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Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht

Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht: Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. - Urt.; BFH 27.7.2015, GrS 1/14; SIS 16 00 96

Kapitel:
Lohnsteuer für Arbeitnehmer > Arbeitszimmer
Fundstellen
  1. BFH 27.07.2015, GrS 1/14
    BStBl 2016 II S. 265
    DStR 2016 S. 210
    NJW 2016 S. 893

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 23.3.2016
    J.H. in StuB 3/2016 S. 116
    o.V. in NWB 6/2016 S. 392
    B. Rätke in BBK 5/2016 S. 207
    M. Seifert in StuB 5/2016 S. 193
    E. Ratschow in BFH/PR 4/2016 S. 93
    M. Kempermann in FR 7/2016 S. 317
    H.-J. Kanzler in NWB 15/2016 S. 1071
    J. Brandt in StBp 4/2016 S. 120
    A. Killat-Risthaus in DStZ 5/2016 S. 138
    L. Hilbert in NWB 26/2016 S. 1942
Normen
[EStG] § 4 Abs. 4, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b, § 9 Abs. 1, § 9 Abs. 5
Vorinstanz / Folgeinstanz:
Zitiert in... / geändert durch...
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  • BFH 1.3.2016, SIS 16 10 09, Vorsteuerausschluss bei Erwerb eines Wohnhauses, das zu mehr als 90 % privat genutzt wird, unternehmerisc...
  • BFH 17.2.2016, SIS 16 11 73, Gemischt genutzte Nebenräume: Aufwendungen für Küche, Bad und Flur, die in die häusliche Sphäre eingebund...
  • BFH 17.2.2016, SIS 16 12 24, Gemischt genutztes Arbeitszimmer: Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der ...
  • BFH 17.2.2016, SIS 16 09 82, Gemischt genutztes Arbeitszimmer: Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der ...
  • BFH 16.2.2016, SIS 16 14 91, Keine Aufteilung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer: 1. Der Begriff des häuslichen Arbeits...
  • BFH 16.2.2016, SIS 16 14 92, Keine Aufteilung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer: 1. Der Begriff des häuslichen Arbeits...
  • BFH 16.2.2016, SIS 16 09 81, Keine Aufteilung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer: Der Begriff des häuslichen Arbeitszim...
Fachaufsätze
  • LIT 03 10 76 K. Heger, DB 5/2016 S. 249: Kosten für gemischt genutzte häusliche Zimmer nicht abziehbar - Zum BFH-Beschluss vom 27.07.2015 - GrS 1/...
  • LIT 03 13 41 C. Kehrein, NWB 15/2016 S. 1049: Auch ein Nutzungszeitenbuch ist kein geeignetes Mittel - Lit.; C. Kehrein, NWB 15/2016 S. 1049; BFH v. 27...
  • LIT 03 13 42 H.-J. Kanzler, NWB 15/2016 S. 1071: Keine Aufteilung der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer - BFH-Beschluss vom 27.7.2015 - GrS 1/14 - K...
  • LIT 03 13 60 T. Rolfes, StuB 6/2016 S. 220: Neues Grundsatzurteil zum häuslichen Arbeitszimmer - Der Beschluss des Großen Senats vom 27.7.2015 - GrS ...
  • LIT 03 13 72 U. Hufeld, Stbg 3/2016 S. M 1: Häusliches Arbeitszimmer: Der Große Senat hat gesprochen! - Lit.; U. Hufeld, Stbg 3/2016 S. M 1; EStG § 4...
  • LIT 03 13 87 B. Hage/P. Hoffmann, Stbg 4/2016 S. 169: Arbeitszimmer im Betriebs- oder Privatvermögen? - Lit.; B. Hage/P. Hoffmann, Stbg 4/2016 S. 169; EStG § 4...
  • LIT 03 14 24 B. Spilker, NJW 12/2016 S. 842: Das häusliche Arbeitszimmer im Visier des BFH - Lit.; B. Spilker, NJW 12/2016 S. 842; EStG § 4 Abs. 5 Nr....
  • LIT 03 16 75 M. Neufang, StB 5/2016 S. 142: Arbeitszimmer - Eine Bestandsaufnahme nach dem Beschluss des Großen Senats - Lit.; M. Neufang, StB 5/2016...
  • LIT 03 18 98 Y. Georg, DStR 24/2016 S. 1353: Aufwendungen für gemischt genutzte häusliche Arbeitszimmer - Lit.; Y. Georg, DStR 24/2016 S. 1353; EStG §...
Anmerkung RA Dr. Bürkle

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

 

1

A. I. Vorgelegte Rechtsfrage

 

 

2

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 21.11.2013 IX R 23/12 (BFHE 243, 563, BStBl II 2014, 312 = SIS 14 01 54) dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

 

 

3

„1. Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird?

