu
betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von
Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte
Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind
unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die
charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit
darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht
künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere
formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher
Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 10.1.2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013,
352 = SIS 13 07 90, Rz 17 ff., m.w.N.; vom 23.1.2013 XI R 27/11,
BFHE 240, 422, BStBl II 2013, 458 = SIS 13 08 41, Rz 25,
m.w.N.).
|
|
|
29
|
bb) Ob im konkreten Fall eine einheitliche
Leistung vorliegt, haben im Rahmen der mit Art. 267 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen,
die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen
haben (EuGH-Urteil vom 10.3.2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09,
C-502/09, Bog u.a., Slg. 2011, I-1457 = SIS 11 06 35, BStBl II
2013, 256 = SIS 11 06 35, Rz 55, m.w.N.). Die erforderliche
Gesamtbetrachtung ist im Wesentlichen das Ergebnis einer
tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH
grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet
(z.B. BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352 = SIS 13 07 90, Rz 29, m.w.N.).
|
|
|
30
|
cc) Ausgehend hiervon ist die Würdigung
des FG nicht zu beanstanden, wonach die vom Kläger
gegenüber den Einstellern erbrachten Zucht- und
Pensionsleistungen aus der Sicht eines objektiven
Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen
Vorgang darstellen, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart
eng miteinander verbunden sind, dass eine Aufspaltung
wirklichkeitsfremd wäre.
|
|
|
31
|
Das FG weist zutreffend darauf hin, dass der
Kläger die Zuchtleistungen nur erbringen konnte, wenn er die
Pferde der Einsteller zugleich in Pension nahm. Pensions- und
Zuchtleistungen seien besonders aufeinander abgestimmt (spezielles
Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der
Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch
fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen
in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen
etc.).
|
|
|
32
|
Dem FG ist auch darin zu folgen, dass sich an
dieser Beurteilung nicht deshalb etwas ändert, weil die
Pensionsleistungen und zusätzlich erbrachte Zuchtleistungen
getrennt voneinander abgerechnet worden seien. Denn bei der
gebotenen Gesamtbetrachtung kommt dem Umstand, ob ein Gesamtpreis
in Rechnung gestellt wird, nach der Rechtsprechung des EuGH keine
entscheidende Bedeutung zu, auch wenn es für das Vorliegen
einer einheitlichen Leistung sprechen kann, wenn ein
Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen
zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises
erbringt (vgl. EuGH-Urteil vom 25.2.1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999,
I-973, UR 1999, 254 = SIS 99 10 25, Rz 31).
|
|
|
33
|
b) Entgegen der Auffassung des FG sind die von
dem Kläger erbrachten Pensionsleistungen zu Zuchtzwecken aber
nicht allein deshalb von der Anwendung der
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG ausgeschlossen,
weil die Halter keine Land- oder Forstwirte sind.
|
|
|
34
|
aa) Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist
umstritten. Während teilweise die Auffassung der
Finanzverwaltung geteilt wird, eine
„Pensionsleistung“ an einen Nichtlandwirt bzw.
Nichtforstwirt trage von vornherein nicht zur landwirtschaftlichen
Produktion bei und diene keinen landwirtschaftlichen Zwecken
(Abschn. 24.3. Abs. 5 und Abs. 11 Satz 2 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE - ; FG Münster, Urteil
vom 18.8.2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979 = SIS 09 34 95; so
wohl auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13.2.2009 1 K 107/08 U,
EFG 2009, 877 = SIS 09 17 85, sowie Windecker in
Plückebaum/Widmann, UStG, § 24 Rz 148 f.), wird diese
Einschränkung auch abgelehnt bzw. für zweifelhaft
gehalten (Niedersächsisches FG, Urteil vom 5.11.2009 16 K
10340/07 = SIS 10 10 89; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.6.2011 6
K 2287/09, EFG 2011, 2025 = SIS 11 25 26, nicht rechtskräftig,
vgl. hierzu das nachfolgende BFH-Urteil in BFHE 240, 422, BStBl II
2013, 458 = SIS 13 08 41; Lange in Offerhaus/Söhn/Lange,
§ 24 UStG Rz 274 und Rz 360).
