Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 03.09.2019 - 15 K
2553/16 U = SIS 19 16 25 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
welcher Steuersatz auf Umsätze aus dem Verkauf von Speisen,
die vor Ort an Tischen auf Geschirr der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) verzehrt wurden, anzuwenden
ist.
|
|
|
2
|
Die Klägerin ist infolge Verschmelzung
Gesamtrechtsnachfolgerin der ... GmbH & Co. KG (nachfolgend:
KG).
|
|
|
3
|
Die KG stellte im Streitjahr Backwaren
aller Art her, vertrieb diese und betrieb Konditoreien und
Cafés. In insgesamt 84 ihrer Filialen stellte die KG Tische
und Bestuhlung bereit, wobei sich Tische und Stühle
überwiegend innerhalb dieser Filialen, ganz vereinzelt aber
zusätzlich auch im Freien befanden. 71 der streitbefangenen
Filialen befanden sich in sog. Vorkassenzonen (nicht durch
geschlossene Wände abgetrennte Eingangsbereiche) von
Lebensmittelmärkten. 13 Filialen waren separat betriebene
Ladengeschäfte.
|
|
|
4
|
In allen 84 Filialen erfolgte die Ausgabe
der zum Verzehr vor Ort bestimmten Waren und Speisen an den Kunden
grundsätzlich direkt am Verkaufstresen. Das Abräumen der
(teilweise mit Tischdecken und Blumenschmuck versehenen) Tische
oblag in der Regel den Kunden, wobei zur Rücknahme des
ausgegebenen Geschirrs Regale bereitstanden, die grundsätzlich
durch die Kunden zu befüllen waren. Wenn die Kunden das
Abräumen der Tische unterließen, räumte das
Personal der KG das Geschirr von den Tischen. Anschließend
wurde das Geschirr von Arbeitnehmern der KG gereinigt, die
ausschließlich als Verkaufspersonal für Backwaren und
nicht als Kellner, Koch oder gastronomisch ähnlich
qualifiziertes Fachpersonal angestellt waren.
|
|
|
5
|
In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung
für das Jahr 2006 (Streitjahr) erklärte die KG
Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von ... EUR
und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe
von ... EUR.
|
|
|
6
|
Nach zwei Außenprüfungen bei der
KG für das Streitjahr ging der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass die KG zu Unrecht auf die
Umsätze aus dem Verkauf der vor Ort verzehrten belegten
Brötchen und Kuchenteile den ermäßigten Steuersatz
angewandt habe. Die elektronischen Kassenaufzeichnungen der KG
seien unzutreffend, weil in erheblichem Umfang vor Ort verzehrte
Speisen nur mit dem ermäßigten Steuersatz erfasst und
auch entsprechend versteuert worden seien. Die Umsätze zum
Regelsteuersatz seien entsprechend zu erhöhen. Es setzte daher
die Umsatzsteuer für das Streitjahr, zuletzt durch Bescheid
vom 26.09.2011, auf ... EUR fest und hob den Vorbehalt der
Nachprüfung auf.
|
|
|
7
|
Mit dem Einspruch wurde geltend gemacht,
dass weitere, bisher von der KG zum Regelsteuersatz versteuerte
Umsätze eigentlich dem ermäßigten Steuersatz
unterlägen. Nach den Grundsätzen des Urteils des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Bog vom 10.03.2011
- C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 (EU:C:2011:135, BStBl
II 2013, 256 = SIS 11 06 35) handele es sich beim Verkauf der in
den Filialen zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmten Waren um
ermäßigt zu besteuernde Lieferungen von
Nahrungsmitteln.
|
|
|
8
|
Durch Einspruchsentscheidung vom 12.07.2016
half das FA dem Einspruch insoweit ab, als es die Umsätze der
Filialen, die keine Sitzplätze vorhielten, dem
ermäßigten Steuersatz unterwarf und die Umsatzsteuer
für das Streitjahr entsprechend herabsetzte. Im Übrigen,
d.h. im Hinblick auf die Umsätze der 84 Filialen mit
Sitzplatzangebot, wies es den Einspruch als unbegründet
zurück.
|
|
|
9
|
Das Finanzgericht (FG) Münster wies
die Klage mit seinem in EFG 2019, 1793 = SIS 19 16 25
veröffentlichten Urteil vom 03.09.2019 - 15 K 2553/16 U ab. Es
entschied, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes auf die Umsätze aus dem
Verkauf von Backwaren und Fast-Food zum Verzehr vor Ort in den mit
Sitzgelegenheiten ausgestatteten Filialen der KG nicht
vorlägen. Bei einer Gesamtbetrachtung der durch die KG im
Falle des Verzehrs vor Ort erbrachten Leistungselemente
stünden die Dienstleistungselemente im Vergleich zu den
Elementen einer Lieferung von Speisen im Vordergrund.
|
|
|
10
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1,
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - ).
|
|
|
11
|
Die Umsätze aus der Abgabe der vor Ort
verzehrten Speisen seien Lieferungen und daher dem
ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2
Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 des UStG zu unterwerfen. Die vorhandenen
Dienstleistungselemente hätten nicht qualitativ überwogen
und gäben dem Gesamtumsatz daher nicht das
Gepräge.