 

 

4

2. Sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 21.9.2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37) aufzuteilen?“

 

 

5

II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

 

 

6

1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewohnte im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Er erklärte für das Streitjahr aus der Vermietung mehrerer Objekte Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 94.047 EUR und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 99.852 EUR.

 

 

7

Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 machte der Kläger erstmals für ein häusliches Arbeitszimmer in dem Einfamilienhaus Aufwendungen in Höhe von 804 EUR bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil das Zimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde. Dabei verwies der Kläger auf einen „Tätigkeitsbericht“ über die Arbeiten, die er in diesem Raum verrichtet habe, sowie auf Fotos u.a. eines Schreibtisches, diverser Büroschränke und Regale sowie diverser Leitzordner. Im Arbeitszimmer steht ein Computer.

 

 

8

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu.

 

 

9

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt und berücksichtigte in seinem in EFG 2012, 2100 veröffentlichten Urteil die geltend gemachten Aufwendungen für das Zimmer in Höhe von 60 % der entstandenen Raumkosten als gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbare Werbungskosten. Der Kläger könne 60 % seiner Aufwendungen (804 EUR x 60 % = 482 EUR) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen, obwohl er den Raum zur Überzeugung des Senats nicht (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung genutzt habe. Eine Nutzung im Umfang von 60 % habe er indes nachgewiesen.

 

 

10

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung von § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG rügt. Das FG verkenne, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG eine Spezialnorm zur Abziehbarkeit der Raumkosten für ein „häusliches Arbeitszimmer“ sei. Insoweit unterscheide sich der Fall des Arbeitszimmers von dem durch den Großen Senat des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 entschiedenen Fall, in dem der Abzug von Kosten (Reisekosten) zu beurteilen gewesen sei, für die das Einkommensteuergesetz keine besondere Regelung vorsehe.

 

 

11

Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG gelte ungeachtet der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung der Aufwendungen. Bei Bejahung des Tatbestandsmerkmals „häusliches Arbeitszimmer“ lägen grundsätzlich Betriebsausgaben/Werbungskosten gemäß §§ 4 Abs. 4 oder 9 Abs. 1 EStG vor, deren Abziehbarkeit durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) eingeschränkt werde; eine Aufteilung gemischter Aufwendungen, wie sie die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 ermögliche, sei insoweit ausgeschlossen.

 

 

12

2. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sei eine von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unabhängige, abschließende Regelung zur Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer. Nur durch das Merkmal der ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung sei gewährleistet, dass das Arbeitszimmer vom privaten Bereich der Lebensführung hinreichend abgegrenzt werde. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluss vom 6.7.2010 2 BvL 13/09 (BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 = SIS 10 19 16) seiner Prüfung die ausschließliche berufliche Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers als zwingende Voraussetzung für die Abziehbarkeit der darauf entfallenen Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugrunde gelegt.

 

 

13

Lasse man eine Aufteilung der Aufwendungen im Einzelfall zu, müsse der betriebliche und private Nutzungsanteil ermittelt werden; eine pauschale Schätzung genüge nicht. Praktikabilitätserwägungen sprächen indes gegen eine solche Aufteilung der Aufwendungen. Auch bilanziell sei das ganze Arbeitszimmer ein (einziges) Wirtschaftsgut.

 

 

14

III. Vorlagebeschluss des IX. Senats

 

 

15

1. Nach Auffassung des vorlegenden Senats setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung nicht voraus. Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien daher entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 aufzuteilen.

 

 

16

Die Verwendung der eigenen Wohnung für betriebliche/berufliche Zwecke führe zu gemischten Aufwendungen, für die nach der früheren Rechtsprechung das Aufteilungs- und Abzugsverbot nur dann nicht gegolten habe, wenn das Wohnen von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, d.h. die Aufwendungen ausnahmsweise nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen seien. Die Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots durch den Großen Senat des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 wirke sich (auch) auf die Auslegung und Anwendung des Arbeitszimmerbegriffs aus.

