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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) war im Streitjahr 2004 als Komplementärin an
mehreren Kommanditgesellschaften (KG) ohne Kapitaleinlage
beteiligt. Nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen
Gesellschaftsverträgen der KG war die Klägerin jeweils
„zur Vertretung und Geschäftsführung ... allein
berechtigt und verpflichtet“. Sie erhielt „für
ihre unbeschränkte persönliche Haftung sowie für
ihre Geschäftsführertätigkeit“ jeweils eine
Festvergütung (Festvergütung I). Einen weiteren
Festbetrag, der sich nach der Höhe des Stammkapitals der
Klägerin berechnete, erhielt die Klägerin „für
die Übernahme der persönlichen Haftung“
(Festvergütung II).
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Abweichend hiervon sah ein
Gesellschaftsvertrag vor, dass neben der Klägerin als
Komplementärin auch einer der Kommanditisten
„alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer“ sein sollte. Auch bei dieser KG
erhielt die Klägerin eine Festvergütung für
„die Geschäftsführungstätigkeit und die
Übernahme des Haftungsrisikos“.
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Die KGs behandelten in ihren
Jahresabschlüssen die Festvergütung II als sonstigen
betrieblichen Aufwand. Zur Wahrnehmung der
Geschäftsführung sowohl für die KGs als auch
für die eigene Geschäftsleitung bezog die Klägerin
umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen. Ausweislich des
Jahresabschlusses entstanden der Klägerin im Streitjahr
Steuerberatungskosten in Höhe von 25.816,38 EUR und
Aufwendungen für den Jahresabschluss in Höhe von 12.300
EUR.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass es
sich bei den Haftungsvergütungen (Festvergütung II) um
Entgelte für steuerpflichtige Leistungen handele. Das FA
erließ am 21.9.2005 einen entsprechend geänderten
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV/2004. Der hiergegen
eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsverfahren
änderte das FA den angefochtenen Bescheid durch Bescheid vom
16.2.2006. Dabei behandelte das FA die
Geschäftsführungsvergütungen im Hinblick auf ein
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.12.2003 (BStBl
I 2004, 240 = SIS 03 53 63) teilweise als nicht steuerbar und
kürzte die damit zusammenhängenden
Vorsteuerbeträge.
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Nach Erhebung der Klage zum FG reichte die
Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung 2004 ein, in der sie
steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von
323.518 EUR, nicht steuerbare Umsätze in Höhe von 182.984
EUR und Vorsteuern in Höhe von 54.097,43 EUR erklärte.
Davon abweichend setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid 2004 vom
17.10.2007 die Umsatzsteuer auf 21.778,89 EUR fest, wobei es von
steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von 474.227 EUR
ausging. Die Jahresfestsetzung entsprach damit im Ergebnis den
Festsetzungen im Voranmeldungsverfahren. Dieser Steuerbescheid
wurde gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zum Gegenstand des Verfahrens.
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Das FG gab der Klage mit seinem in EFG
2010, 1534 = SIS 10 25 14 veröffentlichten Urteil statt. Die
Klägerin sei als Unternehmer tätig gewesen; es habe keine
Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG) bestanden. Persönliche Haftung und
Geschäftsführung seien nicht Teil einer einheitlichen
Leistung, da im Streitfall weder ein rechtlich zwingender noch ein
enger funktioneller Zusammenhang zwischen den
Geschäftsführungsleistungen und der
Haftungsübernahme vorgelegen habe. Die
Geschäftsführungsaufgaben hätten weitgehend von den
KGs auch auf fremde Dritte oder einen Kommanditisten delegiert
werden können. Das Einstehen für die Verbindlichkeiten
der KGs unterscheide sich nach der Art der Tätigkeit von den
mit der Geschäftsführung verbundenen Tätigkeiten.
