Vereinsvorstand, geschäftsmäßige Dienstleistungen, USt-Pflicht: 1. Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, die ein Mitglied des Vereinsvorstands gegenüber dem Verein gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erbringt, sind steuerbar. - 2. Bei Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG vor. - Urt.; BFH 14.5.2008, XI R 70/07; SIS 08 33 08
I. Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) war Präsident des Vorstands
eines in der Rechtsform eines Vereins geführten
Industrieverbandes, dem im Streitjahr 1999 zahlreiche Betriebe
angehörten. Nach § 15 der vom Finanzgericht (FG) in Bezug
genommenen Vereinssatzung war der Kläger nicht
einzelvertretungsbefugt, sondern konnte den Verein nur gemeinsam
mit einem weiteren Präsidenten oder zusammen mit den
Vizepräsidenten nach § 26 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) vertreten. Zu den Aufgaben des Vorstands
gehörte insbesondere die Leitung des Verbandes, das Aufstellen
der Tagesordnung für Mitgliederversammlungen und die Umsetzung
der von der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse. Der
Verein unterhielt eine Geschäftsstelle, die von zwei
Hauptgeschäftsführern geleitet wurde. Den
Hauptgeschäftsführern oblag die Erledigung der laufenden
Geschäfte. Sie waren als besondere Vertreter nach § 30
BGB tätig.
Für den Verein
arbeitete der Kläger mindestens 40 Stunden in der Woche und
ca. 2.000 Stunden jährlich.
Der Kläger nahm
an Beirats- und Aufsichtsratssitzungen sowie an
Verbandsveranstaltungen teil, die er auch leitete. Er referierte
auf Empfängen, Mitgliederversammlungen, Branchentreffen und
Diskussionsveranstaltungen. Weiter vereinbarte er selbständig
Termine mit Repräsentanten der Wirtschaft, Vertretern
kooperierender Verbände und Politikern. Die letzte
Entscheidung über seine Teilnahme an derartigen Terminen oblag
dem Kläger. Für den Kläger bestand keine
Präsenzpflicht. Der Umfang seiner Tätigkeit wurde durch
den Verein weder zeitlich erfasst noch überwacht. Der
Kläger hatte seinen Urlaub von ca. sechs Wochen jährlich
nicht mit dem Verein abzusprechen. Er war auch im Urlaub für
den Verein erreichbar.
Dem Kläger stand
in der Geschäftsstelle des Vereins ein Büro zur
Verfügung. Darüber hinaus unterhielt er auf eigene Kosten
ein selbst eingerichtetes Büro an seinem Wohnort, über
das er sich mit der Geschäftsstelle des Vereins und mit der
für ihn in der Geschäftsstelle tätigen
Sekretärin abstimmte.
Nach der
Vereinssatzung waren die Vorstandsmitglieder ehrenamtlich
tätig. Auslagen waren ihnen zu erstatten. Nach einer 1996
zwischen dem Kläger und dem Verein abgeschlossenen und Mitte
1999 geänderten Vereinbarung stand dem Kläger eine
Aufwandsentschädigung zu, die sich im ersten Halbjahr 1999 auf
monatlich 9.000 DM und im zweiten Halbjahr 1999 auf monatlich
15.000 DM belief. Reisekosten wurden mit einer Tagespauschale von
200 DM unabhängig von der Reisedauer erstattet. Der Verein
übernahm weiter die Flugkosten und 80 % der Telefonkosten.
Darüber hinaus wurden Reisekosten der den Kläger bei
Vereinsterminen begleitenden Ehefrau in steuerlich anzuerkennender
Höhe ersetzt. Für die Nutzung des privaten PKW im
Vereinsinteresse erstattete der Verein aufgrund einer unterstellten
Fahrzeugnutzung von 20.000 km pauschal 40.000 DM. Die Dienstfahrten
für den Verein beliefen sich im Streitjahr auf ca. 16.000 km.
Die Zahlungen des Vereins aufgrund dieser Vereinbarung betrugen lt.