 

 

17

Dem Gesetzeswortlaut sei eine Einschränkung auf eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung nicht zu entnehmen. Vielmehr sei der Begriff des Arbeitszimmers ausschließlich am Raumtypus festzumachen. Arbeitszimmer sei ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sei und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten diene. Wollte man den Begriff des Arbeitszimmers darüber hinaus auf (nahezu) ausschließlich steuerbar genutzte Räume reduzieren, griffe die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für in einer häuslichen Umgebung liegende Räume, die (in zeitlicher Hinsicht) nur teilweise steuerbar genutzt würden, nicht. Über die Abziehbarkeit der Aufwendungen für solche Räume wäre allein nach § 4 Abs. 4 EStG zu entscheiden. Angesichts der Einbindung des Zimmers in die private Lebensführung des Steuerpflichtigen lägen gemischte Aufwendungen vor, die - bei Vorliegen entsprechender Aufteilungskriterien - nach den vom Großen Senat für Reisekosten entwickelten Grundsätzen zum Teil abziehbar seien. Dass die Abzugsbeschränkung auf zum Teil steuerbar genutzte Räume nicht, auf (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich genutzte Räume aber schon anwendbar sein solle, erscheine vor dem Hintergrund der ratio legis weder schlüssig noch gleichheitsgerecht.

 

 

18

Nach dem Wegfall des Aufteilungs- und Abzugsverbots fehle es für die Einschränkung auf (nahezu) ausschließlich genutzte Räume an systematischen Gründen. Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG seien nur solche, die durch die jeweilige steuerbare Tätigkeit veranlasst seien. Im Ergebnis seien danach auch die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 grundsätzlich im Interesse einer Ertragsbesteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie entsprechend dem objektiven Nettoprinzip aufzuteilen. Es fehle auch nicht an sachgerechten Aufteilungskriterien, insbesondere in Gestalt von Nutzungszeiten, soweit ein Arbeitszimmer nicht gleichzeitig beruflich und privat genutzt werde, etwa als Arbeits- und Spielzimmer.

 

 

19

Auch die Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG als lex specialis ergebe nicht, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht aufzuteilen seien. Vielmehr setze die Abzugsbeschränkung das Vorliegen nach allgemeinen Grundsätzen abziehbarer Aufwendungen voraus und begrenze deren Abzug typisierend im Hinblick auf die allgemeine Einbindung des Arbeitszimmers in den privaten Wohnbereich. Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 = SIS 10 19 16 stehe einer dahingehenden Auslegung nicht entgegen, da das BVerfG keine Detailauslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG vorgenommen habe.

 

 

20

2. Die vorgelegten Fragen seien entscheidungserheblich und gemäß § 11 Abs. 4 FGO von grundsätzlicher Bedeutung.

 

 

21

IV. Stellungnahme der Beteiligten

 

 

22

1. Der Kläger und das FA haben sich zur Vorlage nicht geäußert.

 

 

23

2. Das BMF hält an seiner bisherigen Auffassung fest und trägt ergänzend u.a. vor: Bereits vor Schaffung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG hätten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können, sofern der fragliche Raum (nahezu) ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt worden sei. Bei einer mehr als nur geringfügigen privaten Mitbenutzung sei der Abzug auch nur eines Teils der Aufwendungen nicht zulässig gewesen (BFH-Urteil vom 6.12.1991 VI R 101/87, BFHE 166, 285, BStBl II 1992, 304 = SIS 92 07 49). Auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot sei es nicht angekommen. Daher sei die Schlussfolgerung des vorlegenden Senats nicht zutreffend, mit der Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots für gemischte Aufwendungen durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 sei auch das Erfordernis der ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung für ein häusliches Arbeitszimmer entfallen.

 

 

24

Eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung sei weiterhin erforderlich, da Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG seien. Es handle sich demnach nicht um „gemischte Aufwendungen“, die nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 aufteilbar seien.

 

 

25

Für dieses systematische Verständnis der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben und nicht als gemischte Aufwendungen spreche auch die Wirtschaftsgutqualität des häuslichen Arbeitszimmers. Der Gebäudeteil „häusliches Arbeitszimmer“ sei nach gefestigter Rechtsprechung des BFH wegen seines unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs gegenüber den übrigen Räumen eines Einfamilienhauses ein selbstständiges Wirtschaftsgut, das weiter in so viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen sei, wie Gebäudeeigentümer vorhanden seien (BFH-Urteil vom 23.9.2009 IV R 21/08, BFHE 227, 31, BStBl II 2010, 337 = SIS 10 00 79; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 30.1.1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281 = SIS 95 07 16). Dieser selbstständige Gebäudeteil „Arbeitszimmer“ könne nur einheitlich dem Privatvermögen oder dem Betriebsvermögen zugeordnet und nicht weiter in einen privaten und einen betrieblichen Anteil aufgeteilt werden.

 

 

26

Der Gesetzgeber habe mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ein geschlossenes System geschaffen: Liege ein häusliches Arbeitszimmer in diesem Sinne vor, handele es sich um ein selbstständig zu bewertendes Wirtschaftsgut und die hierauf entfallenden Aufwendungen seien Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG, die jedoch - als Rechtsfolge des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG - nur eingeschränkt abziehbar seien. Darüber hinausgehende Aufteilungen kämen nicht in Betracht.

