Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.3.2016 1 K 1345/13
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine inländische
Kapitalgesellschaft, ist seit dem Jahr 2000 nach einer
Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der Y GmbH, einer
inländischen (konzernangehörigen) Gesellschaft. Die Y
GmbH war im Streitjahr (1998) zu 99,9999 % unmittelbar und zu
0,0001 % mittelbar (über die B 1 und die B 2, beide mit Sitz
in Belgien) an der B mit Sitz in Belgien beteiligt. Jene
Gesellschaft war ein steuerlich privilegiertes sog.
Koordinierungszentrum im Sinne der belgischen königlichen
Verordnung Nr. 187 vom 30.12.1982.
|
|
|
2
|
Im März 2000 erließ der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegenüber der
Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 des Gesetzes über
die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen in der im Streitjahr
geltenden Fassung (Außensteuergesetz - AStG - ) für das
Wirtschaftsjahr 1997/Feststellungsjahr 1998, in welchem er
(erklärungsgemäß) auf die Y GmbH entfallende
Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe von ... DM
(davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Höhe von
... DM) sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen
(§ 10 Abs. 1 AStG) in Höhe von ... DM feststellte. Diese
Besteuerungsgrundlagen wurden der
Körperschaftsteuerfestsetzung der Y GmbH für 1998 unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung - AO - ) zugrunde gelegt.
|
|
|
3
|
Nach einer Außenprüfung wurde am
16.10.2003 der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG zum
Feststellungsjahr 1998 geändert und die auf die Y GmbH
entfallenden Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe
von ... DM (davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in
Höhe von ... DM) sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und
Vermögen in Höhe von ... DM ausgewiesen. Zudem
erließ das FA am 31.10.2003 einen geänderten
Körperschaftsteuerbescheid für 1998 unter Ansatz eines
Hinzurechnungsbetrags nach § 10 Abs. 2 AStG sowie nach §
12 AStG anzurechnender ausländischer Steuern in eben dieser
Höhe. Den jeweiligen Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA
auf. Die Klägerin legte (nur) gegen den geänderten
Körperschaftsteuerbescheid Einspruch ein. Der geänderte
Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.
|
|
|
4
|
Zur Einspruchsbegründung trug die
Klägerin im Dezember 2008 sinngemäß vor, die
Einbeziehung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat
ansässigen Gesellschaft in die Steuerbemessungsgrundlage einer
in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen beherrschenden
Gesellschaft verletze nach dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) - jetzt: Gerichtshof der Europäischen
Union - Cadbury Schweppes vom 12.9.2006 C-196/04 (EU:C:2006:544,
Slg. 2006, I-7995 = SIS 06 39 02) ihre Niederlassungsfreiheit
gemäß Art. 43, 48 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur
Änderung des Vertrags über die Europäische Union,
der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte - EG - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
2002, Nr. C 325, 1), jetzt Art. 49 und 54 des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags
von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die
Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - AEUV - (Amtsblatt der
Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47). Diese Einwendung
müsse aus unionsrechtlichen Gründen (auch) im
Steuerfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden. Mit
Einspruchsentscheidung vom 19.2.2013 wies das FA den Einspruch als
unbegründet zurück.
|
|
|
5
|
Mit Schreiben vom 19.3.2013 beantragte die
Klägerin den Erlass eines Ergänzungsbescheids (§ 179
Abs. 3 AO) zum Feststellungsbescheid nach § 18 AStG; es sei
festzustellen, dass B im Wirtschaftsjahr 1997 die
Tatbestandsvoraussetzung einer tatsächlichen wirtschaftlichen
Betätigung in ihrem Sitzstaat Belgien im Sinne des
EuGH-Urteils Cadbury Schweppes (EU:C:2006:544, Slg. 2006, I-7995 =
SIS 06 39 02) erfüllt habe. Diesen Antrag lehnte das FA ab.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
|
|
|
6
|
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat
die dagegen jeweils erhobenen Klagen (nach einer Verbindung der
beiden Verfahren) abgewiesen (Urteil vom 16.3.2016 1 K 1345/13,
abgedruckt in EFG 2016, 1318 = SIS 16 16 06).
