Gebrauchtwagen, Spekulationsverlust: Die Veräußerung eines Gebrauchtkraftwagens innerhalb eines Jahres nach Anschaffung ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. - Urt.; BFH 22.4.2008, IX R 29/06; SIS 08 24 23
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb am 19. Januar des Streitjahres (2001) ein
(gebrauchtes) BMW-Cabrio für 58.500 DM und verkaufte es am 2.
Oktober des Streitjahres für 53.800 DM. Diesen Verlust von
4.700 DM erklärte er neben weiteren Verlusten aus der
Veräußerung anderer Wirtschaftsgüter in seiner
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr. Der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht und
setzte in dem Bescheid vom 9.10.2002 über die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs/-vortrags zur
Einkommensteuer auf den 31.12.2001 einen Verlustvortrag nach §
10d des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG)
für die Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften ohne Berücksichtigung
des Verlustes aus der Veräußerung des Fahrzeugs in
Höhe von 10.028 DM fest.
Einspruch und Klage gegen den
Feststellungsbescheid mit dem Begehren, den verbleibenden
Verlustvortrag auf 14.728 DM festzustellen, hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) erfasste in seinem in EFG 2006, 1758 = SIS 07 02 26 veröffentlichten Urteil das BMW-Cabrio nicht als
„anderes Wirtschaftsgut“ i.S. des § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 EStG. Darunter fielen keine Gegenstände des
täglichen Gebrauchs, bei denen Wertsteigerungen von vornherein
ausgeschlossen seien.
Mit seiner Revision trägt der
Kläger vor, auch das BMW-Cabrio sei ein Wirtschaftsgut, seine
Veräußerung also steuerbar. Auf eine Spekulationsabsicht
komme es ebenso wenig an wie auf eine
Einkünfteerzielungsabsicht.
Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den
verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer aus den
Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften
unter Abänderung des Bescheids vom 9.10.2002 auf 14.728 DM
festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Das beigetretene Bundesministerium der
Finanzen hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
Das FG hat es zu Unrecht abgelehnt, den
verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG um den
Verlust aus der Veräußerung des BMW-Cabrios zu
erhöhen.
1. Der im Streitfall erwirtschaftete Verlust
aus der Veräußerung des Fahrzeugs ist nach § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar.
a) Nach dieser Vorschrift unterliegen private
Veräußerungsgeschäfte bei anderen
Wirtschaftsgütern (als Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten) als sonstige Einkünfte
(§ 22 Nr. 2 EStG) der Besteuerung, wenn der Zeitraum zwischen
Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr
beträgt.
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
vor. Das BMW-Cabrio ist als körperlicher Gegenstand eine Sache
(§ 90 des Bürgerlichen Gesetzbuches) und damit ein
Wirtschaftgut (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.11.1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298 = SIS 79 01 51, und vom 2.5.2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000,
614 = SIS 00 11 95), das innerhalb der maßgeblichen
Jahresfrist angeschafft und wieder veräußert wurde.
aa) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
betrifft alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen. Wenn
das Gesetz als andere Wirtschaftsgüter nach
„insbesondere“ die Wertpapiere hervorhebt,
erwähnt es einen besonderen Fall, dem aber nicht die Bedeutung
beigemessen werden kann, das Begriffsverständnis des
allgemeinen Begriffs „Wirtschaftsgut“
einzuschränken, etwa auf Wertgegenstände (so aber
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 2.10.2003 5 K 429/02, EFG
2004, 265 = SIS 04 06 48; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl.,
§ 23 Rz 27). Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber
diesen Zusammenhang mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom
14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) löst, indem
er die Veräußerung von Wertpapieren aus § 23 EStG
herausgenommen hat, ohne den Wortlaut der Norm im Übrigen zu
ändern.
bb) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist
entgegen der Auffassung des FG nicht teleologisch insoweit zu
reduzieren, als Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs
mangels objektiven Wertsteigerungspotentials aus seinem
Anwendungsbereich herauszunehmen sind (a.A.
Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 2004, 265 = SIS 04 06 48;
Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 61; Korn/Carlé, §
23 EStG Rz 41.3; Valentin, EFG 2004, 267; so im Ergebnis auch die
Finanzverwaltung allerdings in Bezug auf die
Einkünfteerzielungsabsicht, z.B. Oberfinanzdirektion Hannover,
Verfügung vom 12.3.2001, FR 2001, 556 = SIS 01 06 88).
(1) Es fehlt schon an einer für eine
teleologische Reduktion notwendigen Ausnahmelücke (vgl. dazu
allgemein Rüthers, Rechtstheorie, Rz 903, 848, und
öfter). Der Normzweck schließt die vom Wortlaut der
Vorschrift erfassten Wirtschaftsgüter des täglichen
Gebrauchs nicht aus. Der Entwurf eines
Steuervergünstigungsabbaugesetzes der Bundesregierung sah vor,
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG insoweit neu zu fassen, als
„Veräußerungsgeschäfte bei
Gegenständen des täglichen Gebrauchs“ explizit
ausgenommen werden sollten (BRDrucks 866/02, zu Art. 1 Nr. 15, S.
