Organschaft, zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen, Verlustübernahme bei verunglückter Organschaft: Die Änderung eines zwischen zwei GmbH bestehenden Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages bedarf zu ihrer Anerkennung im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft der Eintragung in das Handelsregister sowie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft. - Urt.; BFH 22.10.2008, I R 66/07; SIS 09 00 24
I. Streitpunkt ist, ob im Streitjahr 2001
körperschaftsteuerliche Organschaften zwischen der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und zwei
Tochtergesellschaften bestanden haben.
Die als Holdinggesellschaft fungierende
Klägerin ist eine GmbH, deren Anteile von einem Landkreis
gehalten werden. Sie schloss im Dezember 1997 jeweils einen
Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit der A-GmbH
und mit der B-GmbH, die beide in ihrem alleinigen Anteilseigentum
standen. Die Verträge sollten nach den getroffenen
Vereinbarungen mit der Eintragung in das Handelsregister
rückwirkend zum 1.1.1997 wirksam werden. Sie sollten unter
Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten erstmals
zum Ablauf des 31.12.2001 gekündigt werden können; ohne
Kündigung sollten sich die Verträge jeweils um ein
Kalenderjahr verlängern. Nach Zustimmung der
Gesellschafterversammlungen wurden die Unternehmensverträge am
29.3.1999 (A-GmbH) und am 13.4.1999 (B-GmbH) in das Handelsregister
eingetragen.
Am 11.10.1999 schlossen die A-GmbH und die
B-GmbH mit der Klägerin - ohne Zustimmung der
Gesellschafterversammlungen - jeweils eine
Ergänzungsvereinbarung, wonach eine Kündigung der
Unternehmensverträge erstmals zum 31.12.2003 möglich sein
sollte. Die Ergänzungsvereinbarungen wurden nicht im
Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin setzte die
Ergebnisabführungsverträge erstmals im Jahr 1999 um.
Für das Streitjahr erklärte sie einen Verlust in
Höhe von 9.309 DM, in dem Aufwendungen aus
Verlustübernahmen hinsichtlich der A-GmbH in Höhe von 275
DM und hinsichtlich der B-GmbH in Höhe von 38.573 DM enthalten
waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
berücksichtigte die Verlustübernahmen im Rahmen der
körperschaftsteuerlichen Veranlagung der Klägerin nicht
einkommensmindernd, weil die Beherrschungs- und
Gewinnabführungsverträge wegen einer fünf Jahre
unterschreitenden Mindestlaufzeit steuerlich nicht anzuerkennen
seien.
Die dagegen gerichtete Klage hat das
Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg als unbegründet
abgewiesen. Sein Urteil vom 21.8.2007 6 K 39/06 ist in EFG 2007,
1897 = SIS 07 36 73 abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richtet sich die
Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen
Rechts geltend macht.
Die Klägerin beantragt
(sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die
angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass die
Verluste der A-GmbH und der B-GmbH in Höhe von zusammen 38.848
DM einkommensmindernd berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
FA und FG haben zu Recht angenommen, dass im
Streitjahr keine körperschaftsteuerlichen Organschaften
zwischen der Klägerin und der A-GmbH bzw. der B-GmbH bestanden
haben und somit die Übernahme der Verluste dieser
Gesellschaften das von der Klägerin zu versteuernde Einkommen
nicht gemindert hat.
1. Verpflichtet sich eine GmbH zur
Gewinnabführung, so verlangten § 17 Satz 1, § 14 Nr.
3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 in der im
Streitjahr anzuwendenden Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom
23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) - KStG 1999 -
für die steuerliche Anerkennung der Organschaft, dass der
Gewinnabführungsvertrag bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, in
dem die Einkommenszurechnung erstmals stattfinden soll, auf
mindestens fünf Jahre abgeschlossen und bis zum Ende des
folgenden Wirtschaftsjahres wirksam werden musste. Gemäß
§ 14 Nr. 3 Satz 2 KStG 1999 musste der
Gewinnabführungsvertrag zudem während seiner gesamten
Geltungsdauer durchgeführt werden.