 

 

27

B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen

 

 

28

I. Keine mündliche Verhandlung

 

 

29

Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Entscheidung durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Die Vorlagefrage und die Auffassungen, die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden, sind im Vorlagebeschluss eingehend dargestellt worden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der Vorlagefrage Stellung zu nehmen.

 

 

30

II. Zulässigkeit der Vorlage

 

 

31

1. Vorlagegrund

 

 

32

Die vorgelegten Fragen sind gemäß § 11 Abs. 4 FGO von grundsätzlicher Bedeutung. Ob der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraussetzt, dass dieses (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird und ob bei einer gemischten Nutzung die Aufwendungen für den Raum aufzuteilen sind, ist seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 ungeklärt und wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (s. unten unter C.I.1. und 4.). Die aufgeworfenen Fragen stellen sich nicht nur bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch bei anderen Einkunftsarten. Überdies ergibt sich die grundsätzliche Bedeutung daraus, dass der X. Senat (Beschluss vom 21.8.2013) und der VIII. Senat (Beschluss vom 19.6.2013) entgegen der Auffassung des vorlegenden IX. Senats die Aufwendungen für ein gemischt genutztes Zimmer in der häuslichen Sphäre, auch wenn es nach seiner Ausstattung dem Typus des Arbeitszimmers entspricht, generell vom Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug ausschließen wollen.

 

 

33

2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

 

 

34

Die vorgelegten Rechtsfragen sind für die Entscheidung des IX. Senats im Revisionsverfahren IX R 23/12 erheblich. Folgt der Große Senat der Auffassung des vorlegenden Senats, sind die Aufwendungen des Klägers für sein häusliches Zimmer nach Maßgabe des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 aufzuteilen. Setzte dagegen der Abzug eine (nahezu) ausschließliche Nutzung des Zimmers für betriebliche/berufliche Zwecke voraus, wäre der Abzug der Aufwendungen ausgeschlossen und die Revision des FA begründet. Das FG-Urteil wäre in diesem Fall aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

35

C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegten Rechtsfragen

 

 

36

I. Bisherige Rechtsprechung, Rechtsgrundlagen, Verwaltungsauffassung und Äußerungen im Schrifttum

 

 

37

1. Rechtsprechung

 

 

38

a) BFH-Rechtsprechung

 

 

39

Vor Geltung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250) konnten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer der Höhe nach unbegrenzt als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, wenn ein Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wurde; eine geringfügige private Mitbenutzung schadete nicht (BFH-Urteile vom 6.2.1992 IV R 85/90, BFHE 167, 114, BStBl II 1992, 528 = SIS 92 10 15; in BFHE 166, 285, BStBl II 1992, 304 = SIS 92 07 49; vom 18.10.1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110 = SIS 84 03 37; zur Rechtsentwicklung im Einzelnen vergleiche Spilker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Lb 1 ff.; Völlmeke, DB 1995, 1354). Auch nach Einführung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG änderte sich diese Rechtsprechung nicht. Die begrenzte oder die volle Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten setzte nach wie vor voraus, dass das Arbeitszimmer (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wurde (BFH-Urteil vom 29.11.2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308 = SIS 07 00 40; BFH-Beschlüsse vom 13.11.2007 VI B 100/07, BFH/NV 2008, 219 = SIS 08 07 72; vom 19.7.2005 VI B 175/04, BFH/NV 2005, 2000 = SIS 05 44 94; vom 4.5.2005 VI B 35/04, BFH/NV 2005, 1549 = SIS 05 37 00). Ob sich durch den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 an diesem Erfordernis etwas geändert hat, war bislang nicht Gegenstand einer BFH-Entscheidung.

 

 

40

b) Rechtsprechung der FG

 

 

41

Die FG beantworten die Frage, ob Aufwendungen für ein gemischt genutztes Zimmer anteilig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können, unterschiedlich. Eine Aufteilung befürworten das FG Köln, Urteil vom 19.5.2011 10 K 4126/09 (EFG 2011, 1410 = SIS 11 25 61, Rev. X R 32/11); das FG München, Urteil vom 28.4.2011 15 K 2575/10 (EFG 2013, 496 = SIS 13 08 95, Rev. X R 1/13); das FG Köln, Urteil vom 15.5.2013 4 K 1384/10 (EFG 2013, 1585 = SIS 13 24 22, Rev. IX R 20/13).

