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AdV-Verfahren, keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge

AdV-Verfahren, keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge: 1. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (entgegen BFH-Beschlüsse vom 31.8.2021 - VII B 69/21 (AdV), und vom 23.5.2022 - V B 4/22 (AdV) = SIS 22 12 06). - 2. Aus unionsrechtlichen Grundsätzen (Äquivalenz-, Effizienz-, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzip) folgen ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (Anschluss an BFH-Beschluss vom 23.5.2022 - V B 4/22 (AdV) = SIS 22 12 06, Rz 33 ff.). - Urt.; BFH 28.10.2022, VI B 15/22 (AdV); SIS 22 19 76

Kapitel:
Verschiedenes > Säumniszuschlag, Verspätungszuschlag
Fundstellen
  1. BFH 28.10.2022, VI B 15/22 (AdV) (ECLI:DE:BFH:2022:BA.281022.VIB15.22.0)
    BStBl 2023 II S. 12
    DStR 2022 S. 2437

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 21.12.2022
    S. Geserich in BFH/PR 3/2023 S. 87
    J.H. in StuB 23/2022 S. 951
    K.K. in kösdi 12/2022 S. 22999
    T. Köster in DStZ 1-2/2023 S. 10
    B. Rätke in BBK 24/2022 S. 1126
Normen
[AO 1977] § 218 Abs. 2, § 227, § 233 a, § 238, § 240
[EStG] § 38 Abs. 2
[FGO] § 69
[GG] Art. 3 Abs. 1, Art. 100
[UStG] § 14
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 14.02.2022, SIS 22 04 57, Säumniszuschlag, Verfassung, Vollziehung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Rheinland-Pfalz 5.12.2023, SIS 24 00 64, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften: Die betrags...
  • FG Rheinland-Pfalz 23.11.2023, SIS 23 19 87, Ernstliche Zweifel an der Grundsteuerwertfeststellung im sog. Bundesmodell: 1. Steuerpflichtige können ge...
  • FG Rheinland-Pfalz 23.11.2023, SIS 23 19 88, Ernstliche Zweifel an der Grundsteuerwertfeststellung im sog. Bundesmodell: 1. Steuerpflichtige können ge...
  • FG des Saarlandes 13.11.2023, SIS 24 00 16, Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer verstößt nicht gegen Unionsrecht: 1. Die Vorschri...
  • FG Hamburg 2.8.2023, SIS 23 16 51, Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen nach § 240 AO: 1. § 240 AO ist für Säumniszuschläge, die in de...
  • FG Münster 14.6.2023, SIS 23 11 78, Änderungsbefugnis bei fehlerhafter Berücksichtigung korrekter, elektronisch übermittelter Daten nach § 17...
  • FG Baden-Württemberg 24.3.2023, SIS 23 08 73, Anwendbarkeit des § 237 AO bei AdV nach Art. 244 ZK bzw. Art. 45 UZK ernstlich zweifelhaft: 1. Es ist ern...
  • FG Münster 8.3.2023, SIS 23 06 28, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes der Aussetzungszinsen: 1. Die Vollverzinsung nach § 233 a AO ist desh...
  • FG Münster 10.2.2023, SIS 23 06 26, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes der Aussetzungszinsen: 1. Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der ...
  • BMF 23.1.2023, SIS 23 02 97, Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO): Der AEAO wurde in zahlreichen Punkten geändert...
  • BFH 18.1.2023, SIS 23 03 01, Vorläufiger Rechtsschutz, Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses bei verfassungsrechtlichen Z...
  • BFH 28.12.2022, SIS 23 09 02, Aussetzung der Vollziehung, Säumniszuschläge: 1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des...
  • FG Münster 22.12.2022, SIS 23 01 94, Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit von Säumniszuschlägen: 1. Die Höhe der Säumniszuschläge begegnet...
  • Niedersächsisches FG 21.12.2022, SIS 23 03 32, Verfassungskonforme Höhe von steuerrechtlichen Säumniszuschlägen: Die Höhe der Säumniszuschläge ist nicht...
  • FG Köln 28.11.2022, SIS 23 04 84, Duldungsbescheid und Vorsatzanfechtung bei der Überlassung eines Girokontos (sog. "Kontoleihe") an Dritte...
  • BFH 15.11.2022, SIS 23 05 18, Zur Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen: Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Sat...
  • FG Münster 15.6.2022, SIS 24 03 43, Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen: 1. Ein Abrechnungsbescheid stellt einen vo...
Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 14.02.2022 - 8 V 2789/21 = SIS 22 04 57 aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und zur Umsatzsteuer für Juli 2021 vom 02.09.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, spätestens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe auszusetzen, wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

