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Anwendungsvoraussetzung der 1%-Regelung, Reichweite des Anscheinsbeweises beim Geschäftsführer eines Familienunternehmens

Anwendungsvoraussetzung der 1%-Regelung, Reichweite des Anscheinsbeweises beim Geschäftsführer eines Familienunternehmens: 1. Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder doch zumindest konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. - 2. Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. - 3. Dies gilt auch beim angestellten Geschäftsführer eines Familienunternehmens. Auch in einem solchen Fall lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen ist oder der (Allein-)Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachtet. - Urt.; BFH 18.4.2013, VI R 23/12; SIS 13 18 28

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewinnermittlung > Entnahme
Fundstellen
  1. BFH 18.04.2013, VI R 23/12
    BStBl 2013 II S. 920
    BFH/NV 2013 S. 1316
    NJW 2013 S. 3056
    BFHE 241 S. 276

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 1.11.2013
    jh in StuB 14/2013 S. 552
    St.G. in NWB 30/2013 S. 2376
    AK in DStZ 16/2013 S. 567
    A.F.F. in StuB 15/2013 S. 590
    St.Sch. in BFH/PR 10/2013 S. 346
    N.B./H.M.K. in AktStR 4/2013 S. 569
    N.B./H.M.K. in AktStR 4/2013 S. 576
    St.Sch. in StC 10/2013 S. 8
    G.E. in DStR 51-52/2013 S. 2740
Normen
[EStG] § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 8 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 3, § 8 Abs. 2 Satz 4, § 19 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Niedersächsisches FG, 08.02.2012, SIS 12 26 71, Anscheinsbeweis, Privatnutzung, Firmenwagen, Geldwerter Vorteil, Verbot, Geschäftsführer, Fahrtenbuch
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 28.4.2023, SIS 23 15 60, Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von einer GmbH einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer übe...
  • FG Köln 8.12.2022, SIS 23 08 00, Anscheinsbeweis für private Kfz-Nutzung: Für Zwecke einer vGA besteht auf Gesellschaftsebene der Anschein...
  • BMF 3.3.2022, SIS 22 02 68, Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer: Das Bundes...
  • FG Hamburg 15.11.2018, SIS 18 21 38, Kfz-Nutzung, 1 %-Regelung bei einem Gesellschafter, Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots: 1. Bei e...
  • BMF 4.4.2018, SIS 18 04 64, Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer: Das Bundes...
  • FG Hamburg 6.2.2018, SIS 18 05 74, 1 %-Regelung bei einem Gesellschafter, Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots: 1. Bei einem Gesellsc...
  • OFD Niedersachsen 27.5.2014, SIS 14 35 43, Steuerliche Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer: H 8.1 (9-10) "...
  • FG Rheinland-Pfalz 16.5.2014, SIS 21 04 05, Anforderungen an Privatnutzungsverbot für Firmenfahrzeug beim Gesellschafter-Geschäftsführer Anforderunge...
  • BFH 6.2.2014, SIS 14 10 29, Geldwerter Vorteil aus der Überlassung eines Dienstwagens, Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls: ...
  • FG Berlin-Brandenburg 17.12.2013, SIS 14 06 23, Dienstwagen, fehlende Regelung zur Privatnutzung, Anscheinsbeweis: 1. Die Anwendung der 1-%-Regelung setz...
  • FG Hamburg 27.11.2013, SIS 14 09 59, Finanzgerichtsordnung, Hauptsacheerledigung und Kostenpflicht der Finanzbehörde: Das Finanzamt hat die Ko...
  • BFH 14.11.2013, SIS 14 10 74, Anwendungsvoraussetzung der 1-%-Regelung, Reichweite des Anscheinsbeweises bei einem familienangehörigen ...
  • FG Berlin-Brandenburg 3.9.2013, SIS 13 29 24, Anscheinsbeweis für private Nutzung des betrieblichen Pkw durch beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsfü...
  • BFH 8.8.2013, SIS 14 00 18, Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung, Reichweite des Anscheinsbeweises beim Alleingeschäftsführer ein...
Fachaufsätze
  • LIT 02 71 66 B.A. Blechschmidt/St. Geserich, NWB 30/2013 S. 2353 bzw. S. 2376: (Neue) Anwendungsvoraussetzungen der 1%-Regelung - Reichweite des Anscheinsbeweises - BFH-Urteile vom 21....
  • LIT 02 71 87 K. Strohner, DB 36/2013 S. 1986: Firmenwagenversteuerung, Anscheinsbeweis und die Mär vom Fahrtenbuch - Zugleich Anm. zu BFH vom 21.3.2013...
  • LIT 02 76 45 -/-, AktStR 4/2013 S. 576: Neue Rechtsprechung zur Dienstwagenbesteuerung - BFH-Urteil vom 21.3.2013, VI R 31/10 = SIS 13 18 29, VI ...