 

 

42

Gegen eine Aufteilung haben sich ausgesprochen: das FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.8.2010 2 K 2331/09 (EFG 2011, 1961 = SIS 11 32 32, Rev. III R 62/11); das FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.2.2011 7 K 2005/08 (EFG 2011, 1055 = SIS 11 17 47); das FG München, Urteil vom 31.5.2011 13 K 2979/10 (EFG 2012, 1825 = SIS 13 09 29, Rev. VIII R 24/12); das FG Hamburg, Urteil vom 8.6.2011 6 K 121/10 (EFG 2011, 2131 = SIS 11 35 40); das Sächsische FG, Urteil vom 11.1.2012 2 K 1854/11 (EFG 2012, 1125 = SIS 12 08 14); das FG Düsseldorf, Urteil vom 1.2.2012 7 K 87/11 E (EFG 2012, 1830 = SIS 12 23 71, Rev. VIII R 10/12); das Sächsische FG, Urteil vom 24.5.2012 1 K 1474/10 (Rev. X R 18/12); das FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.9.2012 3 K 1740/10 (EFG 2013, 113 = SIS 13 00 16, Rev. VI R 68/12 = SIS 14 15 74); das FG Münster, Urteil vom 26.4.2013 14 K 3871/11 G, F (= SIS 13 20 93); das FG Düsseldorf, Urteil vom 4.6.2013 10 K 734/11 E (EFG 2013, 1023 = SIS 13 26 35, Rev. X R 26/13); das FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.6.2013 2 K 2225/11 (DStRE 2015, 641 = SIS 14 18 08, Rev. VIII R 22/14).

 

 

43

2. Rechtsgrundlagen und Rechtsentwicklung

 

 

44

a) Mit dem JStG 1996 wurde in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erstmals eine sachliche und betragsmäßige Einschränkung des Betriebsausgaben- und des Werbungskostenabzugs (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) für steuerrechtlich anzuerkennende häusliche Arbeitszimmer gesetzlich geregelt.

 

 

45

aa) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 durften Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Eine Ausnahme von diesem Abzugsverbot galt nach Satz 2 der Vorschrift, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betrug oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. In diesem Fall wurde die Höhe der abziehbaren Aufwendungen zunächst auf 2.400 DM, später mit der Umstellung auf den Euro durch das Steuer-Euroglättungsgesetz vom 19.12.2000 (BGBl I 2000, 1790) auf 1.250 EUR begrenzt und eine unbeschränkte Abzugsmöglichkeit nur noch zugelassen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildete (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 1996; zur Rechtsentwicklung s. Spilker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Lb 1 ff.).

 

 

46

bb) Hierdurch sollten der berufliche und der private Bereich des Steuerpflichtigen sachgerecht abgegrenzt, Gestaltungsmöglichkeiten weitgehend eingeschränkt und der Verwaltungsvollzug erleichtert werden. Es sei allerdings geboten, Aufwendungen für solche häuslichen Arbeitszimmer der Steuerpflichtigen von der Begrenzung der Höhe nach auszunehmen, bei denen das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bilde (z.B. kleine Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltspraxen in der eigenen Wohnung, Hausgewerbetreibende, selbstständige Schriftsteller) und regelmäßig und ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt werde (BTDrucks 13/1686, 16).

 

 

47

cc) Das BVerfG hielt in seinem Urteil vom 7.12.1999 2 BvR 301/98 (BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15) diese Regelung für verfassungsgemäß.

 

 

48

Es sei sachlich gerechtfertigt, die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer zu begrenzen, da eine Nachprüfung der Nutzung durch die Finanzbehörden wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 des Grundgesetzes (GG) wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich sei. Auch die Höhe des zulässigen Abzugs begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da das Einkommensteuergesetz durch die Festlegung einer typisierenden Höchstgrenze individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen dürfe. Das Entfallen der Höchstgrenze für Steuerpflichtige, bei denen das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde, habe vor der Verfassung ebenfalls Bestand. Der Gesetzgeber bemesse hier unterschiedliche Rechtsfolgen nach der Erforderlichkeit der Aufwendungen. Auch wenn diese Erforderlichkeit in der Regel nicht Voraussetzung der Werbungskosten sei, könne sie zur typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und Privatsphäre herangezogen werden, wenn diese Lebensbereiche - wie beim häuslichen Arbeitszimmer - weniger räumlich-gegenständlich, sondern mehr funktionsbedingt voneinander getrennt werden müssten. Insoweit sei die Differenzierung nach dem „Mittelpunkt“ erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sachgerecht.

 

 

49

b) Das Steueränderungsgesetz 2007 (StÄndG 2007) vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652) schränkte die Abziehbarkeit von Arbeitszimmeraufwendungen weiter ein. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 erlaubte den Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nur noch, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Betätigung bildete. In diesem Fall waren die Aufwendungen in voller Höhe steuerrechtlich abziehbar. § 9 Abs. 5 EStG ordnete die sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 für den Bereich der Überschusseinkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG an.

