|
I. Zum Sachverhalt
|
|
|
1
|
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine gemeinnützige Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, betreibt als Krankenhausträger ein
Krankenhaus. In den Streitjahren (2005 und 2006) verfügte sie
über eine sog. Institutsermächtigung gemäß
§ 116a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V),
aufgrund der sie berechtigt war, neben stationären
Behandlungen auch ambulante Behandlungen durchzuführen.
Ambulante Behandlungen wurden darüber hinaus auch durch die
bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzte
durchgeführt, die dabei gemäß § 116 SGB V
aufgrund einer sog. persönlichen Ermächtigung tätig
waren.
|
|
|
2
|
In den Streitjahren behandelte die
Klägerin Krebspatienten im Rahmen der sog. Chemotherapie. Die
dabei an die Patienten verabreichten Zytostatika wurden von der
Klägerin in der von ihr betriebenen Krankenhausapotheke nach
ärztlicher Verordnung individuell für den jeweiligen
Patienten hergestellt.
|
|
|
3
|
Die Klägerin verwendete die
Zytostatika bei stationären Krankenhaus- und Heilbehandlungen
in den Räumen des von ihr als Krankenhausträger
betriebenen Krankenhauses. Dass die Abgabe der Zytostatika für
stationäre Leistungen der Klägerin steuerfrei ist, steht
außer Streit.
|
|
|
4
|
Die von der Klägerin hergestellten
Zytostatika wurden darüber hinaus auch für ambulant im
Krankenhaus der Klägerin erbrachte Heilbehandlungsleistungen
verwendet. Die Klägerin ging davon aus, dass auch die Abgabe
der in ihrer Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für
ambulante Behandlungen steuerfrei sei. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) war demgegenüber
aufgrund einer Neuregelung in Abschn. 100 Abs. 3 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2005, einer die Gerichte nicht bindenden
Verwaltungsanweisung, der Auffassung, dass die entgeltliche Abgabe
von Medikamenten für Tumorpatienten ab 2005 bei ambulanten
Behandlungen steuerpflichtig sei und änderte die
Umsatzsteuerfestsetzungen unter Gewährung eines sich aufgrund
der Steuerpflicht ergebenden Vorsteuerabzugs entsprechend.
Während der Einspruch der Klägerin keinen Erfolg hatte,
gab das Finanzgericht der Klage mit seinem in EFG 2011, 1470 = SIS 11 40 59 veröffentlichten Urteil statt. Gegen dieses Urteil
richtet sich die Revision des FA.
|
|
|
5
|
II. Entscheidungsgründe
|
|
|
6
|
1. Rechtlicher Rahmen
|
|
a) Unionsrecht
|
|
Der Mehrwertsteuer unterliegen
gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) die „Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt“. Als Lieferung gilt
gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
„die Übertragung der Befähigung, wie ein
Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu
verfügen“. Als Dienstleistung gilt nach Art. 6 Abs.
1 der Richtlinie 77/388/EWG „jede Leistung, die keine
Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5
ist“.
|
|
|
7
|
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der
Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten
|
8
|
„b) die Krankenhausbehandlung und die
ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen
Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese
Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von
Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung
und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten
Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise
bewirkt werden;
|
|
|
9
|
c) die Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe erbracht werden“;
|
|
|
10
|
Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG sieht vor:
|
11
|
„b) Von der in Absatz 1 Buchstaben
b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung sind
Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen
ausgeschlossen, wenn
|
12
|
- sie zur Ausübung der
Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird,
nicht unerlässlich sind;
|
13
|
- sie im wesentlichen dazu bestimmt sind,
der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten
zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit
Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen
Unternehmen durchgeführt werden.“
|
|
|
14
|
b) Nationales Recht
|
15
|
Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG)
„die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein
Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens
ausführt“. Lieferungen eines Unternehmers sind nach
§ 3 Abs. 1 UStG „Leistungen, durch die er oder in
seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag
einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht)“. Sonstige Leistungen sind
gemäß § 3 Abs. 9 UStG „Leistungen, die
keine Lieferungen sind“.
|
|
|
16
|
Nach § 4 Nr. 14 und 16 Buchst. b UStG
waren in den Streitjahren steuerfrei:
|
17
|
Nr. 14: „die Umsätze aus der
Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut
(Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen
heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Absatz 1 Nr.