 

1

I. Streitig ist der Ansatz eines geldwerten Vorteiles wegen der privaten Nutzung eines Firmenwagens.

 

 

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und der mittlerweile verstorbene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurden im Streitjahr (2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der verstorbene Kläger war im Streitjahr an mehreren in der Baubranche tätigen Gesellschaften beteiligt. Er war u.a. zu 50 % Gesellschafter der A-GmbH & Co. KG. Zudem führte er ein Einzelunternehmen.

 

 

3

Bei der A-GmbH & Co. KG handelt es sich um ein Bauträgerunternehmen, an dem neben dem Kläger seine beiden Söhne beteiligt sind. Der Firmensitz befindet sich im gleichen Gebäudekomplex wie das Einzelunternehmen des Klägers. Einzige Arbeitnehmerin der A-GmbH & Co. KG war die Klägerin. Sie war als Geschäftsführerin der Gesellschaft beschäftigt und bezog hierfür ausweislich der Lohnsteuerkarte im Streitjahr 2003 ein Gehalt von 31.994,68 EUR. Nach dem Geschäftsführervertrag vom 6.5.2002 stand der Klägerin ein Porsche 911 4 S mit einem Listenpreis von 80.000 EUR als Firmenfahrzeug zur Verfügung. Dieses Fahrzeug durfte die Klägerin gemäß § 3 Sätze 3 und 4 des Vertrages nur für Geschäftszwecke verwenden; Privatfahrten waren untersagt.

 

 

4

Mit Einkommensteuerbescheid 2003 vom 6.4.2005 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Einkommensteuer zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

 

 

5

In der Zeit vom 9.6.2006 bis zum 17.8.2006 fand bei der A-GmbH & Co. KG eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Das FA vertrat die Auffassung, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines dienstlich überlassenen Kraftfahrzeugs zu versteuern sei. Die Klägerin habe weder ein Fahrtenbuch geführt noch habe ihre Arbeitgeberin das Verbot der Nutzung des Fahrzeugs für Privatfahrten ernstlich überwacht. Damit gelte der aus der Lebenserfahrung abgeleitete Anscheinsbeweis, dass das überlassene Fahrzeug auch für Privatfahrten genutzt werde. Den Nutzungsvorteil hat es mit 80.000 EUR x 12 % = 9.600 EUR bemessen; zusätzlich brachte es für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Betrag von 288 EUR (15 Fahrten pro Monat, 1 km Entfernung) in Ansatz.

 

 

6

Mit Datum vom 26.10.2006 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2003 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordung entsprechend und setzte neben mehreren für dieses Verfahren nicht erheblichen Punkten die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit um 9.888 EUR auf 41.882 EUR herauf, wogegen die Kläger Einspruch einlegten. Diesen Bescheid änderte das FA nochmals am 3.12.2009 aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen; dabei hob es auch den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

 

 

7

Den Einspruch hat das FA mit Einspruchsbescheid vom 3.6.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

 

 

8

Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, dass die Klägerin den Porsche nicht für private Zwecke genutzt habe. Für private Fahrten habe ihr ein im Privatvermögen gehaltener Mini Cooper S zur Verfügung gestanden.