Dass im Streitfall entsprechend der gesetzlichen Regelung
Geschäftsführung und Haftungsübernahme von ein und
derselben juristischen Person übernommen worden seien,
führe nicht zu einer einheitlichen Leistung. Im Übrigen
komme der Vereinbarung eines Gesamtpreises keine entscheidende
Bedeutung zu.
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Die Übernahme des Haftungsrisikos
durch die Klägerin gegenüber den KGs sei gegenüber
der Geschäftsführung eine eigenständige Leistung und
als solche steuerbar, da zwischen der Haftungsvergütung
(Festvergütung II) und der Übernahme des Haftungsrisikos
der erforderliche unmittelbare Zusammenhang bestehe. Die
Übernahme des Haftungsrisikos sei aber nach § 4 Nr. 8
Buchst. g UStG steuerfrei.
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Hiergegen wendet sich die Revision des FA,
mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Entgegen dem
FG-Urteil seien Geschäftsführung und Haftung Teil einer
einheitlichen Leistung. Die Haftung sei Nebenleistung zur
Geschäftsführung, da ein enger funktioneller Zusammenhang
bestehe. Die Möglichkeit, die Bestandteile dieser Leistung am
Markt getrennt anzubieten, sei ohne Bedeutung. Selbst wenn die
Haftung Gegenstand einer eigenen Leistung sei, seien die
Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8
Buchst. g UStG nicht erfüllt.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Revision sei unbegründet.
Haftungsübernahme einerseits und Geschäftsführung
sowie Vertretung andererseits seien zwei eigenständige
Leistungen. Wie sich aus § 125 des Handelsgesetzbuches (HGB)
ergebe, hafteten Komplementäre auch dann, wenn sie von der
Geschäftsführung ausgeschlossen seien. Aus den
gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergebe sich keine ausreichende
Grundlage dafür, Haftung und organschaftliche Vertretungsmacht
zu bündeln. Vertretung könne es nicht ohne gleichzeitige
Geschäftsführung geben. Die Unterschiede zwischen Innen-
und Außenverhältnis seien umsatzsteuerrechtlich ohne
Bedeutung. Dass Leistungen einem einheitlichen wirtschaftlichen
Ziel dienten, reiche für die Annahme einer einheitlichen
Leistung nicht aus. Geschäftsführung nach dem Prinzip der
Selbstorganschaft, das dem Schutz der Gesellschafter diene, und
Haftungsübernahme seien kein einheitliches Ziel der
Personengesellschaft. Es liege auch keine Haupt- und Nebenleistung
vor. Die Haftungsübernahme sei als Übernahme einer
anderen Sicherheit ebenso wie die Übernahme einer
Bürgschaft gegen Avalprovision nach § 4 Nr. 8 Buchst. g
UStG steuerfrei. Auf die Rechtsprechung zur
Verbindlichkeitsübernahme komme es im Streitfall nicht an. Die
Haftung des Gesellschafters sei der Bürgenhaftung
nachgebildet. Es liege das erforderliche Finanzgeschäft vor.
Die Haftungsvergütung werde dem Gesellschafter für das
Risiko eines Vermögensverlusts gezahlt und sei im Streitfall
nach ihrem Stammkapital bemessen worden. Der Parallele zum sog.
Avalkredit stehe nicht entgegen, dass die Haftung des
Gesellschafters rechtlich nicht ausschließlich auf
Geldschulden gerichtet sei, da die Haftung auf Erfüllung von
anderen als Geldschulden davon abhänge, inwieweit im
Rechtsverkehr eine persönliche Einstandspflicht des
Komplementärs erwartet werde. Es reiche aus, dass es sich der
Art nach um eine Finanzdienstleistung handele, wobei auf die
objektive Natur des Umsatzes abzustellen sei. Darüber hinaus
sei auch zweifelhaft, ob überhaupt eine steuerbare Leistung
vorliege, da der Komplementär die ihn bereits aufgrund des
Gesellschaftsvertrages treffende Haftung nicht nochmals als
Leistung übernehmen könne. Weiter liege eine einmalige
Handlung zur Begründung eines Dauerzustandes vor. Gegen das
Vorliegen einer Leistung spreche auch, dass nur der Kommanditist
von einem Einstehen für die gemeinsamen Verbindlichkeiten
befreit werde. Im Übrigen fehle der unmittelbare Zusammenhang
zwischen Haftung und Vergütung, da der Komplementär auch
ohne Vereinbarung einer Vergütung haften müsse.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Leistungen der Klägerin sind auch
insoweit steuerbar und steuerpflichtig, als das Entgelt
hierfür in einer Festvergütung II bestand.