|
|
|
7
|
Die Klägerin rügt mit der
Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid für 1998
über Körperschaftsteuer vom 31.10.2003 unter Aufhebung
der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19.2.2013
dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der
festzusetzenden Körperschaftsteuer kein Hinzurechnungsbetrag
nach § 10 Abs. 2 AStG in Höhe von ... DM und keine
anzurechnenden ausländischen Steuern nach § 12 AStG in
Höhe von ... DM berücksichtigt werden, und hilfsweise,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3.4.2013 und der
hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23.7.2013 zu
verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid über
die gesonderte Feststellung nach § 18 AStG für das
Wirtschaftsjahr 1997, Feststellungsjahr 1998, vom 16.10.2003 mit
den Feststellungen zu erlassen, dass die B im Wirtschaftsjahr 1997
tatsächlich in ihrem Aufnahmemitgliedstaat Belgien angesiedelt
war und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne
des EuGH-Urteils Cadbury Schweppes (C-196/04 = SIS 06 39 02) vom
12.9.2006 nachging.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin
erkannt, dass bei der Steuerfestsetzung ein Hinzurechnungsbetrag
(und anrechenbare ausländische Steuer) entsprechend dem Inhalt
des Feststellungsbescheids vom 16.10.2003 jedenfalls in der im
angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid bereits angesetzten
Höhe zu berücksichtigen ist und dass das FA nicht
verpflichtet ist, einen Ergänzungsbescheid i.S. des § 179
Abs. 3 AO zu erlassen.
|
|
|
10
|
1. Im Rahmen des hier
streitgegenständlichen Steuerfestsetzungsverfahrens
(Körperschaftsteuer 1998 betreffend die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der Y GmbH) ist das FA an den Inhalt des
bestandskräftigen Feststellungsbescheids i.S. des § 18
AStG gebunden (§ 182 Abs. 1 AO).
|
|
|
11
|
a) Nach § 18 Abs. 1 AStG werden die
Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7
bis 14 AStG gesondert festgestellt. Sind an der ausländischen
Gesellschaft mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt,
so wird die gesonderte Feststellung ihnen gegenüber
einheitlich vorgenommen; dabei ist auch festzustellen, wie sich die
Besteuerungsgrundlagen auf die einzelnen Beteiligten verteilen. Die
Vorschriften der Abgabenordnung, mit Ausnahme des § 180 Abs. 3
AO, und der Finanzgerichtsordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sind entsprechend
anzuwenden.
|
|
|
12
|
In Abs. 2 Satz 1 dieser Bestimmung ist
geregelt, dass für die gesonderte Feststellung das Finanzamt
zuständig ist, das bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen
für die Ermittlung der aus der Beteiligung bezogenen
Einkünfte örtlich zuständig ist. Im Übrigen
sieht Abs. 3 Satz 1 vor, dass jeder der an der ausländischen
Gesellschaft beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen und
erweitert beschränkt Steuerpflichtigen eine Erklärung zur
gesonderten Feststellung abzugeben hat.
|
|
|
13
|
Daraus folgt für den Streitfall, dass das
FA als das für die Rechtsvorgängerin der Klägerin
örtlich zuständige FA (ohne Berücksichtigung des
§ 180 Abs. 3 AO, s. § 18 Abs. 1 Satz 3 AStG) für die
inländische Steuerpflichtige einen Feststellungsbescheid nach
§ 18 Abs. 1 Satz 1 AStG zu erlassen hatte. Die Feststellungen
betreffen sowohl den Gegenstand, den Zeitpunkt und die
Empfängerperson der Hinzurechnung als auch die Hinzurechnung
als Rechtsfolge (z.B. Senatsurteile vom 6.2.1985 I R 11/83, BFHE
143, 340, BStBl II 1985, 410 = SIS 85 15 44; vom 20.4.1988 I R
41/82, BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868 = SIS 88 21 58).