 

 

9

Überdies haben die Kläger erstmals im Klageverfahren ein - unstreitig nachträglich erstelltes - Fahrtenbuch eingereicht, das sich auf die Jahre 2003 bis 2006 bezieht und z.B. folgende Eintragungen enthält:

 

 

 

 

 

 

 

 

Datum

Fahrzeit

Ort

Zweck der Fahrt

 

 

15.02.2003

9 bis 19 Uhr

Frankfurt

Messe Ambiente

 

 

03. bis 04. 2003

7 bis 23 Uhr

Valencia

Messe Cersaie

 

 

30.05.2003

7 bis 23 Uhr

Nürnberg

Stone + tec

 

 

17.01.2004

9 bis 11:30 Uhr

Frankfurt

Messe Ambiente

 

 

01.10.2004

6 bis 23:45 Uhr

Bologna

Keramik Messe

 

 

 

 

10

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in EFG 2012, 1919 = SIS 12 26 71 veröffentlichten Gründen statt.

 

 

 

 

11

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

 

 

12

Es beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8.2.2012 3 K 406/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

 

 

13

Die Kläger beantragen, die Revision zurückweisen.

 

 

 

 

14

Mit Erklärung vom 27.3.2013 ist das Bundesministerium der Finanzen dem Verfahren beigetreten. Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass sich im Streitfall aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht ergebe, dass die Klägerin ihren Dienstwagen auch privat genutzt habe. Ferner habe das FG nicht geprüft, ob das Nutzungsverbot ernsthaft und nicht nur zum Schein vereinbart worden sei. Schließlich berücksichtige es nicht die Grenzen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts.

 

 

 

 

15

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Entscheidung des FG, die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nicht um einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung eines dienstlich überlassenen Kraftfahrzeugs zu erhöhen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

 

 

 

16

1. Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6.11.2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370 = SIS 02 06 51; vom 7.11.2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269 = SIS 07 03 22; vom 4.4.2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890 = SIS 08 24 18; vom 28.8.2008 VI R 52/07, BFHE 223, 12, BStBl II 2009, 280 = SIS 08 43 36; vom 21.4.2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848 = SIS 10 22 06; vom 6.10.2011 VI R 56/10, BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03). Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (vgl. Senatsurteile vom 13.12.2012 VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385 = SIS 13 06 44, sowie vom 10.2.1961 VI 89/60 U, BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139 = SIS 61 00 97; vom 21.6.1963 VI 306/61 U, BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387 = SIS 63 02 52).

 

 

 

 

17

Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers (BFH-Urteile vom 21.3.2013 VI R 31/10 und VI R 42/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; Gröpl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 8 Rz C 22; Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 113; Steiner in Lademann, § 8 EStG Rz 107; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rz 396; a.A. Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 EStG Rz 80, 83). Denn der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten (vgl. Senatsurteile in BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385 = SIS 13 06 44, sowie in BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139 = SIS 61 00 97; in BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387 = SIS 63 02 52). Selbst wenn der Arbeitnehmer den hierzu überlassenen PKW tatsächlich nicht privat nutzen sollte, erspart er sich zumindest die (nutzungsunabhängigen) Kosten, die er für das Vorhalten eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs verausgaben müsste (Abgrenzung vom BFH-Urteil in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41).

 

 

 

 

18

a) Allerdings begründet § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand. Die Vorschriften regeln vielmehr nur die Bewertung eines Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss (BFH-Urteil in BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03, m.w.N.). Deshalb setzt die Anwendung der 1 %-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat (BFH-Urteil in BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03, m.w.N.). Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG (vgl. Senatsurteile vom 11.2.2010 VI R 43/09, BFHE 228, 354, BStBl II 2012, 266 = SIS 10 06 54; in BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848 = SIS 10 22 06, und in BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03).

 

 

 

 

19

b) Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine das klägerische Vorbringen schlicht wiedergebende Würdigung genügt hierfür jedoch nicht (BFH-Urteil vom 15.3.2007 VI R 61/04, BFH/NV 2007, 1132 = SIS 07 15 75). Das FG hat deshalb nicht nur den vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Unter Umständen muss es auch zusätzliche, für die Privatnutzung sprechende Umstände erheben und berücksichtigen. Denn an der Grenzlinie zwischen Berufs- und Privatsphäre besteht ein Anreiz für die Steuerpflichtigen, Privataufwendungen als beruflich veranlasst darzustellen, um so den Abzug dieser Aufwendungen zu erreichen. Dem haben Finanzverwaltung und Finanzgerichte bei der Sachverhaltsaufklärung und bei der Rechtsanwendung besonders Rechnung zu tragen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/09, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37).