1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als
klinischer Chemiker. Steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen
von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1
bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit
diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1
steuerfreien Umsätze verwendet werden. ...“
|
|
|
18
|
Nr. 16: „die mit dem Betrieb der
Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... b)
bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in
§ 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten
Voraussetzungen erfüllt ... sind ... .“
|
|
|
19
|
§ 116 SGB V bestimmte in den
Streitjahren:
|
20
|
„Krankenhausärzte mit
abgeschlossener Weiterbildung können mit Zustimmung des
Krankenhausträgers vom Zulassungsausschuß (§ 96)
zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der
Versicherten ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu
erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche
Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten
Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. ...
.“
|
|
|
21
|
§ 116a SGB V regelte in den
Streitjahren:
|
22
|
„Der Zulassungsausschuss kann
zugelassene Krankenhäuser für das entsprechende
Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen Unterversorgung festgestellt hat,
auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung
ermächtigen, soweit und solange dies zur Deckung der
Unterversorgung erforderlich ist.“
|
|
|
23
|
2. Vorbemerkungen zur Rechtslage nach
nationalem Recht und zum Streitfall
|
24
|
a) Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16
Buchst. b UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Steuerfrei sind danach die
Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie
die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die insbesondere von
Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen,
welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer
Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten durchgeführt
oder bewirkt werden. Trotz der im Wortlaut bestehenden Unterschiede
legt der erkennende Senat § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG
entsprechend seiner unionsrechtlichen Grundlage in Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform aus
(vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.1.2006 V R
46/04, BFHE 211, 571, BStBl II 2006, 481 = SIS 06 16 47, unter
II.2.b; vom 26.8.2010 V R 5/08, BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296 =
SIS 11 01 52, unter II.1.). Als mit dem Betrieb der
Krankenhäuser eng verbundene Umsätze i.S. von § 4
Nr. 16 Buchst. b UStG sind daher auch nach nationalem Recht nur die
„Krankenhausbehandlung und die ärztliche
Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen
Umsätze“ gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen.
|
|
|
25
|
b) Die Klägerin erfüllt im
Streitfall die personenbezogenen Voraussetzungen des Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Sie ist zwar keine
Einrichtung des öffentlichen Rechts, aber eine Krankenanstalt
im Sinne dieser Bestimmung, die unter in sozialer Hinsicht
vergleichbaren Bedingungen tätig ist, da sie die
Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG erfüllt.
Die Klägerin ist daher zur Erbringung steuerfreier Leistungen
im Krankenhausbereich grundsätzlich berechtigt, so dass nur
die Frage streitig ist, auf welche ihrer Leistungen die
Steuerfreiheit anzuwenden ist.
|
|
|
26
|
c) Die von der Klägerin hergestellten
Zytostatika wurden in zwei Fallgruppen für ambulant erbrachte
Heilbehandlungsleistungen verwendet.
|
|
|
27
|
aa) Die Klägerin verwendete die von ihr
hergestellten Zytostatika bei ambulanten Heilbehandlungen, die sie
in dem von ihr als Krankenhausträger betriebenen Krankenhaus
durchführte. Die Behandlung von Patienten, die gesetzlich
krankenversichert sind, erfolgt dabei sozialversicherungsrechtlich
auf der Grundlage von § 116a SGB V. 28
|
|
bb) Die von der Klägerin hergestellten
Zytostatika wurden auch für ambulante Behandlungen verwendet,
die Krankenhausärzte als selbständig tätige
Steuerpflichtige für gesetzlich pflichtversicherte Patienten
aufgrund einer Ermächtigung nach der
sozialversicherungsrechtlichen Regelung des § 116 SGB V in den
Räumen des von der Klägerin als Krankenhausträger
betriebenen Krankenhauses erbrachten. § 116 SGB V
ermöglicht es, „ermächtigten“
Krankenhausärzten, die in einem
Beschäftigungsverhältnis zum Krankenhausträger
stehen und insoweit als Gehaltsempfänger i.S. von Art. 4 Abs.
