1
|
I. Streitig ist, ob die Bewertung der
privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
überlassenen Dienstwagens nach der 1 %-Regelung noch insoweit
verfassungsgemäß ist, als der Nutzungswert nach dem
inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen
wird.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute,
erzielten im Streitjahr (2009) neben anderen Einkünften
jeweils auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der
Kläger war als Geschäftsführer der Firma M-GmbH
tätig. Er hatte einen von seinem Arbeitgeber überlassenen
Dienstwagen zur Verfügung, den er auch für Privatfahrten
und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte.
Der Arbeitgeber hatte den erstmals am 27.8.2004 zugelassenen
Dienstwagen vom Typ BMW 730 D als Gebrauchtfahrzeug mit einer
Fahrleistung von 58.000 km ab 5.3.2008 für drei Jahre mit
einer monatlichen Leasingrate von 722,57 EUR geleast. Zu Beginn des
Leasing-Zeitraums betrug der Gebrauchtwagenwert des Dienstwagens
31.990 EUR; im Zeitpunkt der Erstzulassung betrug dessen
Bruttolisten-Neupreis 81.400 EUR.
|
|
|
3
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die private Nutzung des Dienstwagens,
für den der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte,
mit der 1 %-Regelung auf Basis des Bruttolistenneupreises an
(§ 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i.V.m.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG); auf dieser Grundlage wurde im
hier streitigen Einkommensteuerbescheid dem Kläger ein
geldwerter zu versteuernder Vorteil in Höhe von 814 EUR
monatlich zugerechnet und bei dessen Lohneinkünften
angesetzt.
|
|
|
4
|
Dagegen machten die Kläger mit
Einspruch im Ergebnis erfolglos geltend, dass bei der Berechnung
des beim Kläger anzusetzenden geldwerten Vorteils nicht der
Listenneupreis, sondern der Gebrauchtwagenwert zu Grunde zu legen
sei.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen
erhobene Klage aus den in EFG 2012, 396 = SIS 11 35 32
veröffentlichten Gründen abgewiesen und die Revision
zugelassen.
|
|
|
6
|
Die Kläger rügen mit der Revision
die Verletzung materiellen Verfassungsrechts.
|
|
|
7
|
Sie beantragen, das angefochtene Urteil des
Niedersächsischen FG vom 14.9.2011 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 29.7.2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4.10.2010 dahingehend abzuändern,
dass der geldwerte Vorteil für die Überlassung des
dienstlichen PKW auf Grundlage eines Wertes von 31.990 EUR
angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt
wird.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
Das Bundesministerium der Finanzen hat den
Beitritt zum Verfahren (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ) erklärt.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat
zutreffend entschieden, dass der Vorteil des Klägers aus der
Überlassung des Dienstwagens zu auch privaten Zwecken im
Streitfall nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten ist. Gegen die 1 %-Regelung mit
Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage
bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 des
Grundgesetzes kommt daher nicht in Betracht.
|
|
|
11
|
Es entspricht mittlerweile ständiger
Senatsrechtsprechung, dass die Überlassung eines Dienstwagens
durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen
Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu
Lohnzufluss führt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
6.10.2011 VI R 56/10, BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach §
8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz
2 EStG entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der
Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch, wie im
Streitfall, nicht geführt, ist der Vorteil mit der 1
%-Regelung zu bewerten.
|
|
|
12
|
a) Nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz
2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist dieser
Nutzungsvorteil für jeden Kalendermonat mit 1 % des
inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung
zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen
einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung
ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende
und pauschalierende Bewertungsregelung (ständige
Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 13.2.2003 X R 23/01, BFHE 201, 499,
BStBl II 2003, 472 = SIS 03 23 21; vom 7.11.2006 VI R 19/05, BFHE
215, 256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41; jeweils m.w.N.).
Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art
und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso
unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des
Fahrzeugwertes. Dementsprechend erhöht etwa der
nachträgliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die
Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung (BFH-Urteil vom 13.10.2010 VI
R 12/09, BFHE 231, 540, BStBl II 2011, 361 = SIS 11 02 29). Weiter
bleibt im Rahmen der Anwendung der 1 %-Regelung der
inländische Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage, wenn
der Arbeitgeber das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte (vgl.
BFH-Urteil vom 1.3.2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001,
403 = SIS 01 06 51; BFH-Beschluss vom 18.12.2007 XI B 178/06,
BFH/NV 2008, 562 = SIS 08 14 08, m.w.N.) oder wenn schon ein
Großteil der Anschaffungskosten des Fahrzeugs als
Betriebsausgaben (AfA) geltend gemacht worden war (BFH-Urteil vom
24.2.2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 = SIS 00 06 73).
|
|
|
13
|
Im Ergebnis entspricht der Ansatz des
Listenpreises statt der tatsächlichen Anschaffungskosten
gerade dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem
Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer
dadurch zukommt (so schon BFH-Urteil vom 25.5.1992 VI R 146/88,
BFHE 168, 194, BStBl II 1992, 700 = SIS 92 15 30).