2. Diese Voraussetzungen waren in Bezug auf
die streitbefangenen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsverträge nicht gegeben. Die im Dezember
1997 geschlossenen Verträge sollten erstmals für das
Wirtschaftsjahr 1997 Anwendung finden. Sie waren nach den
Ursprungsfassungen erstmals zum 31.12.2001 ordentlich kündbar
und erfüllten damit die Voraussetzung des Vertragsabschlusses
auf mindestens fünf Jahre. Jedoch sind die Verträge - was
zwischen den Beteiligten unstreitig ist - entsprechend § 294
Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) erst mit den Eintragungen im
Handelsregister im März bzw.4.1999 wirksam geworden, so dass
es an dem in § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1999 statuierten
Erfordernis des Wirksamwerdens spätestens im Folgejahr der
erstmaligen Anwendung fehlt. Überdies sind die Verträge
nach den Feststellungen des FG in den Jahren 1997 und 1998 nicht
durchgeführt worden, so dass auch die Voraussetzung des §
14 Nr. 3 Satz 2 KStG 1999 nicht erfüllt ist.
3. Nach Einschätzung des FG würde
das Fehlen dieser Voraussetzungen jedoch einer steuerlichen
Anerkennung der Verträge ab dem Wirtschaftsjahr 1999, in dem
die Verträge durch Eintragung in das Handelsregister
zivilrechtlich wirksam geworden sind, grundsätzlich nicht
entgegenstehen, wenn sie - ab diesem Wirtschaftsjahr gemessen -
noch eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren aufgewiesen
hätten.
Ob dem beigepflichtet werden kann, bedarf
keiner Entscheidung. Denn jedenfalls hat das FG zutreffend erkannt,
dass vom Wirtschaftsjahr 1999 an die Beherrschungs- und
Gewinnabführungsverträge nicht auf noch fünf Jahre
abgeschlossen waren. Die Verträge sollten nach den im Dezember
1997 getroffenen Vereinbarungen erstmals zum 31.12.2001 ordentlich
kündbar sein. Durch die Ergänzungsvereinbarungen vom
11.10.1999 hat sich daran nichts geändert. Zwar wird nach
deren Inhalt die Möglichkeit der erstmaligen Kündigung
der Verträge auf den 31.12.2003 verschoben. Die
Ergänzungsvereinbarungen sind aber mangels Zustimmung der
Gesellschafterversammlungen der A-GmbH und der B-GmbH sowie mangels
Eintragung im Handelsregister zivilrechtlich nie wirksam geworden
und deshalb auch steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
a) Der Abschluss eines Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages i.S. von § 291 AktG bedarf
gemäß § 293 Abs. 1 AktG der Zustimmung der
Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft. Nach § 293
Abs. 2 AktG muss auch die Hauptversammlung der beherrschenden
Gesellschaft zustimmen. Gemäß § 294 Abs. 2 AktG
bedarf der Vertrag zu seiner Wirksamkeit überdies der
Eintragung im Handelsregister der beherrschten Gesellschaft. Diese
Bestimmungen gelten entsprechend, wenn es sich bei der herrschenden
und bei der beherrschten Gesellschaft - wie im Streitfall - jeweils
um eine GmbH handelt (vgl. Senatsurteil vom 8.8.2001 I R 25/00,
BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923 = SIS 02 05 29; Beschluss des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24.10.1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324
= SIS 89 01 20). Unterschiedliche Auffassungen bestehen insoweit
lediglich im Hinblick darauf, ob für die
Zustimmungsbeschlüsse eine qualifizierte Mehrheit ausreicht
oder ob Einstimmigkeit erforderlich ist (vgl. dazu Emmerich in
Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., §
293 Rz 42 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18.
Aufl., SchlAnhKonzernR Rz 55; Altmeppen in Roth/Altmeppen,
GmbH-Gesetz, 5. Aufl., Anh § 13 Rz 36 ff., jeweils
m.w.N.).
b) Für die Änderung eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages gelten
