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Zu den Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft in eine Kapital- oder Personengesellschaft

Zu den Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft in eine Kapital- oder Personengesellschaft: 1. Eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt sowohl bei einer Kapital- als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapital- oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraus. Deshalb reicht es auch für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist (Änderung der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 20.1.1999, XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 = SIS 98 60 46). - 2. Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 5.7.2011, IV D 2 - S 7105/10/10001, BStBl 2011 I S. 703 = SIS 11 20 79) - Urt.; BFH 1.12.2010, XI R 43/08; SIS 11 09 25

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsatzsteuer / Verschiedenes
Fundstellen
  1. BFH 01.12.2010, XI R 43/08
    BStBl 2011 II S. 600
    DStR 2011 S. 623
    LEXinform 0179555

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 6.7.2011
    -/- in NWB 14/2011 S. 1132
    St.B. in BB 20/2011 S. 1253
    jh in StuB 9/2011 S. 357
    JS in DStZ 9/2011 S. 299
    M.V. in BFH/PR 6/2011 S. 226
    J.Th.B. in DB 19/2011 S. 1077
    M.E./J.M.M. in UR 12/2011 S. 460
    J.E.G./J.R.B. in DStR 24/2011 S. 1118
    H.J. in NWB 27/2011 S. 2283
    H.F.L. in HFR 6/2011 S. 676
Normen
[RL 77/388/EWG] Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2
[UStG] § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1
[FGO] § 60 Abs. 3
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Sächsisches FG, 12.03.2008, SIS 09 10 65, Organschaft, Finanzielle Eingliederung, Mittelbare Beteiligung, Gewinnabführung, Neutralitätsgebot
Zitiert in... / geändert durch...
  • BMF 22.12.2023, SIS 23 21 27, Umsatzsteuer-Anwendungserlass; Änderungen zum 31. Dezember 2023 (Einarbeitung von Rechtsprechung und reda...
  • BFH 18.1.2023, SIS 23 04 64, Organschaft, Steuerschuldner und finanzielle Eingliederung: 1. Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben...
  • BFH 1.2.2022, SIS 22 15 86, Organschaft bei GmbH & Co. KG: 1. Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mü...
  • FG Münster 25.11.2021, SIS 22 00 86, Vorliegen einer Organschaft, Frage der organisatorischen Eingliederung: 1. Die Frage der umsatzsteuerlich...
  • FG Münster 29.4.2021, SIS 21 11 91, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund Büroversehens, Antragswiderruf: 1. Der erkennende Senat sc...
  • FG Münster 25.3.2021, SIS 21 08 25, Frage des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft: 1. Im Streitfall war die Steuerpflichtige selb...
  • FG Nürnberg 23.2.2021, SIS 21 11 43, Vorsteuerabzug für Beratungsleistungen zur Durchführung einer Anteilsveräußerung Grundsätzlich keine Gesc...
  • FG Düsseldorf 24.11.2020, SIS 21 00 83, Finanzielle Eingliederung im Fall einer körperschaftsteuerlichen Organschaft: 1. Die finanzielle Einglied...
  • FG Rheinland-Pfalz 19.8.2020, SIS 20 18 89, Fortbestand der finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft bei rückwirkender Verschmelzung des Or...
  • FG Münster 6.4.2020, SIS 20 13 48, Bindungswirkung einer Erklärung: 1. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Änderung eines Steuer...
  • BFH 11.12.2019, SIS 20 02 82, EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft: Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidu...
  • BFH 27.11.2019, SIS 20 01 61, Keine Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft durch Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung ...
  • BFH 26.9.2019, SIS 19 19 00, Billigkeitsregelung zur Organschaft: Die Billigkeitsregelung zur Organschaft im BMF-Schreiben vom 5.7.201...
  • BFH 26.6.2019, SIS 19 15 03, Übertragung des Betriebsgrundstücks auf die bisherige Organgesellschaft im Rahmen der Beendigung der Orga...
  • FG Baden-Württemberg 18.10.2018, SIS 18 19 73, Umsatzsteuerpflichtige, zur Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG führende Entnahme der auf dem Ehegatte...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 17.5.2018, SIS 18 10 98, Umsatzsteuerliche Organschaft zwischen GbR und GmbH, Anteilsbesitz an GmbH durch GbR-Gesellschafter: Eine...
  • FG Baden-Württemberg 31.1.2018, SIS 18 05 48, Finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für umsatzsteuerrechtliche Organschaft bei mittelbarer hälfti...
  • FG Rheinland-Pfalz 12.10.2017, SIS 17 20 91, Rückwirkende Rechnungsberichtigung: 1. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtig...
  • BFH 24.7.2017, SIS 17 19 15, Finanzielle Eingliederung bei nur mittelbarer Beteiligung, maßgeblicher Zeitpunkt der Rechtsprechungsände...
  • BMF 26.5.2017, SIS 17 08 95, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft: Als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs u...
  • FG Baden-Württemberg 24.5.2017, SIS 17 23 23, Behandlung als Organgesellschaft im Billigkeitswege, Übergangsregelung bei Verschärfung der Rechtsprechun...
