1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2004 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit notariell
beurkundetem Kaufvertrag vom 17.6.1994 ein Wohngebäude, um
damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen;
die Anschaffungskosten des Objekts betrugen (einschließlich
der Anschaffungsnebenkosten) 1.841.235 EUR. Von diesen Kosten
finanzierte der Kläger einen Teilbetrag in Höhe von
1.457.181,86 EUR über Darlehen der Volksbank X. 2
|
|
Der Kläger veräußerte das
Objekt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 14.5.2001; dabei
erzielte er einen Veräußerungspreis in Höhe von
1.073.712 EUR. Unter Berücksichtigung der
Veräußerungskosten ergab sich nach den gemäß
§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ein
Veräußerungsverlust i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 792.432 EUR, den
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erstmals
für den Veranlagungszeitraum 2001 nach § 10d Abs. 4 EStG
gesondert feststellte. Der Kläger hat in den Jahren 2004 und
2005 nachträgliche Einkünfte aus dem Objekt in Gestalt
verspätet geleisteter rückständiger Mieteinnahmen
erzielt.
|
|
|
3
|
Der aus der Veräußerung des
Objekts erzielte Erlös reichte nicht aus, um die im
Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden Darlehen
abzulösen; das ausschließlich zum Erwerb der Immobilie
aufgenommene Darlehen der Volksbank X valutierte im Zeitpunkt der
Veräußerung noch mit 534.075 EUR. Für die - nach
vollständiger Verwendung des
Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung - noch
verbliebene Darlehensschuld wandte der Kläger im Streitjahr
2004 Schuldzinsen in Höhe von 21.135 EUR auf, die er in seiner
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung geltend machte.
|
|
|
4
|
Das FA berücksichtigte im
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die vom Kläger
aufgewendeten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten im Rahmen des
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der hiergegen gerichtete
Einspruch der Kläger, mit dem sie weiterhin die
Berücksichtigung der erklärten Schuldzinsen begehrten,
hatte keinen Erfolg.
|
|
|
5
|
Das FG wies die Klage aus den in EFG 2011,
1052 = SIS 11 10 22 genannten Gründen ab.
|
|
|
6
|
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertreten die Auffassung,
dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur
eingeschränkten Berücksichtigung nachträglicher
Schuldzinsen mit Blick auf die erweiterte Besteuerung von
Wertsteigerungen im Privatvermögen seit dem Erlass des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304) nicht mehr aufrecht zu halten sei;
denn das insoweit in der Rechtsprechung bemühte Argument, ein
nicht steuerbarer Veräußerungsvorgang überlagere
einen ursprünglich gegebenen Veranlassungszusammenhang zur
Einkünfteerzielung, sei nicht mehr tragfähig, wenn der
Veräußerungsvorgang selbst grundsätzlich
steuerpflichtig sei. Dies habe im Übrigen auch der BFH in
seinem Urteil vom 16.3.2010 VIII R 20/08 (BFHE 229, 151, BStBl II
2010, 787 = SIS 10 20 99) zu den insoweit vergleichbaren
Einkünften aus Kapitalvermögen aus einer wesentlichen
Beteiligung i.S. des § 17 EStG so gesehen und seine
diesbezügliche Rechtsprechung geändert. Während die
frühere Rechtsprechung eine gewisse
„Korrespondenz“ zwischen der weitgehenden Verschonung
von Veräußerungsgewinnen im privaten
Vermögensbereich und einem Abzugsverbot für
nachträgliche Finanzierungsaufwendungen gesehen habe, lasse
sich nun umgekehrt aus dem BFH-Urteil in BFHE 229, 151, BStBl II
2010, 787 = SIS 10 20 99 ableiten, dass die gesetzgeberische
Entscheidung, Veräußerungsgewinne im Privatvermögen
weitgehend der Besteuerung zu unterwerfen, auch zum Abzug
nachträglicher Finanzierungsaufwendungen führen
müsse. Soweit der Gesetzgeber mit den gesetzlichen
Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 im
Anwendungsbereich des § 23 EStG eine erweiterte
Steuerverstrickung eingeführt habe, würden
Steuerpflichtige, die Grundstücke aus ihrem
Privatvermögen steuerpflichtig veräußern, durch die
Versagung des Abzugs nachträglich entstehende
Finanzierungskosten schlechter gestellt als Steuerpflichtige, die
Grundstücke aus ihrem Betriebsvermögen
veräußern. Daher müsse - jedenfalls soweit die