|
|
|
12
|
Zunächst seien im Rahmen der
erforderlichen Gesamtwürdigung die nicht zu
berücksichtigenden Dienstleistungselemente zu separieren. Dies
sei hier in Bezug auf das Mobiliar in 71 Filialen der Fall, weil
dieses Mobiliar nicht ausschließlich dem Verzehr der Speisen
gedient habe, sondern auch als Treffpunkt und
Aufenthaltsbereich.
|
|
|
13
|
In einem zweiten Schritt ergebe eine
qualitative Betrachtung, dass der Durchschnittsverbraucher nicht in
die Backfilialen der Klägerin gehe, um dort wie in einem
Restaurant beraten, bekocht, bedient und umsorgt zu werden, sondern
der Kauf von Brot und Backwaren im Vordergrund stehe. Die
Gelegenheit, sich nach dem Einkauf mit einem Getränk oder
kleinen Imbiss zu stärken, sei eher nachrangig. Ohne
Kellnerservice, echte Beratung der Kunden, Bedienung im
eigentlichen Sinne, geschlossene, temperierte Räume, eigene
Garderobe, eigene Toilette und Bereitstellung eines Gedecks
(Essbesteck, Serviette, Tischdekoration) komme eine
Restaurationsleistung nicht in Betracht. Das Bereitstellen von
Mobiliar und Geschirr reiche nicht aus. Soweit die Filialen nicht
über einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe,
Toilette etc.) verfügten, könne keine sonstige Leistung
vorliegen. Die übrigen Filialen hätten einen
imbissartigen Charakter, sodass keine Umsätze ausgeführt
würden, die den Verzehr in einem „ansprechenden
Rahmen“ wie in einem Restaurant gestatteten. Die Kosten des
Umsatzes würden außerdem nicht von der Dienstleistung
geprägt, sondern vom Einkaufspreis. Dies habe das FG bei
seiner Würdigung verkannt. Es negiere die gefestigte
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum
Ausschließlichkeitserfordernis der Sitzmöglichkeiten und
die hierzu ergangenen Vermutungsregelungen. Außerdem sei
nicht nachvollziehbar, dass das FG trotz fehlendem Kellnerservice,
fehlender Garderobe, fehlender Toilette, fehlender geschlossener,
temperierter Räume speziell für den Verzehr sowie
fehlender individueller Menüzusammenstellung bzw. Zubereitung
angenommen habe, dass das Dienstleistungselement überwiege.
Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011
des Rates vom 15.03.2011 zur Festlegung von
Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwSt-DVO) gelte nicht für
das Streitjahr 2006 und führe außerdem zu keiner anderen
Beurteilung.
|
|
|
14
|
Zusammenfassend meint die Klägerin,
die Dienstleistungselemente seien entweder nicht zu
berücksichtigen (Sitzmöglichkeiten) oder von derart
untergeordneter Bedeutung (partielle Gestellung von
Porzellangeschirr und dessen Reinigung), dass sie dem Umsatz nicht
das Gepräge gäben. Selbst mit dem Besuch eines einfachen
Restaurants verbundene Dienstleistungen seien nicht
vorhanden:
|
|
|
-
|
nur einfache, imbissähnliche
Verzehrvorrichtungen, kein Kellnerservice, keine geschlossenen und
temperierten Räume, keine regulären Garderoben und keine
eigenen Toiletten;
|
-
|
die zwar vorhandenen, aber einfach
gehaltenen Sitzmöglichkeiten seien in 71 Filialen nicht
ausschließlich dazu bestimmt gewesen, den Verzehr von Speisen
zu erleichtern, sondern hätten den Besuchern der
Lebensmittelmärkte zum Verweilen und als Treffpunkt zur
Verfügung gestanden;
|
-
|
nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH
sei das bereitgestellte Mobiliar in diesen Fällen nicht in die
Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen;
|
-
|
die vom FG gestützte Auffassung, dass
bereits das Vorhandensein von einfachen Sitzgelegenheiten oder die
Bereitstellung von Geschirr zu einer sonstigen Leistung führe,
verkenne die Reichweite der Rechtsprechung des EuGH.
|
|
|
15
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
die Vorentscheidung aufzuheben und den
Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 26.09.2011 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2016 dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer um ... EUR niedriger auf ... EUR
festgesetzt wird,
|
|
|
|
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben
und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
|
|
|
16
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
Es verteidigt die angefochtene
Vorentscheidung.
|
|
|
17
|
Der Senat hat durch Beschluss vom
29.04.2020 - XI R 25/19 (nicht veröffentlicht) mit
Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis
zur Entscheidung des EuGH im Verfahren C-703/19 angeordnet. Nach
Ergehen des EuGH-Urteils Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w
Katowicach vom 22.04.2021 - C-703/19 (EU:C:2021:314) = SIS 21 07 61
hat der Senat das Verfahren unter dem Az. XI R 12/21 (XI R 15/19) =
SIS 21 10 52 wiederaufgenommen.
