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Keine Zurechnung von Kenntnissen der Oberbehörde im Rahmen des § 173 Abs. 1 AO, keine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft für das Veranlagungsverfahren

Keine Zurechnung von Kenntnissen der Oberbehörde im Rahmen des § 173 Abs. 1 AO, keine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft für das Veranlagungsverfahren: 1. Kenntnisse einer weisungsbefugten Oberbehörde über eine dem Veranlagungsfinanzamt bei der Steuerfestsetzung nicht bekannte Tatsache muss sich dieses im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht zurechnen lassen. - 2. Der Inhalt einer im Lohnsteuerabzugsverfahren dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft bindet die Wohnsitzfinanzämter bei der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer nicht. - 3. Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG steht der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Veranlagungsverfahren nicht entgegen. - Urt.; BFH 13.1.2011, VI R 61/09; SIS 11 06 54

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 13.01.2011, VI R 61/09
    BStBl 2011 II S. 479
    DStR 2011 S. 521
    LEXinform 0927798

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 19.5.2011
    M.S. in StuB 7/2011 S. 269
    jh in StuB 7/2011 S. 275
    -/- in NWB 12/2011 S. 955
    S.K. in HFR 5/2011 S. 516
    St.Sch. in BFH/PR 5/2011 S. 205
    R.P./Ch.F. in BB 21/2011 S. 1317
Normen
[EStG] § 42 d Abs. 3 Satz 4, § 42 e
[AO 1977] § 173 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 05.11.2009, SIS 10 24 35, Nachteilsausgleich, Tatsache, Treu und Glauben, Anrufungsauskunft, Negative Einnahme, Bindungswirkung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BMF 12.12.2023, SIS 23 21 26, Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen: Das BMF-Schreiben zur steuer...
  • BFH 15.11.2022, SIS 23 03 46, Kein Zufluss von Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag bei nur buchmäßigem Ausweis der Zinsen auf einem Bo...
  • Niedersächsisches FG 6.9.2022, SIS 22 20 52, Veranlassungszusammenhang bei Grundschuldbestellungen: 1. Werden an den Grundstücken eines Steuerpflichti...
  • BFH 10.9.2020, SIS 20 20 54, Unbeachtlichkeit des Verschuldens bei Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids nach § 181 Abs. 1 Satz ...
  • BFH 26.5.2020, SIS 20 13 06, Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO: 1...
  • FG Baden-Württemberg 26.2.2020, SIS 20 11 62, Veräußerungserlös aus einer Managementbeteiligung als geldwerter Vorteil bei den Einkünften aus nichtselb...
  • BFH 22.5.2019, SIS 19 13 24, Gezahlte Optionsprämie als Teil der Anschaffungskosten der nach Optionsausübung zum Basispreis erworbenen...
  • FG Münster 12.4.2019, SIS 19 10 61, VGA aus Ausfällen von Forderungen einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter: 1. Eine Darlehensgewährung z...
  • FG Münster 9.4.2019, SIS 19 07 75, Steuerverstrickung von mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken bei LuF: 1. Die Entnahme eines Grundstüc...
  • FG München 3.4.2019, SIS 19 16 15, Abruf der beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherten Adressdaten des Vollstreckungsschuldners durch ...
  • BFH 12.3.2019, SIS 19 11 93, Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsache: 1. Bekannt sind alle Tatsachen, die dem für die ...
  • FG Berlin-Brandenburg 13.12.2018, SIS 21 21 00, Theaterbetriebszulage als steuerfreier Zuschlag für Nachtarbeit und für Sonntags- und Feiertagsarbeit: 1....
  • OFD Nordrhein-Westfalen 15.8.2018, SIS 18 15 69, Nettolohnvereinbarung: Die OFD Nordrhein-Westfalen hat die sehr ausführliche Verfügung zu steuerlichen Fr...
  • FG Hamburg 9.8.2018, SIS 18 16 36, Kein Ausgleich nach § 174 AO bei unzutreffender Umsetzung der Wechselwirkung von KStG und GewStG: Wenn da...
  • BMF 3.5.2018, SIS 18 07 89, Besteuerung des Arbeitslohns nach den DBA: Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns...
  • FG Köln 25.10.2017, SIS 18 01 52, Mehrere Räume, Mittelpunkt der Gesamttätigkeit: 1. Mehrere betrieblich genutzte Räume in der Privatwohnun...
  • FG München 22.8.2017, SIS 18 03 62, Änderungsbefugnis wegen neuer Tatsachen nach Rücktrag von Kirchensteuererstattungen: 1. Steuerbescheid i....
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  • BFH 21.2.2017, SIS 17 08 91, Zum Verhältnis einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Feststellu...
  • FG München 3.6.2016, SIS 17 15 16, Barlohnumwandlung, Arbeitgeberzahlungen für Fahrtkosten als Arbeitslohn: Fahrtkostenzuschüsse, die der Ar...
  • BFH 22.3.2016, SIS 16 16 45, Nichtanschaffung ist kein Tatbestandsmerkmal für die Auflösung der Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 4 S...
  • FG Düsseldorf 14.1.2016, SIS 16 08 90, Änderung wegen neuer Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen, Höhe des geldwerten Vorteils einer Dienst...
  • FG Köln 26.8.2015, SIS 15 27 49, Änderung von Steuerbescheiden, Reichweite der Ermittlungspflicht des FA im Zusammenhang mit dem Verzicht ...
  • BFH 18.8.2015, SIS 15 26 69, Kenntnis des Finanzamts von Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen des § 82 InsO: Die Verletzung der...
  • BFH 18.6.2015, SIS 15 21 35, Steuerfreiheit von Trinkgeldern: 1. Freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten eine...
  • BFH 18.12.2014, SIS 15 06 31, Änderungsbefugnis wegen neuer Tatsachen bei Aufnahme von Vorläufigkeitsvermerken: 1. Wird ein Steuerbesch...
  • BMF 12.11.2014, SIS 14 32 20, Besteuerung des Arbeitslohns nach den DBA: Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.5.2014, SIS 14 20 31, Trinkgelder der Saalassistenten einer Spielbank für Kellerdienstleistungen bei verbindlichem, tariflichem...
  • FG Hamburg 25.10.2013, SIS 14 03 11, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bzw. neuer Tatsachen: 1. Die Vorlage einer Kinderfreibeträge ...
  • BFH 17.10.2013, SIS 13 34 21, Bindungswirkung einer Lohnsteueranrufungsauskunft auch gegenüber dem Arbeitnehmer: 1. Erteilt das Betrieb...
  • FG München 22.4.2013, SIS 14 02 37, Geldwerter Vorteil bei Nutzung eines Pkw im Wege des verbilligten Behördenleasings, Sonderkonditionen aus...
  • FG Düsseldorf 18.4.2013, SIS 13 28 91, Arbeitslohn durch Zuwendung einer Maßnahme der allgemeinen Gesundheitsvorsorge, Möglichkeit der Aufteilun...
  • BFH 13.6.2012, SIS 12 28 18, Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO: 1. Der Finanzbehörde gilt nur der Inh...
  • FG Düsseldorf 24.4.2012, SIS 12 22 94, Lohnsteuernachforderung gegenüber dem Arbeitnehmer, Bindung an unrichtige Anrufungsauskunft: 1. Wird ein ...
  • BFH 8.9.2011, SIS 11 39 15, Erhebung von Lotteriesteuer auf Absprung- und Lagerlosgewinne, Kenntnisse anderer Behörden bei § 173 AO o...
  • FG Köln 10.2.2011, SIS 11 17 92, Keine erweiterte Kürzung bei atypisch stiller Beteiligung: Der Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9...
Fachaufsätze
  • LIT 02 19 19 R. Prowatke/Ch. Felten, BB 21/2011 S. 1317: Lohnsteueranrufungsauskunft des Arbeitgebers hat keine Bindungswirkung für das Wohnsitzfinanzamt - BB-Kom...

