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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) unterhielt im Streitjahr 2005 einen
landwirtschaftlichen Betrieb mit Pferdehaltung auf einer zur
landwirtschaftlichen Nutzung bestimmten Fläche. Die
Klägerin hatte Weideflächen für die Pferdehaltung
sowie Ackerflächen zum Anbau von Hafer darüber hinaus
auch gepachtet. Der Futterbedarf der Tiere wurde teilweise mit
selbst angebautem Hafer gedeckt, im Übrigen erfolgte ein
Zukauf von Futtermitteln.
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Neben 15 eigenen Pferden betreute sie im
Streitjahr ca. 15 Pensionspferde. Die Grundversorgung der Pferde
(Unterbringung, Fütterung und Mistentsorgung) erfolgte durch
die Klägerin, die hierfür mit den Eigentümern der
Pferde einen Pauschalsatz vereinbart hatte. Alle Spezial- und
Sonderkosten (z.B. für tierärztliche Behandlungen oder
Extrafutter) waren darüber hinaus gesondert zu entrichten.
Schriftliche Verträge über die Pensionspferdehaltung
bestanden nicht.
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Bei den Pensionstieren handelte es sich
ausschließlich um Pferde, die die Eigentümer zur
Ausübung des Freizeitsports nutzten. Die Pferde der Einsteller
waren zusammen mit den eigenen Tieren der Klägerin
untergebracht. Die Klägerin fütterte die Pensionspferde
bei Abwesenheit der Pferdehalter und brachte die Tiere in die
Außenanlagen wie Wiesen. Anfallenden Mist brachte die
Klägerin auf eigenen Flächen aus. Eingefahrenes Stroh und
Heu verwendete sie für die Pferdehaltung.
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Auf dem Gelände der Klägerin
befand sich eine überdachte Reithalle, die der Klägerin
gelegentlich zur Erteilung von Reitunterricht diente. Die Halle
stand den Einstellern der Pensionspferde ohne gesonderte Berechnung
zur Verfügung. Eine Nutzung der eingestellten Tiere durch die
Klägerin erfolgte nicht.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) ging entgegen der Auffassung der Klägerin
davon aus, dass die Umsätze aus Pensionspferdehaltung nicht
der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des
Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG), sondern der Besteuerung nach
dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG unterliegen. Der
gegen den Steuerbescheid für das Streitjahr 2005 eingelegte
Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) der Klage statt. Die Klägerin habe eine einheitliche
sonstige Leistung erbracht, auf die § 24 UStG anzuwenden sei.
Die Klägerin habe Vieh gehütet, wozu auch die
Inobhutnahme von Pferden gehöre. Die Klägerin habe die
umfassende Versorgung der Pferde übernommen. Die Nutzung der
Reitanlage sei nur „ein Abfallprodukt“ hierzu. Die
Reithalle sei nur „aus Gelegenheit“ überlassen
worden. Hierfür seien keine gesonderten Zahlungen erfolgt. Bei
den Leistungen der Klägerin handele es sich weiter um
Leistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion
beitrügen, da die Futterversorgung vorrangig mit Hafer erfolgt
sei, den die Klägerin auf eigenen landwirtschaftlichen
Flächen angebaut habe.
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Mit seiner Revision macht das FA
sinngemäß geltend, dass das FG § 24 UStG
unzutreffend angewendet habe. Der Leistungsempfänger der
Pensionsleistung müsse selbst landwirtschaftlicher Erzeuger
sein. Reitpferde seien anders als Zucht- oder Arbeitspferde nicht
für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung
bestimmt, sondern würden für die Ausübung von
Freizeitsport genutzt. Auf die Eigenproduktion oder den Zukauf der
Futtergrundlage komme es nicht an. Die Einsteller hätten neben
der Reithalle auch eine Reitbahn nutzen können.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend die Anwendung von
§ 24 UStG bejaht. Bei Zweifeln, ob ein landwirtschaftlicher
Betrieb vorliege, seien die einkommensteuer- und
gewerbesteuerrechtlichen Grundsätze maßgeblich.
Unerheblich sei, welchen Zwecken die landwirtschaftliche Leistung
beim Leistungsempfänger diene. Die Verwendung durch den Kunden
sei unerheblich. Die Pensionspferde gehörten zum Betrieb der
Landwirtschaft. Die Veredelung eigener Pferde sei
einkommensteuerrechtlich Tierhaltung. Dies gelte auch
gemeinschaftsrechtlich.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die
Klägerin ist nicht berechtigt, die Leistungen aus der
Pensionspferdehaltung nach § 24 UStG zu besteuern.
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1. Für die im Rahmen eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze wird
die Steuer für Dienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 3 Abs. 9 UStG gemäß § 24 Abs. 1 Satz
1 Nr. 3 UStG auf neun Prozent der Bemessungsgrundlage
festgesetzt.
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a) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb
gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
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„1. die Landwirtschaft, die
Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die
Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit
Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die
Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und
Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die
Saatzucht; 2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre
Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des
Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung
gehören“.
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Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb
gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG auch die
Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu
dienen bestimmt sind.
