Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg
vom 12.09.2019 - 10 K 3043/18 = SIS 19 16 26 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
Das Revisionsverfahren des Klägers wird
eingestellt, nachdem er mit Einwilligung des Beklagten die Revision
zurückgenommen hat (§§ 125 Abs. 1, 121 Satz 1 i.V.m.
§ 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung).
Die Kosten des zurückgenommenen
Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
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I. Streitig ist, ob nacherklärte
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach
§ 23 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den
Streitjahren 2007 und 2008 geltenden Fassung (EStG) i.V.m. §
10d Abs. 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010)
vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) gesondert festgestellt werden
können.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden in den Streitjahren als Eheleute zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt. In ihren
Einkommensteuererklärungen, die jeweils im Folgejahr beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) abgegeben
wurden, deklarierten die Kläger keine Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften. Das FA setzte die
Einkommensteuer 2007 auf 1.766 EUR (Bescheid vom 04.08.2008) und
die Einkommensteuer 2008 auf 2.156 EUR (Bescheid vom 19.10.2009)
fest.
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Mit Schreiben vom 23.12.2014 reichten die
Kläger eine „Nachmeldung“ beim FA ein, die auch
die Einkommensteuer 2007 und 2008 betraf. Darin erklärten sie
u.a. (weitere) Einnahmen und Werbungskosten bei den Einkünften
der Klägerin aus Kapitalvermögen sowie Verluste der
Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften
(mit Wertpapieren) in Höhe von 1.259 EUR (2007) und 18.008 EUR
(2008) nach.
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Mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 05.06.2015
setzte das FA die Einkommensteuer unter Berücksichtigung
höherer Einkünfte der Klägerin aus
Kapitalvermögen auf 2.373 EUR für 2007 und auf 2.555 EUR
für 2008 fest. In den Erläuterungen wies es darauf hin,
dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften
im Hinblick auf das grobe Verschulden am nachträglichen
Bekanntwerden nicht zu berücksichtigen seien.
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Gegen die geänderten
Einkommensteuerbescheide legten die Kläger fristgerecht
Einspruch ein und begehrten eine Änderung der
Steuerfestsetzungen in verschiedenen Punkten. Ferner beantragten
sie die Berücksichtigung von im Jahr 2005 entstandenen
Erhaltungsaufwendungen, die nach § 82b der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zunächst auf
vier, später auf fünf Jahre verteilt werden sollten. Des
Weiteren begehrten die Kläger, verbleibende
Verlustvorträge zum 31.12.2007 und 31.12.2008 festzustellen
und dabei Verluste aus Wertpapiergeschäften in Höhe von
1.494 EUR (2006), 1.259 EUR (2007) und 18.008 EUR (2008) zu
berücksichtigen.
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Mit - ohne Rechtsbehelfsbelehrung
versandtem - Schreiben vom 04.05.2016 lehnte das FA den Erlass von
Verlustfeststellungsbescheiden zum 31.12.2007 und zum 31.12.2008
unter Hinweis auf die eingetretene Teilverjährung und die
Regelung in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ab. Dagegen wandten sich
die Kläger mit Fax-Schreiben vom 16.09.2016.
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Im Laufe des Einspruchsverfahrens
erließ das FA nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
geänderte Bescheide und setzte die Einkommensteuer 2007 auf
1.766 EUR und die Einkommensteuer 2008 auf 2.156 EUR fest
(Teilabhilfe). Über die Feststellung von Verlusten aus
privaten Veräußerungsgeschäften sei noch im
weiterhin anhängigen Einspruchsverfahren zu entscheiden
(Bescheide vom 18.09.2018 bzw. 16.10.2018).
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Mit Einspruchsentscheidungen vom 22.10.2018
wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
Eine Verlustfeststellung scheide aus, da die
Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 wegen der am 31.12.2012 bzw.
