5
|
Die „Garantiebedingungen B 196“
lauten u.a. wie folgt:
|
|
|
|
|
|
Ҥ 1 Inhalt der Garantie
|
|
|
1. Der Verkäufer/Garantiegeber gibt
dem Käufer/Garantienehmer eine Garantie, die die
Funktionsfähigkeit der in § 2 Ziff. 1 genannten Bauteile
für die vereinbarte Laufzeit umfasst. Diese Garantie ist durch
die X Versicherungs-Aktiengesellschaft versichert.
|
|
|
2. Verliert ein solches Bauteil innerhalb
der Garantielaufzeit unmittelbar und nicht infolge eines Fehlers
nicht garantierter Bauteile seine Funktionsfähigkeit, hat der
Käufer/Garantienehmer Anspruch auf eine dadurch erforderliche
fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des
Bauteils. Die Regelung über den Selbstbehalt und über die
Grenze des Wiederbeschaffungswertes (§ 6 Ziff. 2) gilt
entsprechend.
...
|
|
|
Schlägt die Reparatur zweimal fehl, so
kann der Käufer/ Garantienehmer verlangen, dass eine andere
Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur beauftragt
wird.
...
|
|
|
§ 6 Reparatur in einer Fremdwerkstatt
(Fremdreparatur)
|
|
|
1. Reparaturberechtigte Betriebe
Lässt der Käufer/Garantienehmer die Reparatur nicht beim
Verkäufer/Garantiegeber durchführen, ist er verpflichtet,
diese bei einer (sonstigen) vom Hersteller anerkannten
Vertragswerkstatt durchführen zu lassen (Fremdreparatur).
|
|
|
2. Ansprüche des
Käufers/Garantienehmers
Dem Käufer/Garantienehmer werden garantiebedingte Lohnkosten
nach den Arbeitszeitrichtwerten des Herstellers voll erstattet.
Garantiebedingte Materialkosten werden im Höchstfall nach den
unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers, ausgehend von
der Betriebsleistung des beschädigten Bauteils bei
Schadenseintritt, wie folgt bezahlt: ...
|
|
|
3. Geltendmachung der Ansprüche
Der Käufer/Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der
versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber X
geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der
Käufer/Garantienehmer, stets vorrangig X in Anspruch zu
nehmen.
|
|
|
4. Versicherte Gefahren, Umfang der
Entschädigung
X leistet Entschädigung, wenn und soweit der
Versicherungsnehmer als Verkäufer/Garantiegeber aufgrund der
abgegebenen Garantie eine Leistung erbringen muss.
|
|
|
5. Besondere Pflichten des
Käufers/Garantienehmers
...“
|
|
6
|
Beim Abschluss einer Garantievereinbarung
erhielt der Autokäufer „Wichtige Hinweise für den
Garantiefall“. Diese lauten wie folgt:
|
|
|
“Melden Sie bitte in dem Fall, dass
die Reparatur von dem garantiegebenden Händler
durchgeführt werden soll, den Garantiefall diesem
Händler. Bitten Sie den Händler, X vor Reparaturbeginn
vorab fernmündlich über den Garantiefall zu
informieren.
Für den Fall, dass Sie die Reparatur nicht bei dem
garantiegebenden Händler durchführen lassen, melden Sie
bitte X vor Reparaturbeginn telefonisch den Garantiefall. ...
Wird die garantiepflichtige Reparatur von dem garantiegebenden
Händler durchgeführt, erfolgt die Garantiebearbeitung
direkt mit diesem Händler. In diesem Fall haben Sie nur die
nicht erstattungspflichtigen Reparaturkosten zu tragen, die Ihnen
der Händler gesondert in Rechnung stellt.