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1. Die Klägerin hat für die KGs
gegen gewinnunabhängige Festvergütungen steuerbare
Leistungen erbracht.
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a) Entgeltliche Leistungen sind nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2
Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen dem
Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein
Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt
als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5.12.2007 V R 60/05, BFHE 219,
455, BStBl II 2009, 486 = SIS 08 17 97, unter II.1.a, m.w.N. zur
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH
- - und des BFH).
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Für die Frage, ob im Verhältnis
zwischen Gesellschaft und Gesellschafter entgeltliche Leistungen
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen, gelten keine
Besonderheiten. Das der Leistung zugrundeliegende
Rechtsverhältnis kann sich auch aus gesellschaftsvertraglichen
Vereinbarungen ergeben (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009,
486 = SIS 08 17 97, Leitsatz 1).
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b) Die Klägerin erbrachte im Streitfall
aufgrund der Gesellschaftsverträge entgeltliche Leistungen an
die KGs, an denen sie beteiligt war. Nach den
Gesellschaftsverträgen der KGs beschränkte sie sich nicht
auf das Halten von Gesellschaftsanteilen, sondern erbrachte
weitergehende Leistungen, die, wie z.B. die
Geschäftsführung einer Personengesellschaft, sowie die
Haftungsübernahme, Gegenstand eines Leistungsaustausches sein
können und - wie im Streitfall - aufgrund der Vereinbarung von
Festvergütungen steuerbar sind. Entgegen der Auffassung der
Klägerin ergibt sich das der entgeltlichen Leistung
zugrundeliegende Rechtsverhältnis bereits aus dem
Gesellschaftsvertrag und nicht aus einer daneben stehenden
Leistungsübernahme.
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Der Auffassung von Becker/Englisch (UR 2009,
701 ff.), nach der die Geschäftsführung einer
Personengesellschaft aus Gründen der
Wettbewerbsneutralität ebenso wie „Maßnahmen
der Unternehmensleitung“ beim Einzelunternehmer nicht
steuerbar seien, schließt sich der Senat nicht an. Insoweit
fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte, denn bei
Einzelunternehmern kann bereits aufgrund des Fehlens einer Leistung
an eine andere Person sowie mangels Entgelts ein steuerbarer
Leistungsaustausch nicht vorliegen. Für die Steuerbarkeit von
Geschäftsführungsleistungen, die Gesellschafter an ihre
Gesellschaft gegen Entgelt erbringen, spricht insbesondere das
EuGH-Urteil vom 18.10.2007 C-355/06, van der Steen (Slg. 2007,
I-8863, BFH/NV 2008, Beilage 1, 48 = SIS 08 00 36 Rdnrn. 21 bis
24). Danach handelt der geschäftsführende
Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht
selbständig, wenn ihm ein festes Monatsgehalt sowie ein
jährliches Urlaubsgeld gezahlt wird, von dem Gehalt Lohnsteuer
und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten werden, er nicht
im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigene
Verantwortung tätig ist, sondern auf Rechnung und
Verantwortung der Gesellschaft und er auch kein wirtschaftliches
Risiko trägt. Die Entscheidung - Nichtbesteuerung der
Geschäftsführungsleistung - beruht daher auf der
fehlenden Unternehmereigenschaft, nicht aber auf dem Fehlen eines
steuerbaren Leistungsaustausches.