31.12.2013 eingetretenen Teilverjährung nicht mehr
geändert werden könnten. An diese
Nichtberücksichtigung sei das FA nach § 10d Abs. 4 Satz 4
EStG gebunden. § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG greife - auch im
Hinblick auf die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F.
des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I
2006, 2878) - nicht ein. Ebenso wenig komme eine weitere
Herabsetzung der Einkommensteuer in Betracht (§ 351 Abs. 1
AO).
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Mit ihrer Klage verfolgten die Kläger
insbesondere ihr auf Verlustfeststellung gerichtetes Begehren
weiter. Sie beantragten sinngemäß, einen verbleibenden
Verlustvortrag der Klägerin aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 1.259 EUR
zum 31.12.2007 und in Höhe von 18.007 EUR zum 31.12.2008
gesondert festzustellen sowie die Einkommensteuerbescheide für
2007 und 2008 dahingehend zu ändern, dass die
Änderungsbeschränkungen nach §§ 351, 177 AO
nicht zur Anwendung gelangen, hilfsweise, dass Verluste aus
privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von
1.259 EUR (2007) und 18.007 EUR (2008) berücksichtigt
werden.
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Mit in EFG 2019, 1817 = SIS 19 16 26
veröffentlichtem Urteil wies das Finanzgericht (FG) die Klage
als unbegründet ab.
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Dagegen richtet sich die Revision der
Kläger, mit der sie eine Verletzung von § 10d Abs. 4 Satz
1, 4 und 5 EStG, § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG i.d.F. des JStG
2007, § 173 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 und 2 AO sowie der
§§ 180, 181 AO rügen und Verfahrensmängel
geltend machen.
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Schon der zeitliche Anwendungsbereich des
§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 sei im
Streitfall nicht eröffnet. Es fehle an der Abgabe einer
Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags
i.S. des § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG
2010.
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Ferner sei § 10d Abs. 4 Satz 4, 5 EStG
im Hinblick auf seinen klaren Wortlaut, den Willen des Gesetzgebers
sowie Sinn und Zweck von § 23 Abs. 3 Satz 8, 9 EStG i.d.F. des
JStG 2007 auf Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften nicht anwendbar. Denn die
Sonderregelung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG schließe es
gerade aus, dass sich Veräußerungsverluste auf die
Höhe der Einkommensteuer auswirkten; ein vertikaler
Verlustausgleich finde nicht statt. Die Einkommensteuerfestsetzung
könne damit aber auch keine Bindungswirkung auslösen.
Eine solche setze vielmehr voraus, dass die Verluste
betragsmäßig berücksichtigt worden seien und den
Gesamtbetrag der Einkünfte und damit die Einkommensteuer
beeinflusst hätten. § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG sei zudem -
trotz Änderung des § 10d Abs. 4 EStG - unverändert
geblieben. Daher habe die Neufassung des § 10d EStG für
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht
zu einer Änderung geführt. Eine
„Quasi-Bindungswirkung“ des Einkommensteuerbescheids
sei nicht geregelt worden. Vielmehr bleibe es bei der
Selbständigkeit des Verlustfeststellungsverfahrens
gegenüber dem Festsetzungsverfahren.
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Zudem sei eine Änderung der
Einkommensteuerfestsetzungen für 2007 und 2008 nach § 173
AO möglich. Bei der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO hätte das FA alle bekannt gewordenen Tatsachen zu Ungunsten
wie zu Gunsten der Kläger berücksichtigen müssen.
Auch sei den Klägern als steuerlichen Laien kein grobes
Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorzuwerfen, da
ihnen der Anfall von Veräußerungsverlusten in den
Streitjahren zunächst nicht bekannt gewesen sei und sie die
maßgeblichen Bankunterlagen erst im Jahr 2013 erhalten
hätten. Ein etwaiges Verschulden sei jedenfalls nach §
173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO unbeachtlich. Zwischen den
steuermindernden Veräußerungsverlusten aus
Geschäften mit festverzinslichen Papieren und Anteilen an
Investmentfonds und den steuererhöhenden Kapitaleinnahmen in
Gestalt von ausschüttungsgleichen Erträgen i.S. des
§ 1 Abs. 4 des Investmentsteuergesetzes, Stückzinsen und
positiven Zwischengewinnen, die überhaupt erst durch die
unterjährigen Veräußerungen ausgelöst
würden, bestehe ein sachlicher Zusammenhang. Im Übrigen
sei zu erwägen, ob das Begehren der Kläger nicht als
Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids verstanden werden
müsse.
