Dienstwagen, Verbot der Privatnutzung, 1 %-Regelung: 1. Die 1 v.H.-Regelung kommt nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung des Firmenfahrzeugs ausscheidet. Allerdings spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung. - 2. Das Verbot des Arbeitgebers, das Fahrzeug privat zu nutzen, kann ausreichen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, sofern es nicht nur zum Schein ausgesprochen worden ist. - 3. Die Würdigung, ob im Einzelfall der Anscheinsbeweis als entkräftet angesehen werden kann, obliegt der Tatsacheninstanz. - Urt.; BFH 7.11.2006, VI R 19/05; SIS 06 47 41
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Kläger war als Gas-, Wasser- und Installateur-Meister bis
Oktober des Streitjahres (2000) bei der Firma B. (Arbeitgeber)
beschäftigt und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber stellte dem
Kläger für dienstliche Zwecke ein Firmenfahrzeug zur
Verfügung. Nach einer beim Arbeitgeber durchgeführten
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA- - ) die Auffassung, dass der
Kläger das Fahrzeug auch für private Zwecke genutzt habe.
Da der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte, berechnete
das FA den geldwerten Vorteil pauschal gemäß § 8
Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die
Kläger legten gegen den entsprechend geänderten
Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, den das FA als
unbegründet zurückwies.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2005, 1265 = SIS 05 27 14
veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, das angefochtene
Urteil und den geänderten Bescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist
unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Recht
davon ausgegangen, dass im Streitfall § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zur
Anwendung kommen.
1. Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter,
Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und
Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden. § 8 Abs. 2 Satz 1
EStG benennt die geldwerten Güter und Vorteile und bringt zum
Ausdruck, dass der Arbeitnehmer durch die Zuwendung objektiv
bereichert sein muss, weil die Zuwendung für ihn einen
wirtschaftlichen Wert hat. § 8 Abs. 2 EStG bestimmt daneben
auch den Maßstab für die Bewertung des Vorteils (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.5.2006 VI R 28/06, BFH/NV 2006,
1927 = SIS 06 35 38).
Ein Vorteil wird „für“
eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das
individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst
ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt
wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer dieses
Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das
Dienstverhältnis eingegangen wird und wenn sich die Leistung
des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des
Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl.
BFH-Urteil vom vom 26.6.2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II
2003, 886 = SIS 03 44 97).
2. Die unentgeltliche bzw. verbilligte
Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den
Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer
Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss
(BFH-Urteil vom 6.11.2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002,
370 = SIS 02 06 51).
a) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2
EStG gilt ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für die Nutzung
eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten die in § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; diese Nutzung
ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des
inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung
zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen
einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Es handelt sich
um eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und
pauschalierende Bewertungsregelung (BFH-Urteil vom 13.2.2003 X R
23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472 = SIS 03 23 21; Birk in
Herrmann/ Heuer/Raupach, § 8 EStG Anm. 75, 83). Der Wert nach
§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erhöht sich gemäß
§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03
v.H. des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der
Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das
Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann. Der Wert nach
§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG kann auch mit dem auf die
private Nutzung entfallenden Teil der gesamten
Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kfz
insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das
Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch
ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden
(§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Diese vom Gesetz vorgegebenen
Alternativen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der
privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs regeln einheitlich und
abschließend, welche Aufwendungen von dem gefundenen
Wertansatz erfasst und in welchem Umfang die dem Steuerpflichtigen
hieraus zufließenden Sachbezüge abgegolten werden.
Sowohl die 1 v.H.-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG) als auch die
Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) stellen
unterschiedliche Methoden zur Bewertung dieses Vorteils dar. Als
Spezialvorschriften zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sperren sie,
soweit ihr Regelungsgehalt reicht, den Rückgriff auf die dort
geregelte Bewertung von Sachbezügen im Übrigen
(BFH-Urteil vom 14.9.2005 VI R 37/03, BFHE 211, 215, BStBl II 2006,
72 = SIS 05 47 53).