5). Diese im Zusammenhang mit dem Wegfall der
Veräußerungsfrist und der damit verbundenen
Einführung der allgemeinen Wertzuwachsbesteuerung stehende
Fassung ist aber nicht Gesetz geworden (vgl. die
Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses, BTDrucks
15/841). Zwar enthält § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3
EStG eine Ausnahme für selbst genutztes Wohneigentum, der das
Ergebnis der Veräußerung von Gegenständen des
täglichen Gebrauchs gleich gestellt werden sollte (vgl. die
Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BRDrucks
866/02 S. 58). Hierbei war jedoch vor allem die Zielsetzung der
gesetzlichen Freistellung, die Besteuerung eines
Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden (vgl.
BFH-Urteil vom 18.1.2006 IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936 = SIS 06 17 32, m.w.N.). Damit enthält § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz
3 EStG nur eine Sonderregelung und keinen allgemeinen Grundsatz.
Aus der Begründung des Entwurfs eines
Steuervergünstigungsabbaugesetzes folgt nichts anderes (vgl.
BRDrucks 866/02 S. 58 zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2
EStG). Mithin kann dem Fehlen einer ausdrücklichen
Ausnahmeregelung für Gegenstände des täglichen
Gebrauchs nicht ein beredtes Schweigen des Gesetzes in dem Sinne
entnommen werden, diese Regelung verstehe sich (weil dem Grundsatz
entsprechend) von selbst. Dies verbietet sich auch deshalb, weil es
im Schrifttum seit jeher umstritten war und ist, ob
Gegenstände des täglichen Gebrauchs als
Wirtschaftsgüter i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
gelten können (dafür z.B. Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 150; Jacobs-Soyka in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23
Rz 11; Walter/Stümper, DB 2001, 2271 ff.; vgl. dazu auch J.
Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S.
57).
(2) Eine teleologische Reduktion des Gesetzes
ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
Ein strukturelles Vollzugsdefizit ist nicht
ersichtlich. Das Gesetz enthält keinerlei Vorschriften, welche
die Verifikation hindern. Zwar mag es (rein technisch) schwierig
sein, Veräußerungen von privaten Wirtschaftsgütern
steuerlich zu erfassen. Zur
Gleichheitswidrigkeit führt aber nicht ohne weiteres die
empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern nur das normative
Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten
Rechts (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom
9.2.2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 = SIS 04 13 59, BGBl I 2004,
591).
Erfassungsschwierigkeiten betreffen gerade
auch Wirtschaftsgüter, die nicht für den Verbrauch
bestimmt sind (z.B. Kunstgegenstände) und unter die Vorschrift
zu subsumieren sind. Werden durch die Veräußerung von
Gebrauchsgegenständen regelmäßig Verluste
erwirtschaftet, hat der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Er
muss also darlegen und notfalls beweisen, dass ihm Verluste
entstanden sind. Überdies wird - bezogen auf den Streitfall -
der Halterwechsel bei Kraftfahrzeugen verkehrsrechtlich registriert
(vgl. dazu die entsprechenden
Mitteilungspflichten nach §§ 13, 14 der
Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV - vom 25.4.2006, BGBl I 2006,
988, z.B. § 13 Abs. 4 FZV beim Halterwechsel). Die
entsprechenden Erkenntnisse der Kraftfahrzeugsteuerstelle des
Finanzamtes (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 29.8.2007 IX R 4/07,
BFH/NV 2007, 2429 = SIS 07 36 27, unter III. 2. b dd (3) a.E.)
können auch zur Verifikation der Einkommensteuererklärung
genutzt werden.