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Schließlich habe das FG den Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt
(Überraschungsentscheidung) sowie den Sachverhalt nicht
ordnungsgemäß aufgeklärt, soweit es keinerlei
tatsächliche Feststellungen zum Grad des Verschuldens am
nachträglichen Bekanntwerden der
Veräußerungsverluste getroffen habe.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und
das FA unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 22.10.2018
zu verpflichten, verbleibende Verlustvorträge der
Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften
in Höhe von 1.259 EUR auf den 31.12.2007 und in Höhe von
19.267 EUR auf den 31.12.2008 gesondert festzustellen,
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hilfsweise, die Einkommensteuerbescheide
für 2007 und 2008 dahingehend zu ändern, dass die
Verluste der Klägerin aus privaten
Veräußerungsgeschäften den
Einkommensteuerfestsetzungen zu Grunde gelegt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet (dazu unter 1.). Der Hilfsantrag stellt sich als
unzulässig dar (dazu unter 2.). Das Revisionsverfahren des
Klägers war nach Rücknahme der Revision einzustellen
(dazu unter 3.)
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1. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das FA
die von der Klägerin begehrte gesonderte Feststellung der
verbleibenden Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2007 und
31.12.2008 abgelehnt (dazu unter a). Verfahrensmängel liegen
nicht vor (dazu unter b).
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a) Eine gesonderte Feststellung der
verbleibenden Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2007 und
31.12.2008 scheidet nach § 23 Abs. 3 EStG i.V.m. § 10d
Abs. 4 Satz 4 EStG aus.
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aa) Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Satz 1 EStG sind private
Veräußerungsgeschäfte u.a.
Veräußerungsgeschäfte bei anderen
Wirtschaftsgütern (insbesondere bei Wertpapieren), bei denen
der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht
mehr als ein Jahr beträgt. Gewinn oder Verlust aus
Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 EStG ist der Unterschied zwischen
Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits (§ 23
Abs. 3 Satz 1 EStG).
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Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des
JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG i.d.F. des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom
14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) dürfen Verluste nur bis zur
Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen
Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften
erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach §
10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach
Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der
Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen
Veranlagungszeitraum oder in den folgenden
Veranlagungszeiträumen aus privaten
Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG
erzielt hat oder erzielt; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend
(§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23
Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008).
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§ 23 Abs. 3 Satz 9 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des UntStRefG 2008) ist gemäß § 52 Abs. 39
Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2007 auch in den Fällen
anzuwenden, in denen am 01.01.2007 die Feststellungsfrist noch
nicht abgelaufen war. Die Norm gilt damit auch im Streitfall.
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bb) Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1
EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende
Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender
Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der
Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte,
vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die
nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt
um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums
festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz
2 EStG). Im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9 2.
Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 2.
Halbsatz EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) sind dies die nicht
ausgleichbaren Veräußerungsverluste, vermindert um die
nach § 10d Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des
JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008)
abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2, § 23 Abs. 3 Satz 9
EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des
UntStRefG 2008) abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf
den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums
festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (Senatsurteile vom
11.11.2008 - IX R 44/07, BFHE 223, 395, BStBl II 2010, 31 = SIS 09 05 16, unter II.1.; vom 20.07.2018 - IX R 28/17, BFH/NV 2019, 110 =
SIS 18 19 29, Rz 22; vgl. auch BeckOK EStG/Trossen, 10. Ed.
[01.06.2021], EStG § 23 Rz 353.1).
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Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 1.