4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gegenüber dem
Krankenhausträger unselbständig tätig sind, als
selbständig tätige Steuerpflichtige ambulante
Heilbehandlungsleistungen in einem Krankenhaus zu erbringen.
Sozialversicherungsrechtlich unterscheidet sich die Tätigkeit
der Krankenhausärzte insoweit nicht von der eines in eigener
Praxis niedergelassenen Arztes.
|
|
|
29
|
Im Hinblick auf die der zweiten Fallgestaltung
zugrunde liegenden Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass der
Krankenhausarzt im Rahmen des Systems der gesetzlichen
Krankenversicherung seine Heilbehandlungsleistung gegen Entgelt
i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG an die gesetzliche
Krankenkasse des Patienten erbringt. Die Lieferung der auf
Verordnung des Krankenhausarztes hergestellten Zytostatika durch
die Klägerin erfolgte dabei gleichfalls an die gesetzliche
Krankenkasse des Patienten. Die gesetzliche Krankenkasse ist
umsatzsteuerrechtlich Empfänger beider Leistungen, da sie
diese Leistungen nach den der Umsatztätigkeit zugrunde
liegenden Rechtsverhältnissen bezieht, um sie an die bei ihr
pflichtversicherten Patienten abzugeben. Ein unmittelbarer
Leistungsbezug durch den Patienten liegt nach der Ausgestaltung des
Krankenversicherungsschutzes im nationalen Recht nur bei privat
versicherten Patienten vor, die gegenüber Arzt und Krankenhaus
selbst zahlungsverpflichtet sind und Erstattungsansprüche
gegen ihre Versicherungsgesellschaften haben.
|
|
|
30
|
3. Zur ersten Vorlagefrage
|
31
|
a) In seiner zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
b der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Rechtsprechung ist der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) davon ausgegangen,
dass „nur Dienstleistungen, die
naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und
ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der
Erbringung dieser Dienstleistungen ... zur Erreichung der damit
verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind, ‘eng
verbundene Umsätze’ im Sinne dieser Vorschrift
darstellen“ können und dass nur „solche
Leistungen ... sich nämlich auf die Kosten der medizinischen
Behandlungen auswirken [können], die dem Einzelnen durch die
in Rede stehende Steuerbefreiung zugänglich gemacht
werden“ (EuGH-Urteil vom 1.12.2005 C-394/04, Ygeia, Slg.
2005, I-10373 Rdnr. 25). In seinem Urteil vom 10.6.2010 C-262/08,
Copy Gene (Slg. 2010, I-5053 = SIS 10 26 08) hat der EuGH zu
„den ärztlichen Leistungen ... festgestellt, dass
angesichts des Zwecks, der mit der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung verfolgt wird, nur
Leistungen, die naturgemäß im Rahmen von
Dienstleistungen der Krankenhausbehandlung und ärztlichen
Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung
dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten
therapeutischen Ziele unentbehrlich sind, ‘eng verbundene
Umsätze’ im Sinne dieser Bestimmung darstellen
können“ (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053
Rdnr. 40).
|
|
|
32
|
b) Der erkennende Senat versteht diese
Rechtsprechung dahingehend, dass es sich bei den Tätigkeiten
der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung um
Dienstleistungen i.S. von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
handeln muss. Weiter ist dem EuGH-Urteil Ygeia in Slg. 2005,
I-10373 zu entnehmen, dass auch der eng verbundene Umsatz eine
Dienstleistung in diesem Sinne sein muss, so dass eine Lieferung
gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG kein eng
verbundener Umsatz wäre.
