Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 15.2.2016 6 K 2013/12 und
der geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 vom
5.7.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.8.2012,
geändert durch Bescheid vom 18.10.2012, aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, übte im
Streitzeitraum eine unternehmerische Tätigkeit i.S. von §
2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Ihre
alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren A, B
und C.
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Die Klägerin war unmittelbar oder
über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der
E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH und J-GmbH. Mit Ausnahme der
J-GmbH war A bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH
waren N, der bei der Klägerin zugleich in leitender Funktion
tätig war, und C.
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Für den Zeitraum bis zum 1.5.2012
gingen die Klägerin und der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) übereinstimmend davon aus, dass alle
sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Klägerin
gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG waren.
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Am ... stellte die Klägerin beim
zuständigen Amtsgericht (AG) Insolvenzantrag für sich und
ihre Tochtergesellschaften und beantragte Eigenverwaltung, wie sich
aus den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Steuerakten
ergibt. Das zuständige AG bestellte noch am gleichen Tag P zum
vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin
berechtigt ist, unter Aufsicht des P als vorläufigen
Sachwalter ihr Vermögen weiter zu verwalten und darüber
zu verfügen.
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Mit Beschluss vom ... eröffnete das AG
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Klägerin und zeitgleich auch für die sechs
Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren ordnete das
Insolvenzgericht Eigenverwaltung i.S. von § 270 Abs. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) an, bestellte wiederum P jeweils zum
Sachwalter und setzte Gläubigerausschüsse ein. In allen
Eröffnungsbeschlüssen ordnete es an, dass die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen
Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese
zu erfolgen haben.
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Die für die Klägerin sowie deren
Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen
Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das FA in der
Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am
5.7.2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012
gegenüber der Klägerin in Höhe von ... EUR. Die
Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die
Bescheide vom 24.7.2012 auf 0 EUR festgesetzt. Die I-GmbH wurde bei
der Festsetzung vom 5.7.2012 noch nicht berücksichtigt,
sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids vom
18.10.2012.
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Einspruch und Klage zum FG hatten keinen
Erfolg. Das FG ging in seinem in EFG 2016, 863 = SIS 16 13 05
veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Organschaft
zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften auch
nach der Insolvenzeröffnung fortbestanden habe. Im
Insolvenzverfahren der Klägerin sei der Umsatzsteueranspruch
auch insoweit Masseverbindlichkeit, als er auf die
Umsatztätigkeit der Tochtergesellschaften entfalle. Zudem sei
der sich aufgrund der Organschaft ergebende Ausgleichsanspruch des
Organträgers gegenüber der Organgesellschaft im
Insolvenzverfahren der Organgesellschaft Masseforderung. Die
Eingliederungsvoraussetzungen lägen unverändert weiter
vor. In Bezug auf die finanzielle Eingliederung habe sich aus der
Insolvenz der Tochtergesellschaften keine Änderung ergeben.
Auch die organisatorische Eingliederung habe aufgrund der
personellen Verflechtung über die Geschäftsführung
der Tochtergesellschaften fortbestanden. Im Verfahren der
Eigenverwaltung ändere sich hieran durch die §§ 275,
276 und 277 InsO nichts. Ebenso sei auch die wirtschaftliche
Eingliederung weiterhin gegeben gewesen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision. Es fehle sowohl an der organisatorischen wie auch
an der finanziellen Eingliederung. Der insolvenzrechtliche
Einzelverfahrensgrundsatz widerspreche der Organschaft. Aus der
Bestellung einer Person in mehreren Verfahren zum Sachwalter ergebe
sich kein Indiz für eine gleichgerichtete Interessenlage bei
den Insolvenzschuldnern. Der Sachwalter habe die Trennung der
einzelnen Vermögensbereiche zu beachten. Es gebe keine
Konzernleitungsmacht in der Insolvenz. Eine Durchsetzung gegen
Gläubigerausschüsse sei nicht möglich. Es dürfe
nicht zu Verteilungseffekten zwischen den Gläubigern
unterschiedlicher Konzerngesellschaften kommen. Auch bei der
Eigenverwaltung habe die Gesellschafterversammlung keinen Einfluss
auf die Geschäftsführung mehr. Es bestehe zudem keine
alleinige Befugnis zur Abberufung von Geschäftsführern
mehr. Hieran ändere sich auch nichts unter
Berücksichtigung von Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des
Bundesfinanzhofs (BFH).