 

1

I. Streitig ist, ob das Wohnsitzfinanzamt den Einkommensteuerbescheid eines Arbeitnehmers nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern darf, obwohl eine positive Anrufungsauskunft im Lohnsteuerabzugsverfahren die Vorgehensweise des Arbeitgebers erlaubte, und ob sich das Wohnsitzfinanzamt Kenntnisse seiner vorgesetzten Behörde oder einer zentralen Außenprüfungsstelle zurechnen lassen muss.

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter der A-GmbH. Er wurde im Streitjahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 wurde am 16.7.2007 erklärungsgemäß erlassen.

 

 

3

Die A-GmbH war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt X. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10.1.2001 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm die Zusatzversorgungskasse Y (YZVK) das Vermögen der ZVK. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden mit Wirkung ab 1.1.2001 Mitglieder der YZVK. Sie hatten an die YZVK zum Ausgleich der mit der Übernahme für die YZVK verbundenen Nachteile eine Ausgleichszahlung zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich für die A-GmbH auf 49 Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die A-GmbH behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erhöhte Umlage und erhob die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die A-GmbH die entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.

 

 

4

Im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 14.9.2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532 = SIS 05 45 98) teilte die A-GmbH dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt mit Schreiben vom 6.12.2005 mit, dass sie eine „Stornierung der zu Unrecht versteuerten geldwerten Vorteile aus Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 - 2005“ beabsichtige. Sie beantragte eine Auskunft gemäß § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt in der Weise, dass es ihr, der A-GmbH, erlaubt sei, sämtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen im laufenden Lohnzahlungszeitraum in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem Antrag entsprach das zuständige Finanzamt im Juni 2006. Die A-GmbH machte in der Lohnabrechnung für September 2006 von der Zusage Gebrauch und verrechnete die laufenden Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgeführten Lohnsteuer. Im September 2006 wurde diese Anrufungsauskunft widerrufen. Die dagegen von der A-GmbH erhobene Klage war letztlich erfolgreich (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.9.2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500 = SIS 10 33 60) und der Widerruf der Anrufungsauskunft wurde aufgehoben.