|
|
|
33
|
Ob eine derartige Einschränkung
tatsächlich besteht, ist aber als die Auslegung der Richtlinie
betreffende Frage klärungsbedürftig, da sich die
Befreiung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG auf „eng verbundene
Umsätze“ erstreckt, was grundsätzlich die
beiden in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG genannten
Umsatzarten der Lieferung (Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG) und
der Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG)
einschließt. Eine Einschränkung der eng verbundenen
Umsätze auf Dienstleistungen erscheint daher im Hinblick auf
den Wortlaut der Richtlinie fraglich.
|
|
|
34
|
Zu berücksichtigen könnte dabei auch
sein, dass der EuGH in seinem Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373
über die den vorliegenden Streitfall betreffende erste
Vorlagefrage nicht abschließend zu entscheiden hatte, da
Gegenstand der Leistungen, deren Steuerfreiheit als eng verbundener
Umsatz in der Rechtssache Ygeia in Slg. 2005, I-10373 streitig war,
die Nutzungsüberlassung von Fernsehgeräten und Telefonen
war, die umsatzsteuerrechtlich als Dienstleistungen, nicht aber als
Lieferungen einzuordnen sind. Möglicherweise deshalb hat der
EuGH in Bezug auf den eng verbundenen Umsatz nach Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in seinem Urteil Copy
Gene in Slg. 2010, I-5053 auf den Begriff der
„Leistungen“ abgestellt, der gleichermaßen
Lieferungen und Dienstleistungen umfasst.
|
|
|
35
|
c) Die erste Vorlagefrage ist für beide
Fallgruppen der ambulanten Behandlung (s. oben II.2.c)
entscheidungserheblich.
|
|
|
36
|
aa) Der Steuerfreiheit steht nicht bereits
entgegen, dass in beiden Fallgruppen nur ambulant-ärztliche
Heilbehandlungen vorliegen, da sich die Steuerfreiheit
gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG nicht auf stationär erbrachte Heilbehandlungen
beschränkt. Es ist nicht erforderlich, dass zugleich auch eine
(stationäre) Krankenhausbehandlung vorliegt.
|
|
|
37
|
bb) Das Vorliegen einer Lieferung ergibt sich
aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Die Zytostatika sind
körperliche Gegenstände. Die Befähigung, wie ein
Eigentümer verfügen zu können, wird durch die
Überlassung zum bestimmungsgemäßen Verbrauch, dem
Verbrauch der Zytostatika im Rahmen der ambulanten Heilbehandlung,
übertragen. Dass die Zytostatika speziell für einzelne
Patienten nach den Bedürfnissen des jeweiligen Patienten
hergestellt wurden und für andere Patienten nicht
verwendungsfähig waren, steht der Annahme einer Lieferung -
wie auch in anderen Fällen, in denen körperliche
Gegenstände speziell nach den Vorgaben des Kunden individuell
angefertigt werden - nicht entgegen.
|
|
|
38
|
cc) Eine Lieferung liegt auch insoweit vor,
als die Klägerin die Zytostatika für eigene ambulante
Heilbehandlungen verwendete.
|
|
|
39
|
Dies ergibt sich daraus, dass der EuGH in
seiner zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG
ergangenen Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich „die
Abgabe von Arzneimitteln ..., die von einem Arzt oder anderen
hierzu ermächtigten Personen verordnet werden, in
tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der
Dienstleistung [der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin]
trennen“ lässt, wenn „man von den
Lieferungen kleineren Umfangs ab[sieht], die bei der Heilbehandlung
unbedingt notwendig sind,“ (EuGH-Urteil vom 23.2.1988
C-353/85, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1988, 817
Rdnrn. 33 bis 35).
|
|
|
40
|
Für eine Übertragung dieser
Rechtsprechung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG spricht, dass sich die Begriffe „ärztliche
Heilbehandlung“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG und „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin“ in Buchst. c dieser Bestimmung der Art nach
auf dieselben Leistungen beziehen (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg.