  • OFD Karlsruhe 31.1.2017, SIS 17 04 32, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der im BStBl veröffentlichten Urteile ...
  • BFH 15.12.2016, SIS 17 03 81, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft in der Insolvenz: 1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des ...
  • FG Rheinland-Pfalz 8.12.2016, SIS 17 01 04, Auswirkungen eines Gesamtplans auf den Zeitpunkt der Beendigung einer Organschaft: 1. Die Beendigung der ...
  • FG Baden-Württemberg 14.4.2016, SIS 16 22 30, Keine umsatzsteuerliche Organschaft bei Schwestergesellschaften: 1. Es liegt keine Organschaft zwischen e...
  • OFD Karlsruhe 29.2.2016, SIS 16 04 70, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • Hessisches FG 15.2.2016, SIS 16 13 05, Umsatzsteuerliche Organschaft bei der insolvenzrechtlichen Eigenverwaltung: 1. Dem Fortbestand einer umsa...
  • BFH 3.12.2015, SIS 16 00 92, Nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung: Überträgt ein Einzelunternehme...
  • BFH 2.12.2015, SIS 16 02 74, Organschaft und Eingliederungsvoraussetzungen: 1. Finanziell eingegliedert i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG...
  • BFH 2.12.2015, SIS 16 00 90, Organschaft und Eingliederungsvoraussetzungen: 1. Eine juristische Person ist i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 U...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 18.6.2015, SIS 16 03 64, Keine Nichtigkeit eines bestandskräftigen, Umsatzsteuer einer nicht mehr existenten Organgesellschaft bei...
  • FG Münster 19.5.2015, SIS 16 06 12, Frage der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 von erbrachten sonstigen Leistungen (Zurverfügungstellung von P...
  • OFD Karlsruhe 19.2.2015, SIS 15 06 52, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.1.2015, SIS 15 06 90, Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit einer früheren Organgesellschaft als Voraussetzung für ei...
  • FG München 28.5.2014, SIS 14 23 75, Umsatzsteuerliche Organschaft bei einer GmbH & Co. KG: 1. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG setzt ein Verhältnis der ...
  • FG München 25.2.2014, SIS 14 12 87, Die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die umsatzsteuerliche Organschaft: 1. Eine finanziell...
  • FG Hamburg 11.2.2014, SIS 14 12 70, Rechnungsberichtigung nach bestandskräftiger, materiell-rechtlich aber unzutreffender Aufhebung des Umsat...
  • BFH 11.12.2013, SIS 14 06 89, EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug einer sog. Führungsholding, Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirt...
  • BFH 11.12.2013, SIS 14 06 90, EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug einer sog. Führungsholding, Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirt...
  • Hessisches FG 6.11.2013, SIS 14 06 45, Umsatzsteuerliche Organschaft im Falle der Eigenverwaltung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 1. Ein...
  • Niedersächsisches FG 22.8.2013, SIS 14 23 00, Umsatzsteuerliche Organschaft, finanzielle Eingliederung: 1. Zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerlic...
  • BFH 8.8.2013, SIS 13 23 09, Organschaft und Vorsteuerberichtigung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters: 1. Bestellt d...
  • FG München 13.3.2013, SIS 13 21 42, Eingliederung einer Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers als Voraussetzung für umsatz...
  • FG Münster 12.2.2013, SIS 14 18 04, Organschaft zwischen Schwestergesellschaften, Vertrauensschutz, Steuersatz bei Speisenversorgung in einer...
  • OFD Karlsruhe 15.1.2013, SIS 13 11 33, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • FG Düsseldorf 2.11.2012, SIS 15 04 57, Zustimmung zu einem Insolvenzplan, Erlöschen von Steuerforderungen, Vollstreckungsverbot, Erlass korrigie...
  • BFH 14.3.2012, SIS 12 11 01, Elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen: 1. Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsa...
  • OFD Karlsruhe 28.2.2012, SIS 12 28 12, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • BFH 18.1.2012, SIS 12 13 61, Keine Vorsteuerberichtigung wegen Entnahme bei Einbringung einer vermieteten Wohnung als Sonderbetriebsve...
  • BFH 19.9.2011, SIS 12 00 86, An einer KG als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligte GmbH kann nicht Organgesellschaft der KG ...
  • BFH 7.7.2011, SIS 11 34 10, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft, Anforderungen an organisatorische Eingliederung: 1. Die organisatoris...
  • BMF 5.7.2011, SIS 11 20 79, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft, finanzielle Eingliederung, BFH-Rechtsprechung: Als Konsequenz aus den...
Fachaufsätze
  • LIT 02 20 01 St. Behrens, BB 20/2011 S. 1253: BFH setzt Rechtsprechungsänderung konsequent fort - BB-Kommentar zum BFH-Urteil vom 1.12.2010, XI R 43/08...
  • LIT 02 20 55 H. Jacobs, NWB 27/2011 S. 2283: Umsatzsteuerliche Organschaft - BFH (Urteil vom 1.12.2010, XI R 43/08 = SIS 11 09 25) erteilt der horizon...
  • LIT 02 28 04 J. Grune, AktStR 4/2011 S. 549: Umsatzsteuerliche Organschaft: Konsequenzen aus den BFH-Urteilen vom 22.4.2010, V R 9/09 = SIS 10 18 70, ...