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b) § 24 UStG ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) richtlinienkonform
entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.8.2008 XI R
8/08, BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216 = SIS 08 40 95; vom
19.11.2009 V R 16/08, BFHE 227, 275, BStBl II 2010, 319 = SIS 09 39 24).
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Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger,
bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder
gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der
Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde,
als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die
auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und
Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach
Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie
77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in
Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem
landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte
und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen,
forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden.
Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der
Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur
landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem
vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung „Hüten,
Zucht und Mästen von Vieh“.
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2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Union (EuGH) gilt Art. 25 der Richtlinie
77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher
Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher
Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert
sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der
Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung
(EuGH-Urteile vom 15.7.2004 C-321/02, Harbs, Slg. 2004, I-7101,
BFH/NV Beilage 2004, 371 = SIS 04 28 53 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom
26.5.2005 C-43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage
2005, 320 = SIS 05 30 11 Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der
Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten
Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (EuGH-Urteil Stadt
Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 24).
Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG
eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als
dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (EuGH-Urteile
Harbs in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnr. 27, und
Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr.
27). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf
die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und
Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den
landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen
eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder
Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird,
wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder
landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen (EuGH-Urteile Harbs
in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnr. 29, und Stadt
Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 28).
Als „landwirtschaftliche Dienstleistungen“ sind
daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen
Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst-
und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen
(EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101, BFH/NV 2004, 371 Rdnr.
31, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491, BFH/NV Beilage 2005,
320 Rdnr. 29).
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Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung des
BFH (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216 =
SIS 08 40 95, und in BFHE 227, 275, BStBl II 2010, 319 = SIS 09 39 24). Danach ist insbesondere die Nutzung land- und
forstwirtschaftlicher Flächen zur Verschaffung von
Freizeiterlebnissen keine landwirtschaftliche Dienstleistung
(BFH-Urteil in BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216 = SIS 08 40 95,
unter II.2.a bb). Im Übrigen ist die ertragsteuerrechtliche
Beurteilung ohne Bedeutung (BFH-Urteil in BFHE 221, 569, BStBl II
2009, 216 = SIS 08 40 95, unter II.3.).
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3. Im Streitfall unterliegen die Leistungen
der Klägerin entgegen dem Urteil des FG nicht der Besteuerung
nach § 24 UStG.
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a) Das FG hat zutreffend die Einheitlichkeit
der von der Klägerin bei der Pensionspferdehaltung erbrachten
Leistung bejaht und diese zu Recht als sonstige Leistung angesehen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf
sein Urteil vom 25.6.2009 V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010,
239 = SIS 09 26 35).
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b) Die einheitliche sonstige Leistung
unterliegt aber entgegen dem FG-Urteil nicht der Besteuerung nach
§ 24 UStG.
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Das FG hat insoweit nicht hinreichend
berücksichtigt, dass es sich bei den von der Klägerin
betreuten Pferden weder um Zucht- noch um Arbeitspferde, sondern um
Sportpferde handelte, die „von ihren Eigentümern zur
Ausübung des Freizeitsports genutzt“ wurden und
damit Reitsportzwecken dienten. Bei der umsatzsteuerrechtlichen
Beurteilung der Pferdepensionsleistungen ist entscheidend, dass die
einzelnen Tätigkeiten der Klägerin für die
Leistungsempfänger keinen eigenständigen Zweck hatten,
sondern dazu dienten, den Einstellern das Reiten als
Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Ob dabei eigene
Futtermittel verwendet werden, ist entgegen der Auffassung des FG
ohne Bedeutung. Denn die Einstellungsverträge für
Reitsportpferde dienen der mit der Einstellung verbundenen
Möglichkeit zur Ausübung des Reitsports. Bestätigt
wird dies im Streitfall zusätzlich, dass die Eigentümer
der Pferde die Außenanlagen des Betriebs der Klägerin
wie Reithalle und Reitbahn nutzen konnten. Ob dies nur
„aus Gelegenheit“ des Vorhandenseins dieser
Anlage erfolgte oder weil diese Anlagen z.B. für eine
Pensionspferdehaltung errichtet werden, ist unerheblich, da es
nicht auf die Motive der Anlagenerrichtung, sondern auf deren
Nutzung im Streitjahr ankommt. Bei der von der Klägerin
erbrachten Leistung handelt es sich daher nicht um eine
Dienstleistung, die - wie von Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG
vorausgesetzt - normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion
beiträgt. Für die Auffassung, dass Leistungen zum
Einstellen von Reitsportpferden nicht von § 24 UStG erfasst
werden dürfen, spricht auch der Grundsatz enger Auslegung (s.
oben II.2.) und weiter das Ziel der Pauschalregelung, die Belastung
landwirtschaftlicher Leistungen durch die Steuer auf die von den
Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch
auszugleichen (s. oben II.2.). Beides erfordert nicht die Anwendung
des § 24 UStG auf die Pensionspferdehaltung. Ob das Hüten
von Vieh voraussetzt, dass Tiere bei der landwirtschaftlichen
Produktion eingesetzt werden, ist damit im Streitfall nicht
entscheidungserheblich.
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4. Die Umsätze der Klägerin
unterliegen auch nicht dem ermäßigten Steuersatz nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG (BFH-Beschluss vom 23.2.2010 V B 93/09,
BFH/NV 2010, 963 = SIS 10 12 69).
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