2010, I-5053 Rdnr. 28).
|
|
|
41
|
4. Zur zweiten Vorlagefrage
|
42
|
Mit der zweiten wiederum Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG betreffenden Auslegungsfrage
soll geklärt werden, ob der Begriff des eng verbundenen
Umsatzes voraussetzt, dass der Steuerpflichtige, der diesen Umsatz
erbringt, zugleich auch eine Krankenhausbehandlungs- oder eine
ärztliche Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des
eng verbundenen Umsatzes erbringt.
|
|
|
43
|
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es
sich bei den mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen
Heilbehandlung eng verbundenen Umsätzen i.S. von Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG um Nebenleistungen,
die an den Empfänger einer Krankenhausbehandlung oder
ärztlichen Heilbehandlung als Hauptleistung erbracht werden
(EuGH-Urteile Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 18, und Copy Gene
in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39).
|
|
|
44
|
b) Der erkennende Senat hat Zweifel, welche
Bedeutung dieser Bezugnahme auf das Verhältnis von Haupt- und
Nebenleistung für die Auslegung des Begriffs des eng
verbundenen Umsatzes zukommt.
|
|
|
45
|
aa) Nach den allgemeinen Grundsätzen der
Rechtsprechung des EuGH zu Haupt- und Nebenleistung „sind
unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche
Einzelleistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede
für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen
könnten, als ein einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie
nicht selbständig sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn
festgestellt wird, dass eine oder mehrere Einzelleistungen eine
Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen
Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das
steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist
eine Leistung als Neben- und nicht als Hauptleistung anzusehen,
wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das
Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers
unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen“
(EuGH-Urteil vom 11.6.2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, Slg.
2009, I-4983 = SIS 09 21 09 Rdnr. 18).
|
|
|
46
|
Dies entspricht der ständigen
Rechtsprechung des EuGH, nach der Neben- und Hauptleistung ein
einheitlicher Umsatz sind, bei dem die Nebenleistung das
steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, wenn die
Nebenleistung dazu dient, die Hauptleistung des Leistungserbringers
unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteile vom
25.2.1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973 = SIS 99 10 25 Rdnrn. 29
f.; vom 15.5.2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833 = SIS 01 08 77 Rdnrn. 43 und 45, und vom 21.2.2008 C-425/06, Part Service, Slg.
2008, I-897 = SIS 08 16 66 Rdnrn. 51 f.).
|
|
|
47
|
bb) Wäre die Bezugnahme auf Haupt- und
Nebenleistung zur Auslegung des Begriffs des eng verbundenen
Umsatzes in den EuGH-Urteilen Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 18
und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39 als Verweisung auf die
allgemeine EuGH-Rechtsprechung zu verstehen, nach der Neben- und
Hauptleistung ein einheitlicher Umsatz sind, bei dem die
Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt,
käme der gesonderten Nennung des eng verbundenen Umsatzes in
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nur
deklaratorische Bedeutung zu, da es sich dann nur um eine
Nebenleistung zur Krankenhausbehandlung oder zur ärztlichen
Heilbehandlung handeln würde, die bereits nach den allgemeinen
Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung (EuGH-Urteile CPP in Slg.
1999, I-973 Rdnrn. 29 f.; Primback in Slg. 2001, I-3833 Rdnrn. 43
und 45; Part Service in Slg. 2008, I-897 Rdnrn. 51 f., und RLRE
Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18) als Teil eines
einheitlichen Umsatzes anzusehen wäre.
|
|
|
48
|
Die zweite Vorlagefrage wäre dann
dahingehend zu beantworten, dass ein eng verbundener Umsatz nur
dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige zugleich auch eine
Krankenhausbehandlungs- oder ärztliche Heilbehandlungsleistung
an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes erbringt, da nur
dann eine Nebenleistung vorliegt, die dazu dient, die Hauptleistung
„des Leistungserbringers“ unter optimalen
Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH-Urteile CPP in Slg.