|
|
|
18
|
Beide Beteiligte sehen sich durch das
EuGH-Urteil jeweils in ihrer Rechtsauffassung
bestätigt.
|
|
|
19
|
II. A. Die Entscheidung kann im Verfahren
gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO)
ergehen.
|
|
|
20
|
1. Der Senat hat die Sache in der Sitzung vom
02.07.2021 in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung
beraten und ist einstimmig zu dem Ergebnis gelangt, dass er die
Revision für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten
sind hiervon mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom gleichen Tag
unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Von
der Möglichkeit zur Stellungnahme hat die Klägerin unter
dem 20.08.2021 Gebrauch gemacht.
|
|
|
21
|
2. Dass der Senatsvorsitzende wegen Urlaubs am
vorliegenden Beschluss nicht mitwirken kann, daher Richterin am
Bundesfinanzhof ... mitwirkt und sich folglich die Richterbank
gegenüber der Sitzung vom 02.07.2021 geändert hat, steht
der Anwendung des § 126a FGO nicht entgegen (Bergkemper in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 126a FGO Rz 6).
|
|
|
22
|
B. Der Senat hält auch unter
Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin die
Revision weiterhin für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Das FG ist
bei seiner Prüfung, ob die Umsätze der Klägerin
Lieferungen oder sonstige Leistungen sind, von zutreffenden
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine auf diesen
Rechtsgrundsätzen basierende tatsächliche Würdigung,
dass die Umsätze der Klägerin aus dem Verkauf von
Speisen, die vor Ort verzehrt wurden, in dem hier noch streitigen
Umfang sonstige Leistungen seien, ist - auch unter
Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin -
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
|
|
23
|
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für
„die Lieferungen“ der in der Anlage 2 des UStG
bezeichneten Gegenstände.
|
|
|
24
|
a) Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen
eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag
ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten
befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu
verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
Demgegenüber sind sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9
UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.
|
|
|
25
|
b) Nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG in der im
Streitjahr noch geltenden Fassung war die Abgabe von Speisen und
Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige
Leistung. Speisen und Getränke wurden gemäß §
3 Abs. 9 Satz 5 UStG zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn
sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem
Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem
räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen
für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden.
Soweit der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG
nicht richtlinienkonform gewesen sein sollte, waren im Wege
richtlinienkonformer Auslegung die unionsrechtlichen
Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH und des BFH
maßgebend und wäre andernfalls eine Berufung auf das
günstigere Unionsrecht möglich gewesen (vgl. BFH-Urteile
vom 10.08.2006 - V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl II 2007, 480 = SIS 06 40 95, Rz 35; vom 26.10.2006 - V R 58/04, V R 59/04, BFHE 215,
360, BStBl II 2007, 487 = SIS 07 00 39, Rz 54; vom 30.06.2011 - V R
18/10, BFHE 234, 496, BStBl II 2013, 246 = SIS 11 27 11, Rz 28;
Senatsurteil vom 08.06.2011 - XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 = SIS 11 33 62, Rz 36; s.a. BR-Drucks. 544/07, S. 99 f.: waren
„richtlinienkonform auszulegen“,
„Aufhebung klarstellend“).
|
|
|
26
|
c) § 3 Abs. 1 und 9 UStG beruhten im
Streitjahr unionsrechtlich auf den Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG); nunmehr Art. 14 Abs. 1,
Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wonach als Lieferung
eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung gilt,
wie ein Eigentümer über einen körperlichen
Gegenstand zu verfügen; als Dienstleistung gilt jede Leistung,
die keine Lieferung eines Gegenstands ist.
|
|
|
27
|
d) Zudem ist im Streitfall - entgegen der
Auffassung der Klägerin - Art. 6 Abs. 1 MwSt-DVO mit zu
berücksichtigen:
|
|
|
28
|
aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MwSt-DVO gilt
die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder
von Getränken, zusammen mit ausreichenden unterstützenden
Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen,
als (Restaurant- und Verpflegungs-)Dienstleistung.
Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher
Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des
Dienstleistungserbringers (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1
MwSt-DVO).
|
|
|
29
|
bb) Die Abgabe von Speisen und/oder
Getränken ist dabei nur eine Komponente der gesamten Leistung,
bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt (Art. 6 Abs. 1
Satz 2 MwSt-DVO). Die Abgabe von zubereiteten oder nicht
zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne
Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende
Dienstleistungen, gilt nicht als Restaurant- oder
Verpflegungsdienstleistung (Art. 6 Abs. 2 MwSt-DVO).
|
|
|
30
|
cc) Art. 65 MwSt-DVO ordnet zwar, worauf die
Klägerin zu Recht hinweist, die Anwendung dieser Regelungen
erst ab dem 01.07.2011 an. Bestimmungen der MwSt-DVO können
aber trotzdem - zur Vermeidung einer unzulässigen
Rückwirkung allerdings auch nur insoweit - in Vorjahren zur
Auslegung herangezogen werden, als sie - anders als
möglicherweise Art. 6 Abs. 1 Satz 2 MwSt-DVO oder die Fiktion
des Art. 6 Abs. 2 MwSt-DVO (vgl. dazu auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 20.03.2013 - IV D 2-S
7100/07/10050-06, BStBl I 2013, 444 = SIS 13 08 17, unter I.) -
rückwirkend Begriffe klären, die sich bereits zuvor in
der Richtlinie 77/388/EWG befunden haben (vgl. allgemein dazu z.B.