Steuerverstrickung reiche - ein nachträglicher
Schuldzinsenabzug zulässig sein. Zu Unrecht habe das FG
überdies an der - in der früheren
höchstrichterlichen Rechtsprechung so vertretenen -
unterschiedlichen Behandlung von Überschuss- und
Gewinneinkünften festgehalten. Maßgeblich sei nach der
neueren BFH-Rechtsprechung nicht mehr alleine die Zuordnung des zur
Einkünfteerzielung verwendeten Vermögens zum
betrieblichen oder privaten Bereich, sondern die Frage, ob
Wertveränderungen dieses Vermögens dem
Besteuerungszugriff unterliegen. Schließlich habe das FG auch
§ 24 Nr. 2 EStG fehlerhaft ausgelegt. Der genannten Norm sei
nicht zu entnehmen, dass der Betriebsaufgabe einerseits und der
Aufgabe des Kapitalvermögens oder der Veräußerung
eines Mietshauses andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen
hinsichtlich der Berücksichtigung nachträglicher
Einnahmen und Aufwendungen beizumessen seien.
|
|
|
7
|
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil des FG vom 1.7.2010 13 K 136/07 sowie den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.3.2006,
geändert durch Bescheide vom 8.6.2006 und vom 17.7.2009,
sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2007
aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter
Berücksichtigung der erklärten Verluste aus Vermietung
und Verpachtung festzusetzen, dem FA die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren für notwendig zu erklären.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit
zur weiteren Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht an
das FG zurückzuverweisen.
|
|
|
9
|
Das FA vertritt die Auffassung, dass die
unterschiedliche Behandlung von nachträglichem Aufwand bei den
Gewinneinkünften einerseits und den
Überschusseinkünften andererseits durch den - auch in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als gültige
Grundkonzeption des deutschen Einkommensteuerrechts anerkannten -
Dualismus der Einkunftsarten gerechtfertigt sei. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus dem BFH-Urteil in BFHE 229, 151, BStBl
II 2010, 787 = SIS 10 20 99, da dessen Grundsätze trotz der
von zwei auf zehn Jahre verlängerten
Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
nicht übertragen werden könnten. Der
Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Finanzierung der
Anschaffungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie sei durch deren
Veräußerung unterbrochen; daher könnten die von den
Klägern aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen
allenfalls bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Überdies
müsste eine verlustbringende Veräußerung auch bei
der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht der
Kläger berücksichtigt werden.
|
|
|
10
|
Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2
FGO beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt die
Auffassung, das FG habe zu Recht an der bisherigen Rechtsprechung
des BFH zum beschränkten Schuldzinsenabzug nach
Veräußerung der Immobilie festgehalten; nach Aufgabe der
Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen seien auch mit
Blick auf die verlängerten Veräußerungsfristen des
§ 23 EStG keine nachträglichen Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn der
Veräußerungserlös der Immobilie nicht zur Tilgung
des zur Finanzierung der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten
aufgenommenen Kredits ausreiche.
|
|
|
11
|
Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils
in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787 = SIS 10 20 99 seien nicht auf
die Rechtslage bei § 21 EStG übertragbar, weil die
Änderungen in den maßgeblichen Vorschriften nicht
miteinander vergleichbar seien. Rechtsfolge der Bestimmung des
§ 17 EStG sei - anders als bei der Regelung in § 23 EStG
- eine von der Haltedauer unabhängige durchgängige
steuerliche Verstrickung der betreffenden Anteile. Vor diesem
Hintergrund lasse sich eine Gleichbehandlung mit betrieblichen
Einkünften noch eher begründen; dies gelte insbesondere
auch aufgrund des Wortlauts des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der
die betreffenden Gewinne aus der Veräußerung der Anteile
zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zähle.