 

1

I. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 233a der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 238 AO vom 08.07.2021 in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 betreffend die Vollverzinsung in fixer Höhe von 0,5 % pro Monat (BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23) über die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen.

 

 

2

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist ...

 

 

3

Die Lohnsteuer für Juli 2021 in Höhe von 2.805,54 EUR und die Umsatzsteuer für Juli 2021 in Höhe von 1.435,68 EUR entrichtete die Antragstellerin trotz Fälligkeit zum 10.08.2021 erst am 20.08.2021. Die durch die verspätete Zahlung nach § 240 AO entstandenen und für einen angefangenen Monat berechneten Säumniszuschläge in Höhe von 28 EUR zur Lohnsteuer und 14 EUR zur Umsatzsteuer beglich sie nicht.

 

 

4

Auf Antrag der Antragstellerin erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA - ) am 02.09.2021 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, der die vorgenannten Säumniszuschläge zulasten der Antragstellerin auswies.

 

 

5

Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 233a AO bestünden ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge.

 

 

6

Das FA stellte das Einspruchsverfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren VII R 55/20 ruhend. Den Antrag auf AdV lehnte es ab.

 

 

7

Hierauf beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids. Zur Begründung verwies sie u.a. auf den nicht veröffentlichten BFH-Beschluss vom 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV) betreffend die AdV von Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag für 2015, 2017 und 2018 sowie zur Einkommensteuervorauszahlung für das 1. Kalendervierteljahr 2020. Auch danach bestünden ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge.

 

 

8

Mit Beschluss vom 14.02.2022 - 8 V 2789/21 hat das FG die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 02.09.2021 betreffend die Säumniszuschläge zur Lohn- und zur Umsatzsteuer für Juli 2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, spätestens bis zu einer anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe ausgesetzt. Im Hinblick auf den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23 und die teilweise darauf gründende Rechtsprechung des VII. Senats des BFH betreffend ernstlicher verfassungsrechtlicher Zweifel an § 240 Abs. 1 Satz 1 AO (BFH-Urteil vom 30.06.2020 - VII R 63/18, BFHE 270, 7, BStBl II 2021, 191 = SIS 20 19 13, sowie BFH-Beschlüsse vom 14.04.2020 - VII B 53/19 = SIS 20 19 00, und vom 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV)) erscheine die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge wegen des darin enthaltenen Zinsanteils, soweit sie - wie hier - nach dem 31.12.2018 entstanden seien, ernstlich zweifelhaft. Im Streitfall sei AdV in vollem Umfang zu gewähren, da die einheitliche Regelung in § 240 AO zur unteilbar gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder - wie vorliegend - verfassungswidrig sein könne. Eine nur hälftige Aussetzung in Höhe eines gedachten Zinsanteils komme daher nicht in Betracht.

 

 

9

Über den Einspruch der Antragstellerin hat das FA bislang noch nicht entschieden.

 

 

10

Gegen die AdV des Abrechnungsbescheids wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

 

11

Es beantragt sinngemäß,

 

den Beschluss des FG Münster vom 14.02.2022 - 8 V 2789/21 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und zur Umsatzsteuer für Juli 2021 vom 02.09.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, spätestens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe auszusetzen, abzulehnen.