EuGH-Urteile Leichenich vom 15.11.2012 - C-532/11, EU:C:2012:720,
BStBl II 2013, 891 = SIS 13 02 40, Rz 32; Welmory vom 16.10.2014 -
C-605/12, EU:C:2014:2298, UR 2014, 937 = SIS 14 32 36, Rz 45 f.;
Senatsurteil vom 01.06.2016 - XI R 29/14, BFHE 254, 183, BStBl II
2016, 905 = SIS 16 18 57, Rz 43, m.w.N.; Brandis, UR 2020, 571,
574). Dies ist jedenfalls bei Art. 6 Abs. 1 Sätze 1 und 3
MwSt-DVO der Fall; denn sie präzisieren in Bezug auf die
unterstützenden Dienstleistungen, die den sofortigen Verzehr
von Speisen ermöglichen, die Grundsätze der
vorangegangenen Rechtsprechung des EuGH (zur Präzisierung der
bisherigen Auslegung des Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG durch
Art. 6 MwSt-DVO s. ausführlich EuGH-Urteil Dyrektor Izby
Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61,
Rz 55 ff.; BFH-Urteil vom 03.08.2017 - V R 15/17, BFHE 258, 566 =
SIS 17 15 96, Rz 18; Weber, UVR 2020, 92, 93).
|
|
|
31
|
2. Bei der Abgrenzung von Lieferungen und
sonstigen Leistungen beim Verzehr von Speisen an Ort und Stelle ist
von folgenden Rechtsgrundsätzen der Rechtsprechung des EuGH
auszugehen, denen der BFH folgt (s. z.B. Senatsurteile vom
08.06.2011 - XI R 37/08, BFHE 234, 443, BStBl II 2013, 238 = SIS 11 30 12; vom 23.11.2011 - XI R 6/08, BFHE 235, 563, BStBl II 2013,
253 = SIS 12 01 03; vom 28.05.2013 - XI R 28/11, BFH/NV 2013, 1950
= SIS 13 30 32; BFH-Urteile vom 30.06.2011 - V R 35/08, BFHE 234,
491, BStBl II 2013, 244 = SIS 11 27 12; vom 30.06.2011 - V R 3/07,
BFHE 234, 484, BStBl II 2013, 241 = SIS 11 33 73; in BFHE 234, 496,
BStBl II 2013, 246 = SIS 11 27 11; vom 22.12.2011 - V R 47/10,
BFH/NV 2012, 812 = SIS 12 10 83; vom 11.04.2013 - V R 28/12, BFH/NV
2013, 1638 = SIS 13 25 64; vom 27.02.2014 - V R 14/13, BFHE 245,
272, BStBl II 2014, 869 = SIS 14 15 46; vom 02.12.2015 - V R 15/14,
BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553 = SIS 16 00 90; in BFHE 258, 566
= SIS 17 15 96; vom 03.08.2017 - V R 61/16, BFH/NV 2018, 63 = SIS 17 21 90; Senatsbeschlüsse vom 29.08.2013 - XI B 79/12, BFH/NV
2013, 1953 = SIS 13 30 34; vom 24.07.2017 - XI B 37/17, BFH/NV
2017, 1635 = SIS 17 19 36; BFH-Beschluss vom 14.03.2018 - V B
142/17, BFH/NV 2018, 732 = SIS 18 05 25), und die auch das FG,
soweit sie ihm bekannt sein konnten, seiner Entscheidung zugrunde
gelegt hat:
|
|
|
32
|
a) Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von
Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach
ihrem Wesen; dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu
ermitteln (EuGH-Urteil Faaborg-Gelting Linien vom 02.05.1996 -
C-231/94, EU:C:1996:184, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24, Rz 12).
Dazu ist nicht nur die quantitative, sondern auch die qualitative
Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen
der Lieferung zu bestimmen (vgl. EuGH-Urteile Bog, EU:C:2011:135,
BStBl II 2013, 256 = SIS 11 06 35, Rz 61 und 62; Dyrektor Izby
Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61,
Rz 48 und 49).
|
|
|
33
|
b) Da die Vermarktung eines Gegenstands stets
mit einer minimalen Dienstleistung (z.B. Darbieten der Waren in
Regalen, Ausstellen einer Rechnung) verbunden ist, sind bei der
Beurteilung des Anteils der Dienstleistungen an der Gesamtheit
eines komplexen Geschäfts nur diejenigen Dienstleistungen zu
berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die
notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind
(vgl. EuGH-Urteile Hermann vom 10.03.2005 - C-491/03, EU:C:2005:157
= SIS 05 17 79, Rz 22; Bog, EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256 = SIS 11 06 35, Rz 63; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w
Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 50).