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2. Bei den von der Klägerin
gegenüber der jeweiligen KG erbrachten steuerbaren Leistungen,
die gegen Festvergütung vereinbarte Geschäftsführung
und Haftungsübernahme handelte es sich um eine einheitliche
Leistung.
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich
eine einheitliche Leistung nicht nur daraus ergeben, dass eine
Leistung als Hauptleistung und andere Leistungen als
Nebenleistungen zu beurteilen sind, sondern auch daraus, dass - wie
im Streitfall - zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des
Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden
sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren
wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung - aus der
maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers -
wirklichkeitsfremd wäre (EuGH-Urteile vom 27.10.2005 C-41/04,
Levob Verzekeringen und OV Bank, Slg. 2005, I-9433 = SIS 06 02 01
Rdnr. 22; vom 29.3.2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007,
I-2697 = SIS 07 14 87 Rdnr. 23, und vom 19.11.2009 C-461/08, Don
Bosco, UR 2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 37). Einen einzigen
untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung
wirklichkeitsfremd wäre, bejaht der EuGH für den
Erwerb
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- einer Software, die in diesem Zustand
für die wirtschaftliche Tätigkeit des
Leistungsempfängers nutzlos ist und nachfolgende Anpassungen,
die die Software erst nützlich werden lassen, wenn der
wirtschaftliche Zweck darin besteht, eine speziell an die
Bedürfnisse des Leistungsempfängers angepasste
einsatzfähige Software zu erhalten (EuGH-Urteil Levob
Verzekeringen und OV Bank in Slg. 2005, I-9433 Rdnr. 24),
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- eines Glasfaserkabels und die mit der
Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen,
die zur Veräußerung eines verlegten und
funktionstüchtigen Kabels erforderlich und hiermit eng
miteinander verbunden sind (EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg.
2007, I-2697 Rdnr. 25) und
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- eines alten Gebäudes mit dem
dazugehörigen Grund und Boden, der in diesem Zustand ohne
jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des
Leistungsempfängers ist, und den Leistungen in Bezug auf den
Abriss der Gebäude, die allein geeignet sind, dem
Grundstück einen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen
(EuGH-Urteil Don Bosco in UR 2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 38).
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Dementsprechend kommt es für das
Vorliegen einer einheitlichen Leistung entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht auf eine notwendig durch die Art der Leistung
selbst bedingte rechtliche Verknüpfung an.
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b) Danach sind im Streitfall
Geschäftsführung, Vertretung und Haftung durch die
Klägerin für die KGs eine einheitliche Leistung.
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Die Klägerin hatte nach den
Gesellschaftsverträgen als - jeweils einzige -
Komplementärin und damit als persönlich haftende
Gesellschafterin nach §§ 114, 125, 128, 161 Abs. 2 HGB
die Geschäftsführung, Vertretung und persönliche
Haftung für die KGs übernommen. Ein persönlich
haftender Gesellschafter, der nach diesen Vorschriften entsprechend
dem Regelstatut des HGB zur Geschäftsführung und
Vertretung der KG berechtigt ist, muss für die
Verbindlichkeiten der KG zwingend haften. Schon wegen dieser
rechtlichen Abhängigkeit liegt nach der - allein
maßgeblichen - objektiven Ausgestaltung des
Gesellschaftsverhältnisses ein einziger untrennbarer
wirtschaftlicher Vorgang vor, dessen Aufspaltung im Sinne der
vorstehend wiedergegebenen EuGH-Rechtsprechung wirklichkeitsfremd
wäre. Die Haftung ist insoweit rechtlich zwingend mit der
Geschäftsführung und Vertretung verbunden, als bei
Übernahme der Geschäftsführung die Haftung nicht
abbedungen werden kann. Der Komplementär haftet dann zwingend
für die sich aus der Geschäftsführung der
Gesellschaft ergebenden Folgen.