 

 

12

Die Antragstellerin ist der Beschwerde unter Verweis auf den BFH-Beschluss vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV) = SIS 22 12 06 entgegengetreten.

 

 

13

II. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des FG vom 14.02.2022 - 8 V 2789/21 = SIS 22 04 57 ist aufzuheben und der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge zur Lohn- und Umsatzsteuer für Juli 2021 vom 02.09.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, spätestens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe auszusetzen, abzulehnen. Zum einen hat der beschließende Senat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der nach dem 31.12.2018 verwirkten Säumniszuschläge und folglich auch nicht an den streitbefangenen Säumniszuschlägen zur Lohn- und Umsatzsteuer für Juli 2021. Zum anderen fehlt es auch an dem jedenfalls im Streitfall erforderlichen (besonderen) Aussetzungsinteresse.

 

 

14

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.

 

 

15

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 30.03.2021 - V B 63/20 (AdV) = SIS 21 12 83, und vom 08.04.2009 - I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437 = SIS 09 26 67). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 07.09.2011 - I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12). Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (s. BFH-Beschluss vom 04.07.2019 - VIII B 128/18 = SIS 19 12 30, Rz 12) oder sich aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12.12.2013 - XI B 88/13 = SIS 14 07 34, Rz 15).

 

 

16

2. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren Betrag.

 

 

17

3. Der beschließende Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge.

 

 

18

a) Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23.

 

 

19

aa) Ausgangspunkt der in der Entscheidung des BVerfG vom 08.07.2021 als verfassungswidrig angesehenen Ungleichbehandlung war die in § 233a Abs. 2 Satz 1 AO geregelte fünfzehnmonatige Karenzzeit, welche nach Ansicht des BVerfG zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen führt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 103); nämlich derjenigen Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit (zutreffend) festgesetzt wurde, gegenüber denjenigen, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wurde, mithin eine Ungleichbehandlung zinszahlungspflichtiger gegenüber nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 104). Dabei spielte die Frage, ob ein Zinssatz von monatlich 0,5 % den durch eine Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen auszugleichenden Vorteil der Höhe nach realitätsgerecht abbildet, erst in der anschließenden Rechtfertigungsprüfung nach strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen eine Rolle (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 109 ff.).

 

 

20

bb) Die nach § 233a AO geregelte Vollverzinsung soll stark typisierend objektive Zins- und Liquiditätsvorteile erfassen, die dadurch entstehen, dass zwischen Entstehung des Steueranspruchs und seiner Fälligkeit nach Festsetzung ein Zeitraum von mehreren Jahren liegen kann (vgl. BeckOK AO/Oosterkamp, 21. Ed. [01.07.2022], AO § 233a Rz 1). Nachzahlungszinsen sind dementsprechend - anders als etwa ein Verspätungszuschlag - weder Sanktion noch Druckmittel (vgl. insoweit BT-Drucks. 8/1410, S. 4; BT-Drucks. 19/20836, S. 5), sondern ein Ausgleich für die Kapitalnutzung (vgl. BT-Drucks. 8/1410, S. 4; BR-Drucks. 324/18, S. 2). Die Vollverzinsung hat keine zusätzliche Lenkungsfunktion dahingehend, die Steuerpflichtigen dazu anzuhalten, ihre Steuererklärungen frühzeitig abzugeben oder etwaige Vorauszahlungen angemessen anzusetzen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 126). Die Regelung wirkt sowohl zugunsten (im Fall der Steuererstattung) wie zuungunsten (im Fall der Steuernachforderung) der Steuerpflichtigen. Darauf, ob sie tatsächlich einen Zinsvorteil oder -nachteil durch die späte Steuerfestsetzung erzielt haben, kommt es nicht an. Auch die Gründe für die späte Steuerfestsetzung und insbesondere, ob die Steuerpflichtigen oder die Behörde hieran ein Verschulden trifft, sind für die Anwendung des § 233a AO unerheblich (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 7).