Halbsatz EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu
berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des
Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende
Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in
dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde
gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4
Satz 4 2. Halbsatz EStG). Die Besteuerungsgrundlagen dürfen
bei der Feststellung nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4
Satz 4 EStG berücksichtigt werden, wie die Aufhebung,
Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide
ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der
festzusetzenden Steuer unterbleibt (§ 10d Abs. 4 Satz 5
EStG).
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Nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des
JStG 2010 gilt § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG (i.d.F. des JStG
2010) erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12.2010
eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags abgegeben wird. Hiermit hat sich der Gesetzgeber
gegen die Rechtsprechung des Senats gewandt, der zufolge ein
verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gemäß
§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen ist, wenn der
Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr zwar
bestandskräftig ist, darin aber keine nicht ausgeglichenen
negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind (vgl.
Senatsurteil vom 17.09.2008 - IX R 70/06, BFHE 223, 50, BStBl II
2009, 897 = SIS 08 42 96).
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cc) Nach diesen Maßstäben steht
§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3
Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) i.V.m. § 10d Abs. 4
Satz 4 EStG einer Verlustfeststellung zum 31.12.2007 und 31.12.2008
entgegen. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist im Streitfall anwendbar
(dazu unter aaa). Eine Verlustfeststellung ist infolge der
(insoweit) bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheide
für 2007 (vom 04.08.2008) und für 2008 (vom 19.10.2009),
denen keine Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften zu Grunde liegen (dazu unter
bbb), ausgeschlossen, da weder die Voraussetzungen für eine
Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen nach Maßgabe
der Änderungsvorschriften der AO (dazu unter ccc) oder den
Erlass eines Ergänzungsbescheids (dazu unter ddd) noch die des
§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG (dazu unter eee) vorliegen.
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aaa) Entgegen der Ansicht der Klägerin
kann § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG im Streitfall nicht unangewendet
bleiben.
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(1) Der zeitliche Anwendungsbereich des §
10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist eröffnet, da
die „Nachmeldung“ von Einkünften aus
privaten Veräußerungsgeschäften am 23.12.2014 - und
damit nach dem 13.12.2010 - erfolgt ist. Die Abgabe entsprechender
Anlagen zur Einkommensteuererklärung und der Antrag auf
Verlustfeststellung stehen der Abgabe einer Erklärung zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags i.S. des § 52
Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 gleich (vgl. Senatsurteil
vom 12.07.2016 - IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699 = SIS 16 22 90, Rz 16, sowie Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
31.01.2018 - I R 25/16, BFH/NV 2018, 838 = SIS 18 08 54, Rz 20).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bei der entsprechenden
Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG für die Bestimmung
des zeitlichen Anwendungsbereichs (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG
i.d.F. des JStG 2010) auf die Erklärung der betreffenden
Verluste nach § 23 EStG abzustellen.
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(2) § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG gelangt auch
auf Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG zur
Anwendung. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23
Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz
7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vermag daran nichts zu
ändern.
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(a) Dies ergibt sich bereits aus dem
eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 9 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des UntStRefG 2008). Danach gilt § 10d Abs. 4 EStG -
auch dessen Satz 4 - entsprechend. Ein derartiger Verweis hat zur
Konsequenz, dass die in Bezug genommene Regelung (§ 10d Abs. 4
EStG) unter Beachtung der Besonderheiten des bezugnehmenden
Tatbestands (§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw.
§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) anzuwenden
ist (vgl. zu den Einkünften aus Kapitalvermögen
BFH-Urteil vom 09.05.2017 - VIII R 40/15, BFHE 258, 335, BStBl II
2017, 1049 = SIS 17 15 42, Rz 19). Hingegen scheidet eine Auslegung
in dem Sinne, dass § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG auf Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht zur
Anwendung gelangt (und der Verweis in § 23 Abs. 3 EStG
leerläuft), von vornherein aus.