Wird die garantiepflichtige Reparatur nicht von dem
garantiegebenden Händler durchgeführt, gleicht X die
einzureichende Rechnung direkt Ihnen gegenüber aus, wenn die
Rechnung quittiert ist. Nach Absprache mit dem Sachbearbeiter der X
kann die Bezahlung dieser Reparatur jedoch auch direkt an die
ausführende Werkstatt erfolgen. In diesem Fall haben Sie
lediglich die nicht erstattungspflichtigen Reparaturkosten zu
tragen, die Ihnen der Händler gesondert in Rechnung
stellt.“
|
|
|
7
|
In den Umsatzsteuererklärungen
für die Streitjahre 1996 bis 1998 behandelte der Kläger
die von den Käufern gezahlten Garantieprämien und die von
X geleisteten Provisionszahlungen nicht als Entgelt für
umsatzsteuerpflichtige Leistungen.
|
|
|
|
|
8
|
Dagegen sah der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) im Anschluss an eine
Außenprüfung in der Garantiezusage eine
unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung. Er
unterwarf diese Einnahmen mit Bescheiden vom 16.8.2000 als Entgelte
der Umsatzsteuer und setzte diese für 1996 auf ... DM,
für 1997 auf ... DM und für 1998 auf ... DM fest.
|
|
|
|
|
9
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es entschied, die von den Fahrzeugkäufern gezahlten Entgelte
für die Garantie sowie die von X gewährten Provisionen
seien umsatzsteuerfrei zu belassen und die unmittelbar damit
zusammenhängenden Vorsteuerbeträge seien vom Abzug
auszuschließen. Die Eigenreparatur der Fahrzeuge sei entgegen
der Ansicht des FA nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Eine
Kürzung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) in Bezug auf die für die
Eigenreparaturen verwendeten Eingangsumsätze (Gemeinkosten,
Ersatzteile) sei nicht vorzunehmen. Das Urteil ist in EFG 2005,
1973 = SIS 06 01 60 veröffentlicht.
|
|
|
|
|
10
|
Das FA macht mit der Revision im
Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des FG stelle sich
aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Leistung des
Verkäufers bei Abschluss der Garantie als ein einheitlicher
Vorgang dar.
|
|
|
|
|
11
|
Es beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996
bis 1998 vom 16.8.2000 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer
für 1996 auf ... DM, für 1997 auf ... DM und für
1998 auf ... DM festgesetzt wird.
|
|
|
|
|
12
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
|
|
13
|
Er trägt zur Begründung im
Wesentlichen vor, dass das hier zu beurteilende
„Kombinationsmodell“ aus Händlergarantie und
Versicherungsschutz eine einheitliche Leistung
(„Gesamtpaket“) sei, bei der - wie im Einzelnen
ausgeführt wird - die Verschaffung von Versicherungsschutz
prägend sei.
|
|
|
|
|
14
|
Nur diese Lösung sei systemgerecht und
vermeide entsprechend dem Zweck des § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG,
dass die Leistung des Garantiepakets im
„Kombinationsmodell“ im Gegensatz zur „reinen
Händlergarantie“ und im Gegensatz zum „reinen
Versicherungsmodell“ sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit
Versicherungsteuer belastet werde.
|
|
|
|
|
15
|
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Festsetzung der Umsatzsteuer gemäß dem Revisionsbegehren
des FA (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
|
|
|
|
|
16
|
Die Umsätze aus den Garantiezusagen des
Klägers sind entgegen der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) und der darauf gestützten Auffassung
des FG steuerpflichtig.
|
|
|
|
|
17
|
1. Zu den im Streitfall einschlägigen
„Garantiebedingungen B 196“ hat der V. Senat des
BFH in dem Urteil vom 16.1.2003 V R 16/02 (BFHE 201, 343, BStBl II
2003, 445 = SIS 03 19 05) entschieden, dass die entgeltliche
Garantieleistung des Autoverkäufers keine
unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern
eine eigenständige Leistung sei. Dieser Auffassung
schließt sich - wie bereits das FA im Klageverfahren - der
erkennende Senat an.