 

 

21

cc) Säumniszuschläge sind demgegenüber ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgerecht zahlen (z.B. BFH-Beschluss vom 02.03.2017 - II B 33/16, BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646 = SIS 17 04 51, Rz 32, sowie BFH-Urteile vom 19.12.2000 - VII R 63/99, BFHE 193, 524, BStBl II 2001, 217 = SIS 01 05 77, unter II., und vom 30.03.2006 - V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612 = SIS 06 23 05, unter II.2., jeweils m.w.N.).

 

 

22

dd) Neben der den Säumniszuschlägen zukommenden Lenkungsfunktion unterscheiden sich diese von Nachzahlungszinsen insbesondere dadurch, dass der Steuerpflichtige - anders als bei der Vollverzinsung - grundsätzlich die Wahl hat, ob er den Tatbestand der Säumnis verwirklicht und deshalb die Säumniszuschläge nach § 240 AO entstehen oder ob er die Steuerschuld bei Fälligkeit tilgt und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu günstigeren Konditionen beschafft (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23, Rz 243, und vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22). Dem steht nicht entgegen, dass Säumniszuschläge kraft Gesetz entstehen, ohne dass es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen ankommt (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646 = SIS 17 04 51, Rz 32, m.w.N.).

 

 

23

b) § 233a AO und § 240 AO regeln folglich unterschiedliche Sachverhalte. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede von Nachzahlungszinsen und Säumniszuschlägen kann die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 = SIS 21 14 23 zur Vollverzinsung auf § 240 AO auch nicht allein wegen eines gedachten Zinsanteils der Säumniszuschläge übertragen werden. Ebenso wenig werden unter Berücksichtigung dieser Entscheidung - etwa im Wege eines „Erst-Recht-Schlusses“ - ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge begründet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22, Rz 26).

 

 

24

c) Vielmehr vermag der Senat angesichts der aufgezeigten Unterschiede zwischen Säumniszuschlägen gemäß § 240 AO und Zinsen nach § 233a AO keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von säumigen und nicht säumigen Steuerschuldnern durch die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge zu erkennen. Die in § 240 AO angelegte unterschiedliche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist bereits durch die vom Steuerschuldner veranlasste Säumnis gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist daher insoweit nicht zu beklagen.

 

 

25

d) Gleiches gilt im Hinblick auf die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge. Die dahingehende Typisierung obliegt der grundsätzlichen Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Sie ist erst dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn die Höhe der Säumniszuschläge unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist. Einen solchen Rechtfertigungsmangel sieht der beschließende Senat - auch unter Berücksichtigung des seit 2014 währenden strukturellen Niedrigzinsniveaus - nicht.

 

 

26

aa) Zum einen lässt sich § 240 AO nicht entnehmen, in welchem quantitativen Verhältnis die vom Gesetz verfolgten Zwecke (Druckmittel, zinsähnliche Funktion, Verwaltungsaufwand) zueinander stehen. Aus der Rechtsprechung des BFH zum (Teil-)Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen folgt nichts anderes. Danach sind zwar Säumniszuschläge typisierend (nur) zur Hälfte wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners ihren Sinn als Druckmittel verloren haben (z.B. BFH-Urteil vom 24.04.2014 - V R 52/13, BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106 = SIS 14 19 39, Rz 14, m.w.N.). Ein Zinsanteil von 0,5 % lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Denn der verbleibende hälftige Anteil dient nicht nur dem Vorteilsausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, sondern gilt daneben den durch die Säumnis entstehenden Verwaltungsmehraufwand ab. In welchem Verhältnis Zinsanteil und „Verwaltungsentgelt“ zueinander stehen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Höhe des im Säumniszuschlag enthaltenen Zinses ungeklärt (BVerfG-Beschluss vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22, Rz 24).