|
|
|
34
|
c) Restaurationsumsätze sind durch eine
Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in
der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die
Dienstleistungen bei Weitem überwiegen; etwas anderes gilt
hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel zum Mitnehmen
bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den
Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend
gestalten sollen (vgl. EuGH-Urteile Faaborg-Gelting Linien,
EU:C:1996:184, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24, Rz 14; Bog,
EU:C:2011:135 = SIS 11 06 35, Rz 64; Dyrektor Izby Administracji
Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 51).
|
|
|
35
|
d) Die Abgabe von Nahrungsmitteln und
Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe
von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen dieser
Speisen, wobei dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit
zur Verfügung gestellt wird, die u.a. einen Speisesaal als
auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst (vgl. EuGH-Urteile
Faaborg-Gelting Linien, EU:C:1996:184, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24, Rz 13; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach,
EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 52). Wenn die Abgabe von
Nahrungsmitteln nur mit der Bereitstellung
behelfsmäßiger Vorrichtungen (d.h. ganz einfacher
Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, die nur einer beschränkten
Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien
ermöglichen) einhergeht und dadurch nur ein geringfügiger
personeller Einsatz erforderlich ist, stellen diese Elemente
geringfügige Nebenleistungen dar, die am Vorliegen einer
Lieferung nichts ändern können (vgl. EuGH-Urteile Bog,
EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256 = SIS 11 06 35, Rz 70; Dyrektor
Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 53).
|
|
|
36
|
e) Die Tatsache, dass die Abgabe zubereiteter
Nahrungsmittel ihr Kochen, Backen, Braten oder Aufwärmen
voraussetzt, was die Erbringung von Dienstleistungen darstellt, ist
im Rahmen der Gesamtbeurteilung des betreffenden Umsatzes zum Zweck
seiner Einstufung als Lieferung von Gegenständen oder als
Dienstleistung zu berücksichtigen. Wenn sich die Zubereitung
des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache,
standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten
Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern
entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig
oder in Abständen vorgenommen werden, stellt sie nicht den
überwiegenden Bestandteil des betreffenden Umsatzes dar und
kann allein diesem nicht den Charakter einer Dienstleistung
verleihen (vgl. EuGH-Urteile Bog, EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256
= SIS 11 06 35, Rz 67 und 68; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej
w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 54).
|
|
|
37
|
f) Im Lichte der unter d und e wiedergegebenen
Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 6 MwSt-DVO, dass die Kriterien,
die für die Beurteilung der Frage, ob die mit der Abgabe von
Speisen einhergehenden Dienstleistungen als „ausreichende
unterstützende Dienstleistungen“ angesehen werden
können, entscheidend sind, um die dem Verbraucher angebotene
Leistung als Dienstleistung anzusehen (vgl. EuGH-Urteil Dyrektor
Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 59). Der Art der Zubereitung von Speisen oder ihrer
Lieferung kommt keine entscheidende Bedeutung bei, sondern der
Bereitstellung von unterstützenden Dienstleistungen, die mit
der Abgabe von zubereiteten Speisen einhergehen, wobei diese
Dienstleistungen
|
|
|
-
|
ausreichend sein müssen, um den
sofortigen Verzehr dieser Speisen zu gewährleisten, sowie
|
-
|
im Verhältnis zu deren Abgabe
überwiegen müssen (vgl. EuGH-Urteil Dyrektor Izby
Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61,
Rz 58).
|
|
|
38
|
aa) Zu berücksichtigen sind u.a. Aspekte
wie die Anwesenheit von Kellnern, ein Service (der insbesondere in
der Weiterleitung der Bestellungen an die Küche, in der
späteren Präsentation der Speisen und deren Darreichung
an den Kunden am Tisch besteht), geschlossene und temperierte
Räume speziell für den Verzehr der Nahrungsmittel oder
auch Garderoben und Toiletten sowie die Bereitstellung von
Geschirr, Mobiliar oder Gedeck (vgl. EuGH-Urteile Bog,
EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256 = SIS 11 06 35, Rz 69; Dyrektor
Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 60).
|
|
|
39
|
bb) Dienstleistungen, die ein anderer
Unternehmer (Dritter) unmittelbar an den Kunden erbringt, sind
nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2011,
1927 = SIS 11 33 62, Rz 35; BFH-Urteile in BFHE 234, 496, BStBl II
2013, 246 = SIS 11 27 11, Rz 32; in BFH/NV 2013, 1638 = SIS 13 25 64, Rz 26; in BFHE 258, 566 = SIS 17 15 96, Rz 17). Eine
Berücksichtigung von Verzehrvorrichtungen eines Dritten kommt
jedoch dann in Betracht, wenn dem leistenden Unternehmer der Art
nach ein Mitbenutzungsrecht an diesen Verzehrvorrichtungen
zugestanden worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 258, 566 = SIS 17 15 96, Rz 21).
|
|
|
40
|
cc) An all diesen Grundsätzen ist auch
nach Ergehen des EuGH-Urteils Dyrektor Izby Administracji Skarbowej
w Katowicach (EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61) festzuhalten, weil in
solchen Fällen die unterstützenden Dienstleistungen des
Unternehmers ausreichen, um den sofortigen Verzehr der Speisen
durch die Kunden zu gewährleisten, sowie im Verhältnis zu
deren Abgabe überwiegen.