Gewinnermittlung des Klägers im Streitjahr 183.556,48 DM. Die
Tätigkeit des Klägers wurde nicht als lohnsteuer- oder
sozialabgabenpflichtig behandelt.
Mit seiner am
29.3.2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt—FA
- ) eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung erklärte
der Kläger steuerpflichtige Umsätze aus Leistungen, die
mit seiner Tätigkeit für den Verein nicht zusammenhingen.
Die Einnahmen aus seiner Tätigkeit für den Verein
erfasste er nicht. Demgegenüber vertrat das FA im Anschluss an
eine Betriebsprüfung die Auffassung, dass der Kläger auch
im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verein
umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe, so dass sich
aufgrund des Änderungsbescheids vom 22.10.2002 eine
Umsatzsteuernachforderung ergab.
Einspruch und Klage
hatten keinen Erfolg. Das FG stützte die Klageabweisung
darauf, dass der Kläger gegenüber dem Verein
umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Der Kläger
sei selbständig tätig gewesen, da er unternehmerische
Initiative entfaltet und unternehmerisches Risiko getragen habe.
Der Kläger habe über Zeit, Ort und Umfang seiner
Tätigkeit nach eigenem Ermessen entscheiden können.
Für den Kläger habe weder eine Präsenzpflicht noch
eine Mindestarbeitsverpflichtung bestanden. Das Unternehmerrisiko
ergebe sich daraus, dass der Kläger eigenes Kapital eingesetzt
habe. Er habe die Kosten der für ihn beim Verein angestellten
Sekretärin zur Hälfte getragen. Die Höhe der von ihm
zu tragenden Aufwendungen habe auch nicht unerheblich
geschwankt.
Es komme nicht darauf
an, ob der Kläger als Organ des Vereins tätig geworden
sei. Insoweit sei bereits zweifelhaft, ob die frühere
Organwalter-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch im
Streitfall anwendbar sei. Dies könne aber dahingestellt
bleiben, da der BFH diese Rechtsprechung aufgegeben habe. Es
handele sich auch nicht um eine ehrenamtliche Tätigkeit, die
nach § 4 Nr. 26 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)
umsatzsteuerfrei sei. Die Annahme einer ehrenamtlichen
Tätigkeit scheide sowohl nach Art als auch nach dem Umfang der
vom Kläger ausgeübten Tätigkeit aus. Es liege eine
hauptberufliche Tätigkeit vor, bei der auch die Höhe der
Vergütung gegen die Ausübung eines Ehrenamtes spreche.
Schließlich sei im Hinblick auf die Aufgabe der
Organwalter-Rechtsprechung durch den BFH auch kein Vertrauensschutz
zu gewähren, da der angefochtene Änderungsbescheid auf
einer Betriebsprüfung beruhe, die vor der Änderung der
Rechtsprechung abgeschlossen worden sei.
Das Urteil des FG ist
in EFG 2006, 1020 = SIS 06 22 61 veröffentlicht.
Mit seiner Revision
rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Seine
Leistungen an den Verein seien aufgrund seiner Organstellung nach
den BFH-Urteilen vom 4.11.1982 V R 4/77 (BFHE 137, 197, BStBl II
1983, 156 = SIS 83 04 26) und vom 18.5.1988 X R 57/81 (BFH/NV 1989,
262) nicht steuerbar. Er sei ausschließlich in einer
Organfunktion zur kompetenzmäßigen Wahrnehmung der
Vereinsaufgaben tätig geworden. Es habe keine gesonderte
schuldrechtliche Tätigkeitsvereinbarung bestanden. Die
zwischen ihm und dem Verein geschlossene Vereinbarung habe nur die
Erstattung von Kosten und Auslagen vorgesehen. Es komme nicht
darauf an, wie Geschäftsführungsaufgaben bei einer GmbH
umsatzsteuerrechtlich zu würdigen seien, da Vereine anders als
eine GmbH keine gewerblichen Zwecke verfolgten. Aufgabe des
Vereinsvorstands sei die Erreichung der satzungsmäßigen
Vereinszwecke, nicht eine Gewinnerzielung. Die Satzung des Vereins
sehe ausdrücklich eine ehrenamtliche Tätigkeit vor. Der
angefochtene Bescheid verstoße zumindest gegen § 176
Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. Abschn. 1 Abs. 8 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 (UStR) und § 176 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 AO. Finanzbehördliche Übergangsregelungen seien
auch von den Steuergerichten zu beachten. Schließlich seien
seine Leistungen zumindest nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG
steuerfrei. Entgegen der Gesamtabwägung des FG sei der Umfang
der durch ihn ausgeübten Tätigkeit kein Indiz für
eine hauptberufliche Tätigkeit, da insoweit auch
Größe und Bedeutung des Vereins zu berücksichtigen
seien. Er sei in herausgehobener Position tätig gewesen. Nur
seine persönlichen Vermögensverhältnisse hätten
es ihm ermöglicht, auf ein angemessenes Gehalt für seine
Tätigkeit zu verzichten.