 

 

50

Durch den Beschluss in BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 = SIS 10 19 16 erklärte das BVerfG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 insoweit als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, als das Abzugsverbot Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann umfasste, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand.

 

 

51

c) Der Gesetzgeber kehrte daraufhin mit dem Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) im Wesentlichen zur bis einschließlich des Jahres 2006 geltenden Regelung zurück.

 

 

52

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) i.d.F. des JStG 2010 (der aktuellen Gesetzesfassung) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; allerdings gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG die Beschränkung der Höhe nach nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt die mit dem JStG 2010 geschaffene Neuregelung für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.

 

 

53

3. Verwaltung

 

 

54

Die Finanzverwaltung setzt für die Qualifikation eines Raums als häusliches Arbeitszimmer eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung voraus. Lediglich eine untergeordnete private Mitbenutzung soll unschädlich sein (BMF-Schreiben vom 2.3.2011, BStBl I 2011, 195 = SIS 11 06 10, Rz 3). Dies gelte insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 (BMF-Schreiben vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614 = SIS 10 19 10, Rz 7).

 

 

55

4. Literatur

 

 

56

Die Literatur hält teilweise die Aufteilung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer wegen der Aufgabe der Rechtsprechung zum Aufteilungs- und Abzugsverbot durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 für geboten oder zumindest die Voraussetzungen der (nahezu) ausschließlichen betrieblichen oder beruflichen Nutzung für zweifelhaft (z.B. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 832; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 4 EStG Rz 1769; Bergkemper, juris PraxisReport Steuerrecht 2/2011, Anm. 1; Paus, DStZ 2010, 688, 690; Spilker, DB 2014, 2850; Bergan/Martin, DStR 2014, 1812; Rolfes, Steuern und Bilanzen 2014, 261; Siebenhüter, Der Ertragsteuerberater 2014, 83).

 

 

57

Nach der Gegenansicht hat die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 nichts daran geändert, dass Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt werden (z.B. Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1513; Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 520 „Arbeitszimmer“; Meurer, BB 2014, 1184).

 

 

58

D. Auffassung des Großen Senats

 

 

59

Der Große Senat teilt nicht die Auffassung des vorlegenden Senats. Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenen Raum, der sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch - in mehr als nur untergeordnetem Umfang - zu privaten Zwecken genutzt wird, sind insgesamt nicht abziehbar.

 

 

60

1. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Das gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

 

 

61

2.a) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält ein Abzugsverbot für bestimmte Betriebsausgaben. Selbst wenn die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich veranlasst sind, sind sie grundsätzlich nicht abziehbar; gleiches gilt für Werbungskosten (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Nachprüfung der Nutzung durch die Finanzbehörden wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich ist (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15, unter B.II.2.b aa, Rz 43; vgl. auch BTDrucks 13/1686, 16). Nur wenn kein anderer Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung steht oder das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, ist ein Abzug in Höhe bis zu 1.250 EUR bzw. im zuletzt genannten Fall in tatsächlicher Höhe möglich. Der Steuerpflichtige ist in diesen Fällen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann.

 

 

62

b) Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird.

 

 

63

aa) Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten (vgl. BFH-Urteile vom 19.9.2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139 = SIS 03 07 27; vom 16.10.2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185 = SIS 03 09 01; vom 13.11.2002 VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350 = SIS 03 13 50, und vom 23.1.2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43 = SIS 03 23 11).

 

 

64

Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (BFH-Urteile vom 28.8.2003 IV R 53/01, BFHE 203, 324, BStBl II 2004, 55 = SIS 03 51 61; vom 20.11.2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203 = SIS 04 21 41; vom 22.11.2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304 = SIS 07 07 62; vom 9.8.2011 VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200 = SIS 12 00 30).

 

 

65

bb) Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten gemäß § 4 Abs. 4 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. So hat die Rechtsprechung bei einer Notarztpraxis angenommen, dass die Aufwendungen hierfür in vollem Umfang abziehbar seien (BFH-Urteile vom 5.12.2002 IV R 7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463 = SIS 03 19 04, und in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203 = SIS 04 21 41). Gleiches gilt z.B. für ein häusliches Tonstudio (BFH-Urteile in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185 = SIS 03 09 01, und in BFHE 203, 324, BStBl II 2004, 55 = SIS 03 51 61) und ein Warenlager (BFH-Urteil in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304 = SIS 07 07 62). Der für die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z.B. als Werkstatt) und/oder wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.

 

 

66

cc) Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er - wie ausgeführt - überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.