|
|
|
35
|
bb) Die Einschränkung der Anwendung der
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG bei
Dienstleistungen dahingehend, dass diese an Land- oder Forstwirte
erbracht werden müssen, hält der Senat nicht für
gerechtfertigt.
|
|
|
36
|
Eine derartige Begrenzung des
Anwendungsbereichs der Pauschalbesteuerung lässt sich weder
den unionsrechtlichen Vorgaben noch den einschlägigen
nationalen Bestimmungen entnehmen. Insbesondere Anhang B vierter
Gedankenstrich zu Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG und Anhang VIII
Nr. 4 zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL enthalten für
den begünstigten Bereich „Hüten, Zucht und
Mästen von Vieh“ keine entsprechende
Einschränkung (vgl. auch Lange in Offerhaus/Söhn/Lange,
§ 24 UStG Rz 360).
|
|
|
37
|
Vielmehr ergibt sich entsprechend dem
Vorbringen des Klägers schon aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs.
5 Buchst. c und Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 300
Nr. 3 und Art. 301 Abs. 2 der MwStSystRL), dass die Anwendung der
Durchschnittssatzbesteuerung auch bei Dienstleistungen möglich
ist, bei denen der Leistungsempfänger kein Land- oder
Forstwirt ist. Denn nach Art. 25 Abs. 5 Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG werden die in Absatz 3 vorgesehenen Prozentsätze -
ohne Steuer - u.a. auf den Preis der landwirtschaftlichen
Dienstleistungen angewendet, die von Pauschallandwirten
„an andere Steuerpflichtige als jene erbracht werden,
für die im Inland die Pauschalregelung des vorliegenden
Artikels gilt“. In Art. 25 Abs. 8 der Richtlinie
77/388/EWG heißt es, dass bei den in Absatz 5 nicht genannten
Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und
landwirtschaftlicher Dienstleistungen davon ausgegangen wird,
„dass die Zahlung des Pauschalausgleichs durch den
Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger geschieht“.
Aus diesen Formulierungen geht hervor, dass eine Beschränkung
des Pauschalausgleichs auf Land- und Forstwirte als
Dienstleistungsempfänger in den unionsrechtlichen Vorgaben
nicht enthalten ist (vgl. auch BFH-Beschluss vom 27.11.2003 V R
28/03, BFHE 204, 340, BFH/NV 2004, 449 = SIS 04 05 71, unter IV.2.b
bb, Rz 84). Der Zweck der Regelung (vgl. dazu unter II.1.c;
BFH-Urteil vom 14.6.2007 V R 56/05, BFHE 217, 298, BStBl II 2008,
158 = SIS 07 34 86, unter II.3.b bb, Rz 47, m.w.N.; Klenk in
Sölch/Ringleb, a.a.O., § 24 Rz 11 ff.) gebietet diese
Einschränkung ebenso wenig.
|
|
|
38
|
Auch in seinen Schlussanträgen in der
Rechtssache Harbs hat Generalanwalt Léger zu Art. 25 Abs. 8
der Richtlinie 77/388/EWG im Rahmen der Darstellung des rechtlichen
Rahmens der Regelung darauf hingewiesen, dass der Pauschallandwirt
seine Leistungen gleichfalls gegenüber nicht
mehrwertsteuerpflichtigen Abnehmern oder nicht
mehrwertsteuerpflichtigen Dienstleistungsempfängern erbringen
kann (Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom
11.3.2004 Harbs, Slg. 2004, I-7101, Rz 9).
|
|
|
39
|
Diese Auffassung steht im Einklang mit der
Rechtsprechung des BFH, der im Zusammenhang mit der
Veräußerung von Waren in einem sog. Hofladen bereits
entschieden hat, dass auch Umsätze an Nichtunternehmer
(Endverbraucher) der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach
Durchschnittssätzen unterliegen können (BFH-Urteil vom
6.12.2001 V R 43/00, BFHE 197, 330, BStBl II 2002, 701 = SIS 02 06 45, unter II.3.c).
|
|
|
40
|
cc) Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich
nichts Gegenteiliges aus dem BFH-Urteil vom 3.12.1998 V R 48/98
(BFHE 187, 352, BStBl II 1999, 150 = SIS 99 06 47), weil der dieser
Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt dem Streitfall schon
nicht vergleichbar war. Denn dort ging es um die Vermietung einer
Lagerhalle an einen außerlandwirtschaftlichen Unternehmer.