Der Kläger
beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den
angefochtenen Änderungsbescheid in der Fassung der
Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger sei
nach dem Gesamtbild der vom FG gewürdigten Verhältnisse
selbständig tätig gewesen. Er habe keine Aufgaben
öffentlicher Verwaltung wahrgenommen. Es handele sich nicht um
eine ehrenamtliche Tätigkeit. Vertrauensschutz sei nicht zu
gewähren, da es nicht zwischen Erstbescheid und
Änderungsbescheid zu einer Verschärfung der
Rechtsprechung gekommen sei.
II. Die Revision ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung—FGO - ). Die Leistungen des
Klägers gegenüber dem Verein sind steuerbar und
steuerpflichtig. Der angefochtene Bescheid verstößt auch
nicht gegen § 176 AO.
1.
Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des BFH liegt eine
entgeltliche Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
steuerbar ist und gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer unterliegt, dann vor, wenn zwischen einer Leistung
und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang
besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem
Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden
Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige
Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den
Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom
5.12.2007 V R 60/05, BFH/NV 2008, 1072 = SIS 08 17 97, m.w.N. zur
Rechtsprechung von EuGH und BFH).
a) Entgeltliche Geschäftsführungs- und
Vertretungsleistungen sind auch dann steuerbar, wenn es sich bei
dem Leistenden um ein Organ des Leistungsempfängers
handelt.
aa) Seine frühere Rechtsprechung, nach der das Handeln
als Organ einer Personengesellschaft nicht Gegenstand eines
entgeltlichen Leistungsaustausches sein konnte (BFH-Urteil vom
17.7.1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 = SIS 80 03 22), hat der BFH durch Urteil vom 6.6.2002 V R 43/01 (BFHE 199, 49,
BStBl II 2003, 36 = SIS 02 85 00) aufgegeben.
Die Aufgabe der
Organwalter-Rechtsprechung ist über die in dem BFH-Urteil in
BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 = SIS 02 85 00 bereits entschiedene
Fallgestaltung bei Personengesellschaften hinaus im Hinblick auf
die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 6.9.2007 V R 16/06, nicht veröffentlicht)
allgemein zu beachten. So steht nach dem BFH-Urteil vom 10.3.2005 V
R 29/03 (BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730 = SIS 05 24 38) die
Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers der
Steuerbarkeit der durch den Geschäftsführer
gegenüber der GmbH erbrachten Leistungen nicht entgegen.
Diesem Urteil kommt gegenüber dem BFH-Urteil in BFHE 199, 49,
BStBl II 2003, 36 = SIS 02 85 00 insoweit eine eigenständige
Bedeutung zu, als der BFH die Nichtsteuerbarkeit der
Geschäftsführungsleistungen bei Kapitalgesellschaften
zuvor nicht auf die Eigenschaft des GmbH-Geschäftsführers
als Organ der GmbH, sondern auf dessen Unselbständigkeit
gestützt hatte.
bb) Aufgrund der Rechtsprechungsänderung zu den
Organleistungen kann sich die Revision nicht mit Erfolg auf das
BFH-Urteil in BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 = SIS 83 04 26 zur
Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsführungs- und
Vertretungsleistungen gegenüber einer Kassenärztlichen
Vereinigung berufen. Denn dieses Urteil stützt sich in seiner
Begründung ausschließlich auf das BFH-Urteil in BFHE
131, 114, BStBl II 1980, 622 = SIS 80 03 22. Nachdem der BFH diese
Rechtsprechung in seinem Urteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36
= SIS 02 85 00 ausdrücklich aufgegeben hat, erstreckt sich
diese Änderung der Rechtsprechung auch auf die
Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen
gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung.