 

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als - umsatzsteuerrechtlich unselbständige - Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

 

 

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war - der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige - X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

 

 

3

Durch „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ vom 15.12.1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1.1.1995 gelten und war unkündbar bis zum 31.12.2000.

 

 

4

Einen gleichlautenden „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ hat die Verwaltungs-GmbH am 15.12.1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

 

 

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15.3.1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30.6.1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

 

 

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen „Investitionszuschuss“ bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

 

 

7

Am 15.4.1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal „für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ...“ über 81.300,56 DM „zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM“.

 

 

8

Am 16.4.1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den „Abriss ...“ in Höhe von 851.707,43 DM „zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM“ aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

 

 

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16.3.2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

 

 

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16.4.1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

 

 

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16.4.1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15.4.1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

 

 

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.12.1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 = SIS 97 11 56). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20.1.1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 = SIS 98 60 46). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

 

 

13

Das Urteil ist in EFG 2009, 879 = SIS 09 10 65 veröffentlicht.

 

 

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

 

 

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 = SIS 97 11 56, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies „regelmäßig“ deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15.12.1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

 

 

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15.12.1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

 

 

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

 

 

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

 

 

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

 

 

20

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1.3.2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16.3.2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

„Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?“, „höchsthilfsweise“, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

 

 

22

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

 

 

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

 

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

 

 

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

 

 

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

 

 

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22.11.2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 = SIS 02 04 42, unter II.1.a; vom 19.5.2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a dd; vom 30.4.2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734 = SIS 09 26 36, unter II.2.b aa; vom 22.4.2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 = SIS 10 18 70, unter II.2.).

 

 

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a ee).

 

 

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

 

 

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 = SIS 97 11 56).

 

 

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15.12.1995 - insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH - führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

 

 

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft - wie dargelegt - die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15.12.1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

 

 

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15.12.1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.10.1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 = SIS 89 01 20) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22.10.2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972 = SIS 09 00 24, unter II.2.; vom 3.9.2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60 = SIS 09 34 03, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

 

 

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25.7.1991 Rs. C-202/90 - Ayuntamiento de Sevilla - (Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214, Rz 13) und vom 18.10.2007 Rs. C-355/06 - van der Steen - (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87 = SIS 08 00 36, Rz 24) ausgeführt, „dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen“, hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht „für die Organgesellschaft“ festgestellt.

 

 

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die - anderweitige—- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers ( - Ayuntamiento de Sevilla - in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war ( - van der Steen - in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87 = SIS 08 00 36).

 

 

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 = SIS 98 60 46 hält der Senat nicht mehr fest.

 

 

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger - anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger - für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136 = SIS 98 60 46, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 = SIS 02 04 42; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a ee; vom 14.2.2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

 

 

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

 

 

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 = SIS 10 18 70).

 

 

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 = SIS 98 60 46 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

 

 

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22.5.2008 Rs. C-162/07 - Ampliscientifica und Amplifin -, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534 = SIS 08 27 52, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10.9.2002 Rs. C-141/00 - Kügler -, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14.5.2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912 = SIS 08 33 08, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.9.2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262 = SIS 08 01 99, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6.9.2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710 = SIS 08 36 14, unter II.3.).

 

 

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28.2.1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbHR 1996, 950, unter III.).

 

 

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

 

 

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

 

 

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst - ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft - über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

 

 

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

 

 

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 = SIS 10 18 70 sieht.

 

 

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

 

 

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

 

 

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15.12.1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

 

 

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.12.2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028 = SIS 01 67 31, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG - zutreffend - auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

 

 

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

 

 

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27.8.1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4.8.2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht - n.v. -, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

 

 

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4.8.2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den - eine Einschränkung nicht enthaltenden - Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

 

 

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.