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG und den geänderten
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 vom 5.7.2012, in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.8.2012, geändert
durch Bescheid vom 18.10.2012, aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Der insolvenzrechtliche
Einzelverfahrensgrundsatz verlange keine Beendigung der
Organschaft. Bei der Eigenverwaltung stehe die
Unternehmenssanierung, nicht aber die Verwertung des Unternehmens
im Vordergrund. Die Existenz eines Sachwalters sei
unschädlich. Aus dem Grundsatz des Einzelverfahrens ergebe
sich nur, dass über jede Vermögensmasse ein eigenes
Verfahren zu eröffnen ist. Die Organschaft kläre nur die
Frage, wie sich diese Vermögensmasse zusammensetzt. Aus dem
Insolvenzrecht folge keine Änderung der Vermögensmasse.
Der Grundsatz der gleichmäßigen
Gläubigerbefriedigung beeinflusse die Frage der
Verbindlichkeitsbegründung nur im Rahmen der
Entscheidungskompetenz eines Insolvenzverwalters. Auch soweit der
Umsatzsteueranspruch auf die Umsatztätigkeit der
Organgesellschaft entfalle, liege eine Masseverbindlichkeit im
Verfahren des Organträgers vor. Zudem sei der
Ausgleichsanspruch des Organträgers im Verfahren der
Organgesellschaft Masseverbindlichkeit. Die
Eingliederungsvoraussetzungen hätten weiter
vorgelegen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen dem Urteil des FG hat die
Organschaft im Streitfall mit der Eröffnung der
Insolvenzverfahren über die Vermögensmassen des
Organträgers und der Organgesellschaften geendet. Dem steht
die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren nicht
entgegen.
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1. Mit der Insolvenzeröffnung über
das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.
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a) Umsatzsteuerrechtlich begründet die
Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Zusammenfassung
der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen.
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aa) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig
ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers
eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind
auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen
Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2
UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu
behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).
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Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11
MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland
ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch
durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind,
zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei
richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL
führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG zu einer „Verschmelzung zu einem einzigen
Steuerpflichtigen“ (EuGH-Urteil Ampliscientifica und
Amplifin vom 22.5.2008 C-162/07, EU:C:2008:301, Rz 19; zur
Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen, vgl. auch
EuGH-Urteile Kommission/Irland vom 9.4.2013 C-85/11, EU:C:2013:217,
Rz 35 ff., und Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom
16.7.2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496). Aufgrund dieser
Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe
als „Steuereinnehmer“ für den gesamten
Organkreis wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE
242, 433, BFH/NV 2013, 1747 = SIS 13 23 09, unter II.3.a, m.w.N.
zur EuGH-Rechtsprechung).
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bb) Aufgrund der Zusammenfassung zu einem
Unternehmen ist der Organträger Steuerschuldner für alle
Leistungen, die die Unternehmensteile des Organkreises
gegenüber Dritten erbringen. Der Organträger
übernimmt die - nach § 370 AO strafbewehrte -
Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm
verbundenen juristischen Person (BFH-Urteil vom 2.12.2015 V R
15/14, BFHE 252, 158 = SIS 16 00 90, unter II.1.a dd (2). So sind
die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten
ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen
(BFH-Urteil vom 19.5.2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005,
671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a). Leistungsbezüge der
Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger
gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug
(BFH-Urteil vom 19.10.1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter
II.2.). Leistungsbeziehungen zwischen Organträger und
Organgesellschaft sind demgegenüber als Innenumsätze
nichtsteuerbar und begründen kein Recht auf Vorsteuerabzug
(vgl. BFH-Urteil vom 17.1.2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II
2002, 373 = SIS 02 06 40, Leitsatz 2). Die vom Organkreis
geschuldete Steuer ist einheitlich in einem gegenüber dem
Organträger zu erlassenden Steuerbescheid festzusetzen.
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b) Anders als das Umsatzsteuerrecht mit der
Organschaft fasst das Insolvenzrecht die Verfahren mehrerer
Personen nicht zusammen.
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aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das
Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder
natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet
werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch
für das Vermögen einer Gesellschaft ohne
Rechtspersönlichkeit wie z.B. einer offenen
Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.