Der BFH hat insoweit lediglich aus einer Gesamtschau der
Umstände des Einzelfalls gefolgert, dass es insgesamt an dem
für eine landwirtschaftliche Dienstleistung erforderlichen
Merkmal „zu landwirtschaftlichen Zwecken“ fehlte
(BFH-Urteil in BFHE 187, 352, BStBl II 1999, 150 = SIS 99 06 47,
unter II.1., Rz 15). Eine allgemeine Aussage dahingehend, dass
für die Anwendbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung der
Dienstleistungsempfänger stets ein Land- oder Forstwirt sein
müsse, lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen
(vgl. auch Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz
274).
|
|
|
41
|
Zwar tragen Dienstleistungen an Nichtlandwirte
(z.B. Ausbringung von Klärschlämmen, Pflege von
Sportplätzen, Überlassung von Wirtschaftsgütern und
Personalgestellung an Gewerbetreibende, Winterdienst für die
Gemeinde) normalerweise nicht zur landwirtschaftlichen Erzeugung
bei, wie dies von Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG und von Art.
295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL vorausgesetzt wird (zutreffend
Klenk in Sölch/ Ringleb, a.a.O., § 24 Rz 82). Das gilt
auch für einen Pensionspferdebetrieb eines Landwirts, ist aber
anders, wenn nicht private Reit- und Sportpferde, sondern
landwirtschaftlich (oder forstwirtschaftlich) genutzte Pferde
eingestellt werden (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O.,
§ 24 Rz 86).
|
|
|
42
|
Danach scheidet bei einer Pensionshaltung von
Pferden die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung aus, wenn
die betreuten Pferde aus privaten Gründen zu Freizeitzwecken
gehalten werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 72, BStBl II 2011,
465 = SIS 11 09 29; in BFH/NV 2011, 1405 = SIS 11 23 86; in BFH/NV
2011, 1540 = SIS 11 26 45, und in DStR 2015, 111 = SIS 15 00 04)
nicht aber dann, wenn die Pferde von ihren Haltern - ausnahmsweise
- zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden (vgl.
Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 1112). Dasselbe gilt bei der
streitbefangenen „Pensionspferdehaltung zu
Zuchtzwecken“.
|
|
|
43
|
3. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher
aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann nicht
durcherkennen, weil das FG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung
zu Recht - bislang noch keine tatsächlichen Feststellungen zu
der Frage getroffen hat, ob - und ggf. in welchem Umfang - die
Pensionspferde (Stuten und Fohlen) von den Einstellern zu land-
oder forstwirtschaftlichen Zwecken gehalten wurden.
|
|
|
44
|
Soweit dies der Fall ist, wird das FG
prüfen müssen, ob der Kläger die
Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken mithilfe von
Wirtschaftsgütern erbracht hat, die seinem normalen
Ausrüstungsbestand zuzurechnen waren bzw. hierfür
Wirtschaftsgüter verwendet hat, die nicht dem
betriebsgewöhnlichen Ausrüstungsbestand des land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs zuzurechnen waren (vgl. Art. 25 Abs.
2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG; s. dazu
EuGH-Urteil Harbs in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371,
Rz 34).
|
|
|
45
|
Das FG wird die entsprechenden
tatsächlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen
haben.
|
|
|
46
|
4. Da der Senat keine Zweifel an der gebotenen
Auslegung des Unionsrechts hat, sieht er keine Veranlassung
für die Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens an
den EuGH nach Art. 267 AEUV. 47
|
|
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|