|
|
|
|
|
18
|
2. Der V. Senat des BFH hat in dem zitierten
Urteil die Würdigung der Vorinstanz, die Leistungen des
Händlers seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei,
soweit dieser sich verpflichtet habe, die Reparatur an den
Fahrzeugen selbst vorzunehmen, nicht beanstandet. Er hat
ausgeführt, dass die Garantieleistungen, denen die
„Garantiebedingungen B 196“ zugrunde liegen,
„jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG und/oder
nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG“ steuerfrei seien
(unter II.1. der Gründe). An dieser Auffassung kann nicht mehr
festgehalten werden.
|
|
|
|
|
19
|
a) Die Rechtsauffassung des V. Senats des BFH,
es liege eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG
vor, ist durch das zwischenzeitlich ergangene Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
19.4.2007 Rs. C-455/05 - Velvet & Steel Immobilien - (Slg.
2007, I-3225, BFH/NV Beilage 2007, 294 = SIS 07 14 92)
überholt.
|
|
|
|
|
20
|
aa) Nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG sind
von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen
steuerfrei „die Übernahme von Verbindlichkeiten, von
Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung
dieser Umsätze“.
|
|
|
|
|
21
|
Soweit der Kläger sich gegen Zahlung
einer Prämie verpflichtet hat, innerhalb der Garantielaufzeit
die erforderliche fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder
Instandsetzung des Bauteils selbst durchzuführen, handelt es
sich zwar um einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren
Leistungsaustausch.
|
|
|
|
|
22
|
Der weitere Tatbestand des § 4 Nr. 8
Buchst. g UStG ist jedoch nicht erfüllt. Denn diese Vorschrift
„beruht“ auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die
Mitgliedstaaten von der Steuer „die Vermittlung und die
Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen
Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von
Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber“.
|
|
|
|
|
23
|
Zu dieser Bestimmung hat der EuGH in der
Rechtssache Velvet & Steel Immobilien in Slg. 2007, I-3225,
BFH/NV Beilage 2007, 294 entschieden, der Begriff der
„Übernahme von Verbindlichkeiten“ sei dahin
auszulegen, dass er andere als Geldverbindlichkeiten, wie die
Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, vom Anwendungsbereich
dieser Bestimmung ausschließe. Es stehe fest, dass es sich bei
allen in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
aufgeführten Umsätzen ihrer Art nach um
Finanzdienstleistungen handele. Dasselbe gelte für die anderen
Umsätze, auf die in Art. 13 Teil B Buchst. d der Richtlinie
77/388/EWG hingewiesen werde (vgl. Randnr. 22 des Urteils). Die
Übernahme der Verpflichtung zur Renovierung einer Immobilie
falle daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.
|
|
|
|
|
24
|
bb) Im Streitfall hat sich der Kläger
nach § 1 Nr. 2 der „Garantiebedingungen B
196“ zur Durchführung einer Reparatur im Falle des
Schadenseintritts und nicht zu einer Schadensersatzleistung in Geld
verpflichtet. Danach hat der Käufer/Garantienehmer einen
Anspruch gegen den Kläger, dass er die entsprechenden
Reparaturarbeiten durchführt, also Naturalrestitution leistet.
Bei diesem Anspruch handelt es sich ebenso wenig wie bei der
Verpflichtung zur Renovierung einer Immobilie um eine
Finanzdienstleistung. Bei einer gemeinschaftsrechtskonformen
Auslegung liegen damit die Voraussetzungen für eine
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG hinsichtlich der
Verpflichtung des Klägers zur Durchführung der Reparatur
nicht vor.
|
|
|
|
|
25
|
b) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage
mitgeteilt, dass er an seiner gegenteiligen Auffassung in dem
Urteil in BFHE 201, 343, BStBl II 2003, 445 = SIS 03 19 05 nicht
mehr festhält.
|
|
|
|
|
26
|
3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
handelt es sich bei der Garantiezusage gemäß den
„Garantiebedingungen B 196“
umsatzsteuerrechtlich um eine einheitliche Leistung und nicht um
zwei selbstständige Leistungen.
|
|
|
|
|
27
|
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei
einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine
Gesamtbetrachtung erforderlich. Aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG ergebe sich, dass zwar jede Dienstleistung in der Regel
als eigene, selbstständige Dienstleistung zu betrachten sei.