Demgegenüber bleibe es bei der Besteuerung der Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften von
Grundstücken auch nach Verlängerung der
Veräußerungsfrist von zwei auf zehn Jahren dabei, dass
das Wirtschaftsgut selbst der privaten Vermögensebene
zuzuordnen sei. Daher könne man bei der Verlängerung der
Veräußerungsfrist im Rahmen des § 23 EStG nicht von
einem vergleichbaren „Paradigmenwechsel“ sprechen. Dies
habe bislang auch der erkennende Senat stets so gesehen, wenn er -
etwa in seinen Urteilen vom 22.4.2008 IX R 29/06 (BFHE 221, 97,
BStBl II 2009, 296 = SIS 08 24 23) und vom 18.10.2006 IX R 28/05
(BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259 = SIS 07 00 44) - die
Objektivierung der Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23
EStG mit den „verhältnismäßig kurzen
Veräußerungsfristen“ begründet habe. Eine
Vergleichbarkeit der genannten Regelungen in § 17 und §
23 EStG sei überdies auch deshalb nicht gegeben, weil die
Grundstruktur der genannten Regelungen auch im Zuge der
Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002
unverändert geblieben sei; insbesondere sei die
gesetzgeberische Grundentscheidung, wonach Verluste aus
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG
lediglich innerhalb der Einkunftsart verrechnet werden dürfen
(§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG), nicht angetastet worden.
|
|
|
12
|
Das beigetretene BMF hat keinen Antrag
gestellt.
|
|
|
13
|
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die von den
Klägern geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen zu
Unrecht nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung berücksichtigt.
|
|
|
14
|
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit
einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im
wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
Satz 1 EStG).
|
|
|
15
|
a) Als maßgebliches Kriterium für
einen steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang
zwischen Aufwendungen und einer Einkunftsart wird die wertende
Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen
„auslösenden Moments“ sowie dessen
„Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre“ angesehen (Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010,
672 = SIS 10 00 37). Bei Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung kommt einerseits dem mit der Schuldaufnahme verfolgten
Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung gerichtet sein muss, und andererseits der
zweckentsprechenden Verwendung der Mittel entscheidende Bedeutung
zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als
gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser
Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur
Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung
dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen
Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines
Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit
diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. BFH-Urteile vom
27.10.1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676 = SIS 99 05 12; vom 29.7.1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772 =
SIS 97 23 22; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG
Rz 362; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 203).
|
|
|
16
|
b) Nach den bisher in der Rechtsprechung
vertretenen Grundsätzen besteht der Zweck, sofern das Darlehen
nicht vorher abgelöst wird, jedenfalls solange fort, bis die
Vermietungsabsicht aufgegeben wird und die
Vermietungstätigkeit bzw. das Rechtsverhältnis im Sinne
der Einkunftsart endet mit der Konsequenz, dass die auf das
Darlehen gezahlten Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
Satz 1 EStG zwar in dem genannten Zeitraum als Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
berücksichtigt, nach Ende der Vermietungstätigkeit jedoch
grundsätzlich nicht mehr als solche anerkannt wurden - und
zwar auch dann nicht, wenn der Erlös aus der
Veräußerung eines zuvor zur Vermietung genutzten
Grundstücks nicht ausreichte, um das ursprünglich zur
Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen
abzulösen (vgl. BFH-Urteile vom 25.4.1995 IX R 114/92, BFH/NV
1995, 966 = SIS 95 17 12; vom 24.4.1997 VIII R 53/95, BFHE 183,
155, BStBl II 1997, 682 = SIS 97 23 03; vom 19.8.1998 X R 96/95,
BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353 = SIS 99 02 20; vom 25.1.2001 IX R
27/97, BFHE 195, 135, BStBl II 2001, 573 = SIS 01 08 48). Etwas
anderes galt mit Blick auf die Regelung in § 24 Nr. 2 EStG
für rückständige Zinsen, die auf die Zeit der
Vermietung entfielen, jedoch erst nach Beendigung der
Vermietungstätigkeit geleistet wurden (BFH-Urteile vom
21.12.1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373 = SIS 83 08 06; vom 23.1.1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464 =
SIS 90 10 08; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 600
„Zinsen“). Zudem hat die Rechtsprechung nach
Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen dann
als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, wenn mit dem Kredit
Aufwendungen finanziert worden sind, die während der
Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu
beurteilen waren (BFH-Urteile vom 16.9.1999 IX R 42/97, BFHE 190,
165, BStBl II 2001, 528 = SIS 00 01 25; vom 12.10.2005 IX R 28/04,
BFHE 211, 255, BStBl II 2006, 407 = SIS 06 01 83).