 

 

 

 

20

c) Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer einen auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen auch tatsächlich privat nutzt. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht. Er streitet insbesondere weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark für private Zwecke zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen unbefugt oder gar verbotswidrig privat nutzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht (BFH-Urteile in BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848 = SIS 10 22 06, und in BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03).

 

 

 

 

21

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hält die Tatsachenwürdigung des FG, der Klägerin sei der betriebliche PKW von ihrer Arbeitgeberin nur zur dienstlichen, nicht aber zur privaten Nutzung überlassen worden und deshalb sei kein entsprechender geldwerter Vorteil anzusetzen, revisionsrechtlicher Prüfung stand. Denn diese Würdigung ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

 

 

 

22

a) Das FG hat festgestellt, dass der Klägerin die private Nutzung des dienstlichen PKW im Anstellungsvertrag ausdrücklich untersagt war. Es ist weiter zu der Erkenntnis gelangt, dass dieses Nutzungsverbot nicht nur zum Schein ausgesprochen, sondern tatsächlich „gelebt“ wurde. Denn es hat keine privaten Fahrten feststellen können. Die Fahrten nach den Messen im In- und Ausland - auf die nach Einschätzung des FG ein Großteil der Jahresfahrleistung des Porsche entfällt - hat es zu Recht nicht als Privatfahrten i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG, sondern als berufliche Fahrten beurteilt. Denkgesetze und Erfahrungssätze sind hierbei nicht missachtet worden. Entsprechende Fehler werden auch vom FA nicht beklagt. Denn auch die Lohnsteuer-Außenprüfung hat keinen Anhalt für eine vertragswidrige Privatnutzung des Porsche ergeben.

 

 

 

 

23

b) Das FA stellt die Ernsthaftigkeit des ausgesprochenen Nutzungsverbots vielmehr allein deshalb in Frage, weil der Klägerin ein hochwertiges Dienstfahrzeug zur Verfügung stehe, sie aufgrund ihrer leitenden Position im Familienunternehmen keiner Kontrolle unterliege und bei Verstößen gegen das Nutzungsverbot nicht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse. Insbesondere aufgrund der Gleichgerichtetheit der Interessen innerhalb der Familie müsse von einer konkludenten privaten Nutzungsmöglichkeit ausgegangen werden. Damit sei die Annahme einer privaten Nutzung nach dem Beweis des ersten Anscheins gerechtfertigt.

 

 

 

 

24

Dem ist das FG zu Recht nicht gefolgt. Denn entgegen der Auffassung des FA ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, dass ein in einem Familienunternehmen als Geschäftsführer angestelltes Familienmitglied generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten wird. Zwar mag es sein, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Arbeitnehmer - in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“ - bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu gewärtigen hat. Gleichwohl rechtfertigt dies einen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht als Regelvermutung nicht.

 

 

 

 

25

3. Ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Entscheidung der Vorinstanz insoweit, als das FG die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nicht um einen Betrag von 288 EUR für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht hat. Auch diese Würdigung ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst (§ 118 Abs. 2 FGO). Denn nach den unstreitigen Feststellungen des FG hat das FA in keiner Weise dargelegt, aus welchen Umständen es ableitet, dass die Klägerin mit dem Porsche von ihrer Wohnung aus ihren Arbeitsplatz aufsuchte.

 

 

 

 

26

4. Soweit die Fahrten mit dem Porsche nach den in- und ausländischen Messen als Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 1 EStG zu beurteilen sein sollten, etwa weil diese Fahrten zumindest auch im Interesse des Einzelunternehmens des an der A-GmbH & Co. KG beteiligten Klägers und nicht ausschließlich im betrieblichen Interesse der Personengesellschaft erfolgten, sind die steuerlichen Folgen hieraus im Rahmen der Gewinnfeststellung der A-GmbH & Co. KG, nicht aber in dem hier streitigen Einkommensteuerbescheid zu ziehen.