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(b) Der Umstand, dass § 10d Abs. 4 EStG
nach der Einführung der Verlustausgleichsbeschränkung
für Einkünfte aus privaten
Veräußerungsverlusten neu gefasst worden ist,
rechtfertigt keinen anderen Schluss. Hätte der Gesetzgeber die
Bindung der Verlustfeststellung an die Einkommensteuerfestsetzung
für den Bereich der Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften einschränken wollen, so
hätte er dies im JStG 2010 deutlich machen müssen (vgl.
zu den Einkünften aus Kapitalvermögen BFH-Urteil in BFHE
258, 335, BStBl II 2017, 1049 = SIS 17 15 42, Rz 37). Dies ist
nicht geschehen.
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(c) Auch im Hinblick auf den Sinn und Zweck
des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist die Anwendung der Norm auf
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften
geboten. Wenngleich sich im Streitfall das in der
Gesetzesbegründung zum JStG 2010 (BT-Drucks. 17/2249, S. 51)
angesprochene Problem der fehlenden Rechtserheblichkeit neuer
Tatsachen nicht stellt, soll die Neuregelung eine inhaltliche
Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an die der
Einkommensteuerfestsetzung zu Grunde gelegten Beträge
bewirken. Die Verlustfeststellung muss daher entfallen, wenn der
Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht
mehr änderbar ist (Senatsurteile vom 13.01.2015 - IX R 22/14,
BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829 = SIS 15 08 82, Rz 15; vom
10.02.2015 - IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812 = SIS 15 10 72, Rz 13, und
in BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699 = SIS 16 22 90, Rz 17). Eine
erstmalige Verlustfeststellung für nachträglich
erklärte Verluste soll nach Bestandskraft des
Einkommensteuerbescheids - zur Sicherung des Rechtsfriedens - nur
noch zulässig sein, wenn auch der Steuerbescheid geändert
werden kann (BTDrucks 17/2249, S. 52). Ließe man in den
Fällen des § 23 EStG aber eine von der
Einkommensteuerfestsetzung losgelöste Verlustfeststellung zu,
würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abstimmung der
materiellen und formellen Änderbarkeitserfordernisse von
Verlustfeststellung und Steuerfestsetzung des Folgejahres
(Senatsurteil in BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699 = SIS 16 22 90, Rz
18) gerade nicht stattfinden. Eine derartige - punktuelle -
Durchbrechung bzw. Erweiterung des gesetzlichen
Verlustverrechnungssystems ist nicht gerechtfertigt (vgl. zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen BFH-Urteil in BFHE 258,
335, BStBl II 2017, 1049 = SIS 17 15 42, Rz 36).
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(d) Der Regelungsgehalt des § 23 Abs. 3
Satz 8 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG
i.d.F. des UntStRefG 2008 steht dem nicht entgegen. Die Regelung
schließt zwar einen vertikalen Verlustausgleich zwischen
Veräußerungsverlusten und positiven Einkünften aus
anderen Einkunftsarten aus; nicht ausgleichbare
Veräußerungsverluste gehen nicht in die Summe der
Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) ein und haben damit keinen
Einfluss auf die Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer
(vgl. nur Senatsurteile in BFHE 223, 395, BStBl II 2010, 31 = SIS 09 05 16, unter II.2.b, und in BFH/NV 2019, 110 = SIS 18 19 29, Rz
25; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz
F 1; KKB/Bäuml, § 23 EStG, 5. Aufl., Rz 441 ff.; BeckOK
EStG/Trossen, 10. Ed. [01.06.2021], EStG § 23 Rz 345). Nicht
(vollständig) ausgeschlossen ist aber ein horizontaler
Verlustausgleich, d.h. Veräußerungsverluste können
bei der Einkommensteuerfestsetzung von Gewinnen aus privaten
Veräußerungsgeschäften - bis zum Betrag von 0 EUR -
abgezogen werden. Damit bleiben Veräußerungsverluste
nicht ohne Auswirkung auf die Einkommensteuerfestsetzung.