1999, I-973 Rdnr. 30; Primback in Slg. 2001, I-3833 Rdnr. 45; Part
Service in Slg. 2008, I-897 Rdnr. 52, und RLRE Tellmer Property in
Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18).
|
|
|
49
|
cc) Gegen das Erfordernis, dass der
Steuerpflichtige, der den eng verbundenen Umsatz erbringt, zugleich
eine Krankenhausbehandlungs- oder eine ärztliche
Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen
Umsatzes ausführen muss, könnte aber sprechen, dass der
EuGH in seinen unmittelbar zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteilen Ygeia in Slg. 2005,
I-10373 Rdnr. 18 und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39 nur
darauf abgestellt hat, dass eine Nebenleistung an den
Empfänger einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen
Heilbehandlung als Hauptleistung erbracht wird.
|
|
|
50
|
dd) Eine Antwort auf die zweite Vorlagefrage
lässt sich nicht aus dem Urteil des EuGH vom 11.1.2001
C-76/99, Kommission/Frankreich (Slg. 2001, I-249 = SIS 01 05 41)
ableiten. Diese Rechtssache betraf biomedizinische Untersuchungen,
bei denen ein sog. Entnahmelabor Patienten Proben entnimmt und
diese an ein Speziallabor, das diese Proben untersucht,
übersendet. Entnahme- und Speziallabor berechnen ihre
Tätigkeit jeweils - als nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b
der Richtlinie 77/388/EWG - steuerfrei an den Patienten. Zu
klären war, ob die Übersendungsvergütung, die das
Spezial- an das Entnahmelabor zahlt, ein Entgelt für eine
gleichfalls nach dieser Bestimmung steuerfreie Leistung ist
(EuGH-Urteil Kommission/ Frankreich in Slg. 2001, I-249 Rdnr. 10),
was der EuGH bejahte. Der EuGH führte hierfür an, dass es
für die Patienten unerheblich sei, ob das Entnahmelabor auch
die Analyse vornehme oder damit ein Speziallabor beauftrage,
gleichwohl aber gegenüber den Patienten verantwortlich bleibe.
Probenentnahme und Übersendung der Probe an das Speziallabor
seien Leistungen, die eng mit der Analyse verbunden seien
(EuGH-Urteil Kommission/Frankreich in Slg. 2001, I-249 Rdnrn. 28
ff.).
|
|
|
51
|
Hieraus ergibt sich keine hinreichende Antwort
auf die zweite Vorlagefrage, da die Übersendung durch das
Entnahmelabor erfolgte, das durch die Entnahme auch eine
steuerfreie „Hauptleistung“ gegenüber dem
Patienten (oder seiner Krankenkasse) erbrachte, an der es hier in
der zweiten Fallgruppe (s. oben II.2.c bb) fehlt.
|
|
|
52
|
c) Die zweite Vorlagefrage ist nur für
die Abgabe von Zytostatika in Zusammenhang mit den ambulanten
Leistungen der selbständig tätigen Krankenhausärzte
in der zweiten Fallgruppe (s. oben II.2.c bb)
entscheidungserheblich.
|
|
|
53
|
aa) Die insoweit von der Klägerin
erbrachten Leistungen sind steuerpflichtig, wenn die zweite
Vorlagefrage zu bejahen ist und das Vorliegen eines eng verbundenen
Umsatzes daher voraussetzt, dass der Steuerpflichtige neben dem eng
verbundenen Umsatz auch eine Krankenhausbehandlungs- oder eine
Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen
Umsatzes erbringt.
