Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15.6.2017 - 5
K 210/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Streitig ist, ob die Umsätze aus
der Vereinnahmung von Hafengeldern dem ermäßigten
Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a oder Nr. 11 des
Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren (2010 bis 2012)
geltenden Fassung (UStG) unterliegen.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein,
dessen Zweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports
ist. Er unterhält in seinem Hafen etwa 300 Liegeplätze,
die in den Streitjahren zu ca. 50 % fest an Mitglieder vergeben
wurden. Die Mitglieder sind verpflichtet, bei Abwesenheit die
Nutzung ihrer Liegeplätze durch Gäste zu dulden. Die
übrigen 50 % der Liegeplätze stehen den Gästen
uneingeschränkt zur Verfügung.
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Die Entgelte aus der Überlassung der
Liegeplätze an Gäste unterwarf der Kläger in den
Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz. Im Anschluss an
eine beim Kläger durchgeführte
Umsatzsteuer-Sonderprüfung änderte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Umsatzsteuerbescheide
für 2010 bis 2012 und unterwarf die streitigen Umsätze
dem Regelsteuersatz.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2017, 1481 = SIS 17 16 86 veröffentlichten
Urteil ab. Die kurzfristige Überlassung von
Bootsliegeplätzen sei keine „kurzfristige Vermietung von
Campingflächen“ nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG,
sondern eine steuerpflichtige Vermietung von Plätzen für
das Abstellen von Fahrzeugen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 2
UStG).
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts
stützt: Die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz verletze den
allgemeinen Gleichheitssatz, weil die Überlassung von
Flächen für Wohnmobile und Wohnwagen dem
ermäßigten Steuersatz unterliege. Damit werde ein
vergleichbarer wirtschaftlicher Vorgang begünstigt.
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Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010 bis 2012
vom 04.09.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 08.07.2015 zu
ändern und darin die Bruttoumsätze aus der Vermietung an
Gäste in Höhe von 127.114,49 EUR in 2010, 137.770,04 EUR
in 2011 und 142.651,47 EUR in 2012 mit dem ermäßigten
Steuersatz zu erfassen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Im Revisionsverfahren hat der erkennende
Senat mit Beschluss vom 02.08.2018 - V R 33/17 (BFHE 262, 279 = SIS 18 17 18) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um
Vorabentscheidung zur Klärung der folgenden Frage zur
Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)
ersucht:
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“Umfasst die
Steuersatzermäßigung für die Vermietung von
Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von
Wohnwagen nach Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) in Verbindung mit Anhang III Nr. 12 MwStSystRL auch
die Vermietung von Bootsliegeplätzen?“
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Hierauf hat der EuGH mit Urteil
Segler-Vereinigung Cuxhaven vom 19.12.2019 - C-715/18
(EU:C:2019:1138 = SIS 19 20 54, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung - HFR - 2020, 192) wie folgt geantwortet:
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“Nach alledem ist auf die
Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 98 Abs. 2 in Verbindung mit
Anhang III Nr. 12 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen
ist, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der dort
für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen
für das Abstellen von Wohnwagen vorgesehen ist, nicht auf die
Vermietung von Bootsliegeplätzen anwendbar ist.“
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Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu
Stellung zu nehmen.
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II. Die Revision ist als unbegründet
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die kurzfristige
Überlassung von Bootsliegeplätzen nicht von der
Steuerbefreiung für die „kurzfristige Vermietung von
Campingflächen“ i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 11
UStG umfasst wird und die damit einhergehende Regelbesteuerung nach
§ 12 Abs. 1 UStG gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden
ist. Die Umsätze des Klägers fallen auch nicht unter die
Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.
a UStG.
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1. Die Umsätze des Klägers aus der
Überlassung von Bootsliegeplätzen unterliegen dem
Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG. Sie fallen nicht unter
die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG angeordnete
Steuersatzermäßigung für die kurzfristige
Vermietung von Campingflächen. Eine Wasserfläche in
Gestalt eines Bootsliegeplatzes ist keine Campingfläche.
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Diese Beurteilung folgt überdies aus dem
Unionsrecht (Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anh. III Nr. 12 MwStSystRL, so
EuGH-Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven, EU:C:2019:1138, Rz 28, 29,
HFR 2020, 192) und steht im Einklang mit dem unionsrechtlichen
Neutralitätsgrundsatz. Dieser verbietet es, gleichartige
Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in
Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich
zu behandeln (z.B. EuGH-Urteile Segler-Vereinigung Cuxhaven,
EU:C:2019:1138, Rz 36, HFR 2020, 192; Belgisch Syndicaat van
Chiropraxie u.a. vom 27.06.2019 - C-597/17, EU:C:2019:544, Rz 47,
HFR 2019, 827 = SIS 19 09 69; Senatsurteil vom 02.08.2018 - V R
6/16, BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75, Rz 29). Der
EuGH hat im Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven (EU:C:2019:1138, HFR
2020, 192) entschieden, dass die Vermietung von Campingplätzen
und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits
und die Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits
unterschiedliche Zwecke erfüllen und daher nicht miteinander
in Wettbewerb stehen (Rz 37). Damit liegt ein hinreichender
Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung
hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes vor und eine Verletzung
des Neutralitätsgrundsatzes scheidet aus.
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2. Die Voraussetzungen der
Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.
a UStG liegen ebenfalls nicht vor. Danach werden
ermäßigt besteuert „die Leistungen der
Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke
verfolgen (§§ 51 bis 68 der
Abgabenordnung)“.
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Es mag dahinstehen, ob die
Steuerermäßigung nur für originär
gemeinnützige Leistungen eingreift, d.h. für Leistungen,
die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig
als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der
sozialen Sicherheit tätig sind (vgl. hierzu Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 23.07.2019 - XI R 2/17, BFHE 266, 91 = SIS 19 16 88; EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 17.06.2010 - C-492/08,
EU:C:2010:348, HFR 2010, 883 = SIS 10 18 80). Denn es fehlt jedenfalls an den
Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG.
Danach gilt die Steuerermäßigung „für
Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt
werden (...), nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der
Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von
Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem
allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer
Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft
mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der
Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre
steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst
verwirklicht“.
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Zusätzliche Einnahmen in diesem Sinne
liegen bereits dann vor, wenn die Körperschaft diese im
Zusammenhang mit Leistungen erzielt, die für die
Verwirklichung ihres steuerbegünstigten
satzungsmäßigen Zwecks nicht unerlässlich sind
(Senatsurteil vom 08.03.2012 - V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II
2012, 630 = SIS 12 15 33).
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Der Kläger steht mit den von ihm
ausgeführten Vermietungsleistungen in unmittelbarem Wettbewerb
mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer
(Beherbergungs-)Unternehmer. Deshalb scheidet gemäß
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG eine
Steuersatzermäßigung aus.
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Der Kläger hat mit den von ihm
ausgeführten Vermietungsleistungen auch seine
satzungsgemäßen Zwecke nicht selbst verwirklicht (§
12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG). Denn es ist
nicht ersichtlich, dass er seine steuerbegünstigten
satzungsmäßigen Zwecke, nämlich die Förderung
des Segel- und Motorwassersports auf der Grundlage des
Amateurgedankens für Erwachsene und Jugendliche als Breiten-,
Leistungs- und Freizeitsport, nur durch die Ausführung von
Vermietungsleistungen erbringen kann.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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