Feststellungsgegenstand sind die „nach § 7 Abs. 1
AStG steuerpflichtigen Einkünfte“ (Senatsurteile vom
15.3.1995 I R 14/94, BFHE 177, 263, BStBl II 1995, 502 = SIS 95 15 14; vom 2.7.1997 I R 32/95, BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176 = SIS 98 02 89; s.a. Hendricks/Engler in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht,
§ 18 AStG Rz 130; Blümich/Vogt, § 18 AStG Rz 8;
Creed in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., § 18 AStG Rz 7).
|
|
|
14
|
Der Feststellungsbescheid ist nach § 182
Abs. 1 AO (s. § 18 Abs. 1 Satz 3 AStG) für den
Festsetzungsbescheid (Folgebescheid) bindend. Dies schließt
es aus, einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren
entschieden worden ist, im Folgeverfahren einer hiervon
abweichenden Beurteilung zu unterwerfen (Senatsurteil vom 26.4.2017
I R 84/15, BFHE 258, 310, BStBl II 2018, 492 = SIS 17 15 92; s.a.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.6.2006 IV R 31, 32/05,
BFHE 214, 239, BStBl II 2007, 687 = SIS 06 40 91).
|
|
|
15
|
b) Nichts anderes gilt im Streitfall für
die der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen Einkünfte.
Allerdings gehen die Beteiligten und das FG übereinstimmend
davon aus, dass diese Feststellung den unionsrechtlichen
Maßgaben eines Grundfreiheitsschutzes nicht entspricht. Dem
ist beizupflichten.
|
|
|
16
|
Der EuGH hat in der Rechtssache Cadbury
Schweppes (EU:C:2006:544, Slg. 2006, I-7995), die die britischen
Rechtsvorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung
(„Foreign-Companies-Regeln“) betraf, Artikel 43
und 48 EG dahin ausgelegt, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in
die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat
ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten
ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat
erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem
niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat
unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur
rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der
normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der
Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich
abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von
dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die
genannte beherrschte Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von
Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat
angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen
Tätigkeiten nachgeht. Diese Maßgabe (bestätigt z.B.
im EuGH-Urteil Glaxo Wellcome vom 17.9.2009 C-182/08,
EU:C:2009:559, Slg. 2009, I-8591 = SIS 09 33 23) ist nach der
Rechtsprechung des Senats auf §§ 7 ff. AStG zu
übertragen (s. Senatsurteil vom 21.10.2009 I R 114/08, BFHE
227, 64, BStBl II 2010, 774 = SIS 10 00 34– dort Rz 25 ff.
des juris-Nachweises; Senatsbeschluss vom 12.10.2016 I R 80/14,
BFHE 256, 223, BStBl II 2017, 615 = SIS 17 03 79; Senatsurteil vom
13.6.2018 I R 94/15, BFHE 262, 79 = SIS 18 15 51). Der deutsche
Gesetzgeber hat auf diese EuGH-Rechtsprechung mit der durch das
Jahressteuergesetz 2008 (Gesetz vom 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150,
BStBl I 2008, 218) in das Gesetz eingefügten Bestimmung des
§ 8 Abs. 2 AStG (AStG n.F.) reagiert, die vorsieht, dass
Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem
Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat
des EWR-Abkommens nicht Zwischengesellschaft für
Einkünfte sind, für die nachgewiesen wird, dass die
Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen
Tätigkeit nachgeht.
|
|
|
17
|
Obgleich diese Regelung gemäß
§ 21 Abs. 17 Satz 1 Nr. 1 AStG n.F. erstmals für den
Veranlagungszeitraum, für den Zwischeneinkünfte
hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der
Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem 31.12.2007
beginnt, anzuwenden ist, ist aufgrund des Anwendungsvorrangs des
unionsrechtlichen Primärrechts und der verbindlichen
gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung durch den EuGH (vgl.
Senatsurteile in BFHE 227, 64, BStBl II 2010, 774 = SIS 10 00 34;
vom 18.12.2013 I R 71/10, BFHE 244, 331, BStBl II 2015, 361 = SIS 14 08 59; vom 19.7.2017 I R 87/15, BFHE 259, 435 = SIS 17 22 42
– „geltungserhaltende Reduktion“) dem
Steuerpflichtigen der unionsrechtlich gebotene Gegenbeweis
über seine tatsächlichen wirtschaftlichen
Aktivitäten im Einzelfall auch vor dem Inkrafttreten des
§ 8 Abs. 2 AStG a.F. zu ermöglichen (damit im Grundsatz
übereinstimmend das Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 8.1.2007, BStBl I 2007, 99 = SIS 07 03 32,
allerdings zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF-Schreiben vom
23.4.2010, BStBl I 2010, 391 = SIS 10 09 57; s. aber auch das
amtlich nicht veröffentlichte BMF-Schreiben vom 4.11.2016 IV B
5-S 1351/07/10001, auszugsweise mitgeteilt von Schönfeld, IStR
2017, 949, 950).