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bb) Das Insolvenzrecht enthält keine
Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches
Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften
ermöglichen (zur Reformüberlegung, vgl. z.B. Siemon, Neue
Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das
gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz 2014,
55, und Verhoeven, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht
2014, 217). Sowohl hinsichtlich der Feststellung des
Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des
Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher
insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung
einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich
selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der
unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im
Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen,
missachtet würde (vgl. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung,
14. Aufl., § 11 Rz 394). Die Insolvenz eines herrschenden
Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf
dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner
Tochtergesellschaften (Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 11 Rz
395). Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften
und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen
Verbundes getrennt abzuwickeln, so dass es keine Konzerninsolvenz
gibt (Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3.
Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehricke in Jaeger,
Insolvenzordnung, 2004, § 11 Rz 32).
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c) Danach entfällt die Organschaft mit
der Insolvenzeröffnung beim Organträger.
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aa) Der Senat hat bereits für die nach
der Konkursordnung bestehende Rechtslage entschieden, dass eine
Organschaft mit dem Konkurs des Organträgers enden kann
(BFH-Urteil vom 28.1.1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999,
258 = SIS 99 08 17, unter II.1.). Der Senat hat hierfür
insbesondere angeführt, konkursrechtlich sei zwischen dem
Vermögen des Organträgers und dem Vermögen der
Organgesellschaft zu unterscheiden. Während das Vermögen
des Organträgers in die Konkursmasse falle, bleibe das
Vermögen der Organgesellschaft konkursfrei. Die Umsatzsteuer
aus den Aktivitäten des Organträgers zähle zu den
Massekosten oder Masseschulden, sei aus der Konkursmasse zu
berichtigen und in einem an die Konkursverwalter des
Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen.
Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesellschaft sei
nicht aus der Konkursmasse zu berichtigen und dementsprechend auch
nicht in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu
richtenden Steuerbescheid geltend zu machen (BFH-Urteil in BFHE
187, 355, BStBl II 1999, 258 = SIS 99 08 17, unter II.1.).
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bb) Dementsprechend ist unter der Geltung der
Insolvenzordnung zu beachten, dass das FA - bei Annahme eines
Fortbestands der Organschaft - den sich für den Organkreis
ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach
Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den
Organträger festsetzen kann, als es sich um eine
Masseverbindlichkeit des Unternehmers - hier des Organträgers
- handelt.
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Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für
eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse nach
Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gemäß
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich um eine „durch die
Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
begründet[e]“ Verbindlichkeit handelt (BFH-Urteil
vom 29.1.2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, unter II.1.). Dies gilt aber nur für den
Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des
bisherigen Organträgers, nicht aber auch für den
Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner
bisherigen Organgesellschaften entfällt. Denn die Umsatzsteuer
für die Umsatztätigkeit dieser Organgesellschaft
gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der
Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des
bisherigen Organträgers bezieht und sich nicht auf das
Vermögen der bisherigen Organgesellschaften erstreckt, wie
sich insbesondere aus § 35 Abs. 1 InsO ergibt. Zur
Insolvenzmasse des Organträgers gehört daher nur seine
Beteiligung an der Organgesellschaft, nicht aber auch das
Vermögen der Organgesellschaft.
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Daher begründet die Umsatztätigkeit
der bisherigen Organgesellschaft in der Insolvenz des bisherigen
Organträgers keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1
Nr. 1 InsO. Hierdurch wird entgegen Wagner/Fuchs (BB 2014, 2583,
2584) nicht das „Entstehen einer (Steuer-)Forderung von
ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung abhängig“
gemacht. Vielmehr führt die auch umsatzsteuerrechtlich zu
beachtende insolvenzrechtliche Trennung dazu, dass sich der
Umsatzsteueranspruch aus der Umsatztätigkeit der bisherigen
Organgesellschaft nunmehr gegen diese richtet. Bei der Annahme
einer fortbestehenden Organschaft bestünde demgegenüber
für das FA nur die Möglichkeit, einen auf die eigene
Umsatztätigkeit des Organträgers beschränkten
Steuerbescheid zu erlassen und die Organgesellschaft als Haftende
nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit dem
umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen
Unternehmenseinheit und der mit der Organschaft bezweckten
Verwaltungsvereinfachung (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 158 =
SIS 16 00 90, unter II.1.a aa) nicht vereinbar.
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d) Soweit das FA hiergegen einwendet, dass bei
der Eigenverwaltung die Unternehmenssanierung, nicht aber die
Verwertung des Unternehmens im Vordergrund stehe,
berücksichtigt es nicht, dass die Ziele des
Insolvenzverfahrens (§ 1 InsO) nichts am Umfang der dem
Insolvenzverfahren unterliegenden Haftungsmasse ändern. Nur
soweit durch die Insolvenzmasse Umsatzsteueransprüche
begründet werden, liegen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Masseverbindlichkeiten vor.