|
|
|
17
|
2. An dieser Rechtsprechung hält der
Senat aus den nachfolgend dargelegten Erwägungen nicht
länger fest.
|
|
|
18
|
a) Die bisherige Rechtsprechung zur
beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat sich
maßgebend von der Erwägung leiten lassen, dass der
ursprünglich bestehende wirtschaftliche Zusammenhang zwischen
dem zur Finanzierung von Anschaffungskosten aufgenommenen Darlehen
und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit der
Veräußerung des Grundstücks beendet sei und das
anschließend fortbestehende (Rest-)Darlehen seine Ursache in
dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren
Veräußerungsverlust habe; Aufwendungen hierauf seien nur
noch Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das
nicht mehr der Erzielung von steuerbaren Einnahmen diene (vgl.
BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 966 = SIS 95 17 12; vom 7.8.1990 VIII R
67/86, BFHE 162, 48 = SIS 90 24 01; in BFHE 138, 47, BStBl II 1983,
373 = SIS 83 08 06).
|
|
|
19
|
Diese Erwägungen mögen vor dem
Hintergrund der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst.
a EStG in den Fassungen vor 1999, welche sich auf
Veräußerungsgeschäfte mit
„Spekulationscharakter“ beschränkte,
gerechtfertigt gewesen sein. Mit der auf zehn Jahre erweiterten
Erfassung von Wertsteigerungen bei der Veräußerung von
im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken durch § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002, welche ausweislich der Gesetzesbegründung der
Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagen dienen sollte (vgl.
BTDrucks 14/23, S. 179 f.), hat der Gesetzgeber eine
Grundentscheidung dahin getroffen, dass zur Erzielung von
Einkünften dienende Wohngrundstücke für den
genannten Zeitraum - d.h. über einen reinen, steuerpolitisch
gerechtfertigten „Spekulationszeitraum“ hinaus -
nicht mehr dem privaten, sondern dem steuerrechtlich erheblichen
Vermögensbereich zuzuordnen sind und ein etwaiger Gewinn oder
Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften der
Besteuerung unterliegt.
|
|
|
20
|
b) Vor dem Hintergrund dieser
gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das bisher von der
Rechtsprechung bemühte Argument, der Fortbestand eines den
Verkaufserlös der veräußerten Einkunftsquelle
übersteigenden (Rest-)Darlehens habe seine Ursache in dem im
privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren
Veräußerungsverlust, nicht länger ergiebig.