Es dürfe aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung
im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht
künstlich gespalten werden. Deshalb sei das Wesen des
fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der
Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige
Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringe, wobei auf
die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei. Eine
einheitliche Leistung liege insbesondere vor, wenn ein oder mehrere
Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber
Nebenleistungen darstellten, die das steuerliche Schicksal der
Hauptleistung teilen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25.2.1999 Rs.
C-349/96 - Card Protection Plan Ltd (CCP) -, Slg. 1999, I-973, UR
1999, 254 = SIS 99 10 25).
|
|
|
|
|
28
|
Eine einheitliche Leistung sei aber auch dann
anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei
oder mehr Handlungen vornehme oder Elemente liefere, die aus der
Sicht des Durchschnittsverbrauchers so eng miteinander verbunden
seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche
Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre
(vgl. EuGH-Urteile vom 27.10.2005 Rs. C-41/04 - Levob Verzekeringen
und OV Bank -, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01, Randnr. 22; vom 29.3.2007 Rs. C-111/05 - Aktiebolaget NN -,
Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420 = SIS 07 14 87, Randnr. 23; vom
21.2.2008 Rs. C-425/06 - Part Service Srl. -, Slg. 2008, I-897, UR
2008, 461 = SIS 08 16 66, Randnr. 53; vom 11.6.2009 Rs. C-572/07 -
RLRE Tellmer Property sro -, BFH/NV 2009, 1368 = SIS 09 21 09,
Randnr. 19).
|
|
|
|
|
29
|
b) Die letztgenannten Voraussetzungen einer
untrennbaren wirtschaftlichen Leistung sind im Streitfall bei der
gebotenen Gesamtbetrachtung der Garantiezusage entgegen der
Auffassung des FG erfüllt.
|
|
|
|
|
30
|
Der Kläger hat gegenüber den
Käufern der Kfz eine „Garantie“ abgegeben.
Diese umfasste die Funktionsfähigkeit bestimmter Bauteile
für die vereinbarte Laufzeit. Der Kläger war damit
Garantiegeber für jeden in den Garantiebedingungen
bezeichneten Schadensfall und der Kunde schuldete das Entgelt
für dieses Versprechen. Durch die Garantiebedingungen wurde
dem Gläubiger („Garantienehmer“) zwar ein
Wahlrecht in der Weise eingeräumt, dass es in seinem Belieben
stand, im Schadensfall entweder die Reparatur durch seinen
Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder
den verschafften Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen und die
Reparatur durch einen anderen Vertragshändler ausführen
zu lassen (Reparaturkostenersatzanspruch). Die Garantiezusage hat
für den Gläubiger („Garantienehmer“)
aber den wirtschaftlichen Zweck, dass ein evtl. künftiger
Schaden an seinem Fahrzeug in dem garantierten Umfang beseitigt
wird, ohne dass er für die Kosten aufkommen muss. Die nach der
Wahl des Kunden zu erbringende Leistung entweder des Händlers
oder der Versicherung dient diesem einheitlichen wirtschaftlichen
Zweck, sodass die Verpflichtung zur Eigenreparatur und die
Verschaffung des Versicherungsschutzes so eng miteinander verbunden
sind, dass ihre Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die
Garantiezusage stellt sich damit aus der Sicht des
Durchschnittsverbrauchers als eine einheitliche untrennbare
Leistung dar, für die er auch einen einheitlichen Preis zu
zahlen hat.
