1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betrieb im
Streitjahr 2000 eine Fleischerei mit verschiedenen Verkaufsstellen
sowie nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) einen
„Partyservice“. Im Rahmen des Partyservice lieferte sie
die bestellten Speisen in verschlossenen Warmhalteschalen aus,
wobei sie je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck,
Partytische (Stehtische) sowie Personal zur Verfügung
stellte.
|
|
|
2
|
Im Rahmen einer Betriebsprüfung
vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die
Speisenlieferungen, soweit sie mit der Beistellung von Geschirr und
Besteck, Stehtischen oder Personal verbunden waren, dem
Regelsteuersatz unterlägen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) folgte der Ansicht des Prüfers und
erließ unter dem 30.7.2003 einen entsprechend geänderten
Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Im sich
anschließenden Einspruchsverfahren erzielten die Beteiligten
Einvernehmen darüber, dass die Entgelte für die
Speisenlieferungen in den Fällen dem Regelsteuersatz zu
unterwerfen seien, in denen die Klägerin auch
Bedienungspersonal gestellt hatte.
|
|
|
3
|
Im Übrigen blieben Einspruch und Klage
gegen den Änderungsbescheid ohne Erfolg. Das Urteil des FG ist
veröffentlicht in DStRE 2009, 33.
|
|
|
4
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
im Wesentlichen geltend, die Überlassung von Geschirr und
Besteck sei eine Nebenleistung zur Speisenlieferung, die es nicht
rechtfertige, die gesamte Leistung als Dienstleistung zu
qualifizieren.
|
|
|
5
|
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.10.2009
XI R 6/08 (BFHE 227, 242, BStBl II 2010, 364 = SIS 09 36 65) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
|
|
|
6
|
„1. Ist der Begriff
‘Nahrungsmittel’ in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie
77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel
‘zum Mitnehmen’ fallen, wie sie typischerweise im
Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch
Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder
auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden
sind?
|
|
|
7
|
2. Falls ‘Nahrungsmittel’ im
Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch
Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:
|
|
|
8
|
Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen
oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen,
wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines
Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen
Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls
Überlassung von Besteck und Geschirr und/ oder von Stehtischen
sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen
Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von
Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG)
oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1
der Richtlinie 77/388/EWG) zu qualifizieren ist?
|
|
|
9
|
3. Falls die Frage zu 2. verneint
wird:
|
|
|
10
|
Ist es mit Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 Abs.
1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar, bei der
Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines
Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als
Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der
Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr)
gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen oder sind die
Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer
Zahl zwingend - und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen - zu
gewichten?“
|
|
|
11
|
Der EuGH hat diese und in weiteren
Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen mit Urteil vom
10.3.2011 Rs. C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 - Bog u.a.
- (DStR 2011, 515, UR 2011, 272 = SIS 11 06 35) wie folgt
beantwortet:
|
|
|
12
|
„1. Die Art. 5 und 6 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG ... in der durch die Richtlinie 92/111/EWG
des Rates vom 14.12.1992 geänderten Fassung sind dahin
auszulegen, dass
|
|
|
13
|
– die Abgabe frisch zubereiteter
Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an
Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung
von Gegenständen im Sinne des genannten Art. 5 ist, wenn eine
qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die
Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel
voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen;
|
|
|
14
|
– die Tätigkeiten eines
Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser
lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches
Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere
Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der
dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen im
Sinne des genannten Art. 6 darstellen.
|
|
|
15
|
2. Bei Lieferung von Gegenständen ist
der Begriff ‘Nahrungsmittel’ in Anhang H Kategorie 1
der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Sechsten Richtlinie
77/388 dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten
umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise
zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.“
|
|
|
16
|
Die Klägerin sieht mit der
Entscheidung des EuGH ihre Rechtsauffassung bestätigt. Die im
Streitfall zur Speisenlieferung allein hinzugetretene
Überlassung von Geschirr und Besteck könne aus Sicht
eines Durchschnittsverbrauchers nicht das die Gesamtleistung
prägende Element gewesen sein. Es habe weder eine
Beratungstätigkeit gegenüber den Kunden stattgefunden
noch sei die Zubereitung der gelieferten Speisen nach Kundenwunsch
erfolgt. Sie, die Klägerin, habe ausschließlich von
ihren Kunden aus einer Speisekarte ausgewählte Standardspeisen
geliefert, wie sie sie in ihren Filialen zum Kauf anbiete und
ständig und immer gleich zubereite. Wenigstens acht Rechnungen
beträfen Lieferungen von Standardspeisen ohne zusätzliche
Dienstleistungen, „die als qualitativ überwiegendes
Element die Annahme einer nicht steuerbegünstigten sonstigen
Leistung rechtfertigen würden“. Liefere ein Partyservice
neben den Speisen in überschaubarem Umfang Geschirr, Besteck
oder Stehtische mit, sei dies entsprechend den
behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen bei Imbissbuden zu
behandeln. Jedenfalls lägen (reine) Speisenlieferungen dann
vor, wenn hinzutretende Leistungen lediglich informatorisch auf der
Rechnung aufgeführt und nicht berechnet worden seien.
