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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gemeinnützige
Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Unternehmensgegenstand
ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag die Förderung der
politischen und sozialen Bildung, insbesondere die Förderung
der Weiterbildung von Arbeitnehmern. Sie strebt an, diese darin zu
unterstützen, sich am gesellschaftlichen und politischen Leben
gestaltend zu beteiligen. Sie verfolgt ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts
„Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung
(AO), ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag selbstlos tätig und
verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
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Im Streitjahr 2007 veranstaltete die
Klägerin Seminare für Betriebs- und Personalräte,
bei denen sie z.B. Kenntnisse im Arbeitsrecht, Arbeits- und
Gesundheitsschutz sowie Schwerbehindertenrecht vermittelte. Die
Klägerin führte die Seminare in Hotels durch und brachte
die Seminarteilnehmer auf deren Bestellung in von ihr angemieteten
Räumen unter. Sie berechnete für die Seminarteilnahme
einen Seminarpreis sowie gesondert die Unterkunft mit Verpflegung
im Hotel. Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen
bei der Ermöglichung der Seminarteilnahme nach § 4 Nr. 22
des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) steuerfrei seien, während
sie hinsichtlich der Beherbergung mit Verpflegung den
ermäßigten Steuersatz anwandte.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) demgegenüber der
Auffassung, dass die Klägerin hinsichtlich der Beherbergungs-
und Verpflegungsleistungen den Regelsteuersatz anwenden müsse
und erließ einen entsprechend geänderten
Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2007. Die
Klägerin habe zwei wirtschaftliche Geschäftsbetriebe -
Seminare und Unterkunft mit Verpflegung - und dementsprechend zwei
gesonderte Zweckbetriebe unterhalten. Die von der Klägerin an
die Seminarteilnehmer erbrachten Beherbergungs- und
Verpflegungsleistungen unterlägen dem Regelsteuersatz, da die
Klägerin diese Leistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit
vergleichbaren, aber dem Regelsteuersatz unterliegenden Leistungen
anderer Unternehmer wie z.B. Hotels erbracht habe. Die
Seminarteilnehmer hätten Unterbringung und Verpflegung auch
direkt von den Tagungshotels beziehen können, in denen die
Klägerin ihre Seminare abgehalten habe. Die Einnahmen der
Klägerin aus der Unterbringung und Verpflegung seien
zusätzliche Einnahmen, da sich der Zweckbetrieb
„Unterkunft mit Verpflegung“ vollständig aus
diesen zusätzlichen Einnahmen finanziert habe. Einspruch und
Klage hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) ging bei seinem in
EFG 2011, 1574 = SIS 11 17 94 veröffentlichten Urteil davon
aus, dass die Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen nicht nach
§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei seien und auch nicht dem
ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2
Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG 2005 i.d.F. des Jahressteuergesetzes
2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) - UStG n.F. -
unterlägen. Der Zweckbetrieb „Beherbergung und
Verpflegung“ diene der Erzielung zusätzlicher Einnahmen
im unmittelbaren Wettbewerb mit Leistungen, die dem Regelsteuersatz
unterlägen, da die Klägerin ihre Leistungen insoweit in
Konkurrenz zu Hotelbetreibern erbracht habe. Der
gesellschaftsvertraglich festgelegte Satzungszweck der
Klägerin umfasse im Übrigen nicht die Unterbringung und
Verpflegung von Personen. In der mündlichen Verhandlung
änderte das FA den Umsatzsteuerbescheid für das
Streitjahr 2007, da es zuvor die von der Klägerin
vereinnahmten Nettoentgelte in gleicher Höhe als Entgelt
für die Anwendung des Regelsteuersatzes angesehen
hatte.
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Mit ihrer Revision wendet sich die
Klägerin gegen das Urteil des FG und macht Verletzung
materiellen Rechts geltend. Der ermäßigte Steuersatz sei
anzuwenden, da die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8
Buchst. a Satz 3 UStG n.F. in beiden Alternativen vorlägen.