b) Die Bestimmungen kommen nicht zur
Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (BFH-Beschluss vom
13.4.2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300 = SIS 05 32 05). Dabei
spricht allerdings nach der Rechtsprechung des Senats aufgrund der
allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins
für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Der
Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis entkräftet oder
erschüttert werden. Hierzu bedarf es allerdings nicht des
Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein
Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit
eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden
Geschehensablaufs ergibt (BFH-Beschlüsse vom 4.6.2004 VI B
256/01, BFH/NV 2004, 1416 = SIS 04 36 10, m.w.N.; vom 27.10.2005 VI
B 43/05, BFH/NV 2006, 292 = SIS 06 07 80; vom 14.5.1999 VI B
258/98, BFH/NV 1999, 1330 = SIS 99 51 34; in BFH/NV 2005, 1300 =
SIS 05 32 05; vom 11.7.2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801 = SIS 05 40 57, zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
3. Nach diesen Grundsätzen ist die
Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Der Kläger hat von der
Möglichkeit, ein Fahrtenbuch zu führen (§ 8 Abs. 2
Satz 4 EStG), nicht Gebrauch gemacht. Die 1 v.H.-Regelung kommt nur
dann nicht zur Anwendung, wenn der Kläger den ihm
überlassenen Dienstwagen ausschließlich für
berufliche Fahrten genutzt hat. Diese Frage ist aufgrund einer
umfassenden Beweiswürdigung zu beantworten. Auch die damit im
Zusammenhang stehende Frage, ob der erwähnte Anscheinsbeweis
als erschüttert bzw. entkräftet angesehen werden kann,
ist dem Bereich der Beweiswürdigung zuzuordnen
(BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 1416 = SIS 04 36 10, und in
BFH/NV 2005, 1801 = SIS 05 40 57). Diese ist revisionsrechtlich
bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande
gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von
Erfahrungssätzen beeinflusst ist. Davon ist im Streitfall
auszugehen.
Das FG ist aufgrund einer umfassenden
Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass im Streitfall
keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Entkräftung
des Anscheinsbeweises bestehen. Zwar kann das Verbot des
Arbeitgebers, das Firmenfahrzeug privat zu nutzen, ausreichen, den
Anscheinsbeweis zu erschüttern, sofern es nicht nur zum Schein
ausgesprochen wurde (Urteile des Niedersächsischen FG vom
25.11.2003 1 K 191/02, FGReport 2004, 65 = SIS 04 33 73, und vom
25.11.2004 11 K 459/03, EFG 2005, 428 = SIS 05 13 84 mit Anm.
Büchter-Hole; Kirchhof in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 8
Rn 51). Das FG ist hier jedoch davon ausgegangen, dass das
behauptete Nutzungsverbot allenfalls
„mündlich“ ausgesprochen worden ist und
insbesondere hinsichtlich seines Umfangs vom Kläger nicht
nachgewiesen werden konnte. Dies geht zu Lasten des Klägers,
denn die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen
Geschehensablaufs abgeleitet werden soll, bedürfen des vollen
Beweises (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 44). Letztlich ist das FG
„aufgrund des Gesamteindrucks in der
Beweisaufnahme“ sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass das
behauptete Nutzungsverbot nicht ernsthaft ausgesprochen worden
ist.
Es kann dahinstehen, ob trotz eines
Nutzungsverbots der Anscheinsbeweis regelmäßig nur dann
erschüttert werden kann, wenn das Verbot überwacht worden
ist, wie das FG offensichtlich annimmt (so auch FG Köln vom
22.9.2000 12 K 4477/98, EFG 2000, 1375 = SIS 02 61 25; FG
Münster vom 14.11.2001 5 K 5433/00 L, EFG 2002, 315 = SIS 02 56 44; H 31 (Nutzungsverbot) Lohnsteuer-Handbuch 2000; zur
Indizwirkung vgl. Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rn 397). Denn zumindest
im Streitfall hat das FG im Hinblick darauf, dass das behauptete
Nutzungsverbot nach seiner Meinung zweifelhaft war, auf diesen
Gesichtspunkt zu Recht entscheidend abgestellt. Im Übrigen hat
das FG in diesem Zusammenhang richtigerweise in seine
Würdigung einbezogen, dass im Streitfall aufgrund der
herausgehobenen Position des Klägers im Betrieb des
Arbeitgebers - der Kläger hatte „freie
Hand“ - in besonderer Weise Anlass zur Überwachung
des Nutzungsverbots bestand (vgl. auch BFH-Beschlüsse in
BFH/NV 2006, 292 = SIS 06 07 80; vom 19.12.2003 VI B 281/01, BFH/NV
2004, 488 = SIS 04 11 13). Zudem bindet die Gesamtwürdigung
durch das FG den BFH auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern
nur möglich ist (BFH-Urteil vom 26.1.2005 VI R 71/03, BFHE
208, 572, BStBl II 2005, 349 = SIS 05 16 32).