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Dass ein Komplementär nach § 114
Abs. 2 HGB und § 125 Abs. 1 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB
von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden
könnte und dann der eigenständigen Haftung
gemäß § 128 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB
unterliegt, ist demgegenüber im Streitfall unerheblich. Denn
die bloße Möglichkeit einer isolierten Haftung sagt
nichts darüber aus, ob bei Übernahme von
Geschäftsführung, Vertretung und Haftung ein
einheitlicher Vorgang oder mehrere selbständige
Leistungsbeziehungen vorliegen.
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Für die Auffassung, dass Vertretung,
Haftung und Geschäftsführung im Streitfall eine
einheitliche Leistung sind, spricht im Übrigen
zusätzlich, dass die Klägerin die Festvergütung I
bereits für Geschäftsführung und Haftung erhielt.
Lag damit nach der vertraglichen Ausgestaltung eine Verbindung
zwischen Geschäftsführung und Haftung vor, ist die nur
für die Haftung vereinbarte Festvergütung II als
zusätzliches Entgelt für die bereits durch die
Festvergütung I entlohnte einheitliche Leistung anzusehen.
Hinzu kommt, dass die Vertretung der Kommanditgesellschaft
gegenüber Dritten lediglich der Durchführung der
Geschäftsführung im Außenverhältnis dient und
daher - worauf die Klägerin, wenn auch in anderem
Zusammenhang, zu Recht hinweist - die Vertretung gegenüber
Dritten zumindest umsatzsteuerrechtlich nicht eine von der
Geschäftsführung zu unterscheidende Tätigkeit,
sondern ein Teilbereich der Geschäftsführung ist, der das
rechtsgeschäftliche Handeln nach außen umfasst (vgl.
allgemein z.B. Habersack in Staub, HGB, 5. Aufl., § 125 Rz 3;
Wirth in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 3. Aufl.,
Bd. 2, § 9 Rz 1), weil eine Trennung wirklichkeitsfremd
wäre, wenn Geschäftsführung und Vertretung in einer
Hand liegen. Dass eine Trennung rechtlich möglich wäre,
ist dagegen unerheblich.
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3. Die einheitliche Leistung der Klägerin
ist nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
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a) Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 Buchst.
g UStG „die Übernahme von Verbindlichkeiten, von
Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung
dieser Umsätze“. Die Vorschrift beruht auf Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien
die Mitgliedstaaten von der Steuer „die Vermittlung und
die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und
anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von
Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber“. Hierzu hat der
EuGH mit Urteil vom 19.4.2007 C-455/05, Velvet & Steel
Immobilien (Slg. 2007, I-3225 = SIS 07 14 92 Rdnr. 26) entschieden,
dass die „Übernahme von Verbindlichkeiten“
andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine
Immobilie zu renovieren, nicht umfasst. Der EuGH stützt dies
maßgeblich auf den Charakter der
Verbindlichkeitsübernahme als Finanzgeschäft, auf die
fehlende Schwierigkeit bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage
und auf andere Sprachfassungen der Richtline, die sich
„klar auf Geldverbindlichkeiten beziehen“
(EuGH-Urteil Velvet & Steel Immobilien in Slg. 2007, I-3225
Rdnrn. 23 f. und 18).
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b) Diese Rechtsprechung ist nicht nur bei der
Übernahme von Verbindlichkeiten, sondern auch bei der
Übernahme von Bürgschaften und anderen Sicherheiten wie
z.B. Garantien zu beachten, wie der BFH bereits ausdrücklich
entschieden hat (BFH-Urteil vom 10.2.2010 XI R 49/07, BFHE 228,
456, BStBl II 2010, 1109 = SIS 10 06 47, unter II.2.a). In allen
drei Fällen muss der Leistung Finanzcharakter zukommen; dies
trifft auf die Übernahme von Sachleistungsverpflichtungen
nicht zu.