|
|
|
41
|
g) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat
der BFH z.B. entschieden, dass die Abgabe von standardisiert
zubereiteten Speisen durch einen Imbissstand zum Verzehr an einem
Tisch mit Sitzgelegenheiten zu einem dem Regelsteuersatz
unterliegenden Restaurationsumsatz führt; die Schwelle zum
Restaurationsumsatz ist überschritten, weil die Bereitstellung
von Geschirr, Besteck oder Mobiliar (Tische mit Sitzgelegenheit) -
im Unterschied zur bloßen Bereitstellung einer
behelfsmäßigen Infrastruktur im Falle von
Imbissständen, Imbisswagen oder Kinos - einen gewissen
personellen Einsatz erfordert, um das gestellte Material
herbeizuschaffen, zurückzunehmen und gegebenenfalls zu
reinigen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487 =
SIS 07 00 39; in BFHE 234, 496, BStBl II 2013, 246 = SIS 11 27 11,
Rz 37 und 38; in BFHE 258, 566 = SIS 17 15 96, Rz 16 f.; s.a.
BFH-Beschluss in BFH/NV 2018, 732 = SIS 18 05 25). Der Inhaber
eines Grillstands in einem Biergarten erbringt dem Regelsteuersatz
unterliegende sonstige Leistungen, wenn er an Biergartenbesucher
gegen Entgelt Speisen abgibt und aufgrund des Pachtvertrags mit dem
Betreiber des Biergartens berechtigt ist, seinen Kunden die
Infrastruktur des Biergartens zur Verfügung zu stellen (vgl.
Senatsbeschluss in BFH/NV 2017, 1635 = SIS 17 19 36, Leitsatz).
Auch erbringt der Inhaber einer Fischbraterei in einem Biergarten
an die Biergartenbesucher dem Regelsteuersatz unterliegende
sonstige Leistungen (Restaurationsumsätze), wenn er gegen
Entgelt gegrillte Fische abgibt, er aufgrund von
ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarungen mit dem
Eigentümer oder Betreiber des Biergartens berechtigt ist,
seinen Kunden die Infrastruktur des Biergartens zur Verfügung
zu stellen, und dies auch tatsächlich so geschieht (vgl.
Senatsbeschluss vom 13.03.2019 - XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945 = SIS 19 08 61, Leitsatz).
|
|
|
42
|
h) Dagegen liegt nach der ständigen
Rechtsprechung des EuGH und des BFH bei der Abgabe von Speisen zum
Mitnehmen eine (ermäßigt zu besteuernde) Lieferung vor
(vgl. z.B. EuGH-Urteil Faaborg-Gelting Linien, EU:C:1996:184, BStBl
II 1998, 282 = SIS 96 15 24, Rz 13 f.; BFH-Urteil in BFHE 215, 360,
BStBl II 2007, 487 = SIS 07 00 39, Rz 49 ff.). Dies hat der EuGH
nunmehr erneut bestätigt (vgl. EuGH-Urteil Dyrektor Izby
Administracji Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61,
Rz 62), sodass auch daran festzuhalten ist.
|
|
|
43
|
3. Nach diesen Grundsätzen ist es
aufgrund der tatsächlichen Feststellungen sowie der - entgegen
der Auffassung der Revision - tatsächlichen Würdigung des
Sachverhalts durch das FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden,
auf die Umsätze der KG aus dem Verkauf von Backwaren und
Fast-Food zum Verzehr vor Ort in den mit Sitzgelegenheiten
ausgestatteten Filialen der KG den Regelsteuersatz anzuwenden.
|
|
|
44
|
a) Das FG hat angenommen, bei einer
Gesamtbetrachtung der durch die KG im Falle des Verzehrs vor Ort
erbrachten Leistungselemente stünden die
Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer
Lieferung von Speisen im Vordergrund. Die KG habe den Kunden nicht
nur Backwaren und Fast-Food verkauft, sondern diesen gegenüber
auch zusätzliche Dienstleistungen erbracht, indem sie neben
der Zubereitung der standardisierten Produkte zum Verzehr der
Speisen Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Tassen, Geschirr
und Besteck zur Verfügung gestellt habe und sowohl das
Mobiliar als auch das Geschirr gereinigt habe. Das in und um die
angemieteten Filialen durch die KG aufgestellte Mobiliar sei sowohl
aus objektiver Empfängersicht als auch nach den objektiven
Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der
KG bestimmt gewesen. Aufgrund dieser durch die KG erbrachten
Dienstleistungen (Verzehrvorrichtungen, Serviceleistungen,
Geschirrstellung) trete der Dienstleistungscharakter in den
Vordergrund, obwohl in einigen Filialen der KG keine Garderoben und
Toiletten vorgehalten worden seien und überdies kein
Kellnerservice (im Sinne einer Bedienung am Sitzplatz) bestanden
und es an einer völligen räumlichen Trennung der
Vorkassenfilialen von den Vorkassenbereichen der
Lebensmittelmärkte, in denen sie untergebracht waren, gefehlt
habe. Durch die Gestellung von Tischen und Stühlen, Geschirr
und teilweise auch Dekoration sowie die Erbringung von
Reinigungsleistungen im Hinblick auf diese Gegenstände sei die
Gesamtleistung der KG aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers
dennoch als Restaurationsleistung und damit Dienstleistung zu
qualifizieren. Der personelle Einsatz könne (insbesondere im
Vergleich zu dem erforderlichen personellen Einsatz im Falle eines
Außer-Haus-Verkaufes) nicht mehr als nur geringfügig
angesehen werden. Denn die Reinigung des Geschirrs, der Tische und
Stühle sowie das Aufbringen der Dekoration gehe deutlich
über die Herstellung, Zubereitung und den Verkauf der zum
Verzehr vor Ort bestimmten Backwaren hinaus und binde Arbeitskraft.