|
|
|
18
|
Auf dieser Grundlage lässt die
Rechtseinschätzung der Beteiligten, dass der Ansatz eines
Hinzurechnungsbetrags auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung
angesichts der Art und der Umstände der Tätigkeit der
belgischen Gesellschaft bereits im Streitjahr unionsrechtswidrig
ist, keinen Rechtsfehler erkennen.
|
|
|
19
|
c) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 262,
79 = SIS 18 15 51 ausgeführt, dass es dem
verfahrenskonzentrierenden Zweck einer gesonderten Feststellung
entspricht, die Prüfung der wirklichen wirtschaftlichen
Tätigkeit (Substanzanforderungen) dem Feststellungsverfahren
des § 18 AStG zu überantworten und damit im
Feststellungsverfahren abschließend zu beurteilen. Dafür
spreche auch der Gesichtspunkt der
„Sachnähe“ bei der Beurteilung der
„tatsächlichen wirtschaftlichen
Tätigkeit“ der Gesellschaft. Daran ist
festzuhalten.
|
|
|
20
|
Folge hieraus ist zum einen, dass die
Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit dem Unionsrecht
eine entscheidungserhebliche Vorfrage für die Feststellung der
„nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen
Einkünfte“ bildet und - obgleich nicht Teil des
Verfügungssatzes des Feststellungsbescheids - Bindungswirkung
nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO entfaltet. Folge hiervon ist
ferner, dass es sich bei den Substanzanforderungen nicht um ein
„personenbezogenes Element“ handelt, das
außerhalb des Feststellungsverfahrens stünde (ebenso im
Ergebnis Hendricks/Engler in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 18 AStG
Rz 106; a.A. Mohr in Stollfuß e.Komm., § 18 AStG Rz 19).
Deren Prüfung ist deshalb auch nicht mit der Antwort auf die
Frage gleichzusetzen, ob sich die (Rechtsvorgängerin der)
Klägerin als jedenfalls im Inland unbeschränkt
steuerpflichtige Körperschaft (s. § 18 Abs. 1 Satz 1
AStG) auf einen Grundfreiheitsschutz berufen kann.
|
|
|
21
|
d) Dem BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 99 = SIS 07 03 32 ist entgegen der Ansicht der Klägerin nichts
Abweichendes zu entnehmen. Soweit es dort (zu Nr. 5) heißt,
dass „die vorstehenden Grundsätze ... auf alle
Fälle anzuwenden (sind), in denen die Einkommen- oder
Körperschaftsteuer nicht bestandskräftig festgesetzt
ist“, ist schon nicht ersichtlich, dass eine Ausnahme zu
§ 182 Abs. 1 AO formuliert werden sollte; auch könnte
eine solche Aussage die Gerichte nicht binden.
|
|
|
22
|
2. Es besteht kein Anspruch der Klägerin
auf Erlass eines Ergänzungsbescheids i.S. des § 179 Abs.
3 AO des Inhalts, dass B im Streitjahr tatsächlich in Belgien
angesiedelt war und dort einer wirklichen wirtschaftlichen
Tätigkeit nachgegangen ist.
|
|
|
23
|
a) Nach § 179 Abs. 3 AO ist, soweit in
einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung
unterblieben ist, diese Feststellung in einem
Ergänzungsbescheid nachzuholen. Ein solcher Bescheid ergeht
unabhängig von der Bestandskraft des zu ergänzenden
Feststellungsbescheids und löst (ebenfalls) die
Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 AO aus. Dabei lässt der
Ergänzungsbescheid den ergänzten Feststellungsbescheid
unberührt, da durch ihn bereits getroffene Feststellungen
weder geändert noch aufgehoben werden können (s. z.B.
Senatsurteil vom 14.10.1987 I R 381/83, BFH/NV 1989, 141 = SIS 88 09 39; BFH-Urteil vom 25.2.2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235 = SIS 09 21 32; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 179 AO
Rz 310; Kunz in Gosch, AO § 179 Rz 58; Brandis in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 179 AO Rz 22;
Klein/Ratschow, AO, 14. Aufl., § 179 Rz 40). Voraussetzung
für den Erlass eines Ergänzungsbescheids ist, dass der
wirksame Feststellungsbescheid insoweit lückenhaft ist, als
eine „notwendige Feststellung unterblieben“ ist.