|
|
|
14
|
b) Die typisierende Erfassung des
Nutzungsvorteils durch die 1 %-Regelung war im Hinblick auf ihre
verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon mehrfach Gegenstand
von Entscheidungen des BFH; die Regelung wurde dabei im Ergebnis
jeweils als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt (Urteile in
BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 = SIS 00 06 73; in BFHE 195, 200,
BStBl II 2001, 403 = SIS 01 06 51; in BFHE 201, 499, BStBl II 2003,
472 = SIS 03 23 21; vom 19.3.2009 IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617 =
SIS 09 29 35; Beschluss vom 16.9.2004 VI B 5/04, BFH/NV 2005, 336 =
SIS 05 12 27; jeweils m.w.N.). Denn nach der insoweit
übereinstimmenden Rechtsprechung der Senate des BFH nutzt der
Gesetzgeber mit der 1 %-Regelung den ihm insbesondere im
Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden
Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und
private Kfz-Nutzung typisierend und pauschalierend erfasst. Die
BFH-Rechtsprechung stützt sich insoweit auf die Rechtsprechung
des BVerfG zum Geltungsgrund und zu den Gestaltungsgrenzen der
Typisierung und Pauschalierung im Steuerrecht durch den Gesetzgeber
(BVerfG-Beschluss vom 10.4.1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6 = SIS 97 14 55; BVerfG-Urteil vom 7.12.1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101,
297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15, m.w.N.).
|
|
|
15
|
c) Die Bewertung des Vorteils mittels der 1
%-Regelung ist mit dem Ansatz eines Nutzungsvorteils in Höhe
von 1 % des Bruttolistenpreises je Monat zwar eine nur grob
typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine
zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur
alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode
bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil indessen
nach Maßgabe der konkret entstandenen Kosten (§ 8 Abs. 2
Satz 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht
(„Escape-Klausel“) beurteilt die bisherige
Rechtsprechung des BFH die Typisierungsregelung in § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH-Urteil
in BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 = SIS 00 06 73, m.w.N.).
|
|
|
16
|
Der erkennende Senat folgt dieser
Rechtsprechung. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung
einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des
tatsächlichen Sachverhalts und eine daran anknüpfende
Besteuerung wählen kann, ist er durch eine ihm lediglich
zusätzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer
verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht
betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im
konkreten Fall nachteilig wirkt. Angesichts dessen können sich
die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der
Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile
regelmäßig Rabatte einräume, also der
Bruttolistenneupreis nicht einmal mehr typisierend den
Verkaufspreis für Neufahrzeuge darstelle. Denn der Gesetzgeber
unterliegt entgegen der Auffassung der Kläger gegenwärtig
diesbezüglich keinem Anpassungszwang.
|
|
|
17
|
aa) Die Kläger verkennen insoweit die
Funktion, die der Gesetzgeber der Bemessungsgrundlage der 1
%-Regelung, dem Bruttolistenneupreis, einräumt. Die Anwendung
der 1 %-Regelung i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG bezweckt, den
beim Arbeitnehmer entstandenen Vorteil der Nutzungsüberlassung
eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil
umfasst mithin nicht nur das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs
selbst, sondern auch die Übernahme sämtlicher damit
verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien,
Reparatur– und Wartungskosten sowie insbesondere der
Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im
Bruttolistenneupreis noch in den tatsächlichen
Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar
abbilden. Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage
des Bruttolistenneupreises bezweckt also nicht, die
tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst
recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der
Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden.
Der Bruttolistenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende
Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den
Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich
mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs
selbst. Denn der tatsächliche geldwerte Vorteil entspricht dem
Betrag, der von einem Arbeitnehmer für eine vergleichbare
Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die
Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (so
schon Senatsurteile vom 10.2.1961 VI 89/60 U, BFHE 72, 376, BStBl
III 1961, 139 = SIS 61 00 97; vom 21.6.1963 VI 306/61 U, BFHE 77,
191, BStBl III 1963, 387 = SIS 63 02 52).
|
|
|
18
|
Angesichts dieser alternativen und nur grob
typisierenden Bemessungsgrundlage ist nicht erkennbar, dass der
Gesetzgeber dem Zweck, den Nutzungsvorteil insgesamt zu erfassen,
verfassungskonform nur dadurch entspricht, dass er als
Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Neuanschaffungskosten
statt des Bruttolistenneupreises wählt. Die Einschätzung
der Kläger, dass der tatsächliche Kaufpreis aus der
Buchführung jedenfalls genauso leicht zu ermitteln sei wie die
unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, ändert daran
nichts.
|
|
|
19
|
bb) Schließlich können sich die
Kläger für ihre Auffassung auch nicht mit Erfolg auf die
Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen, nach der die
unverbindliche Preisempfehlung keine geeignete Grundlage zur
Bemessung des lohnsteuerrechtlichen Vorteils eines
Mitarbeiterrabatts im Rahmen von Jahreswagenkäufen darstellt
(Senatsurteil vom 17.6.2009 VI R 18/07, BFHE 225, 388, BStBl II
2010, 67 = SIS 09 27 05). Denn in diesen Fällen war der aus
dem Mitarbeiterrabatt zufließende Vorteil nicht auf Grundlage
einer grob typisierenden Regelung, sondern nach Maßgabe des
tatsächlich verwirklichten Sachverhalts konkret zu ermitteln
und zu besteuern. Diese Möglichkeit hat der Arbeitnehmer, wie
dargelegt, auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung eines
Dienstwagens, wenn er den Vorteil nach der Fahrtenbuchmethode
ermittelt. In diesem Fall gehen dann in die Bemessungsgrundlage
neben sämtlichen übrigen Kraftfahrzeugkosten auch die
konkreten Anschaffungskosten statt eines typisierenden
Bruttolistenneupreises ein.
|