Darüber hinaus erfasst die Rechtsprechungsänderung in
BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 = SIS 02 85 00 auch die weitere
BFH-Rechtsprechung, soweit sich aus dieser die Nichtsteuerbarkeit
von Organleistungen ergab. Dies gilt insbesondere für die
Leistungen des Vereinvorstands (BFH-Urteil in BFH/NV 1989,
262).
b) Im Streitfall erbrachte der Kläger Leistungen
gegenüber dem Verein, die durch die Aufwandsentschädigung
und die Reisekostenpauschale vergütet wurden. Das
Rechtsverhältnis, das den erforderlichen unmittelbaren
Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt herstellt, beruht ebenso
wie bei einem GmbH-Geschäftsführer (BFH-Urteil in BFHE
209, 162, BStBl II 2005, 730 = SIS 05 24 38) auf dem neben der
Organbestellung abgeschlossenen Vertragsverhältnis. Dieses
ergibt sich aus der Vereinbarung über die
Aufwandsentschädigung und den weiteren zwischen dem
Kläger und dem Verein getroffenen Vereinbarungen über die
Ausübung der Vorstandstätigkeit. Dabei kann es sich auch
um mündliche Abreden handeln, da ein steuerbarer
Leistungsaustausch nicht das Vorliegen schriftlicher Vereinbarungen
voraussetzt.
Im Übrigen kann
entgegen der Auffassung des Klägers gegen die Steuerbarkeit
nicht angeführt werden, dass es sich bei der ihm
gewährten Vergütung um einen bloßen
„Auslagen- und Kostenersatz“ handelt. Denn
selbst wenn dies zuträfe, würde der bloße
Aufwendungsersatz nach ständiger Rechtsprechung ausreichen, um
das Vorliegen eines Entgelts zu begründen (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 7.3.1996 V R 29/93, BFH/NV 1996, 858 = SIS 96 22 49; vom 18.3.2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798 =
SIS 04 22 16; vom 16.1.2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II
2003, 732 = SIS 03 21 71; vom 11.4.2002 V R 65/00, BFHE 198, 233,
BStBl II 2002, 782 = SIS 02 08 61; vom 1.2.2007 V R 69/05, BFH/NV
2007, 1205 = SIS 07 16 42; in BFH/NV 2008, 1072 = SIS 08 17 97).
2.
Der Kläger war als Unternehmer auch selbständig
tätig.
a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG handeln natürliche
Personen nicht selbständig, wenn sie in einem Unternehmen so
eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu
folgen verpflichtet sind. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH
das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend.
Dementsprechend sind die für und gegen die
Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall
unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander
abzuwägen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.6.2000 V R 28/99, BFHE
191, 468, BStBl II 2000, 597 = SIS 00 11 36). Im Rahmen dieser
Gesamtwürdigung kommt es für die Beurteilung der
Selbständigkeit von Geschäftsführungsorganen nicht
darauf an, ob die natürliche Person berechtigt ist, Zeit,
Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen zu
bestimmen (BFH-Urteil in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730 = SIS 05 24 38). Entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Weisungsgebunden-
oder Weisungsfreiheit. So sind z.B. die Mitglieder des
Aufsichtsrats einer AG selbständig tätig, da sie keinen
Weisungen unterliegen (ständige Rechtsprechung; vgl.