|
|
|
17
|
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom
30.7.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.5.2004
dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer um ... DM (= ...
EUR) herabgesetzt wird.
|
|
|
18
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
19
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass die Klägerin dem Regelsteuersatz
unterliegende sonstige Leistungen erbracht hat.
|
|
|
20
|
1. Nach § 12 Abs. 1 des im Streitfall
anzuwendenden Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) beträgt die
Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 % der
Bemessungsgrundlage. Sie ermäßigt sich nach § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG auf 7 % u.a. für „die
Lieferungen“ der in der Anlage des Gesetzes bezeichneten
Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen
usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie
Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten
usw. (Nr. 32) oder „Verschiedene
Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33).
|
|
|
21
|
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG
u.a. Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer
befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu
verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige
Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3
Abs. 9 Satz 1 UStG).
|
|
|
22
|
Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf
Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
- nunmehr Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -
MwStSystRL - (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - Nr. L
347/1), wonach als Lieferung eines Gegenstandes die
Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, und
auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG - nunmehr Art. 24 Abs.
1 MwStSystRL -, wonach als Dienstleistung jede Leistung gilt, die
keine Lieferung eines Gegenstandes ist.
|
|
|
23
|
2. Nach der im Streitfall ergangenen
Entscheidung des EuGH stellen die Tätigkeiten eines
Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser
lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches
Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere
Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der
dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen dar
(EuGH-Urteil - Bog u.a. - in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 = SIS 11 06 35, Leitsatz 1).
|
|
|
24
|
Zur Abgrenzung von Lieferung und
Dienstleistung bei den Leistungen eines Partyservice führt der
EuGH aus:
|
|
|
25
|
„75. Was die Tätigkeiten eines
bei Festen und Feierlichkeiten in Anspruch genommenen Partyservice
wie die im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C-502/09 fraglichen
angeht, so sind, wie sich aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils
ergibt, je nach den Kundenwünschen mehrere Kombinationen von
Umsätzen denkbar, die von der bloßen Zubereitung und
Lieferung von Speisen bis zu einer umfassenden Leistung reichen
können, die auch die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar
(Tische und Stühle), die Darreichungsform der Gerichte, die
Dekoration, die Bereitstellung von Personal für die Bedienung
und die Beratung über die Zusammenstellung des Menüs und
gegebenenfalls die Auswahl der Getränke umfassen kann.
|
|
|
26
|
76. Wenn eine einheitliche Leistung
vorliegt, hängt die Qualifizierung des Umsatzes als Lieferung
von Gegenständen oder als Dienstleistung von der Gesamtheit
der tatsächlichen Umstände ab, wobei die qualitativ
überwiegenden Bestandteile aus der Sicht des Verbrauchers zu
betrachten sind.
|
|
|
27
|
77. Zu den von einem Partyservice nach
Hause gelieferten Speisen ist festzustellen, dass sie im Gegensatz
zu denjenigen, die in Imbissständen, Imbisswagen und Kinos
abgegeben werden, im Allgemeinen nicht das Ergebnis einer
bloßen Standardzubereitung sind, sondern einen deutlich
größeren Dienstleistungsanteil aufweisen und mehr Arbeit
und Sachverstand erfordern. Die Qualität der Gerichte, die
Kreativität sowie die Darreichungsform sind hier Elemente, die
in den meisten Fällen für den Kunden von entscheidender
Bedeutung sind. Oftmals wird dem Kunden nicht nur die
Möglichkeit geboten, sein Menü zusammenzustellen, sondern
sogar, Speisen nach seinen Wünschen zubereiten zu lassen.