Auf das Unionsrecht komme es daher nicht an. Als
gemeinnütziger Bildungsträger trete sie nicht in
Wettbewerb zum Beherbergungsgewerbe, soweit sie Beherbergung und
Unterbringung gegenüber den Teilnehmern ihrer Seminare
erbringe.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides
2007 vom 15.3.2011 die Umsatzsteuer auf ./. 27.568,10 EUR
festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
Satz 3 UStG n.F. bestehenden Voraussetzungen für die Anwendung
des ermäßigten Steuersatzes seien nicht
erfüllt.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
- ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Leistungen der
Klägerin weder steuerfrei sind noch dem ermäßigten
Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG
unterliegen.
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1. Wie das FG zu Recht unter Bezugnahme auf
das Senatsurteil vom 7.10.2010 V R 12/10 (BFHE 231, 349, BStBl II
2011, 303 = SIS 11 02 00) entschieden hat und zwischen den
Beteiligten auch unstreitig ist, ist die Verpflegung von
Seminarteilnehmern im Allgemeinen nicht als mit der Aus- oder
Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder als Nebenleistung
zur Aus- oder Fortbildung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG
steuerfrei, da es sich nicht um eine für die Aus- oder
Fortbildung unerlässliche Leistung handelt, sondern um eine
hierfür nur nützliche Maßnahme, die vorrangig dazu
dient, den Komfort und das Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme der
Bildungsmaßnahme zu steigern. Dies gilt auch für die im
Streitfall zu beurteilende Beherbergung mit Verpflegung der
Seminarteilnehmer.
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2. Die Beherbergung und Verpflegung der
Seminarteilnehmer unterliegt nicht dem ermäßigten
Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG.
Nach dieser Vorschrift ist der ermäßigte Steuersatz
anzuwenden auf „die Leistungen der Körperschaften,
die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige,
mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51
bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die
im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs
ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines
Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der
Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher
Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in
unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz
unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt
werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer
in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten
Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten
satzungsgemäßen Zwecke selbst
verwirklicht“.
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a) Die von der Klägerin gegenüber
den Seminarteilnehmern erbrachten Beherbergungs- und
Verpflegungsleistungen erfüllen die im Hinblick auf den
leistenden Unternehmer bestehenden Voraussetzungen des § 12
Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG. Zwar entspricht diese
Vorschrift nicht dem Unionsrecht. Eine richtlinienkonforme
Auslegung ist jedoch im Hinblick auf die bei der Gesetzesauslegung
zu beachtende Wortlautgrenze nicht möglich.
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aa) Der ermäßigte Steuersatz ist
gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG auf
„die Leistungen der Körperschaften, die
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige,
mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51
bis 68 der Abgabenordnung)“ anzuwenden.
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bb) Unionsrechtliche Grundlage für die
Regelung ist Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -
MwStSystRL - (Amtsblatt der Europäischen Union 2006 Nr. L 347,
1). Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei
ermäßigte Steuersätze anwenden (Abs. 1), wobei nach
Abs. 2 die ermäßigten Steuersätze nur auf die
Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in
Anhang III genannten Kategorien anwendbar sind.
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(1) Als Grundlage für die Regelung in
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kommt nur die Kategorie 15 in
Anhang III der MwStSystRL („Verzeichnis der Lieferungen
von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die
ermäßigte MwSt-Sätze gemäß Artikel 98
angewandt werden können“) in Betracht; diese nennt
nur „Lieferung von Gegenständen und Erbringung von
Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte
gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke
und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht
gemäß den Artikeln 132, 135 und 136 von der Steuer
befreit sind“. Insoweit hat der Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) festgestellt, „dass die
Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut der Nr. 15 nicht auf alle
gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten
Mehrwertsteuersatz anwenden dürfen, sondern nur auf
diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl
gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im
Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind“
(EuGH-Urteil vom 17.6.2010 C-492/08, Kommission/Frankreich, Slg.
2010, I-5471 = SIS 10 18 80 Rdnr. 43).
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(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin
dient § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG weder der Umsetzung von
Anhang III Nr. 12 MwStSystRL (Beherbergung in Hotels) noch der
Umsetzung von Anhang III Nr. 12a MwStSystRL (Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen).
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Zwar sind die Mitgliedstaaten nach der
Rechtsprechung des EuGH zu einer selektiven Ausübung der
für die Schaffung ermäßigter Steuersätze
bestehenden Ermächtigungen berechtigt. Sie haben jedoch auch
dann den Grundsatz steuerrechtlicher Neutralität zu beachten
(EuGH-Urteil vom 6.5.2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Slg.