BFH-Urteile vom 27.7.1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972,
810 = SIS 72 04 68; vom 2.10.1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl
II 1987, 42 = SIS 86 24 29; vom 9.10.1996 XI R 47/96, BFHE 182,
384, BStBl II 1997, 255 = SIS 97 09 29). Ebenso handeln die
Mitglieder des Beirats einer KG (Senatsurteil vom 24.8.1994 XI R
74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150 = SIS 95 04 21) sowie
Mitglieder einer an Weisungen nicht gebundenen Kommission
(BFH-Urteil in BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597 = SIS 00 11 36)
selbständig.
Dies entspricht auch der
Beurteilung nach Gemeinschaftsrecht. So können nach dem zu
Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenem EuGH-Urteil vom
18.10.2007 Rs. C-355/06 - van der Steen - (BFH/NV 2008, Beilage 1,
48 = SIS 08 00 36, Randnr. 21 ff.) auch
Geschäftsführungsleistungen selbständig erbracht
werden.
b) Im Streitfall ergibt sich die Selbständigkeit der
durch den Kläger gegenüber dem Verein ausgeübten
Tätigkeit bereits daraus, dass er seine Tätigkeit als
Mitglied und Präsident des Vereinsvorstands weitgehend
weisungsfrei ausübte. Ob und in welchem Umfang der Kläger
darüber hinaus ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte, spielt
daher keine Rolle. Ebenso wie bei einem Aufsichtsratsmitglied kommt
es in diesem Fall für die Begründung der
Unternehmereigenschaft entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht
auf den Einsatz eigenen Kapitals oder eine schwankende Höhe
der Einnahmen oder Ausgaben an. Gegen die Selbständigkeit der
durch den Kläger ausgeübten Tätigkeit spricht auch
nicht das EuGH-Urteil in BFH/NV 2008, Beilage 1, 48 = SIS 08 00 36
(van der Steen). Denn die in diesem Verfahren angenommene
Unselbständigkeit der
Geschäftsführungstätigkeit beruhte maßgeblich
darauf, dass für den Geschäftsführer—anders
als im Streitfall—Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden waren
(EuGH-Urteil in BFH/NV 2008, Beilage 1, 48 = SIS 08 00 36, Randnr.
22).
3.
Die Entscheidung des FG, dass die Leistungen des Klägers nicht
nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG als ehrenamtliche
Tätigkeit, die nur durch Auslagenersatz und angemessene
Entschädigung für Zeitversäumnis vergütet wird,
steuerfrei sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören die
Tätigkeiten, die in einem Gesetz ausdrücklich als solche
genannt werden, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet werden oder die
dem materiellen Begriffsinhalt der Ehrenamtlichkeit entsprechen
(BFH-Urteile vom 16.12.1987 X R 7/82, BFHE 152, 182, BStBl II 1988,
384 = SIS 88 08 24, und vom 4.5.1994 XI R 86/92, BFHE 174, 573,
BStBl II 1994, 773 = SIS 94 21 34). Nach dem materiellen
Begriffsinhalt kommt es insbesondere auf das Fehlen eines
eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit
und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte
Einrichtung an (Senatsurteil in BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773 =
SIS 94 21 34).
b) Danach war der Kläger im Streitfall nicht
ehrenamtlich tätig. Seine Tätigkeit wird weder in einem
Gesetz als ehrenamtlich bezeichnet noch entspricht es dem
allgemeinen Sprachgebrauch, eine dem Umfang nach hauptberuflich
ausgeübte Tätigkeit als ehrenamtlich zu bezeichnen. Im
Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit und die Höhe der
durch den Verein gezahlten Vergütung ist von einem
eigennützigen Erwerbsstreben auszugehen, so dass die
Tätigkeit des Klägers auch nicht dem materiellen
Begriffsinhalt der Ehrenamtlichkeit entspricht.
Ob der Kläger im
Rahmen einer anderen Tätigkeit eine weit höhere
Vergütung hätte erzielen können ist unerheblich. Das
Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens entfällt
nicht dadurch, dass für die Ausübung anderer
Tätigkeiten möglicherweise höhere Vergütungen
zu erzielen gewesen wären. Schließlich spricht auch die
im Urlaubsfall unverändert fortgezahlte
Aufwandsentschädigung gegen das Vorliegen einer
Entschädigung für Zeitversäumnis.