 

 

27

Dementsprechend kann der beschließende Senat den Zinsanteil wegen der multifunktionalen Zielsetzung der Säumniszuschläge nicht belastbar beziffern. Ein lediglich gedachter, nicht zu quantifizierender Zinsanteil vermag ernstliche Zweifel an deren gesetzlich festgelegter Höhe von 1 % je angefangenem Monat nicht zu begründen (ebenso Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Beschluss vom 29.04.2022 - 14 B 403/22, Rz 8). Da Säumniszuschläge im Hinblick auf ihre Höhe nur insgesamt als verfassungsgemäß oder -widrig beurteilt werden können - eine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm gibt es nicht (BFH-Beschluss vom 04.07.2019 - VIII B 128/18 = SIS 19 12 30, Rz 16, zu ernstlichen Zweifeln bei Aussetzungszinsen) -, kommt auch eine teilweise AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids nicht in Betracht.

 

 

28

bb) Zum anderen könnte selbst ein gedachter Zinsanteil an den Säumniszuschlägen von 0,5 % pro angefangenem Monat nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO führen. Denn ein Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat der Säumnis wäre nach Auffassung des Senats jedenfalls im Hinblick auf die im vorliegenden Streitfall verspätet entrichteten Steuern auch allein zur Erzwingung deren rechtzeitiger Zahlung und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich auch unter Berücksichtigung des seit 2014 währenden strukturellen Niedrigzinsniveaus unbedenklich (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2022 - 14 B 403/22, Rz 8).

 

 

29

(1) Für die nicht rechtzeitig abgeführte Lohnsteuer folgt dies aus dem Umstand, dass diese ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer ist. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes). Der Arbeitgeber - hier die Antragstellerin - zieht die Lohnsteuer gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. Für den Arbeitgeber ist die Lohnsteuer Fremdgeld, welches er daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden darf. Durch die verspätete Abführung der Lohnsteuer verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die ihm obliegende Verpflichtung, die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln bis zum Ablauf des Fälligkeitstages zu entrichten (so bereits BFH-Urteil vom 20.04.1982 - VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521 = SIS 82 14 20, m.w.N.).

 

 

30

(2) Ähnliches gilt aber auch für die von der Antragstellerin nicht rechtzeitig abgeführte Umsatzsteuer. Denn diese ist darauf angelegt, dass der Unternehmer, so er steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, die Umsatzsteuer gesondert berechnet (§ 14 des Umsatzsteuergesetzes) und sie über den Kaufpreis (in dem der Gewinnzuschlag und die Umsatzsteuer enthalten sind; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.12.1972 - I R 7/70, BFHE 107, 521, BStBl II 1973, 217 = SIS 73 01 18, unter 2.b, und vom 25.11.1969 - II R 22/69, BFHE 97, 444, BStBl II 1970, 386 = SIS 70 02 15, unter III.5.a) auf den Erwerber der Lieferung oder den Empfänger der Leistung abwälzt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21.02.2018 - II R 21/15, BFHE 261, 62 = SIS 18 08 43, Rz 67, m.w.N., und vom 15.07.2015 - II R 32/14, BFHE 250, 427, BStBl II 2015, 1031 = SIS 15 23 26, Rz 29; BVerfG-Beschluss vom 22.03.2022 - 1 BvR 2868/15 u.a. = SIS 22 09 26, Rz 111; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Viking Motors u.a. vom 07.08.2018 - C-475/17, EU:C:2018:636 = SIS 18 12 06, Rz 36 ff., m.w.N.).

 

 

31

Angesichts dessen teilt der Senat die Zweifel des VII. und V. Senats des BFH an der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nicht.