 

 

67

(1) Bereits der Gesetzeswortlaut legt nahe, unter einem „häuslichen Arbeitszimmer“ nur einen Raum zu verstehen, in dem Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. Ein Zimmer, das zwar büromäßig eingerichtet ist, das aber in nennenswertem Umfang neben der Verrichtung von (Büro-)Arbeiten auch anderen Zwecken dient, etwa als Spiel-, Gäste- oder Bügelzimmer, ist bereits nach dem allgemeinen Wortverständnis kein Arbeitszimmer.

 

 

68

(2) Der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG liegt überdies - wie die Gesetzesgeschichte (vgl. BTDrucks 13/1686, 16; BRDrucks 171/2/95, 36) belegt - die Prämisse zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur bei ausschließlich betrieblicher oder beruflicher Nutzung und auch dann regelmäßig nur beschränkt abziehbar sein sollen. Selbst die Aufwendungen für Zimmer, die den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilden, sollen nur abziehbar sein, wenn sie „regelmäßig und ausschließlich betrieblich oder beruflich“ genutzt werden (BTDrucks 13/1686, 16; BRDrucks 171/2/95, 37). Der Gesetzgeber hat damit erkennbar an den überkommenen Typusbegriff des Arbeitszimmers angeknüpft, der neben einer büromäßigen Ausstattung auch eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung für betriebliche oder berufliche Zwecke verlangte (s. Rechtsprechungshinweise unter C.I.1.a). Denn wenn der Gesetzgeber einen in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägten Begriff - wie hier den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers - in ein Gesetz einfügt, ist davon auszugehen, dass er ihn auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz - ungeachtet der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Punkt - festschreiben will. Dies gilt umso mehr, wenn sich eine entsprechende Absicht - wie hier - in der Gesetzesbegründung widerspiegelt. Damit gehört die ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung des Raums zur Erzielung von Einnahmen zum Inhalt des Tatbestandsmerkmals „häusliches Arbeitszimmers“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, sodass ein Abzug anteiliger Aufwendungen für gemischt genutzte Zimmer ausscheidet.

 

 

69

(3) Dies gilt auch für Zimmer, die räumlich sowohl zur Erzielung von Einnahmen („Arbeitsecke“) als auch zu privaten Wohnzwecken genutzt werden. Denn wenn schon Aufwendungen für einen als Büro eingerichteten Raum im Grundsatz nicht abziehbar sind, gilt dies umso mehr für Räume, die ihrer Ausstattung nach sowohl der Erzielung von Einkünften als auch privaten Wohnzwecken dienen. Der Ausschluss der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer gilt daher erst recht für Räume, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht dem Typus des Arbeitszimmers zuzurechnen sind, sondern ihrer Art (z.B. Durchgangszimmer) oder ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen.

 

 

70

dd) Auch der Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG steht einer Aufteilung der Aufwendungen entgegen. Aufwendungen für ein Arbeitszimmer wurden vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, um zu „einer sachgerechten Abgrenzung des beruflichen und des privaten Bereichs des Steuerpflichtigen“ zu gelangen, „Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern“ (BRDrucks 171/2/95, 36). Diese Ziele würden verfehlt, wären Aufwendungen für als Arbeitszimmer ausgestattete Räume in betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen einerseits und privat veranlasste Kosten andererseits aufzuteilen.

 

 

71

(1) Der Umfang der jeweiligen Nutzung lässt sich objektiv nicht überprüfen. Die Behauptungen des Steuerpflichtigen, zu welcher Zeit er auf welche Weise ein in die häusliche Sphäre eingebundenes Zimmer nutzt, sind regelmäßig nicht verifizierbar. Auch ein „Nutzungszeitenbuch“ ist kein geeignetes Mittel, die jeweiligen Nutzungszeiten nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Die darin enthaltenen Angaben besitzen keinen über die darin liegende Behauptung des Steuerpflichtigen hinausgehenden Beweiswert und sind regelmäßig - anders als etwa Fahrtenbücher - nicht anhand eines Abgleichs mit anderen Informationen überprüfbar. Ebenso mangelt es an hinreichenden Maßstäben, anhand derer die jeweiligen Anteile geschätzt werden können.

 

 

72

Eine sachgerechte Abgrenzung des betrieblichen/beruflichen Bereichs vom privaten Bereich ist bei einer Aufteilung der Aufwendungen für ein gemischt genutztes Arbeitszimmer demnach nicht gewährleistet. Auch der mit der Regelung verfolgte Vereinfachungszweck würde in sein Gegenteil verkehrt, müsste man die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten jeweiligen zeitlichen Nutzungsanteile - soweit überhaupt möglich - im Einzelnen auf ihre Plausibilität überprüfen.