Nachträgliche Schuldzinsen können mithin auch im Bereich
der Überschusseinkünfte der Finanzierung eines
steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- oder
Aufgabeverlusts dienen. Die Notwendigkeit einer dahin gehenden
Fortentwicklung der Rechtsprechung wird besonders an der Regelung
des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG (vormals § 23 Abs. 3 Satz 2
EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes - JStG - 1996, BStBl I 1995,
438, 461) deutlich, wonach im Rahmen der Gewinnermittlung nach
§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines veräußerten Wirtschaftsguts
sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen
und Sonderabschreibungen mindern, soweit sie bei der Ermittlung der
Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 6 EStG
abgezogen worden sind. Diese Regelung - die nach § 52 Abs. 22
EStG i.d.F. des JStG 1996 auf Veräußerungsgeschäfte
anzuwenden ist, bei denen der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut
nach dem 31.7.1995 angeschafft hat - verknüpft das private
Veräußerungsgeschäft mit der bisherigen steuerbaren
und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks und bewirkt,
dass die Ermittlung des Gewinns aus einem nach § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren privaten
Veräußerungsgeschäft - strukturell - der Ermittlung
eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts
des Betriebsvermögens gleichgestellt wird. Denn die Höhe
des Gewinns i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG hängt ab von
der bisherigen Nutzung des Grundstücks und von der
Entscheidung des Steuerpflichtigen, bestimmte Abzugsbeträge im
Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung geltend zu
machen (vgl. Heuermann, DStZ 2002, 864, 866).
|
|
|
21
|
c) Eine Ausweitung des nachträglichen
Schuldzinsenabzugs bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung führt im System der Einkommensteuer weder zu
Wertungswidersprüchen noch zu sachwidrigen Ergebnissen. Der
Gesetzgeber selbst hat den Besteuerungszugriff mit der
Verlängerung der Veräußerungsfrist für
Grundstücke auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG i.d.F. seit 1999 in bedeutsamer Weise ausgedehnt. Der Senat
überträgt diese gesetzgeberische Grundentscheidung
lediglich folgerichtig auf seine Rechtsprechung, mit der er auch
schon bisher den weiteren Abzug von bislang auf einen
veräußerten Grundstücksanteil entfallenden
Schuldzinsen im Wege der Surrogation unter bestimmten
Voraussetzungen zugelassen hat (vgl. etwa BFH-Urteile vom 25.2.2009
IX R 52/07, BFH/NV 2009, 1255 = SIS 09 21 44; vom 8.4.2003 IX R
36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706 = SIS 03 31 92) und stellt
dabei die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von
nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den
Überschusseinkünften (s. hierzu Beiser, Der Abzug von
Schuldzinsen in der Einkommensteuer, Berlin 1990, 129) wieder
her.
|
|
|
22
|
3. Nach diesen Grundsätzen besteht ein
ursprünglich gesetzter Veranlassungszusammenhang zwischen
einem (Rest-)Darlehen, das der Finanzierung von Anschaffungskosten
eines zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen
Immobilienobjektes diente, und den (früheren) Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich auch dann weiter
fort, wenn der Steuerpflichtige das Objekt veräußert und
der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um
das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks
aufgenommene Darlehen abzulösen. Durch die mit der
Veräußerung des Wohngrundstücks einhergehende
Beendigung der Vermietungstätigkeit ist der ursprüngliche
Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen; vielmehr sind die
nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die
ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung aufgenommenen Schulden ausgelöst.
|
|
|
23
|
Mit der Veräußerung des
ursprünglich zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen
Immobilienobjektes wird auch kein „neuer“, den
bisherigen Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung überlagernder oder gar ersetzender
Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geschaffen. Zwar können Aufwendungen,
die während des nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
maßgeblichen Zeitraums angefallen sind, auch Werbungskosten
i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG sein.
Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 23
EStG kommt indes zum einen nur dann in Betracht, soweit nicht der
Veräußerungsgegenstand im Rahmen einer vorrangigen
Einkunftsart genutzt wurde (vgl. § 23 Abs. 2 EStG). Sind daher
die Aufwendungen im Rahmen einer steuerlich relevanten Nutzung als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung zu werten, scheidet der Abzug als Werbungskosten bei
den sonstigen Einkünften schon dem Grunde nach aus. Zum
anderen erfolgt die Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG
zeitpunktbezogen; aufgrund dieser einkunftsartbedingten
Besonderheit kommt eine Berücksichtigung von Schuldzinsen, die
nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
angefallen sind, entgegen der Auffassung des FA bei den
Einkünften nach § 23 EStG nicht in Betracht (vgl.