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Damit ist auch die Anordnung der
Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren des Organträgers ohne
Bedeutung. Denn sie ändert nichts an der insolvenzrechtlichen
Verfahrenstrennung.
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2. Unabhängig von den Verhältnissen
beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der
Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft, da zu diesem
Zeitpunkt die finanzielle Eingliederung entfällt (zur
Beendigung bereits mit Bestellung eines vorläufigen
Insolvenzverwalters, vgl. BFH-Urteile vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE
242, 433 = SIS 13 23 09, und vom 24.8.2016 V R 36/15, BFH/NV 2017,
242 = SIS 16 25 44).
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29
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a) Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2
Nr. 2 UStG insbesondere eine Eingliederung in finanzieller Hinsicht
voraus. Der Organträger muss finanziell in der Weise an der
Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch
Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen
kann (BFH-Urteile vom 22.11.2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II
2002, 167 = SIS 02 04 42, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II
2005, 671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a dd; vom 30.4.2009 V R 3/08,
BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873 = SIS 09 26 36, unter II.2.b aa;
vom 22.4.2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 = SIS 10 18 70, unter II.2.; vom 1.12.2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl
II 2011, 600 = SIS 11 09 25, unter II.2.; vom 7.7.2011 V R 53/10,
BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218 = SIS 11 34 10, unter II.2.a, und
in BFHE 242, 433 = SIS 13 23 09, unter II.2.a). Maßgeblich
ist hierfür die „Stimmenmehrheit“
(BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27,
unter II.2.a dd) und damit eine Mehrheit der Stimmrechte aus den
Anteilen an der Organgesellschaft von über 50 v.H. der
gesamten Stimmrechte, sofern keine höhere qualifizierte
Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft
erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 =
SIS 02 04 42, unter II.1.a).
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30
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Die finanzielle Eingliederung ist nicht
Selbstzweck, sondern stellt sicher, dass eine Person nur dann
Organträger einer juristischen Person sein kann, wenn sie die
gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte gegenüber den
Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen der juristischen
Person ausüben kann. Sie ist somit die Grundlage dafür,
dass für den Organträger aufgrund der Gesamtheit der
Eingliederungsvoraussetzungen eine Durchgriffsmöglichkeit auf
die Organgesellschaft besteht, die es dem Organträger
ermöglicht, die ihm nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
zugeordnete Verantwortung für die Besteuerung der
Umsatztätigkeit des gesamten Organkreises zu übernehmen
(BFH-Urteil in BFHE 252, 158 = SIS 16 00 90, unter II.1.a dd (2).
Dementsprechend setzt die organisatorische Eingliederung voraus,
dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung
verbundene Möglichkeit der Beherrschung der
Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung
wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise
der Geschäftsführung beherrschen muss (ständige
BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 158 = SIS 16 00 90, unter II.2.a).
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b) Im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft
entfällt ihre Eingliederung in den Organträger.
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32
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aa) Bestellt das Insolvenzgericht im Verfahren
einen Insolvenzverwalter, folgt dies bereits daraus, dass das Recht
des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen
zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß
§ 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht
(vgl. BFH-Urteile vom 13.3.1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II
1997, 580 = SIS 97 20 43, unter II.2.; in BFHE 187, 355, BStBl II
1999, 258 = SIS 99 08 17, unter II.2.; vom 21.6.2001 V R 68/00,
BFHE 195, 446, BStBl II 2002, 255 = SIS 01 14 15, unter II.1.). Der
erkennende Senat hält an dieser zur Konkursordnung ergangenen
Rechtsprechung auch unter der Geltung der Insolvenzordnung fest,
ohne dass dabei zu entscheiden ist, ob die Eingliederung in
finanzieller oder in organisatorischer Hinsicht oder aus mehreren
Gründen endet.
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bb) Die Eingliederung entfällt auch, wenn
das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO
anordnet, da dann die finanzielle Eingliederung endet.
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(1) Zwar ist der Schuldner und damit die
Organgesellschaft gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO
berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse
zu verwalten und über sie zu verfügen.
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Die für die Organschaft erforderliche
Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt aber
gleichwohl. Denn ist der Schuldner - wie die Tochtergesellschaften
der Klägerin - eine juristische Person, so haben der
Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende
Organe gemäß § 276a Satz 1 InsO keinen Einfluss auf
die Geschäftsführung des Schuldners mehr. Zudem ist die
Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der
Geschäftsleitung nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt
(§ 276a Satz 2 InsO). Die Vorschrift ist gemäß Art.