 

 

5

Im November 2008 erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ), das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, eine Kontrollmitteilung der Zentralen Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST). Die ZALST informierte das FA darüber, dass die A-GmbH als Arbeitgeberin des Klägers im Lohnzeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 5.035,23 EUR gemindert habe. Die A-GmbH sei von negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in dieser Höhe ausgegangen. Allerdings entspreche dieser Betrag der Summe, welche die A-GmbH für den Kläger in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht als Arbeitslohn erfasst habe.

 

 

6

Das FA erließ daraufhin am 2.1.2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 5.035,23 EUR.

 

 

7

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

 

 

8

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

9

Der Kläger beantragt, 1. das Urteil des FG Düsseldorf, ergangen aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5.11.2009 unter dem Az. 11 K 832/09 E, aufzuheben, 2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 2.1.2009 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 5.2.2009, i.d.F. vom 5.11.2009, aufzuheben.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2006 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtmäßig war.

 

 

12

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

 

 

13

a) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Abweichung des von der A-GmbH auf der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgewiesenen Bruttoarbeitslohns zu den tatsächlich zugeflossenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist.

 

 

14

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung dem FA erst nachträglich bekannt geworden.

 

 

15

aa) Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das FA bei Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13.9.2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2 = SIS 02 01 81, m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Kenntnisstand ist die abschließende Zeichnung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten (BFH-Urteil vom 27.11.2001 VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473 = SIS 02 58 06). Daher wird eine Tatsache der Finanzbehörde bekannt, wenn diejenigen Personen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen haben, positive Kenntnis darüber erlangen (BFH-Urteil vom 28.4.1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458 = SIS 98 16 74; BFH-Beschluss vom 16.1.2002 VIII B 96/01, BFH/NV 2002, 621 = SIS 02 62 08, m.w.N.). Hierbei handelt es sich um den Vorsteher, den Sachgebietsleiter und den Sachbearbeiter, weil nur diese Personen die Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen repräsentieren und den Steuerbescheid verantworten (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458 = SIS 98 16 74). Bekannt sind der zuständigen Dienststelle jedoch neben dem Inhalt der dort geführten Akten auch sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 20.6.1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492 = SIS 85 18 44, und die dort erwähnte Rechtsprechung). Wissen eines Außenprüfers führt nicht zu eigenen Kenntnissen der zuständigen Veranlagungsdienststelle, wenn der Außenprüfer nicht selbst die Steuern festsetzt (BFH-Urteil vom 3.5.1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221). Kennt eine andere als die für die Bearbeitung des Steuerfalls zuständige Dienststelle die betreffende Tatsache, so ist sie deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492 = SIS 85 18 44).

 

 

16

bb) Nach diesen Grundsätzen ist dem FA die Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers nachträglich bekannt geworden. Die für die Veranlagung der Einkommensteuer des Klägers zuständige Dienststelle selbst hatte nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung der Erstveranlagung keine positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Lohnsteuerbescheinigung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Dienststelle fallbezogene elektronische Informationen als bekannt zurechnen lassen müsste. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Erstveranlagung Bearbeiterhinweise oder Anweisungen für den Sachbearbeiter in Bezug auf die falschen Lohnsteuerbescheinigungen der A-GmbH abrufbar gewesen wären.

 

 

17

Zudem hat das FG zutreffend entschieden, dass mögliche Kenntnisse der ZALST oder der Oberfinanzdirektion (OFD) über die fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung des Klägers am Tag der abschließenden Zeichnung dem FA nicht zugerechnet werden können. Für eventuelle Kenntnisse der ZALST entfällt eine Zurechnung schon deswegen, weil diese nicht für die Veranlagung der Einkommensteuer der einzelnen Arbeitnehmer zuständig ist. Unterstellte Kenntnisse der OFD sind der Veranlagungsdienststelle deshalb nicht zuzurechnen, weil die OFD organisationsmäßig gerade nicht zur Bearbeitung konkreter Steuerfälle berufen ist. Gegenüber dem Steuerpflichtigen handelt auch dann nur das zuständige Veranlagungsfinanzamt, wenn die OFD von ihrem Recht, sich in die Bearbeitung bestimmter Einzelfälle einzuschalten (§ 13 Abs. 3 i.V.m. §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 2 des Landesorganisationsgesetzes - LOG NRW - ), Gebrauch macht. Die OFD hat die Inhalte eines Steuerbescheids gegenüber einem Steuerpflichtigen nicht zu verantworten. Rechtsmittelgegner ist und bleibt das FA, auch wenn die OFD interne Weisungen im Einzelfall erteilt hat. Dann aber ist es sachgerecht, dass sich das FA eine etwaige Kenntnis der OFD nicht zurechnen lassen muss.