|
|
|
54
|
Denn nach den dem Streitfall zugrunde
liegenden Leistungsbeziehungen hat die Klägerin in der zweiten
Fallgruppe (s. oben II.2.c bb) an den Empfänger des eng
verbundenen Umsatzes und damit - im Rahmen des Systems der
gesetzlichen Sozialversicherung - an die gesetzliche Krankenkasse
des Patienten und - im Fall der Privatversicherung - an den
Patienten selbst, außer der Lieferung der Zytostatika, keine
weiteren Leistungen erbracht; denn die ambulant-ärztliche
Heilbehandlungsleistung wurde durch die ermächtigten
Krankenhausärzte als selbständig tätige
Steuerpflichtige erbracht.
|
|
|
55
|
bb) Ist die zweite Vorlagefrage
demgegenüber mit der Folge zu verneinen, dass der eng
verbundene Umsatz durch einen Steuerpflichtigen (hier:
Krankenhausträger) und die Hauptleistung durch einen anderen
Steuerpflichtigen (hier: Krankenhausarzt) erbracht werden kann,
liegen grundsätzlich - jedoch vorbehaltlich der Antwort auf
die dritte Vorlagefrage - die weiteren Voraussetzungen für
eine Steuerfreiheit der Lieferung des Zytostatika als eng
verbundener Umsatz vor.
|
|
|
56
|
Denn bei der Abgabe der Zytostatika im
Streitfall handelte es sich um Leistungen, die
naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und
ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der
Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit
verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind (vgl.
EuGH-Urteile Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 25, und Copy Gene in
Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 40). Es handelte sich nicht um Leistungen,
die lediglich den Komfort und das Wohlbefinden der
Krankenhauspatienten verbessern sollen (vgl. EuGH-Urteil Ygeia in
Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 29). Es wurde auch der erforderliche enge
Zusammenhang zur ärztlichen Heilbehandlung gewahrt (vgl.
EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 48), der
voraussetzt, dass eine Krankenhausbehandlung und ärztliche
Heilbehandlung zumindest begonnen hat oder geplant ist (EuGH-Urteil
Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 50), da die Abgabe der
Zytostatika im Zusammenhang zu bereits begonnenen ambulanten
Heilbehandlungsmaßnahmen durch die insoweit selbständig
tätigen Krankenhausärzte stand.
|
|
|
57
|
5. Zur dritten Vorlagefrage
|
58
|
a) Der erkennende Senat geht davon aus, dass
die durch die selbständig tätigen Krankenhausärzte
im Krankenhaus der Klägerin erbrachten
Heilbehandlungsleistungen zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, aber nach Buchst. c dieser
Bestimmung steuerfrei sind. Gegenteiliges ist nach Auffassung des
erkennenden Senats nicht der EuGH-Rechtsprechung zu entnehmen, nach
der „sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten
Richtlinie auf Leistungen bezieht, die in Krankenhäusern
erbracht werden, während sich Buchst. c dieses Absatzes auf
diejenigen Heilbehandlungen bezieht, die außerhalb von
Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des
Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen
Ort, erbracht werden“ (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg.
2010, I-5053 Rdnr. 27, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Diese
Rechtsprechung, die sich nur auf die allgemeine Abgrenzung dieser
beiden Steuerbefreiungen bezieht, steht nach Auffassung des
erkennenden Senats einer Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auf Heilbehandlungsleistungen,
die selbständig tätige Ärzte in den Räumen von
Krankenhäusern erbringen, nicht entgegen, da für die
Annahme, ein Arzt könne als Steuerpflichtiger in einem
Krankenhaus keine steuerfreie Heilbehandlung im Bereich der
Humanmedizin erbringen, keinerlei sachliche Gründe erkennbar
sind.