Daran fehlt es insbesondere, wenn eine Feststellung
ausdrücklich unterblieben ist oder wenn die Feststellung
ausdrücklich als „abschließend“
gewollt war (Senatsurteil vom 2.12.2015 I R 13/14, BFHE 253, 5,
BStBl II 2016, 927 = SIS 16 07 50).
|
|
|
24
|
b) Im Zeitpunkt des Erlasses des
Feststellungsbescheids bestand für das FA kein Anlass, eine
Feststellung in dem begehrten Sinne zu treffen. Vielmehr entsprach
der Feststellungsgegenstand der durch § 18 i.V.m. §§
7 ff. AStG bestimmten nationalen Rechtslage, die keinen sog.
Motivtest vorsah.
|
|
|
25
|
Die Feststellung ist auch nicht
nachträglich lückenhaft und damit
ergänzungsbedürftig geworden. Die Rechtserkenntnis im
Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil Cadbury Schweppes (EU:C:2006:544,
Slg. 2006, I-7995) bezieht sich wegen fehlender einschlägiger
Berichtigungsmöglichkeiten nicht auf bereits
bestandskräftige (und damit nach nationalem Verfahrensrecht
abgeschlossene) Verwaltungsverfahren; im Übrigen liefert sie
auch keinen Hinweis auf eine bestehende
„Feststellungslücke“, sondern allenfalls
auf eine sachlich unzutreffende („fehlerhafte“)
Feststellung (gl.A. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 179 AO
Rz 21 a.E.), die den sachlichen Anwendungsbereich der Norm nicht
betrifft (z.B. Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, §
179 AO Rz 310). Darüber hinaus würde die von der
Klägerin begehrte Ergänzung keine Feststellungslücke
schließen, sondern vielmehr nach ihrem Inhalt die bisher
vorliegende Feststellung hinzuzurechnender Einkünfte
beseitigen und in der Sache zu einer „negativen
Feststellung“ führen. Dies verstößt gegen
den oben beschriebenen Grundsatz, dass ein Ergänzungsbescheid
den ergänzten Feststellungsbescheid unberührt lassen
muss, da durch ihn bereits getroffene Feststellungen weder
geändert noch aufgehoben werden können.
|
|
|
26
|
3. Ein Verstoß gegen Unionsrecht liegt
nicht vor.
|
|
|
27
|
a) Auf dem Gebiet des Verfahrensrechts fehlen
unionsrechtliche Vorschriften, so dass die Ausgestaltung des
Verfahrensrechts grundsätzlich Sache der einzelnen
Mitgliedstaaten ist (Grundsatz der Verfahrensautonomie – z.B.
Streinz in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 4 EUV Rz 56; Englisch
in Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz
12.32). Diese haben nach der EuGH-Rechtsprechung allerdings den
Effektivitätsgrundsatz sowie das Äquivalenzprinzip zu
beachten (z.B. EuGH-Urteil Finanmadrid EFC vom 18.2.2016 C-49/14,
EU:C:2016:98; s. weitere Nachweise z.B. im BFH-Beschluss vom
8.9.2015 V B 5/15, BFH/NV 2016, 7 = SIS 15 28 28, und im
Senatsbeschluss vom 27.2.2018 I B 37/17, BFH/NV 2018, 841 = SIS 18 08 52). Gegen den Effektivitätsgrundsatz wird danach
verstoßen, wenn dem Betroffenen die Geltendmachung seiner
durch Unionsrecht vermittelten Rechte unmöglich gemacht oder
übermäßig erschwert wird (z.B. BFH-Urteil vom
21.1.2015 X R 40/12, BFHE 248, 485, BStBl II 2016, 117 = SIS 15 05 86; s.a. Streinz, ebenda, Rz 53; Englisch, ebenda, Rz 12.47). Das
Äquivalenzprinzip verlangt demgegenüber, dass die
Mitgliedstaaten die Rechtsschutzmöglichkeiten - z.B.
verfahrensrechtliche Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts
einzuhalten sind - nicht ungünstiger ausgestalten als in den
nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren (z.B.