2010, I-4261 = SIS 10 18 78 Rdnrn. 29 f.). Für die
Ausübung der nach Anhang III Nr. 12 und Nr. 12a MwStSystRL
bestehenden Ermächtigung folgt dies daraus, dass diese
leistungsbezogenen Ermächtigungen - anders als z.B.
personenbezogene Ermächtigungen nach Anhang III Nr. 15
MwStSystRL - nicht nur für bestimmte Gruppen von
Steuerpflichtigen wie z.B. gemeinnützige Körperschaften
ausgeübt werden können, wenn andere Gruppen von
Steuerpflichtigen - wie im Streitfall - dieselben Leistungen
erbringen. Anhang III Nr. 12a MwStSystRL scheidet zudem als
Ermächtigungsgrundlage aus, da diese Bestimmung erst durch die
Änderungsrichtlinie 2009/47/EG mit Wirkung ab 1.6.2009
gültig ist.
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cc) Mit den unionsrechtlichen Vorgaben ist die
Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG nicht
vereinbar (vgl. z.B. Fritsch, Umsatzsteuer— und
Verkehrsteuer-Recht 2005, 69 ff.; Klenk in Sölch/Ringleb,
Umsatzsteuer, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rz 403a).
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Der ermäßigte Steuersatz umfasst -
wie ausgeführt - aufgrund der Verweisung auf die §§
51 ff. AO alle Leistungen der Körperschaften, die im Sinne der
nationalen Regelung der AO gemeinnützige, mildtätige oder
kirchliche Zwecke verfolgen. § 52 Abs. 2 AO enthält einen
Beispielskatalog (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.10.1997 I R 13/97, BFHE 184, 226, BStBl II 1998, 9 = SIS 98 04 62) und nennt z.B. als gemeinnützig u.a. Wissenschaft und
Forschung (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO), Denkmalschutz und
Denkmalpflege (§ 52 Abs. 2 Nr. 6 AO), Naturschutz und
Landschaftspflege (§ 52 Abs. 2 Nr. 8 AO), Tierschutz (§
52 Abs. 2 Nr. 14 AO), Sport und Schachspiel (§ 52 Abs. 2 Nr.
21 AO) sowie Tierzucht, Pflanzenzucht, Kleingärtnerei,
Karneval, Fastnacht und Fasching, Modellflug oder Hundesport
(§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO). Abweichend von dem unionsrechtlich
zulässigen Rahmen erstreckt sich die nationale Regelung daher
- aufgrund der Verweisung auf die §§ 51 ff. AO - auf alle
Leistungen gemeinnütziger Körperschaften, ohne dass dabei
eine Einschränkung auf die Leistungen vorzunehmen ist, die
Körperschaften erbringen, die - wie nach der Richtlinie
erforderlich - für wohltätige Zwecke oder solche
„im Bereich der sozialen Sicherheit“ tätig
sind.
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dd) Einer Anpassung an die Vorgaben der
Richtlinie durch die grundsätzlich gebotene
richtlinienkonforme Auslegung steht der Wortlaut der Vorschrift
entgegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18.8.2005 V R 42/03, BFHE 211,
527, BStBl II 2006, 44 = SIS 05 49 03, unter II.4.; vom 27.4.2006 V
R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16 = SIS 06 30 03, unter
II.4.b, m.w.N.). Denn aufgrund der im Rahmen des Klammerzusatzes
ausdrücklichen Bezugnahme auf die §§ 51 bis 68 AO
und der sich hieraus ergebenden Verweisung auf den Beispielskatalog
in § 52 Abs. 2 AO fehlt es an einem hinreichenden
Anknüpfungspunkt für eine dem Unionsrecht entsprechende
Einschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf die
Leistungen der anerkannten Einrichtungen, die „für
wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen
Sicherheit“ tätig sind.
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Da die Klägerin im Streitfall nach den
auch zwischen den Beteiligten nicht streitigen Feststellungen des
FG eine gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 12
Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist, können ihre Leistungen
somit nach dem für sie insoweit günstigeren nationalen
Recht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, ohne dass
es darauf ankommt, ob die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen der MwStSystRL vorliegen.