|
|
|
|
|
31
|
Zwar kommt bei der Gesamtbetrachtung dem
Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, nach der
Rechtsprechung des EuGH keine entscheidende Bedeutung zu; der EuGH
räumt aber ein, dass es für das Vorliegen einer
einheitlichen Leistung sprechen könne, wenn ein
Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen
zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises
erbringe (vgl. Urteil Card Protection Plan Ltd (CPP) in Slg. 1999,
I-973, UR 1999, 254 = SIS 99 10 25, Randnr. 31).
|
|
|
|
|
32
|
c) Der Senat ist bei der Würdigung, ob
eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob zwei getrennte
Leistungen gegeben sind, nicht an die anderslautende Entscheidung
der Vorinstanz gebunden.
|
|
|
|
|
33
|
Denn die Gesamtbetrachtung, ob eine
einheitliche Leistung vorliegt, ist zwar im Wesentlichen das
Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 17.4.2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.2.d und 3.b der Gründe, m.w.N.). Es ist aber
anerkannt, dass der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen
Nachprüfung der Auslegung von Verträgen durch das FG auch
nachzuprüfen hat, ob das FG die für die Auslegung
bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage
der Beteiligten erforscht und zutreffend gewürdigt hat (vgl.
BFH-Urteile vom 19.10.2001 V R 75/98, BFH/NV 2002, 547 = SIS 02 58 91, unter II.4.a; vom 31.7.2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II
2003, 282 = SIS 03 13 45, unter II.1.a cc; vom 11.1.2005 IX R
15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477 = SIS 05 21 69, unter
II.2.b aa). Entsprechendes gilt für die hier vorzunehmende
umsatzsteuerrechtliche Beurteilung eines Leistungsbündels aus
der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auf der Grundlage von
Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen
gelten. Der BFH würde seiner gesetzlichen Verpflichtung, eine
einheitliche Rechtsprechung zu sichern (vgl. § 115 Abs. 2 Nr.
2 2. Alternative FGO), nicht gerecht werden, wenn er sich insoweit
auf die Prüfung eines Verstoßes gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze beschränken und damit die
Möglichkeit einander widersprechender finanzgerichtlicher
Urteile in Kauf nehmen würde.
|
|
|
|
|
34
|
d) Davon, dass das hier angebotene
„Garantie-Paket“ eine einheitliche Leistung
darstellt und nicht in zwei Leistungen aufgespalten werden kann,
gehen auch die Beteiligten aus. Der Kläger spricht insoweit
zutreffend von „miteinander verzahnten
Leistungen“.
|
|
|
|
|
35
|
4. Bei der danach vorliegenden einheitlichen
Leistung handelt es sich um eine sonstige Leistung eigener Art i.S.
des § 3 Abs. 9 UStG, die aus der Sicht des
Durchschnittsverbrauchers nicht durch die - gemäß §
4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie - Verschaffung von
Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der
Einstandspflicht des Händlers (Garantie) geprägt ist.
|
|
|
|
|
36
|
a) Die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung
einer einheitlichen Leistung verlangt nach der Rechtsprechung des
EuGH eine Bestimmung ihrer dominierenden (vgl. Urteil Levob
Verzekeringen und OV Bank in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage
2006, 38, Randnr. 27) oder wesentlichen (Urteil Aktiebolaget NN in
Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420 = SIS 07 14 87, Randnr. 27)
Bestandteile.
|
|
|
|
|
37
|
b) Bei den im Streitfall zu beurteilenden
Garantiebedingungen dominiert das Versprechen des Händlers,
für bestimmte, evtl. eintretende Schäden einzustehen.