 

 

73

(2) Dementsprechend hat auch das BVerfG in seinem Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 ausgeführt, eine Nachprüfung des Umfangs der betrieblichen oder beruflichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers sei wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG durch die Finanzbehörden wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich; einzig der regelmäßige Augenschein in den Wohnräumen (§§ 98 f. der Abgabenordnung) ohne vorherige Benachrichtigung könnte im Einzelfall zur Aufklärung verhelfen (unter B.II.2.b aa, Rz 43).

 

 

74

3. Diesem Ergebnis steht der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 schon deshalb nicht entgegen, weil § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG eine den allgemeinen Grundsätzen vorgehende Spezialregelung ist, die abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Die vom Großen Senat des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 entwickelten Maßstäbe zur Aufteilung von Aufwendungen sind demnach nicht anwendbar. Selbst wenn Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach allgemeinen Grundsätzen - soweit betrieblich oder beruflich genutzt - anteilig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären, schließt die Spezialregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG den Abzug aus.

 

 

75

Der Große Senat muss daher nicht entscheiden, ob er der Auffassung des X. Senats in seiner Antwort auf die Anfrage des vorlegenden Senats folgt, der zufolge der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.4.c, Rz 125 so auszulegen sei, dass mangels objektiv nachprüfbarer Kriterien bei gemischt genutzten Arbeitszimmern dem Grunde nach bereits keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten vorliegen, oder ob er die gegenteilige Auffassung für richtig hält, wonach der abstrakt vorhandene Maßstab (zeitliche Nutzungsanteile) im Grundsatz für eine Aufteilung genügt, so dass ein Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei Anwendung allgemeiner Grundsätze nur im Einzelfall am mangelnden Nachweis scheitern kann (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.4.d, Rz 126).

 

 

76

4. Läge in dem Erfordernis der (nahezu) ausschließlichen betrieblichen oder beruflichen Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers eine Einschränkung des objektiven Nettoprinzips, wäre dies sachlich gerechtfertigt.

 

 

77

a) Der Gesetzgeber hat im Bereich des Einkommensteuerrechts die Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit auszurichten. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 = SIS 10 19 16, Rz 36). Hängt die Festsetzung einer Steuer von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten stützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip daher der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = SIS 91 14 01, <268 ff.>, BStBl II 1991, 654 = SIS 91 14 01; s. auch Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.4.d, Rz 126 zu Erklärungen des Steuerpflichtigen im Veranlagungsverfahren).

 

 

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b) Nutzt ein Steuerpflichtiger einen innerhalb seiner Wohnung gelegenen Raum sowohl zur Erzielung von Einnahmen als auch zu privaten Zwecken, ist - wie ausgeführt - eine effektive Kontrolle der tatsächlichen Nutzung dieses Zimmers wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297 <311> = SIS 99 24 15, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15). Der Gesetzgeber legt der Einkommensteuer zwar das sog. Nettoprinzip zugrunde, nach dem nur das Nettoeinkommen, die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen, besteuert wird (BVerfG-Beschluss vom 11.11.1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 <290 f.> = SIS 99 08 48, BStBl II 1999, 502 = SIS 99 08 48). Insbesondere dann, wenn die Erwerbsaufwendungen die Kosten der allgemeinen Lebensführung i.S. des § 12 EStG berühren, kann der Gesetzgeber zur Klarstellung wie zur Vereinfachung einschränkende Regelungen treffen, durch die zugleich Ermittlungen im Privatbereich eingegrenzt werden. Die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG getroffene Regelung ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

 

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E. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegten Rechtsfragen

 

 

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Der Große Senat beantwortet die ihm vorgelegten Rechtsfragen wie folgt:

 

 

81

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

 

 

82

Damit erübrigt sich die Antwort auf die vom vorlegenden Senat gestellte weitere Frage.

 

Anmerkung RA Dr. Bürkle

Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.2003, IV R 71/00, BStBl 2004 II S. 43 = SIS 03 23 11).

Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.2011, VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200 = SIS 12 00 30). Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten gemäß § 4 Abs. 4 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. So hat die Rechtsprechung bei einer Notarztpraxis angenommen, dass die Aufwendungen hierfür in vollem Umfang abziehbar seien (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2003, IV R 3/02, BStBl 2005 II S. 203 = SIS 04 21 41). Gleiches gilt z.B. für ein häusliches Tonstudio (vgl. BFH-Urteil vom 28.8.2003, IV R 53/01, BStBl 2004 II S. 55 = SIS 03 51 61) und ein Warenlager (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.2006, X R 1/05, BStBl 2007 II S. 304 = SIS 07 07 62). Der für die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z.B. als Werkstatt) und/oder wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.

Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.