|
|
|
59
|
b) Sollte die zweite Vorlagefrage zu verneinen
sein, so dass der eng verbundene Umsatz nicht von demselben
Steuerpflichtigen erbracht werden muss, der auch die
Heilbehandlungsleistung ausführt, könnte dies
weitergehend auch die Annahme rechtfertigen, dass ein Arzt, dessen
Heilbehandlungsleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
c der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind und der diese
Leistungen steuerfrei auch in den Räumen eines Krankenhauses
erbringen kann (s. oben II.2.c bb), die steuerfreie Hauptleistung
ausführen kann, zu der der eng verbundene Umsatz des
Krankenhauses als nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Nebenleistung hinzutritt.
|
|
|
60
|
Hierfür könnte angeführt
werden, dass sich die Begriffe „ärztliche
Heilbehandlung“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG und „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin“ in Buchst. c dieser Bestimmung der Art nach
auf dieselben Leistungen beziehen (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg.
2010, I-5053 Rdnr. 28).
|
|
|
61
|
Gegen eine derartige Auslegung könnte
indes das Erfordernis einer hinreichend klaren Abgrenzung des
Umfangs der steuerfreien Leistungen sowie die Entscheidung des
Unionsgesetzgebers sprechen, eng verbundene Umsätze nur im
Rahmen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG, von der Steuer zu befreien, während eine
vergleichbare Regelung für Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG nicht vorliegt.
|
|
|
62
|
6. Keine Steuerpflicht aus anderen
Gründen
|
63
|
a) Die Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefragen entfällt auch nicht aus anderen
Gründen.
|
|
|
64
|
aa) Einem Erfolg der Klage steht nicht
entgegen, dass die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG gemäß Abs. 2 Buchst.
b erster Gedankenstrich dieser Bestimmung unter dem Vorbehalt der
Unerlässlichkeit steht, da die Zytostatika für die
ambulant durchgeführte Chemotherapie unerlässlich
waren.
|
|
|
65
|
bb) Gegen die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG kann auch nicht Abs. 2
Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Bestimmung angeführt
werden. Danach dürfen Leistungen nicht im Wesentlichen dazu
bestimmt sein, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch
Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb
mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden
gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
|
|
|
66
|
b) Der Senat verkennt nicht, dass die
Klägerin bei der Abgabe im unmittelbaren Wettbewerb zu
gewerblichen Apotheken handelte, die dieselben Zytostatika nur
unter der Anwendung des Regelsteuersatzes anbieten konnten, da der
nationale Gesetzgeber die Ermächtigung zur Anwendung eines
ermäßigten Steuersatzes nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m.
Anhang H Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG nicht ausgeübt hat.
Dabei steht der Wettbewerbsrelevanz nicht entgegen, dass die
Zulassung zur ambulanten Heilbehandlung unter dem Vorbehalt einer
Bedarfsprüfung nach § 116 SGB V stand.
|
|
|
67
|
Hierauf kommt es indes nicht an, da die
Lieferung der Zytostatika nach Auffassung des Senats nicht im
Wesentlichen dazu bestimmt war, der Klägerin zusätzliche
Einnahmen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG zu verschaffen.
Maßgeblich ist dafür, dass nach der insoweit den
nationalen Gerichten obliegenden Beurteilung (vgl. EuGH-Urteil
Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 34) davon auszugehen ist, dass
die Abgabe der Zytostatika im Streitfall vorrangig dazu diente, den
bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzten die
selbständige Erbringung ambulanter Heilbehandlungsleistungen
zu ermöglichen. Anders wäre es erst, wenn die
Klägerin über ihre Krankenhausapotheke andere
Krankenhäuser beliefert hätte, da es dann an einem Bezug
zu einer in den Räumlichkeiten des eigenen Krankenhauses
ausgeübten Heilbehandlungstätigkeit fehlen würde
(vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.10.1990 V R 76/89, BFHE 162, 510,
BStBl II 1991, 268 = SIS 91 04 26).
|
|
|
68
|
7. Zum Rechtsgrund der Vorlage
|
69
|
Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens
an den EuGH beruht auf Art. 267 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union.
|