 

 

32

4. Unbilligen Härten im Einzelfall im Hinblick auf die gesetzliche Höhe der Säumniszuschläge, z.B. bei Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners, die die Funktion von Säumniszuschlägen als Druckmittel entfallen lassen könnte, kann durch (Teil-)Erlass nach § 227 AO begegnet werden. Auch dieser Umstand streitet gegen die Verfassungswidrigkeit von § 240 AO (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2022 - 14 B 403/22, Rz 8). Für Letzteres bestehen im Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin trägt nicht vor, über kein Vermögen zu verfügen, aus dem sie die geschuldeten Steuern entrichten könnte.

 

 

33

5. Auch unionsrechtliche Grundsätze (Äquivalenz-, Effizienz-, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzip) führen - jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung - nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer. Der Senat verweist zur Begründung auf den zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten BFH-Beschluss vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV) = SIS 22 12 06, Rz 33 ff., dem er sich insoweit inhaltlich uneingeschränkt anschließt.

 

 

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6. Schließlich wäre der Antragstellerin die begehrte AdV auch bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nicht zu gewähren. Denn hierfür fehlt es an dem im Streitfall erforderlichen besonderen Aussetzungsinteresse.

 

 

35

a) Nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Beschlüsse vom 10.02.1984 - III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454 = SIS 84 04 01; vom 01.04.2010 - II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 = SIS 10 08 14; vom 09.03.2012 - VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418 = SIS 12 07 39, sowie vom 15.04.2014 - II B 71/13 = SIS 14 32 49) ist bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der AdV erforderlich.

 

 

36

b) Ob an dieser Rechtsprechung weiter festzuhalten ist, haben der beschließende Senat (Senatsbeschluss vom 25.08.2009 - VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826 = SIS 09 28 98) wie auch andere Senate des BFH (z.B. BFH-Beschlüsse vom 02.08.2007 - IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270 = SIS 08 00 95, und vom 09.05.2012 - I B 18/12 = SIS 12 21 91) zuletzt dahinstehen lassen. Auch das BVerfG hat es in neuerer Zeit offengelassen, ob das Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses mit dem Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 24.10.2011 - 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, NJW 2012, 372 = SIS 12 07 62, Rz 4, und vom 06.05.2013 - 1 BvR 821/13, HFR 2013, 639 = SIS 13 24 82, Rz 7).

 

 

37

c) Dies bedarf im Streitfall aber keiner Entscheidung.

 

 

38

aa) Denn jedenfalls in dem vorliegenden Bagatellfall, in dem die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ausschließlich auf verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Gesetzesvorschrift beruhen, kommt AdV nach Auffassung des Senats (weiterhin) nur in Betracht, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt. Dies ist dem Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes geschuldet.

 

 

39

bb) Das danach für eine Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche besondere berechtigte Aussetzungsinteresse hat der BFH in verschiedenen Fallgruppen regelmäßig als erfüllt angesehen, insbesondere wenn der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat oder ein beim BFH anhängiges Verfahren, das für die Beantwortung von Rechtsfragen vorgreiflich ist, im Hinblick auf mehrere beim BVerfG anhängige Verfahren der konkreten Normenkontrolle ruht. Das berechtigte Aussetzungsinteresse hat der BFH auch in den Fällen bejaht, in denen der sofortige Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zu einem steuerlichen Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen führt, etwa weil dem Antragsteller irreparable Nachteile drohen oder sein zu versteuerndes Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer das sozialhilferechtlich garantierte Existenzminimum unterschreitet (z.B. BFH-Beschluss vom 17.12.018 - VIII B 91/18 = SIS 18 22 60, Rz 21, m.w.N.).