4.
Der Änderung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1999
steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder § 176
Abs. 2 AO entgegen.
a) Nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO darf bei der
Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des
Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die
Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert
hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der
Finanzbehörde angewendet worden ist. Die Vorschrift setzt nach
ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass ein im Wesentlichen
gleichgelagerter Fall anders entschieden wird als bisher
(BFH-Urteile vom 7.12.1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989,
421 = SIS 89 15 49; vom 3.2.1993 I R 61/91, BFHE 170, 257, BStBl II
1993, 459 = SIS 93 10 17; vom 23.2.1994 X R 123/92, BFHE 174, 73,
BStBl II 1994, 690 = SIS 94 12 08; vom 8.2.1995 I R 127/93, BFHE
177, 332, BStBl II 1995, 764 = SIS 95 16 51; vom 20.8.1997 X R
58/93, BFH/NV 1998, 314 = SIS 98 03 72).
b) Im Hinblick auf die durch den Kläger als
Vorstandsmitglied erbrachten Leistungen liegt keine geänderte
Beurteilung durch die BFH-Rechtsprechung vor. Die sich aus dem
BFH-Urteil in BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 = SIS 83 04 26
ergebende Nichtsteuerbarkeit der Tätigkeit der
Vorstandsmitglieder einer Kassenärztlichen Vereinigung nach
der sog. Organwalter-Rechtsprechung galt nach ständiger
BFH-Rechtsprechung (Urteile in BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42 =
SIS 86 24 29; in BFH/NV 1989, 262, und in BFHE 191, 468, BStBl II
2000, 597 = SIS 00 11 36 - jeweils unter ausdrücklicher
Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 =
SIS 83 04 26 - ) im Falle eines mehrgliedrigen Organs nicht
für die Tätigkeit des einzelnen Organmitglieds, sondern
nur für das Organ in seiner Gesamtheit. Dementsprechend ist
nicht das Mitglied des Aufsichtsrats, sondern der Aufsichtsrat in
seiner Gesamtheit, nicht das Vorstandsmitglied eines Vereins,
sondern der Vereinsvorstand in seiner Gesamtheit und nicht das
einzelne Kommissionsmitglied, sondern die Kommission in ihrer
Gesamtheit Träger der organschaftlichen Befugnisse
(BFH-Urteile in BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42 = SIS 86 24 29 zum
Aufsichtrat; in BFH/NV 1989, 262 zum Vereinsvorstand, und in BFHE
191, 468, BStBl II 2000, 597 = SIS 00 11 36 zur Kommission). Diese
nur eingeschränkte Geltung der Organwalter-Theorie ist auch
bei der Anwendung von § 176 AO zu berücksichtigen, da es
für den nach dieser Vorschrift zu gewährenden
Vertrauensschutz allein auf die sich nach der früheren
Rechtsprechung ergebende Rechtslage ankommt, ohne dass es dabei
eine Rolle spielt, ob sich der erkennende Senat dieser
früheren Rechtsprechung angeschlossen hätte.
Danach war im Streitfall der
Kläger nicht als Organ im Sinne der früheren
Rechtsprechung tätig. Denn nach § 15 der vom FG in Bezug
genommenen Vereinssatzung war er nicht einzelvertretungsbefugt,
sondern konnte den Verein nur gemeinsam mit einem weiteren
Präsidenten oder zusammen mit den Vizepräsidenten nach
§ 26 BGB vertreten.
c) Es ist auch kein Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2
AO zu gewähren. Soweit der Kläger auf die Wiedergabe des
BFH-Urteils in BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 = SIS 83 04 26
durch Abschn. 1 Abs. 8 UStR hinweist, kommt dem keine weitergehende
Bedeutung als der Fortführung dieser Rechtsprechung durch die
BFH-Urteile in BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42 = SIS 86 24 29; in
BFH/NV 1989, 262, und in BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597 = SIS 00 11 36 zu.