Dass die Kunden der KG deren Angestellten im Regelfall kein
Trinkgeld gewährt hätten, führe zu keinem anderen
Ergebnis der Gesamtabwägung; denn die Gewährung von
Trinkgeld sei keine konstitutive Voraussetzung für die Annahme
einer Dienstleistung. Das gefundene Ergebnis entspreche
außerdem dem Grundsatz, dass Bestimmungen, die Ausnahmen von
einem allgemeinen Grundsatz darstellen, eng auszulegen sind.
|
|
|
45
|
b) Diese Würdigung ist bei Anwendung der
unter II.B.2. genannten Grundsätze möglich und
verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen
Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2
FGO).
|
|
|
46
|
c) Die Einwendungen der Klägerin
führen zu keiner anderen Beurteilung.
|
|
|
47
|
aa) Soweit die Einwendungen der Klägerin
größtenteils darin bestehen, dass sie ihre abweichende
Würdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzt,
berücksichtigt sie nicht, dass die tatsächliche
Würdigung für den BFH als Revisionsgericht nach §
118 Abs. 2 FGO auch dann bindend ist, wenn die Wertung des FG nicht
zwingend, aber möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl.
z.B. Senatsurteile vom 13.07.2016 - XI R 19/14, BFH/NV 2017, 30 =
SIS 16 25 63, Rz 19; vom 26.06.2019 - XI R 5/18, BFHE 266, 67 = SIS 19 15 52, Rz 29; vom 11.03.2020 - XI R 38/18, BFHE 268, 376 = SIS 20 10 27, Rz 57, jeweils m.w.N.).
|
|
|
48
|
bb) Bei ihrem Einwand, dass die Bereitstellung
von Mobiliar und Geschirr nicht ausreiche und keine sonstige
Leistung vorliegen könne, soweit Filialen nicht über
einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toilette etc.)
verfügten, beachtet die Revision nicht die unter II.B.2.g
genannte Rechtsprechung des BFH; die von ihr, der Klägerin,
für erforderlich gehaltenen Ausstattungsmerkmale sind danach
für die Annahme eines Restaurationsumsatzes nicht erforderlich
(vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2018, 732 = SIS 18 05 25, Rz
6).
|
|
|
49
|
cc) Soweit die Klägerin geltend macht,
die Filialen hätten einen imbissartigen Charakter und nur in
13 Fällen geschlossene Räume, sodass keine Umsätze
ausgeführt würden, die den Verzehr in einem
„ansprechenden Rahmen“ wie in einem Restaurant
gestatteten, widerspricht auch dies der unter II.B.2.g genannten
Rechtsprechung, von der abzurücken aus Sicht des Senats kein
Anlass besteht. Ein imbissartiger Charakter und das Fehlen
geschlossener Räume widerspricht der Anwendung des
Regelsteuersatzes schon deshalb nicht, weil die Umsätze eines
Imbissstands, der seinen Kunden standardisiert zubereitete Speisen
zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten verkauft, dem
Regelsteuersatz unterliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 496,
BStBl II 2013, 246 = SIS 11 27 11). Gleiches gilt für
Umsätze in einem Biergarten (vgl. Senatsbeschlüsse in
BFH/NV 2017, 1635 = SIS 17 19 36; in BFH/NV 2019, 945 = SIS 19 08 61).
|
|
|
50
|
dd) Mit ihrem Einwand, die Kosten der
Umsätze würden nicht von der Dienstleistung geprägt,
sondern vom Einkaufspreis, beachtet die Revision nicht, dass nach
den Ausführungen unter II.B.2.a nicht nur die quantitative,
sondern auch die qualitative Bedeutung der Dienstleistungselemente
im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen
zu bestimmen ist. Welchen prozentualen Anteil an dem von dem
jeweiligen Kunden zu zahlenden Gesamtpreis die zur Zubereitung der
Speisen eingesetzten Lebensmittel hatten, was das FG nicht
festgestellt hat, ist für die Gesamtwürdigung nicht von
entscheidender Bedeutung (vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 563, BStBl
II 2013, 253 = SIS 12 01 03, Rz 41 f.).