 

 

40

d) Auf dieser Grundlage kommt im Streitfall eine AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids nicht in Betracht. Insbesondere kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass die Entrichtung der Säumniszuschläge zur Lohn- und zur Umsatzsteuer für Juli 2021 in Höhe von insgesamt 42 EUR für die Antragstellerin zu einer derart schwerwiegenden Belastung führt, dass ihr bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens irreparable Nachteile drohen. Anderes ist von der Antragstellerin weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

 

 

41

e) Dem Verlangen nach einem besonderen Aussetzungsinteresse steht schließlich auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BFH kein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich ist, wenn es um die Vereinbarkeit einzelner Steuerrechtsnormen mit dem Unionsrecht geht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.11.2000 - V B 187/00, BFH/NV 2001, 657 = SIS 01 64 97, sowie vom 12.12.2013 - XI B 88/13 = SIS 14 07 34). AdV wegen ernstlicher unionsrechtlicher Zweifel an einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift mag danach auch ohne ein besonderes Aussetzungsinteresse zu gewähren sein, AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage eines Verwaltungsakts in Fällen wie dem vorliegenden hingegen nicht.

 

 

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Anders als der VII. Senat des BFH und ihm nachfolgend der V. Senat hat der VI. Senat des BFH ausweislich der Besprechungsentscheidung (und einer Reihe weiterer Beschlüsse v. 20.10.2022) keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge. Und zwar auch nicht insoweit, als diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Der Beschluss des BVerfG zur Vollverzinsung v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 = SIS 21 14 23 betreffend § 233 a AO i.V.m. § 238 AO (Unvereinbarkeit der Vollverzinsung in fixer Höhe von 0,5 % pro Monat mit Art. 3 Abs. 1 GG ab 1.1.2014 – Fortgeltung bis 31.12.2018) kann solche aus Sicht des erkennenden Senats nicht begründen. Er hat deshalb die Vorentscheidung aufgehoben, den Antrag der Antragstellerin die Vollziehung der Abrechnungsbescheide über Säumniszuschläge (in voller Höhe und nicht nur wie vom FG hälftig) aufzuheben, abgelehnt.

 

Der Anrufung des Großen Senats des BFH bedurfte es wegen dieser „Abweichung“ nicht. Zwar ist der Große Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO zur Entscheidung berufen, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine „Abweichung“ in einem AdV-Verfahren in Rede steht. Denn in einem solchen Fall können materielle Rechtsfragen nicht abschließend beurteilt werden (z.B. BFH, Beschluss v. 15.4.2010 – IV B 105/09 = SIS 10 15 04, BStBl 2010 II, S. 971) und BFH, Beschluss v. 4.7.2019 – VIII B 128/18 = SIS 19 12 30, BFH/NV 2019, S. 1060, jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Vielzahl weiterer AdV-Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (z.B. V B 51/22 (AdV), VIII B 64/22 (AdV), XI B 38/22, XI B 42 (AdV)) beim BFH anhängig sind.

 

Der II. Senat des BFH hat jüngst in einem solchen ebenfalls keine AdV gewährt. Er hat dies damit begründet, dass es der Antragstellerin hierfür an dem erforderlichen besonderen Aussetzungsinteresse, das bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Norm (wenn auch umstritten, so doch) erforderlich sei, fehle. Ein solches könne für Fälle des Vollzugs von § 240 AO jedenfalls nicht aus dem BVerfG-Beschluss v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 = SIS 21 14 23 zu § 233 a AO i.V.m. 238 Abs. 1 Satz 1 AO zur Vollverzinsung gefolgert werden. Die „Reaktion“ der anderen mit der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge befassten BFH-Senate bleibt abzuwarten. Vorgeprägt sind sie jedenfalls nicht. Ebenfalls offen ist, wie der BFH in den (nachfolgenden) Hauptsacheverfahren (z.B. VII R 21/21 u.a. betreffend vor dem 1.1.2019 entstandene Säumniszuschläge und X R 30/21 u.a. betreffend nach dem 31.12.2018 entstandene Säumniszuschläge) entscheiden wird. Senate, die von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Säumniszuschläge überzeugt wären, könnten – anders als im einstweiligen Rechtsschutz – darauf jedoch nicht selbst erkennen. Sie müssten das Verfahren vielmehr nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und die Sache dem BVerfG vorlegen.