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b) Obwohl die Klägerin aufgrund der
Unmöglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung die
Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG
erfüllte, war sie nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht zur
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt, da die
Steuerermäßigung danach nicht auf Leistungen anzuwenden
ist, die - wie im Streitfall die entgeltlichen Verpflegungs- und
Beherbergungsleistungen der Klägerin - im Rahmen eines
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 64 AO i.V.m. §
14 AO) ausgeführt werden.
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c) Dass der von der Klägerin unterhaltene
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Zweckbetrieb anzusehen
ist, führt im Streitfall gemäß § 12 Abs. 2 Nr.
8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. nicht zur Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes.
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aa) Die Klägerin erbrachte ihre
Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen gemäß §
68 Nr. 8 AO im Rahmen eines Zweckbetriebes, zu dem nach dieser
Vorschrift auch „Volkshochschulen und andere
Einrichtungen, soweit sie selbst Vorträge, Kurse und andere
Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art
durchführen“ gehören. Die
Zweckbetriebseigenschaft besteht dabei auch insoweit, als diese
„Einrichtungen den Teilnehmern dieser Veranstaltungen
selbst Beherbergung und Beköstigung
gewähren“.
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bb) Auch wenn somit ein Zweckbetrieb i.S. von
§ 68 Nr. 8 AO vorliegt, unterliegen die Beherbergungs- und
Verpflegungsleistungen der Klägerin gleichwohl nicht dem
ermäßigten Steuersatz, da auf Leistungen eines
Zweckbetriebs die Steuerermäßigung nur unter den
Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG
n.F. anzuwenden ist. Diese liegen im Streitfall nicht vor.
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(1) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz
3 erste Alternative UStG n.F. setzt die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes auf Leistungen eines
Zweckbetriebs voraus, dass „der Zweckbetrieb nicht in
erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die
Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem
Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen
anderer Unternehmer ausgeführt werden“. Dieser
Gesetzeswortlaut entspricht der amtlichen Gesetzesbegründung
(BTDrucks 16/2712, S. 75), nach der eine z.B. gemeinnützige
Körperschaft den ermäßigten Steuersatz nicht
für die Leistungen eines Zweckbetriebs in Anspruch nehmen
kann, die in erster Linie dazu bestimmt sind, der Körperschaft
zusätzliche Einnahmen durch solche Leistungen zu verschaffen,
die auch andere, nicht steuerbegünstigte Unternehmer
ausführen können.
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(a) Die Zweckbetriebseigenschaft i.S. von
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 erste Alternative UStG n.F.
ist nicht abgabenrechtlich, sondern umsatzsteuerrechtlich zu
bestimmen, da die Vorschrift dazu dient, den ermäßigten
Steuersatz nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Leistungen
eines abgabenrechtlichen Zweckbetriebs anzuwenden. Für die
Zweckbetriebseigenschaft i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
Satz 3 erste Alternative UStG n.F. kommt es daher darauf an, in
welchem Umfang umsatzsteuerpflichtige Leistungen der
Körperschaft vorliegen. Zweckbetrieb der Klägerin war
daher im Streitfall der Bereich Beherbergung und Verpflegung, ohne
Berücksichtigung der von der Klägerin erbrachten
Unterrichtsleistungen, die steuerfrei waren (s. oben II.1.). Auf
die Frage, ob nach § 68 Nr. 8 AO ein oder mehrere
Zweckbetriebe vorliegen, kommt es somit nicht an. Dies entspricht
im Übrigen der Rechtsprechung des I. Senats des BFH, nach der
ihrer Art nach unterschiedliche Tätigkeiten grundsätzlich
auch dann mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, wenn
die Tätigkeiten wirtschaftlich verflochten sind und sich
gegenseitig bedingen (BFH-Urteil vom 19.11.2003 I R 33/02, BFHE
204, 21, BFH/NV 2004, 445 = SIS 04 05 65).
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(b) Der Zweckbetrieb Beherbergung und
Verpflegung diente im Streitfall in erster Linie und damit
vorrangig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen. Insoweit kommt
es weder darauf an, dass die Körperschaft aus den
zusätzlichen Einnahmen Gewinne erzielt, noch, dass Einnahmen
der Körperschaft verbleiben. Daher stünde es der
Anwendung des Regelsteuersatzes auch nicht entgegen, wenn die
Klägerin die an die Seminarteilnehmer erbrachten
Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für dasselbe Entgelt
abgegeben hätte, für das sie diese Leistungen von dem
jeweiligen Hotel bezogen hat.