|
|
|
|
|
38
|
aa) Sie unterscheiden sich damit erheblich von
denjenigen Garantiebedingungen, die dem BFH-Urteil vom 9.10.2002 V
R 67/01 (BFHE 200, 126, BStBl II 2003, 378 = SIS 03 05 88) zugrunde
lagen. Dort hat der BFH den Umstand, dass Ansprüche aus der
versicherten Händlergarantie vom Käufer stets und nicht
nur bei der Reparatur durch eine Fremdwerkstatt
„ausschließlich und unmittelbar“
gegenüber der Versicherungsgesellschaft geltend gemacht werden
müssen, dahin gewürdigt, dass es sich insgesamt um eine
steuerfreie Leistung, nämlich die Verschaffung von
Versicherungsschutz nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG handelt. Er
hat dabei darauf abgestellt, dass die Versicherung die
Einstandspflicht des Händlers vollständig ersetzt
habe.
|
|
|
|
|
39
|
Dem entsprach die Beurteilung des
Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt, wonach bei einer reinen
Reparaturkostenversicherung die Werbung mit dem Begriff
„Garantie“ irreführend i.S. des § 3
des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sei. Mit diesem
Begriff sei die Erwartung verknüpft, dass im Garantiefall
durch den Hersteller oder Händler Reparaturteile kostenlos
abgegeben und Reparaturarbeiten nicht berechnet würden. Die
Verwendung des Begriffs „Garantie“ sei daher
irreführend, wenn sich in der Garantie keine Leistung des
Händlers mehr niederschlage; das sei der Fall, wenn den
Händler überhaupt keine Einstandspflicht gegenüber
seinem Kunden mehr treffe (vgl. Urteil des OLG Frankfurt vom
21.12.1995 6 U 148/95, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1996, 1386).
|
|
|
|
|
40
|
bb) Dagegen ist sowohl nach der Bezeichnung
der vom Kläger seinen Kunden geschuldeten Leistung als
„Garantie“ als auch nach dem Inhalt der
vorliegenden „Garantiebedingungen B 196“ die -
umfassende - Verpflichtung des Händlers als
„Garantiegeber“ prägend gegenüber der
dem „Garantienehmer“ eingeräumten
Möglichkeit, im Schadensfall die Reparatur auch in einer
Fremdwerkstatt durchführen zu lassen und in diesem Fall die
Versicherung in Anspruch nehmen zu können.
|
|
|
|
|
41
|
Nach § 1 Nr. 1 Satz 1 der
„Garantiebedingungen B 196“ gibt der
„Verkäufer/Garantiegeber“ dem
„Käufer/Garantienehmer“ eine
„Garantie“, die die in § 2 Nr. 1 dieser
Garantiebedingungen genannten Bauteile umfasst. Das ist der Kern
der Leistung des Klägers. Dass diese Garantie - wie es
nachfolgend in § 1 Nr. 1 Satz 2 dieser Garantiebedingung
heißt - „durch die X Versicherungs-Aktiengesellschaft
versichert“ ist, mag zwar aus Sicht der Kunden diese
Garantie besonders werthaltig erscheinen lassen, weil sie durch
eine Versicherung abgedeckt ist. Daraus folgt aber nicht, dass das
Garantieversprechen des Klägers dadurch geprägt
würde, dass dem Kunden ein Versicherungsschutz verschafft
wird.
|
|
|
|
|
42
|
Die umfassende Einstandspflicht des
Händlers, bei dem das Kfz gekauft wurde, macht aus der Sicht
des Durchschnittsverbrauchers das Wesen und die Bedeutung der
Garantiezusage aus, weil zu diesem Händler ein
Vertrauensverhältnis besteht, das eine unkomplizierte
Abwicklung des evtl. Schadensfalls verspricht.
|
|
|
|
|
43
|
cc) Die dagegen vom Kläger vorgebrachten
Argumente belegen lediglich, dass bei dem hier zu beurteilenden
„Kombinationsmodell“ der Verschaffung von
Versicherungsschutz neben der Händlergarantie
eigenständiges Gewicht zukommt, nicht aber, dass nunmehr die
Gesamtleistung insgesamt als „Verschaffung von
Versicherungsschutz“ i.S. von § 4 Nr. 10 Buchst. b
UStG anzusehen ist.