103g Satz 1 des Einführungsgesetzes der Insolvenzordnung auf
die Insolvenzverfahren, die seit dem 1.3.2012 beantragt worden
sind, und damit auch im Streitfall anzuwenden.
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(2) § 276a InsO entzieht der für die
Organschaft erforderlichen finanziellen Eingliederung die
Grundlage. Denn die Überwachungsorgane haben bei der
Eigenverwaltung keine weiter gehenden Einflussmöglichkeiten
auf die Geschäftsführung als im Falle der Fremdverwaltung
durch den Insolvenzverwalter (BTDrucks 17/5712, S. 63; Klöhn,
Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2014,
§ 276a, Rz 4). Die Überwachung obliegt bei der
Eigenverwaltung stattdessen dem Sachwalter, dem
Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung.
Zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten von Aufsichtsrat oder
Gesellschafterversammlung könnten in dieser Situation
„wenig nützen, wohl aber hemmend und blockierend
wirken“ (Landfermann in: Kayser/Thole, Heidelberger
Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2016, § 276a, Rz 3).
Die durch § 276a InsO angeordnete Beschränkung der
Organkompetenzen (Klöhn, a.a.O., Rz 12) führt zu einer
Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenverwaltung (Klöhn,
a.a.O., Rz 5). Das durch § 276a InsO angeordnete Verbot der
Einflussnahme umfasst nicht nur unmittelbare Einwirkungen, sondern
auch mittelbare, wie Einsichts- und Informationsrechte, um einen
unbeeinflussten Zustand herzustellen, mithin die
Unabhängigkeit der Geschäftsleitung von den Organen der
Gesellschaft zu sichern (Zipperer in Uhlenbruck, a.a.O., §
276a, Rz 6).
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(3) Danach ist im Streitfall auch die
finanzielle Eingliederung wegen § 276a InsO entfallen. Zwar
war es der Klägerin auch unter Beachtung von § 276a InsO
möglich, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen. Kommt diesen aber
wegen § 276a InsO keine Bedeutung mehr zu, besteht keine
finanzielle Eingliederung mehr. Es wäre sinnlos, für die
„finanzielle Eingliederung allein auf die rechtliche
Möglichkeit zur Fassung von
Mehrheitsbeschlüssen“ (Wagner/Fuchs, BB 2014, 2583,
2588) abzustellen, da die finanzielle Eingliederung kein
Selbstzweck ist (s. oben II.2.a). Soweit
Möhlenkamp/Möhlenkamp (DStR 2014, 1357, unter 4.2.2)
hiergegen einwenden, dass § 276a InsO einer anderweitig
begründeten organisatorischen Eingliederung nicht
entgegenstehe, berücksichtigen sie nicht hinreichend, dass
diese Vorschrift bereits die finanzielle Eingliederung entfallen
lässt. Die Beendigung der Organschaft entspricht damit den
gesetzlichen Auflösungsgründen bei juristischen Personen
(vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung und § 262 Abs. 1
Nr. 3 des Aktiengesetzes).
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c) Auf die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch
des Organträgers gegen die Organgesellschaft in der Insolvenz
der Organgesellschaft Masseverbindlichkeit ist (vgl. hierzu
BFH-Beschluss vom 19.3.2014 V B 14/14, BFHE 244, 156 = SIS 14 10 55, unter II.4.b bb), kommt es somit nicht mehr an.
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3. Die Bestellung des P als Sachwalter im
Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den
Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der
bisherigen Organgesellschaften ändert hieran nichts. Ebenso
wie bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters in den
Insolvenzverfahren von Organträger und Organgesellschaft ist
dies für die insolvenzrechtliche Verfahrenstrennung, die in
der Insolvenz des Organträgers gegen einen Fortbestand der
Organschaft spricht, ohne Bedeutung (s. oben II.1.b und c). Zudem
kommt es auch bei Personenidentität des Sachwalters zur
Anwendung von § 276a Satz 1 InsO (s. oben II.2.b bb). Im
Hinblick auf diese Sondervorschrift ist, anders als unter der
Geltung der Konkursordnung, nicht mehr davon auszugehen, dass eine
Organschaft trotz Insolvenzeröffnung bei Organträger und
Organgesellschaft fortbestehen kann (zur Konkursordnung, vgl.
BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258 = SIS 99 08 17,
unter II.1.).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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