BFH-Urteil vom 16.9.2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011,
151 = SIS 10 36 65; Streinz, ebenda, Rz 54; Englisch, ebenda, und
zu den Fristen ausdrücklich Rz 12.48).
|
|
|
28
|
b) Die nationale Verfahrensvorschrift des
§ 18 Abs. 1 Satz 3 AStG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO
hält diesen unionsrechtlichen Maßgaben stand (gl.A.
Günther, AO-Steuerberater 2016, 293), da sie für dem
Unionsrecht unterliegende Sachverhalte nicht ungünstiger ist
als für gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende
Sachverhalte, und sie die Ausübung der durch das Unionsrecht
verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder
übermäßig erschwert.
|
|
|
29
|
aa) Der sachliche Anwendungsbereich des §
182 Abs. 1 Satz 1 AO sieht keine Differenzierung vor, ob es sich um
einen rein nationalen oder um einen grenzüberschreitenden Fall
handelt; damit liegt ein Verstoß gegen den
Äquivalenzgrundsatz nicht vor.
|
|
|
30
|
bb) Die Regelung des § 182 Abs. 1 Satz 1
AO verstößt auch nicht gegen den
Effektivitätsgrundsatz. So steht es dem Steuerpflichtigen
frei, einen Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 Satz 1
AStG, mit dem unionsrechtswidrig Einkünfte einer in einem
anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hinzugerechnet
werden, anzufechten und hierdurch den Eintritt der Bindungswirkung
(§ 18 Abs. 1 Satz 3 AStG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO)
zu verhindern. Dabei kann offen bleiben, ob die Zweistufigkeit des
Verfahrens das Risiko eines Rechtsverlustes erhöht; jedenfalls
wäre ein solches Risiko - selbst wenn es gegeben sein sollte -
mit den das gesonderte Feststellungsverfahren rechtfertigenden
Vorteilen dieses Verfahrens untrennbar verbunden. Nur ein
gesondertes Feststellungsverfahren vermeidet die Gefahr, dass es
bei mehreren Beteiligten zu einander widersprechenden
Entscheidungen der einheitlich zu beantwortenden Rechtsfrage kommt.
Hinzu tritt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht
verliehenen Rechte nicht übermäßig erschwert wird.
Der Beteiligte kann durch (kostenfreien) Rechtsbehelf den Eintritt
der verfahrensrechtlichen Bestandskraft des Feststellungsbescheids
aufhalten und damit mittelbar zugleich seine Rechtsposition zur
Durchsetzung des Unionsrechts im Festsetzungsverfahren wahren.
|
|
|
31
|
cc) Dass das nationale Verfahrensrecht keine
Möglichkeit vorsieht, belastende Verwaltungsakte, deren
(Unions-)Rechtswidrigkeit sich nach dem Eintritt der
rechtssicherheitsbegründenden Bestandskraft durch ein
Gerichtsurteil herausstellt, zu ändern bzw.
zurückzunehmen, begründet keinen Verstoß gegen
Unionsrecht (z.B. Streinz, ebenda, Art. 4 EUV Rz 57). Dem steht das
EuGH-Urteil Klausner Holz Niedersachsen vom 11.11.2015 C-505/14
(EU:C:2015:742 = SIS 16 14 72) nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in
diesem Fall dahin erkannt, dass eine nationale Rechtsvorschrift
über die Wirkung der Rechtskraft von gerichtlichen
Entscheidungen, welche die nationalen Gerichte daran hindere,
sämtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen Art. 108
Abs. 3 Satz 3 AEUV zu ziehen, mit dem Effektivitätsgrundsatz
unvereinbar sei (s. insoweit auch - m.w.N. - Streinz, ebenda, Art 4
EUV Rz 58). Dies lässt sich jedoch auf die Regelungen des
§ 18 Abs. 1 Satz 3 AStG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO
nicht übertragen. Die vom EuGH beschriebene besondere
„Gefahrenlage“ für die Durchsetzung des
Unionsrechts (z.B. Umgehungsgefahr durch das Zusammenwirken der
Vertragspartner; Aushöhlung der Zuständigkeit der
Kommission für die Beurteilung von Verstößen gegen
Art. 107 Abs. 1 AEUV) liegt hier erkennbar nicht vor.
|
|
|
32
|
4. Der Senat erachtet die Unionsrechtslage als
eindeutig. Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV
bedarf es daher nicht (vgl. EuGH-Urteil CILFIT vom 6.10.1982 Rs.
283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415).
|
|
|
33
|
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|