Dieser Dienstleistungsanteil kommt im Übrigen auch im
Sprachgebrauch zum Ausdruck, da umgangssprachlich im Allgemeinen
vom Party’service’ und den bei diesem
‘bestellten’ und nicht ‘gekauften’ Speisen
gesprochen wird.
|
|
|
28
|
78. Sodann werden die Speisen vom
Partyservice in verschlossenen Warmhalteschalen angeliefert oder
von ihm an Ort und Stelle aufgewärmt. Für den Kunden ist
zudem wesentlich, dass die Speisen genau zu dem von ihm
festgelegten Zeitpunkt geliefert werden.
|
|
|
29
|
79. Des Weiteren können die Leistungen
eines Partyservice dem Verzehr dienliche Elemente, wie die
Bereitstellung von Geschirr, Besteck oder sogar Mobiliar, umfassen.
Diese Elemente verlangen zudem im Unterschied zur bloßen
Bereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im
Fall von Imbissständen, Imbisswagen oder Kinos einen gewissen
personellen Einsatz, um das gestellte Material herbeizuschaffen,
zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen.
|
|
|
30
|
80. Im Licht dieser Erwägungen ist
festzustellen, dass die Tätigkeit eines Partyservice
außer in den Fällen, in denen dieser lediglich
Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement
liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen,
dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des
Umsatzes ist, eine Dienstleistung darstellt.“
|
|
|
31
|
3. Unter Berücksichtigung dieser
Ausführungen sind die streitbefangenen Leistungen der
Klägerin als dem Regelsteuersatz unterfallende sonstige
Leistungen zu behandeln.
|
|
|
32
|
Die Voraussetzungen, unter denen nach der
Rechtsprechung des EuGH Leistungen eines Partyservice ausnahmsweise
mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind, liegen
im Streitfall nicht vor.
|
|
|
33
|
a) Die Klägerin hat in den im Streitfall
zu beurteilenden Fällen keine Standardspeisen ohne
zusätzliches Dienstleistungselement geliefert.
|
|
|
34
|
aa) Die Annahme einer dem Regelsteuersatz
unterliegenden sonstigen Leistung erfordert nicht - wie die
Klägerin meint -, dass das zur Lieferung einer Standardspeise
hinzutretende Dienstleistungselement qualitativ überwiegt. Es
reicht nach der im Streitfall ergangenen Rechtsprechung des EuGH
bei einem Partyservice vielmehr aus, dass neben der
Speisenlieferung ein zusätzliches Dienstleistungselement
erbracht wird.
|
|
|
35
|
Die Rechnungen vom ..., auf die sich die
Klägerin bezieht, betreffen Speisenlieferungen, zu denen
jeweils mindestens ein zusätzliches Dienstleistungselement
hinzutrat, so dass sie als dem Regelsteuersatz unterliegende
sonstige Leistungen zu behandeln sind. Gleiches gilt, soweit die
Klägerin hinsichtlich der Rechnungen vom ... vorbringt, es
lägen Speisenlieferungen vor, da sie lediglich jeweils zwei
Stehtische zur Verfügung gestellt habe.
|
|
|
36
|
bb) Die Klägerin rügt zwar zu Recht
hinsichtlich der Rechnungen vom ..., dass sie bei diesen
Umsätzen entgegen der Aussage des FG kein Besteck und Geschirr
überlassen habe. Dies führt jedoch nicht zum teilweisen
Erfolg der Revision.
|
|
|
37
|
Die Rechnung vom ... betrifft keine Abgabe von
Speisen, sondern ausschließlich eine dem Regelsteuersatz
unterliegende Lieferung von alkoholischen Getränken.
|
|
|
38
|
Ausweislich der Rechnung vom ... wurden zwar
Standardspeisen (Grillsteaks, Rostbratwurst zum Grillen, Pommes
frites) abgegeben; es wurden aber außerdem zehn Stehtische
überlassen. Damit ist zu der Abgabe von Speisen ein weiteres
Dienstleistungselement hinzugetreten, das nach der
Vorabentscheidung des EuGH auch bei der Abgabe von Standardspeisen
die Annahme einer Dienstleistung rechtfertigt.
|
|
|
39
|
Soweit sich die Klägerin auf die Rechnung
an die Firma Z vom ... über 70 Portionen „Buffet kalt
warm“ bezieht, handelt es sich entgegen der Ansicht der
Klägerin nicht um die Lieferung von Standardspeisen. Die
gelieferten - aufeinander abgestimmten - Speisen für 70
Personen - wie etwa Vitello tonnato, Hähnchenschnitzel mit
Fruchtspießen, geräucherter Lachs und Forellenfilet mit
Sahnemeerrettich, Roastbeef mit Remoulade, gefüllte Tomaten
mit Frischkäse, Geflügelsalat mit Rigatoni - sind
jedenfalls keine Standardspeisen, wie sie typischerweise als
Ergebnis einer einfachen, standardisierten Zubereitung, die in den
meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden,
sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage oder in
Abständen vorgenommen werden, an Imbissständen,
Imbisswagen oder in Kinos abgegeben werden (vgl. EuGH-Urteil in
DStR 2011, 515, UR 2011, 272 = SIS 11 06 35, Rz 68, 77). Die Abgabe
dieser Speisen, die einen deutlich größeren
Dienstleistungsanteil aufweisen und mehr Arbeit und Sachverstand
erfordern, ist mithin nicht als Lieferung anzusehen (vgl.