BFH-Urteile vom 16.6.2004 X R 22/00, BFHE 206, 406, BStBl II 2005,
91 = SIS 04 29 04; vom 12.12.1996 X R 65/95, BFHE 182, 363, BStBl
II 1997, 603 = SIS 97 15 09; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz
181, 195).
|
|
|
24
|
4. In Einschränkung dieser
Grundsätze ist ein Veranlassungszusammenhang von
nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung - entsprechend der rechtlichen Behandlung
nachträglicher Schuldzinsen auf Betriebsschulden nach Aufgabe
oder Veräußerung des Betriebs als Betriebsausgaben (s.
BFH-Urteile vom 28.3.2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007,
642 = SIS 07 23 48; vom 19.8.1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II
1999, 353 = SIS 99 02 20) - dann allerdings zu verneinen, wenn die
Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den
Veräußerungspreis des Immobilienobjektes hätten
getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der
Schuldentilgung). In diesem Fall beruht die Entscheidung des
Steuerpflichtigen, im Veräußerungszeitpunkt noch
valutierende Darlehensschulden nicht oder nicht im Rahmen der
bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer
privaten Motivation, die den ursprünglichen
Veranlassungszusammenhang überlagert (vgl. Jachmann/
Schallmoser, DStR 2011, 1245, 1249). Ein fortdauernder
Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit
früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG kann ferner
dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar
ursprünglich - etwa mit Blick auf eine dauerhaft angelegte
Vermietung des maßgeblichen Objektes - mit
Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat (zur Typisierung der
Einkünfteerzielungsabsicht vgl. BFH-Urteil vom 30.9.1997 IX R
80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 = SIS 98 02 12; zur
Übernahme der Typisierung durch den Gesetzgeber s. die
Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG i.d.F. des
Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) sowie die
hierzu gegebene Gesetzesbegründung in BRDrucks 54/11, 51),
seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch
bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjektes aus
anderen Gründen weggefallen ist.
|
|
|
25
|
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, in
welchen darüber hinaus denkbaren Fallkonstellationen eine den
ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde
private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass
nachträgliche Schuldzinsen nicht mehr durch die
ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden
ausgelöst sind. Jedenfalls ist in den Fällen, in denen
der Steuerpflichtige - ohne seine Absicht zur
Einkünfteerzielung vor der Zeit aufgegeben zu haben - das
bisher der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung dienende Wohngrundstück steuerbar
veräußert und der Erlös aus der
Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich
zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen
abzulösen, von einem Fortbestand des
Veranlassungszusammenhangs auszugehen.
|
|
|
26
|
5. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist
stattzugeben. Die Höhe der von dem Kläger im Streitjahr
aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen ist ebenso wenig
streitig wie der Umstand, dass er das verbliebene (Rest-)Darlehen
zur Finanzierung von Anschaffungskosten eines der Erzielung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienenden
Wohngebäudes aufgenommen hat. Unstreitig war der Kläger
auch nicht in der Lage, die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten
bei der Veräußerung des Immobilienobjektes
vollständig zu tilgen; der Grundsatz des Vorrangs der
Schuldentilgung wurde insoweit beachtet.
|
|
|
27
|
6. Die Ermittlung und Berechnung der
festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der
Gründe dieser Entscheidung wird dem FA gemäß §
100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO übertragen. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
|
|
|
28
|
7. Der Antrag der Kläger, die
Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren
für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren
unzulässig (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom
28.3.2000 VIII R 68/96, BFHE 191, 505 = SIS 00 10 39; vom 14.5.2009
IV R 47/07, BFHE 225, 116, BStBl II 2009, 900 = SIS 09 22 53). Die
Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich
zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist deshalb das FG
als Gericht des ersten Rechtszugs (z.B. BFH-Urteil vom 2.6.1999 X R
16/96, BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596 = SIS 99 17 11).
|