|
|
|
|
|
44
|
Der Hinweis des Klägers in diesem
Zusammenhang, die Verschaffung von Versicherungsschutz habe aus
Käufersicht in den letzten Jahren im Verhältnis zur
reinen Händlergarantie auch im Hinblick darauf noch einmal
erheblich an Bedeutung und Gewicht zugenommen, dass heutzutage
Fahrzeuge in zunehmenden Maße über das Internet
bundesweit erworben würden, hat für den Streitfall, der
die Sicht der Kunden des Klägers als (ortsansässiger oder
jedenfalls in der Nähe ansässiger) Betreiber einer
Reparaturwerkstatt und eines Kfz-Handels in den Jahren 1996 bis
1998 betrifft, keine Bedeutung.
|
|
|
|
|
45
|
dd) Der Kläger beruft sich zur
Stützung seiner Auffassung ohne Erfolg auf das BFH-Urteil in
BFHE 201, 343, BStBl II 2003, 445 = SIS 03 19 05.
|
|
|
|
|
46
|
Dort hat der BFH zu den auch im Streitfall
einschlägigen Garantiebedingungen zwar ausgeführt, die
Garantieleistung des Verkäufers habe neben der
Fahrzeuglieferung einen eigenen Zweck; sie habe ähnlich wie
eine Kaskoversicherung den Zweck, das erworbene Fahrzeug gegen
Schäden zu versichern (vgl. unter II.2. der Gründe).
|
|
|
|
|
47
|
Mit diesen Ausführungen hat der BFH aber
ausschließlich begründet, dass die Garantieleistung nicht
(lediglich) das Mittel darstellte, um die Hauptleistung des
Leistenden - die Fahrzeuglieferung - unter optimalen Bedingungen in
Anspruch zu nehmen, und dass deshalb das FG zu Recht keine
unselbstständige Nebenleistung zur Veräußerung der
Neu- und Gebrauchtwagen angenommen habe. Dass die Verschaffung von
Versicherungsschutz die Gesamtleistung prägt, ergibt sich
daraus nicht.
|
|
|
|
|
48
|
ee) Soweit der Kläger ferner auf das
(nicht rechtskräftige) Urteil des FG Münster vom 8.6.2009
5 K 3002/05 U (EFG 2009, 2068 = SIS 09 31 91) verweist, wonach eine
reine Händlergarantie als bloße Verlängerung der
ursprünglichen Werksgarantie kein besonderes eigenes Gewicht
habe und deshalb aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als
eine unselbstständige Nebenleistung zum jeweiligen
Fahrzeugverkauf anzusehen sei, ergibt sich aus diesem Urteil
ebenfalls nicht, dass bei einem
„Kombinationsmodell“ die Gesamtleistung
insgesamt als Verschaffung von Versicherungsschutz zu qualifizieren
ist.
|
|
|
|
|
49
|
Dasselbe gilt für das vom Kläger
vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom
26.1.2010 7 C 2181/09, wonach bei einem
„Kombinationsmodell“ - unabhängig vom
Innenverhältnis zwischen
„Händler/Verkäufer“ und Versicherer -
dem „Käufer/Garantienehmer“ ein direkter
Versicherungsanspruch gegenüber dem Versicherer zusteht.
|
|
|
|
|
50
|
ff) Den weiteren Einwand des Klägers, nur
die Beurteilung des „Gesamtpakets“ als
(umsatzsteuerfreie) „Verschaffung von
Versicherungsschutz“ sei systemgerecht und vermeide
entsprechend dem Zweck des § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG, dass die
Leistung des Garantiepakets im
„Kombinationsmodell“ im Gegensatz zur
„reinen Händlergarantie“ und im Gegensatz
zum „reinen Versicherungsmodell“ sowohl mit
Umsatzsteuer als auch mit Versicherungsteuer belastet werde,
hält der Senat nicht für durchgreifend.