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Zudem liegen Besteuerungsgrundlagen der
Steuerfestsetzung auch dann i.S. des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG
zu Grunde, wenn sie außerhalb der Summe der Einkünfte
sowie des Gesamtbetrags der Einkünfte bleiben (§ 2 Abs.
3, 4 EStG) und nicht Teil des (zu versteuernden) Einkommens sind.
Dies hat der BFH für (nacherklärte)
Veräußerungsverluste i.S. des § 20 Abs. 2 EStG, die
bei der Ermittlung der gemäß § 32d Abs. 1 EStG zu
besteuernden Einkünfte unberücksichtigt geblieben waren,
und damit für den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 6 Satz
4 EStG, durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts
an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer
steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1266)
geändert in § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG, i.V.m. § 10d
Abs. 4 EStG, bereits entschieden. Die Höhe von der
Abgeltungsteuer unterliegenden, in die Einkommensteuerveranlagung
einzubeziehenden (negativen) Einkünften aus
Kapitalvermögen ist danach grundsätzlich im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung des Verlustentstehungsjahres zu
ermitteln und nur im Rahmen eines gegen diese
Einkommensteuerfestsetzung geführten Einspruchsverfahrens zu
überprüfen (BFH-Urteil in BFHE 258, 335, BStBl II 2017,
1049 = SIS 17 15 42, Rz 23 f.). Das Gleiche gilt für den
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 2. Halbsatz EStG
i.d.F. des UntStRefG 2008) i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG.
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(e) Das von der Klägerin angeführte
Senatsurteil in BFHE 223, 395, BStBl II 2010, 31 = SIS 09 05 16
steht der Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ebenfalls
nicht entgegen. Es betrifft die Rechtslage vor der Neufassung des
§ 10d Abs. 4 EStG durch das JStG 2010.
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bbb) § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des
JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008)
i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG verlangt eine
Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen (Verluste aus
privaten Veräußerungsgeschäften), wie sie den
Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss
der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des
Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen
werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Vorliegend sind in den
bestandskräftigen Steuerfestsetzungen der
Verlustentstehungsjahre 2007 und 2008 vom 04.04.2008 bzw.
19.10.2009 indes keine Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG zum
Ansatz gelangt. Gewinne oder Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften sind (zunächst) weder
von der Klägerin erklärt noch vom FA von Amts wegen bei
der Veranlagung berücksichtigt - und damit den Festsetzungen
zu Grunde gelegt - worden.
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ccc) Liegt - wie im Streitfall - ein
bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid (ohne
Berücksichtigung von Einkünften aus privaten
Veräußerungsgeschäften) für das
Verlustentstehungsjahr vor, entfaltet dieser Bindungswirkung
für das Verfahren der Verlustfeststellung. Der Erlass bzw. die
Änderung des Feststellungsbescheids setzt dann voraus, dass
der korrespondierende Einkommensteuerbescheid verfahrensrechtlich -
d.h. nach den §§ 164 ff., §§ 172 ff. AO -
geändert wird oder dass die Änderung allein wegen
fehlender steuerlicher Auswirkung unterbleibt (Senatsurteil vom
22.01.2013 - IX R 11/12, BFH/NV 2013, 1069 = SIS 13 16 71, Rz 14;
BeckOK EStG/Trossen, 10. Ed. [01.06.2021], EStG, § 23 Rz 354).
Hier liegen die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine
Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008
indes nicht vor.
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(1) Dabei kann dahinstehen, ob das FG zu Recht
eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen groben
Verschuldens der Kläger am nachträglichen Bekanntwerden
der Veräußerungsverluste abgelehnt und § 173 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 AO unangewendet gelassen hat. Einer Änderung der
Einkommensteuerfestsetzungen für 2007 und 2008 steht
jedenfalls der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen (§ 169
Abs. 1 Satz 1 AO). Denn im Streitfall begann die vierjährige
Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) für die
Einkommensteuer 2007 bzw. 2008 im Hinblick auf die Abgabe der
Steuererklärungen im jeweiligen Folgejahr mit Ablauf des
31.12.2008 bzw. 31.12.2009 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO); sie
endete folglich mit Ablauf des 31.12.2012 bzw. 31.12.2013. Im
Zeitpunkt der „Nachmeldung“ der Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften im Dezember
2014 war dementsprechend bereits Festsetzungsverjährung
eingetreten. Eine Änderung der Einkommensteuerbescheide kommt
damit nicht mehr in Betracht.