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c) Danach sind die Leistungen der
Klägerin nicht steuerfrei. Keines der einzelnen Elemente der
von der Klägerin gegenüber den KGs erbrachten
einheitlichen Leistung hat den Charakter eines
Finanzgeschäfts. Dies gilt nicht nur für die
Geschäftsführung und die Vertretung, sondern auch
für die Haftung nach §§ 161, 128 HGB.
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Denn nach der zu § 128 HGB ergangenen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind die
„Verbindlichkeiten der Gesellschaft ... zugleich Schulden
der Gesellschafter; Gesellschaft und Gesellschafter sind keine
Gesamtschuldner, sondern es besteht nur eine einheitliche
Verpflichtung und Schuld, für die zwei verschiedene
Vermögensmassen haften; der Gesellschafter hat nicht nur
für fremde Schuld einzustehen und nicht nur die Erfüllung
durch die Gesellschaft zu erwirken, sondern jeder Gesellschafter
ist zur persönlichen Erfüllung der Verbindlichkeit voll
verpflichtet. ... Deshalb muss eine Gesellschaftsforderung in
gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter
wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein“ (BGH-Urteil
vom 16.2.1961 III ZR 71/60, BGHZ 34, 293, unter II.3.).
Dementsprechend kann der persönlich haftende Gesellschafter
z.B. auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden
(BGH-Urteil vom 11.12.1978 II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, unter 2.).
Ob im Einzelfall eine persönliche Inanspruchnahme an einem
schutzwürdigen Interesse des Gesellschafters auf Freihaltung
seiner Privatsphäre scheitert (BGH-Urteil in BGHZ 73, 217,
unter 2.) ändert nichts an der grundsätzlich bestehenden
Erfüllungspflicht. Dieser somit im Grundsatz - wenn auch nicht
uneingeschränkt - geltenden Erfüllungstheorie hat sich
das Schrifttum weitgehend angeschlossen (vgl. z.B. K. Schmidt, in
Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl. 2006, § 128 Rz 24;
ebenso Habersack, in Großkommentar HGB, § 128 Rz 27 ff.;
Heymann/Emmerich, HGB, § 128, Rz 19 ff.).
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33
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Ist die Haftung nach der sog.
Erfüllungstheorie bei Sachleistungsschulden der KG
grundsätzlich auf Sachleistung durch den persönlich
haftenden Gesellschafter gerichtet, fehlt auch der Haftung des
Komplementärs der für die Steuerfreiheit erforderliche
Finanzcharakter. Eine Differenzierung danach, ob für die KG
überhaupt Sachleistungsschulden bestehen oder ob der
Komplementär bei Bestehen einer Sachleistungsschuld der KG mit
einer Inanspruchnahme auf Sachleistung oder auf bloße
Schadensersatzzahlung zu rechnen hat, kommt nicht in Betracht. Denn
für die Steuerfreiheit der Leistung sind die Verhältnisse
bei Erbringung der Haftungsleistung unabhängig von der Art
einer späteren Inanspruchnahme als Haftender
maßgeblich.
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4. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen
Grundsätzen und war aufzuheben, da es zu Unrecht von einer
Steuerfreiheit der Leistung ausgegangen ist. Der Gegenauffassung im
Schrifttum (Behrens/Schmitt, GmbHR 2003, 269, 275; Herbert, in
Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 4 Nr. 8 Rz 92; Korn/Strahl,
Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 7, 6021, 6027; Robisch, UVR 2002,
361, 362; Zugmaier, DStR 2004, 124, 125, und Die Information
über Steuer und Wirtschaft 2003, 309, 312) folgt der Senat aus
den vorstehend genannten Gründen nicht.
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5. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war
mangels Steuerfreiheit der durch die Klägerin erbrachten
Leistung abzuweisen.
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