gemäß § 295 Abs. 1 AktG die Zustimmungs- und
Eintragungserfordernisse der §§ 293, 294 AktG
sinngemäß. Auch die Bestimmung des § 295 AktG ist
grundsätzlich entsprechend anwendbar, wenn es sich bei der
beherrschten Gesellschaft um eine GmbH handelt (vgl. Emmerich in
Emmerich/Habersack, a.a.O., § 295 Rz 4; Zöllner in
Baumbach/Hueck, a.a.O., SchlAnhKonzernR Rz 62; Altmeppen in
Roth/Altmeppen, a.a.O., Anh § 13 Rz 90, 101). Nicht
geklärt ist lediglich das Erfordernis der Zustimmung der
Gesellschafterversammlung auch der herrschenden Gesellschaft
entsprechend § 295, § 293 Abs. 2 AktG, wenn diese keine
AG ist (vgl. dazu Emmerich in Emmerich/Habersack, a.a.O., §
295 Rz 5).
c) Bei den Verschiebungen der Zeitpunkte der
erstmals möglichen ordentlichen Kündigungen vom
31.12.2001 auf den 31.12.2003 durch die
Ergänzungsvereinbarungen vom 11.10.1999 handelt es sich um
Änderungen der ursprünglichen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsverträge; sie bedurften daher
entsprechend § 295 i.V.m. § 293 Abs. 1, § 294 Abs. 2
AktG zu ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit jedenfalls der
Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von A-GmbH und B-GmbH
und auch der Eintragung im Handelsregister. Keine dieser
Wirksamkeitsvoraussetzungen ist im Streitfall erfüllt.
Soweit die Klägerin demgegenüber
meint, es handele sich bei den Verschiebungen nicht um
Vertragsänderungen, sondern lediglich um Klarstellungen, weil
die Beteiligten nie die Absicht gehabt hätten, die
Verträge zu kündigen und die Regelungen über die
frühestmöglichen Kündigungszeitpunkte ohnehin nur
aus rein steuerlichen Gründen in die Verträge aufgenommen
worden seien, kann dem nicht gefolgt werden. Ob eine Regelung als
Vertragsänderung wirkt, richtet sich allein danach, ob damit
in nach bisheriger Vertragslage bestehende Rechte und Pflichten der
Vertragsparteien eingegriffen wird. Bei der Verschiebung der
Zeitpunkte der erstmaligen Möglichkeit von ordentlichen
Vertragskündigungen auf den 31.12.2003 ist das zweifelsohne
der Fall. Denn damit wird das bisherige Recht der Vertragsparteien,
die Verträge bereits ab dem 1.1.2002 ordentlich kündigen
zu können, beseitigt. Inwiefern die Vertragsparteien subjektiv
die Absicht gehabt haben, von dem Recht zur ordentlichen
Kündigung Gebrauch zu machen, kann für die
vertragsändernde Wirkung keine Rolle spielen.
Ebenso wenig ist es für die Eintragungs-
und Zustimmungserfordernisse der §§ 293 ff. AktG von
Bedeutung, ob die Vertragsänderung mit der
Mindestvertragsdauer eine Regelung betrifft, die die
Vertragsparteien nach dem Vorbringen der Klägerin aus
steuerlichen Gründen in den Vertrag aufgenommen haben und die
sie aus ebenfalls rein steuerlicher Motivation zu ändern
trachteten. Als Vertragsänderungen i.S. von § 295 Abs. 1
AktG sind jedwede inhaltliche Einwirkungen auf das Rechte- und
Pflichtengefüge des Vertrages anzusehen, ohne dass zwischen
„wesentlichen“ oder
„unwesentlichen“ Änderungen zu
unterscheiden ist (vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, a.a.O.,
§ 295 Rz 6, m.w.N.). Die subjektive Motivation der
Vertragsparteien, aufgrund derer eine Bestimmung in den Vertrag
aufgenommen oder geändert wird, ist demnach für die
Erfordernisse der §§ 293 ff. AktG ohne Relevanz.
d) Mangels zivilrechtlicher Wirksamkeit
können die Ergänzungsvereinbarungen auch steuerlich nicht
anerkannt werden. Nach § 17 Satz 1 KStG 1999 kann ein
Organschaftsverhältnis zu einer GmbH allein durch die
rechtswirksame Verpflichtung zur Gewinnabführung
herbeigeführt werden (vgl. Senatsurteil vom 30.7.1997 I R
7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998, 33 = SIS 98 03 36). Daraus ist
abzuleiten, dass der steuerlichen Beurteilung von
Unternehmensverträgen nur zivilrechtlich wirksam gewordene
Vertragsbestandteile zugrunde gelegt werden können.
4. Aufgrund der sonach
„verunglückten“ Organschaft sind die im
Streitjahr vollzogenen Verlustübernahmen bei der Klägerin
erfolgsneutral als nachträgliche Anschaffungskosten auf die
Beteiligungen an den Tochtergesellschaften zu erfassen (vgl.
Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rz 542). Sie mindern weder das
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 i.V.m. § 4 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes für die Besteuerung maßgebliche
Einkommen der Klägerin noch beeinflussen sie die nach §
36 Abs. 7 bzw. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und §
38 Abs. 1 KStG 1999 zum 31.12.2001 zu treffenden
Feststellungen.