EuGH-Urteil in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 = SIS 11 06 35, Rz
77).
|
|
|
40
|
b) Besondere Umstände, die dafür
sprechen, dass die Abgabe der Speisen der dominierende Bestandteil
der streitigen Umsätze gewesen wäre, liegen nicht
vor.
|
|
|
41
|
aa) Der Senat vermag der Klägerin nicht
darin zu folgen, die Besteck- und Geschirrüberlassung
könne jedenfalls nicht das die Gesamtleistung prägende
Element gewesen sein, weil die jeweiligen Kosten für die
zusätzlich erbrachten Dienstleistungen weit hinter den Kosten
der Speisenlieferung zurückgeblieben seien.
|
|
|
42
|
Denn der EuGH hat entsprechende
Überlegungen in dem Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 227,
242, BStBl II 2010, 364 = SIS 09 36 65 nicht übernommen. Daher
ist weder darauf abzustellen, in welchem Verhältnis die durch
die zusätzlich erbrachte Dienstleistung verursachten Kosten zu
denen der Speisenlieferung stehen, noch kommt es darauf an, ob die
hinzutretenden Leistungen unberechnet bleiben und lediglich
„informatorisch“ auf der Rechnung
aufgeführt werden.
|
|
|
43
|
bb) Der EuGH hat in seiner zum vorliegenden
Streitfall ergangenen Entscheidung berücksichtigt, dass im
Rahmen eines Partyservice bereitgestelltes Geschirr und Besteck
sowie überlassene Stehtische - im Unterschied zur bloßen
Bereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im
Fall von Imbissständen, Imbisswagen oder Kinos - einen
gewissen, nicht nur geringfügigen personellen Einsatz
erfordern, um das gestellte Material herbeizuschaffen,
zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen (vgl.
EuGH-Urteil in DStR 2011, 515, UR 2011, 272 = SIS 11 06 35, Rz 79).
Die Lieferung von Speisen im Rahmen des Partyservice stellt mithin
nur eine Komponente der gesamten Leistung dar, bei der -
vergleichbar einem Restaurationsumsatz mit bereitgestelltem
Geschirr, Mobiliar und Gedeck - der Dienstleistungsanteil
qualitativ überwiegt. Hierbei kommt es nicht entscheidend
darauf an, ob der Kunde etwa aus Gründen der Kostenersparnis
das bereitgestellte Geschirr und Besteck selbst reinigt.
|
|
|
44
|
4. Nach Art. 6 Abs. 2 der
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom
15.3.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur
Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem - MwSt-DVO - (ABlEU Nr. L 77/1) gilt die
Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder
Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere
unterstützende Dienstleistungen nicht als Restaurant- oder
Verpflegungsdienstleistung.
|
|
|
45
|
Wie diese Bestimmung - unter
Berücksichtigung der dargelegten EuGH-Rechtsprechung - zu
verstehen ist, ist in dem das Streitjahr 2000 betreffenden
Streitfall nicht zu entscheiden. Denn sie gilt nach Art. 65
MwSt-DVO erst ab dem 1.7.2011.
|
|
|
46
|
5. Die Sache ist spruchreif.
|
|
|
47
|
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin
bedarf es keiner Feststellungen zur „Sicht des
Durchschnittsverbrauchers“, weil es sich dabei lediglich
um eine „gedankliche Perspektive“ handelt (vgl.
BFH-Urteil vom 17.4.2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.3.b dd).
|
|
|
48
|
Maßgebend ist eine - aufgrund der im
Streitfall festgestellten Tatsachen mögliche -
Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der jeweilige
Umsatz ausgeführt wurde. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung
ist die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der
Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer
Lieferung von Gegenständen nach Maßgabe der vom EuGH
gerade auch für den vorliegenden Streitfall aufgestellten
Grundsätze zu bestimmen (vgl. EuGH-Urteil in DStR 2011, 515,
UR 2011, 272 = SIS 11 06 35, Rz 62, 75 bis 80).
|