Auf die Revision des Klägers werden das
Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 28.6.2017 1 K 203/16 und
die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 jeweils vom 21.7.2015 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.1.2016 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Schäfer und unterhält eine Schafherde.
Der Kläger lieferte Schafe zu Schlachtzwecken. In den
Streitjahren 2011 und 2012 erbrachte er entgeltliche Leistungen
durch die Beweidung von Grünflächen mit seinen Schafen an
eine Immobilienmanagementgesellschaft zur Aufgabenerfüllung
beim Natur- und Landschaftsschutz.
|
|
|
2
|
Der Kläger ging davon aus, dass er mit
der entgeltlichen Beweidung von Grünflächen sonstige
Leistungen i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) erbracht habe.
|
|
|
3
|
Im Anschluss an eine
Außenprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) demgegenüber der Auffassung, dass es sich
um Leistungen handele, die dem Regelsteuersatz unterlägen.
Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen
Erfolg.
|
|
|
4
|
Nach dem in EFG 2017, 1485 = SIS 17 17 64
veröffentlichten Urteil des FG ist der Kläger zur
Anwendung der Besteuerung nach Durchschnittssätzen nicht
berechtigt. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art.
295 ff. der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) und der
hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
müsse eine landwirtschaftliche Dienstleistung vorliegen. Diese
sei nicht gegeben, da die vom Leistungsempfänger bezweckte
Erhaltungs- und Entwicklungspflege keinen landwirtschaftlichen
Zwecken gedient habe.
|
|
|
5
|
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
seiner Revision. Die von ihm mit Hilfe seiner Schafe erbrachten
Beweidungsleistungen seien unter Beachtung der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union eine landwirtschaftliche
Dienstleistung. Er sei als landwirtschaftlicher Erzeuger mit der
normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebs
tätig geworden. Ein gewerblicher Anbieter könne die
Leistung nicht in der gleichen Weise erbringen. Die Abgrasung durch
Schafe sei eine urtypische landwirtschaftliche Dienstleistung. Dies
zeige sich auch im Vergleich zur Pensionspferdehaltung oder der
Entsorgung von Klärschlamm oder von Speiseresten. Die
Beweidungsleistung trage auch zur landwirtschaftlichen Erzeugung
bei, da die Weideschafe geschlachtet und zu Fleisch- und Wurstwaren
verarbeitet würden. Es komme nicht darauf an, dass die
Leistung beim Leistungsempfänger zu landwirtschaftlichen
Zwecken diene. So sei es auch bei einem Hofladen. Zu
berücksichtigen seien schließlich die Besonderheiten bei
Magerwiesen, die eine zusätzliche Fütterung erforderlich
machten.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG und die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 21.7.2015 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.1.2016
aufzuheben.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
Die landwirtschaftliche Dienstleistung
müsse zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen. Hieran
fehle es, da der Leistungsempfänger die vom Kläger
bezogene Leistung nicht für landwirtschaftliche Zwecke,
sondern aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes bezogen
habe. Es sei um die Erhaltung kulturhistorisch bedeutsamer
Lebensräume gegangen. Ausnahmevorschriften seien
schließlich eng auszulegen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Vorentscheidung
scheitert die Anwendung von § 24 Abs. 1 UStG auf die vom
Kläger erbrachten Beweidungsleistungen nicht daran, dass es
sich bei diesen nicht um landwirtschaftliche Dienstleistungen
handelt.
|
|
|
10
|
1. Für die Anwendung von § 24 Abs. 1
Satz 1 UStG muss der Unternehmer als Inhaber eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs landwirtschaftliche Erzeugnisse
liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen.
|
|
|
11
|
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG
wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und
sonstigen Leistungen unter weiteren hier nicht bedeutsamen
Voraussetzungen auf 10,7 % festgesetzt. Aus § 24 Abs. 1 Satz 3
UStG ergibt sich ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe. Zu den
land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören nach §
24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG insbesondere Tierhaltungsbetriebe.
|
|
|
12
|
b) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG richtlinienkonform entsprechend
Art. 295 ff. MwStSystRL auszulegen (z.B. BFH-Urteile vom 24.1.2013
V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460 = SIS 13 11 19, unter
II.1.b, und vom 21.1.2015 XI R 13/13, BFHE 248, 462, BStBl II 2015,
730 = SIS 15 05 87, unter II.1.b). Danach finden die sog.
Pauschalausgleich-Prozentsätze gemäß Art. 300 f.
MwStSystRL auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und
landwirtschaftliche Dienstleistungen Anwendung.
|
|
|
13
|
c) Landwirtschaftliche Dienstleistungen sind
nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL Dienstleistungen, die von
einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner
Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land-,
forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die
normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen, und
zwar insbesondere die in Anhang VIII aufgeführten
Dienstleistungen. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist bei
richtlinienkonformer Auslegung auf diese landwirtschaftlichen
Dienstleistungen, nicht aber auch auf andersartige sonstige
Leistungen anzuwenden. Wie der BFH bereits ausdrücklich
entschieden hat, muss die Dienstleistung vom Empfänger zu
land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden (BFH-Urteil
in BFHE 248, 462, BStBl II 2015, 730 = SIS 15 05 87, Leitsätze
1 und 2, sowie unter II.2.b cc).
|
|
|
14
|
d) Allerdings gilt der Grundsatz, dass die
Dienstleistung vom Empfänger zu land- oder
forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden muss, nicht
uneingeschränkt. Auch bei richtlinienkonformer Auslegung kommt
dem Wortlaut des nationalen Rechts für die Gesetzesauslegung
entscheidende Bedeutung zu (vgl. allgemein z.B. BFH-Urteil vom
8.3.2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630 = SIS 12 15 33, unter II.2.a. dd). Nach der ausdrücklichen Anordnung in
§ 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt die Wanderschäferei als
landwirtschaftlicher Betrieb. Aufgrund der mündlichen
Verhandlung geht der erkennende Senat dabei davon aus, dass die
Beweidung im Rahmen der Wanderschäferei im Verhältnis zum
Grundstückseigentümer unentgeltlich, gegen Entgelt des
Schäfers oder - wie im Streitfall - gegen Entgelt des
Grundstückseigentümers erfolgen kann. Der Begriff der
Wanderschäferei differenziert weder nach dem Vorliegen
derartiger Zahlungen noch nach der Person, die das Entgelt
entrichtet, und umfasst damit alle der vorstehenden Formen der
Beweidungsleistung.
|
|
|
15
|
2. Danach hat das FG zu Unrecht entschieden,
dass der Kläger § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG auf seine
Beweidungsleistungen nicht anwenden kann. Das Urteil des FG ist
daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.
|
|
|
16
|
a) Zwar hat der Empfänger der vom
Kläger erbrachten sonstigen Leistungen diese für Zwecke
der Erhaltungs- und Entwicklungspflege bezogen, so dass sie nicht
zur landwirtschaftlichen Erzeugung beim Empfänger beigetragen
haben.
|
|
|
17
|
b) Hierauf kommt es indes im Rahmen der
gesetzlich ausdrücklich genannten Wanderschäferei nicht
an. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seine
Tätigkeit überwiegend auf eigenen Flächen und nur
ausnahmsweise und vorübergehend wie bei den hier streitigen
Leistungen auf fremden Flächen ausgeübt hat. Denn der
Begriff der Wanderschäferei ist insoweit funktional zu
verstehen, so dass es insoweit nur auf die Beweidung fremder
Flächen ankommt.
|
|
|
18
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|