|
|
|
|
|
51
|
Umsatzsteuerfrei sind nach § 4 Nr. 10
Buchst. b UStG nur „die Leistungen, die darin bestehen,
dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft
wird“. Die Vorschrift rechtfertigt kein Abgehen von den
vom EuGH aufgestellten allgemeinen Grundsätzen zur
umsatzsteuerrechtlichen Qualifizierung von Leistungsbündeln
(vgl. dazu oben unter II.4.a). Sie kann deshalb nicht erweiternd
dahingehend ausgelegt werden, dass eine einheitliche Leistung
bereits immer dann steuerfrei ist, wenn ein Element in der
Verschaffung von Versicherungsschutz besteht.
|
|
|
|
|
52
|
c) Damit ist die Garantiezusage als
einheitliche Leistung eigener Art steuerpflichtig, die aus der
Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die Verschaffung
von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen einer
Einstandspflicht des Händlers im Schadensfall geprägt
ist.
|
|
|
|
|
53
|
Sie ist nicht etwa deshalb nach § 4 Nr.
10 Buchst. b UStG steuerfrei, weil sich der Händler für
seine Verpflichtung rückversichert hat. Denn der Umsatz
zwischen einem Unternehmer und seinem Kunden beurteilt sich nach
dem Rechtsgeschäft, das zwischen diesen abgeschlossen worden
ist, und nicht danach, ob der Unternehmer für seine
Verpflichtung aus diesem Rechtsgeschäft eine
Rückversicherung abgeschlossen hat.
|
|
|
|
|
54
|
Dem steht das BFH-Urteil in BFHE 201, 343,
BStBl II 2003, 445 = SIS 03 19 05 nicht entgegen. Denn darin hat
der BFH die Frage, ob die Steuerfreiheit der Garantieleistung auf
§ 4 Nr. 10 Buchst. b UStG oder auf § 4 Nr. 8 Buchst. g
UStG beruht, offengelassen (vgl. auch Klenk, Kommentierte
Finanzrechtsprechung F. 7 UStG § 4, 3/03, S. 251, 252).
|
|
|
|
|
55
|
5. Da die Vorentscheidung von anderen
Voraussetzungen ausgegangen ist, muss sie aufgehoben werden.
|
|
|
|
|
56
|
6. Der Senat entscheidet gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO in der Sache selbst. Der
Rechtsstreit ist entgegen der Auffassung des Klägers
spruchreif.
|
|
|
|
|
57
|
Zwar hat sich das FG - ausgehend von seinem
Rechtsstandpunkt - nicht zu der Frage geäußert, welches
der Leistungselemente der einheitlichen Gesamtleistung des
Klägers das Gepräge gibt.
|
|
|
|
|
58
|
Es ist aber nicht ersichtlich, welche
Tatsachenfeststellungen dazu noch getroffen werden sollen. Auch der
Kläger hat weder in seinem Schriftsatz vom 9.12.2009 noch auf
Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konkrete
Tatsachen genannt, die für die Qualifizierung der im
Streitfall vom Kläger erbrachten Gesamtleistung relevant sein
können und die das FG noch feststellen muss.
|
|
|
|
|
59
|
Dass - wie der Kläger hierzu vorgetragen
hat - eine reine Händlergarantie, bei der lediglich die
ohnehin bestehende gesetzliche Gewährleistungspflicht des
Verkäufers erweitert wird, am Markt kaum nachgefragt wird und
deshalb offenbar für die Kunden keinen großen Wert habe,
braucht das FG im Streitfall nicht festzustellen. Dies kann
unterstellt werden, weil es für die umsatzsteuerrechtliche
Qualifikation des vorliegend zu beurteilenden
„Kombinationsmodells“ ohne Relevanz ist.
|
|
|
|
|
|