|
|
|
51
|
ee) Ebenso wenig greift der Einwand der
Klägerin, das FG negiere die gefestigte Rechtsprechung des BFH
zum Ausschließlichkeitserfordernis der Sitzmöglichkeiten
und die hierzu ergangenen Vermutungsregelungen. Das FG hat vielmehr
diese Rechtsprechung zutreffend auf den Streitfall angewendet.
|
|
|
52
|
(1) Zwar ist, worauf die Revision im
Ausgangspunkt zu Recht hinweist, das bloße Vorhandensein von
Mobiliar, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den
Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern, bei
der Prüfung des anzuwendenden Steuersatzes nicht als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen (z.B. sofern
möblierte Bereiche zugleich auch als Warteraum und Treffpunkt
dienen, vgl. EuGH-Urteil Bog, EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256 =
SIS 11 06 35, Rz 73; BFH-Urteile in BFHE 234, 484, BStBl II 2013,
241 = SIS 11 33 73, Rz 26; in BFH/NV 2018, 63 = SIS 17 21 90, Rz 16
f.).
|
|
|
53
|
(2) Das FG hat diese Rechtsprechung in Rz 24
der Vorentscheidung (EFG 2019, 1793 = SIS 19 16 25)
berücksichtigt; es ist allerdings im Rahmen der von ihm
vorgenommenen Gesamtwürdigung (insbesondere aufgrund der
räumlichen Nähe, der Farbe des Mobiliars, der teilweise
abweichenden Bodenfarbe und der teilweise von der Klägerin
aufgestellten Dekoration) im Streitfall zu dem - aus Sicht des
Senats nicht nur möglichen, sondern zutreffenden - Ergebnis
gelangt, dass das in und um die Filialen aufgestellte Mobiliar der
KG sowohl aus objektiver Empfängersicht als auch nach den
objektiven Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die
Kunden der KG bestimmt war. Dies gilt - entgegen der Auffassung der
Klägerin im Schreiben vom 20.08.2021 - auch für die
Filialen, in denen die Bodenfarbe nicht abweichend war und in denen
keine Dekoration aufgestellt war.
|
|
|
54
|
(3) Im Übrigen berücksichtigt die
Klägerin nicht, dass sie den Kunden Geschirr und Besteck zur
Verfügung gestellt, dieses zurückgenommen und gereinigt
hat. Soweit bei einem Partyservice mit Standardspeisen schon die
Bereitstellung und Rücknahme von Geschirr und Besteck sowie
dessen Reinigung ausreicht, um den Regelsteuersatz zur Anwendung zu
bringen (vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 563, BStBl II 2013, 253 =
SIS 12 01 03, Rz 43; BFH-Urteile in BFHE 214, 474, BStBl II 2007,
480 = SIS 06 40 95; vom 18.12.2008 - V R 55/06, BFHE 223, 539 = SIS 09 08 71, unter II.6.; vom 12.10.2011 - V R 66/09, BFHE 235, 525,
BStBl II 2013, 250 = SIS 11 41 23, Rz 20; vom 10.06.2011 - V B
74/09, BFH/NV 2011, 1547 = SIS 11 26 50, Rz 5; in BFH/NV 2013, 1638
= SIS 13 25 64, Rz 17; zur Reinigung von Geschirr und Besteck s.a.
Senatsurteil in BFH/NV 2013, 1950 = SIS 13 30 32, Rz 30), gilt dies
aus Gründen der Wahrung des Grundsatzes der Neutralität
erst recht für die Klägerin, die mehr Leistungen als ein
(zum Regelsteuersatz besteuerter) Partyservice erbringt. Dass die
Bereitstellung von Geschirr und Besteck durch die KG teilweise in
„Vorkassenzonen“ (und nicht zu Hause beim
Kunden) erfolgt ist (und die KG daneben weitere Leistungen erbracht
hat), führt zu keiner für sie, die Klägerin,
günstigeren umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung.
|
|
|
55
|
d) Auf die Frage, wie Umsätze in einer
sog. „Gastronomie-Mall“ mit gemeinschaftlich
genutztem Mobiliar eines Dritten zu beurteilen sind (vgl.
BFH-Urteil vom 26.08.2021 - V R 42/20, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, DStR 2021, 2785 = SIS 21 19 37;
vorgehend Urteil des FG Düsseldorf vom 04.09.2019 - 5 K 404/14
U, EFG 2021, 1062 = SIS 21 06 29), kommt es daher im Streitfall
nicht an.
|
|
|
56
|
4. Sonstige Rechtsfehler der Vorentscheidung
bzw. des angefochtenen Bescheids sind nicht ersichtlich.
Insbesondere wurde auf den Verkauf von Speisen zum Mitnehmen der
ermäßigte Steuersatz angewendet. Auch war die
Klägerin nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH
verpflichtet, ihre Umsätze gesondert aufzuzeichnen (vgl.
Senatsurteil vom 14.12.2011 - XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921 = SIS 12 29 59; Senatsbeschluss vom 20.02.2014 - XI B 85/13, BFH/NV 2014,
828 = SIS 14 13 12; EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji
Skarbowej w Katowicach, EU:C:2021:314 = SIS 21 07 61, Rz 65).
|
|
|
57
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|
|
|
|