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(2) Zutreffend hat das FG die verlängerte
Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht zur
Anwendung gebracht. Die zehn- bzw. fünfjährige
Festsetzungsfrist gilt nur, soweit eine Steuer hinterzogen bzw.
leichtfertig verkürzt worden ist. Soweit die Steuer nicht
hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt worden ist, bleibt es
hingegen bei der regulären Festsetzungsfrist (Grundsatz der
Teilverjährung, vgl. nur Senatsurteil vom 20.11.2012 - IX R
30/12, BFHE 240, 4, BStBl II 2013, 995 = SIS 13 08 27, m.w.N.;
Drüen in Tipke/Kruse, § 169 AO Rz 14). Dementsprechend
kam es im Streitfall allein im Hinblick auf die nacherklärten
Einkünfte aus Kapitalvermögen zu einer Verlängerung
der Festsetzungsfrist. Hingegen fehlt es hinsichtlich der
nacherklärten (steuermindernden) negativen Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften bereits an einer
Steuerverkürzung und damit an der Verwirklichung des
objektiven Tatbestands des § 370 Abs. 1 AO.
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ddd) Der von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung aufgeworfene Gesichtspunkt des
Ergänzungsbescheids verfängt nicht. § 179 Abs. 3 AO
betrifft allein (lückenhafte) Feststellungsbescheide (vgl.
auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
genannte BFH-Urteil vom 14.11.2018 - I R 47/16, BFHE 263, 393,
BStBl II 2019, 419 = SIS 19 06 37, Rz 23), nicht aber
Steuerfestsetzungen. Die Möglichkeit zur Ergänzung eines
Einkommensteuerbescheids (um bislang nicht berücksichtigte
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften)
besteht nicht.
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eee) Zudem kann die Regelung in § 10d
Abs. 4 Satz 5 EStG der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Sie
sieht eine Ausnahme von der Bindungswirkung der
Einkommensteuerfestsetzung vor, wenn der Einkommensteuerbescheid
zwar dem Grunde nach - verfahrensrechtlich - korrigiert werden
könnte, dies aber allein deshalb unterbleibt, weil sich die
Höhe der festzusetzenden Steuer nicht ändert. In diesen
Fällen soll auf die Korrektur des Einkommensteuerbescheids
verzichtet werden können (BTDrucks 17/2249, S. 52). Dabei kann
sich die fehlende steuerliche Auswirkung zwar sowohl aus
tatsächlichen Umständen als auch aus rechtlichen
Gründen ergeben. Zu Letzteren gehören auch gesetzliche
Verlustausgleichsbeschränkungen wie § 23 Abs. 3 Satz 8
EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG i.d.F.
des UntStRefG 2008 (Senatsurteil in BFH/NV 2019, 110 = SIS 18 19 29, Rz 25). Vorliegend fehlt es aber - wie dargelegt - an einer
verfahrensrechtlichen Korrekturmöglichkeit, so dass es bei der
Bindungswirkung der Einkommensteuerfestsetzungen bleibt (dazu
Senatsurteile in BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829 = SIS 15 08 82,
Rz 15, und in BFH/NV 2015, 812 = SIS 15 10 72). Die Aufhebung,
Änderung oder Berichtigung der Einkommensteuerbescheide
für 2007 und 2008 unterbleibt - was die Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften angeht - nicht
allein mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden
Steuer. Eine analoge Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG
hat das FG im Hinblick auf den entgegenstehenden Normzweck des
§ 10d Abs. 4 Satz 4, 5 EStG zu Recht abgelehnt.