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Der Zweckbetrieb Beherbergung und Verpflegung
diente danach vorrangig zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen.
Zusätzliche Einnahmen in diesem Sinne liegen bereits dann vor,
wenn die Körperschaft diese in Zusammenhang mit Leistungen
erzielt, die für die Verwirklichung ihres
steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks - hier
Förderung der Volks- und Berufsbildung nach § 52 Abs. 2
Nr. 7 AO - nicht unerlässlich sind. Insoweit gelten die
gleichen Grundsätze wie bei der Inanspruchnahme der
Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG (s.
oben II.1.). Der Zweckbetrieb diente auch vorrangig der Erzielung
dieser Einnahmen, da es sich um den einzigen
Tätigkeitsgegenstand des Zweckbetriebs Beherbergung und
Verpflegung handelte.
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Diese weite Auslegung der in § 12 Abs. 2
Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. enthaltenen Begriffe beruht zum
einen darauf, dass Vorschriften, die den Regelsteuersatz
einschränken, im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter eng und
Vorschriften, die im Rahmen einer sog. Rückausnahme die
Geltung des Regelsteuersatzes (wieder) anordnen, weit auszulegen
sind (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 18.1.2001 C-83/99,
Kommission/Spanien, BFH/NV Beilage 2001, 124 = SIS 01 05 45, m.w.N.
zur EuGH-Rechtsprechung; BFH-Urteil vom 29.1.2009 V R 46/06, BFHE
224, 176, BStBl II 2009, 560 = SIS 09 10 09, unter II.2.b).
Für das Gebot einer weiten Auslegung der den
ermäßigten Steuersatz einschränkenden Regelungen
des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG spricht im
Streitfall zum anderen die fehlende Vereinbarkeit von § 12
Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG mit dem Unionsrecht (s. oben
II.2.a bb).
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(c) Nach den Feststellungen des FG erbrachte
die Klägerin ihre Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen
schließlich auch in unmittelbarem Wettbewerb zu Leistungen
von Hotelbetreibern, deren Leistungen dem Regelsteuersatz
unterlagen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend,
sie sei nicht als Wettbewerber, sondern als Kunde am Markt für
Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen tätig, weil sie
diese Leistung selbst „einkaufe“. Denn
entscheidend ist, ob die Klägerin mit den Leistungen ihres
Zweckbetriebs - hier den ermäßigten Beherbergungs- und
Verpflegungsumsätzen, die sie nach § 12 Abs. 2 Nr. 8
Buchst a Satz 1 UStG „selbst“ erbringt, und
für die sie grundsätzlich die Ermäßigung
beanspruchen könnte - in Wettbewerb zu anderen Unternehmern
tritt, die vergleichbare Leistungen ohne Anspruch auf
Ermäßigung am Markt anbieten. Welcher Art die
Vorleistungen sind, die der Zweckbetrieb zur Erbringung seiner
eigenen Leistung beansprucht, ist insoweit nicht von Bedeutung.
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Für diese weite Auslegung des § 12
Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. spricht dabei, dass der
ermäßigte Mehrwertsteuersatz nur insoweit anzuwenden
ist, als er zu keiner oder einer nur geringen Gefahr einer
Wettbewerbsverzerrung führt (EuGH-Urteil vom 3.3.2011 C-41/09,
Kommission/Königreich Niederlande, BFH/NV 2011, 735 = SIS 11 06 32, Rz 52).
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(2) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz
3 zweite Alternative UStG n.F. ist der ermäßigte
Steuersatz auch anzuwenden, wenn „die Körperschaft
mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der
Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre
steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst
verwirklicht“.
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Auch diese Voraussetzungen liegen im
Streitfall nicht vor. Satzungsmäßiger Zweck der
Klägerin war im Streitfall die Förderung der politischen
und sozialen Bildung, insbesondere die Förderung der
Weiterbildung von Arbeitnehmern. Beherbergung und Verpflegung
anlässlich der Seminare mögen zwar der Verwirklichung
dieser Zwecke gedient haben; Beherbergung und Verpflegung sind
jedoch bei der gebotenen engen Auslegung dieser Vorschrift (s. oben
II.2.c aa) nicht als „Selbstverwirklichung“
dieser Zwecke anzusehen.
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