(3) Gegen eine Beschränkung des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf bestimmte Wirtschaftsgüter
spricht auch ein Vergleich mit früheren Fassungen des
Einkommensteuergesetzes, die den Normgehalt anders als die
gegenwärtige Fassung ausdrücklich auf bestimmte
Wirtschaftsgüter einschränkten. So befreite § 42
Abs. 2 Nr. 1 EStG 1925 Einkünfte aus
Veräußerungsgeschäften von der Einkommensteuer,
wenn der veräußerte Gegenstand nicht zum
vermögensteuerpflichtigen Vermögen gehörte. Alle
anderen Gegenstände konnten steuerfrei veräußert
werden, wenn der Steuerpflichtige dartat, dass der
veräußerte Gegenstand nicht zum Zwecke gewinnbringender
Wiederveräußerung erworben worden war. Entsprechende
Regelungen enthielt zuvor schon § 12 Nr. 12 EStG 1920
(zur Entstehungsgeschichte vgl. Strutz,
Kommentar zum EStG 1925, Bd. II, 1929, § 42 Anm. 2
ff.). Auch Einkünfte aus der Veräußerung von
privatem Konsumvermögen wurden danach besteuert, wenn sie in
der Absicht der Weiterveräußerung erworben worden waren
(vgl. dazu J. Lang, a.a.O., S. 514). Diese einschränkenden
Normelemente hat der Gesetzgeber aus § 42 Abs. 2 EStG
1925/§ 12 Nr. 12 EStG 1920 nicht in das geltende
Einkommensteuergesetz übernommen (vgl. dazu schon
Reichsfinanzhof, Urteil vom 20.12.1939 VI 314/39, RStBl 1940, 305
f. zum EStG 1934). Seither ist es herrschende Meinung in der
Rechtsprechung, dass eine besondere Spekulationsabsicht nicht
erforderlich ist (BFH-Urteil vom 31.8.1994 X R 66/92, BFH/NV 1995,
391 = SIS 95 07 03; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 9.7.1969 2 BvL
20/65, BVerfGE 26, 302, BStBl II 1970, 156 = SIS 70 00 87).
c) Der Kläger hat den aus der
Veräußerung seines Fahrzeugs erwirtschafteten Verlust
auch i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG
„erzielt“. Er hat mit
Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Dieses Merkmal des
Steuertatbestandes gilt bei allen Einkunftsarten (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 25.6.1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405,
BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08, unter C. IV. 3. c aa (2)), wird
allerdings einkunftsarts- und damit bereichspezifisch ausgestaltet
(z.B. für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
BFH-Urteil vom 30.9.1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998,
771 = SIS 98 02 12) und für die Einkünfte
gemäß § 23 EStG durch die
verhältnismäßig kurzen Fristen in typisierender
Weise objektiviert (BFH-Urteile vom 2.5.2000 IX R 74/96, BFHE 192,
88, BStBl II 2000, 469 = SIS 00 09 60, und vom 1.6.2004 IX R 35/01,
BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26 = SIS 04 23 56). Das bedeutet:
Verkauft jemand innerhalb der Frist ein von ihm angeschafftes
Wirtschaftsgut, ist das Ergebnis steuerbar; subjektive Merkmale
sind nicht zu prüfen (dazu eingehend BFH-Urteil in BFH/NV
1995, 391 = SIS 95 07 03, m.w.N.).
2. Das FG darf die Feststellung des Verlustes
- wie das FA in seiner Revisionserwiderung vorgetragen hat - nicht
schon deshalb verweigern, weil das Einkommensteuergesetz keine
Rechtsgrundlage für ein Feststellungsverfahren über im
Streitjahr nicht ausgleichbare Verluste aus den Einkünften
i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorsieht und über
deren Berücksichtigung erst in denjenigen
Veranlagungszeiträumen zu entscheiden ist, in denen der
Steuerpflichtige positive Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften erzielt (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 22.9.2005 IX R 21/04, BFHE 212, 41, BStBl II 2007,
158 = SIS 06 20 04). Denn nach § 52 Abs. 39 Satz 7 EStG i.d.F.
des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I,
2878) ist § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG i.d.F. des
JStG 2007 (EStG 2007) auch in den Fällen anzuwenden, in denen
am 1.1.2007 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Danach gelten die Vorschriften über das
Verlustfeststellungsverfahren (§ 10d Abs. 4 EStG) auch im
Streitfall. Die Feststellungsfrist war am 1.1.2007 noch nicht
abgelaufen, weil zu diesem Zeitpunkt über den Rechtsbehelf
noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist (vgl. § 171
Abs. 3a der Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 181 Abs. 1 AO).
3. Da das angefochtene Urteil diesen
Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Der
Verlust aus der Veräußerung des gebrauchten Fahrzeugs
ist grundsätzlich steuerbar und als solcher gemäß
§ 23 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG 2007
festzustellen.
Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Der
Senat kann den in Höhe von 4.700 DM geltend gemachten Verlust
nicht selbst feststellen. Denn es fehlen Feststellungen dazu, ob
ein derartiger Verlust dem Kläger tatsächlich entstanden
ist. Den Akten ist zu entnehmen, dass er das von ihm genutzte
BMW-Cabrio an seine Arbeitgeberin verkaufte. Es ist nicht
auszuschließen, dass auf Seiten der Käufer nahe stehende
Personen (z.B. seine Eltern) mitgewirkt haben, so dass der Vertrag
anhand der Grundsätze der steuerrechtlichen Anerkennung von
Verträgen zwischen nahen Angehörigen überprüft
werden muss. Dies hat das FG - von seiner Auffassung ausgehend
folgerichtig - bislang unterlassen.