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b) Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin
eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben hat,
fehlt es schließlich an einem Verfahrensmangel. Soweit die
Klägerin (sinngemäß) eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO) in
Gestalt einer Überraschungsentscheidung rügt, liegt eine
solche nicht vor. Das FG ist nicht verpflichtet, den Beteiligten
die einzelnen für seine Entscheidung maßgeblichen
Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (BFH-Urteil vom 24.04.1990 -
VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539 = SIS 90 12 01,
unter 1., Rz 17) oder einen Hinweis auf seine Rechtsauffassung zu
geben (BFH-Beschluss vom 09.11.2011 - II B 105/10, BFH/NV 2012, 254
= SIS 12 00 66, Rz 13). Ebenso wenig kann sich die Klägerin
mit Erfolg auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht
(§ 76 Abs. 1 FGO) in Gestalt fehlender Ermittlungen des FG zum
Grad des Verschuldens am nachträglichen Bekanntwerden der
Veräußerungsverluste berufen. Die - in der
mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertretene -
Klägerin hat ausweislich des Sitzungsprotokolls (vgl. §
94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung - ZPO - )
rügelos zur Sache verhandelt und damit jedenfalls ihr
Rügerecht verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO, vgl.
nur Senatsurteil vom 06.12.2017 - IX R 4/17, BFHE 260, 155, BStBl
II 2018, 268 = SIS 18 01 96, Rz 36).
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2. Die Revision der Klägerin richtet sich
- was den Hilfsantrag angeht - auf eine Änderung der
Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008. Der betreffende
Antrag ist jedoch erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 FGO (am
28.02.2020) gestellt worden. Hierin liegt eine unzulässige
Erweiterung des Revisionsantrags (vgl. Gräber/Ratschow,
Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 120 Rz 56). Entgegen der
Auffassung der Klägerin sieht der Senat die Erweiterung nicht
als von der Revisionsbegründung gedeckt an.
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Die Kostenentscheidung folgt, soweit sie das
Revisionsverfahren der Klägerin betrifft, aus § 135 Abs.
2 FGO.
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3. Das Revisionsverfahren des Klägers war
einzustellen, nachdem er die Revision - mit Einwilligung des FA -
zurückgenommen hat.
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a) Der Senat geht davon aus, dass neben der
Klägerin auch der Kläger das - beide Eheleute betreffende
- Urteil der Vorinstanz angefochten hat. Denn nach dem
Revisionsschriftsatz vom 10.10.2019 hat der
Prozessbevollmächtigte der Kläger die Revision in der
„Streitsache ([Vorname des Klägers] und) [Vorname der
Klägerin, Nachname der Kläger] ./. Finanzamt [Bezeichnung
des beklagten Finanzamts]“ unter Nennung beider
Identifikationsnummern sowie „im Namen und Auftrag meiner
Mandanten“ eingelegt. Auch die Revisionsbegründung
erfolgte mit Schriftsatz vom 26.02.2020 ausdrücklich
„als Prozessbevollmächtigter der Kläger, der
Eheleute [Nachname der Kläger]“. Wenngleich in der
Sache um die Feststellung negativer Einkünfte der
Klägerin gestritten wird, beziehen diese Erklärungen
eines fachkundigen Vertreters nach ihrem eindeutigen Wortlaut auch
den Kläger als Rechtsmittelführer ein.
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b) Vor diesem Hintergrund ist der Umstand,
dass der Revisionsantrag in der mündlichen Verhandlung allein
im Namen der Klägerin gestellt worden ist, als konkludente
Zurücknahme der Revision (§ 125 FGO) zu verstehen. Das FA
hat die nach § 125 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderliche
Einwilligung erteilt, so dass das Revisionsverfahren des
Klägers nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 Satz 2
FGO einzustellen war.
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Die Kostenentscheidung folgt für den
Kläger aus § 136 Abs. 2 FGO.
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