 

 

18

Nach alledem kann das Vorbringen der Revision, dass sich das FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die nachträgliche Kenntnis von Tatsachen berufen könne, weil die Unkenntnis nur auf ein pflichtwidriges Verhalten der OFD zurückzuführen sei, nicht durchgreifen. Wenn sich das FA positive Kenntnisse der OFD nicht zurechnen lassen muss, kann eine auf pflichtwidrigem Unterlassen beruhende Unkenntnis der OFD nicht über den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Kenntniszurechnung beim FA führen. Selbst wenn daher die OFD verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt zeitnah aufzuklären und die Wohnsitzfinanzämter vor den ersten Veranlagungen zu informieren, könnte dies nicht dazu führen, dass dem FA eine Berufung auf die nachträglich bekannt gewordene Tatsache verwehrt wäre.

 

 

19

c) Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache war rechtserheblich für die fehlerhafte Erstveranlagung. Rechtserheblich ist eine Tatsache dann, wenn das FA bei Kenntnis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Festsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine höhere Steuer festgesetzt hätte (Beschluss des Großen Senats vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180 = SIS 88 05 47). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache zutreffend entschieden hätte (Senatsurteil vom 11.2.2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628 = SIS 10 08 18).

 

 

20

In Anwendung dieser Grundsätze ist das FG zu Recht von der Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache der fehlerhaften Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgegangen. Das FA hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die von der A-GmbH verrechneten negativen Einnahmen den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit hinzugerechnet und damit eine höhere Steuer festgesetzt. Die von der A-GmbH vorgenommene Verrechnung des Bruttoarbeitslohns mit negativen Einnahmen war rechtswidrig.

 

 

21

d) Weder die der A-GmbH erteilte Anrufungsauskunft noch die Vorschrift des § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG standen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO entgegen.

 

 

22

aa) Der Kläger hatte im Veranlagungsjahr 2006 weder negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit noch Werbungskosten. Beide Tatbestände setzen voraus, dass beim Arbeitnehmer Güter abfließen oder Aufwendungen entstehen (Senatsurteile vom 12.11.2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435, BStBl II 2010, 845 = SIS 10 02 65; vom 17.9.2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299 = SIS 09 34 52; Senatsbeschluss vom 10.8.2010 VI R 1/08, BFHE 230, 173, BStBl II 2010, 1074 = SIS 10 26 87). Beim Kläger war dies nach den Feststellungen des FG im Jahr 2006 nicht der Fall.

 

 

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der tatsächliche Abfluss von Gütern auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Besteuerung der Zusatzbeiträge in den Vorjahren auf fiktiven Einnahmen beruht habe. Die Auffassung des Klägers beruht auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei späterer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen führen müssen. Dies würde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgelöste Gesamtbetrachtung eines Vorganges ermöglichen müsste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz im Allgemeinen (BFH-Urteil vom 26.2.2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796 = SIS 02 08 29) und zur Beurteilung von Arbeitslohn im Besonderen fremd (Senatsbeschluss vom 19.2.2004 VI B 146/02, DStRE 2004, 560 = SIS 04 29 46). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen materielle Fehler, können diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem nächsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler - als Ausgleich - bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796 = SIS 02 08 29). Die Abgabenordnung regelt mit ihren Änderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzuräumen ist. Kann eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler.

 

 

24

bb) Auch die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die der A-GmbH vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt erteilt wurde, steht einer Änderung des bisher falschen Ansatzes des Bruttoarbeitslohns durch das FA nicht entgegen. Denn das FA ist an die Inhalte dieser Anrufungsauskunft nicht gebunden. Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die nach der neueren Senatsrechtsprechung ein feststellender Verwaltungsakt ist (Urteil vom 30.4.2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996 = SIS 09 22 54), bindet ausschließlich das erteilende Betriebsstättenfinanzamt im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens (Senatsurteil vom 9.10.1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166 = SIS 92 24 28; Senatsbeschluss vom 22.5.2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658 = SIS 07 27 62). Hieran ändert die Qualifikation der Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt nichts (vgl. Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 30, 38). Auch als Verwaltungsakt wird die Anrufungsauskunft ohne Mitwirkung des Wohnsitzfinanzamts erteilt. Hätte der Gesetzgeber eine über das Betriebsstättenfinanzamt hinausgehende Bindungswirkung herbeiführen wollen, dann hätte er entweder die für die Arbeitnehmer zuständigen Wohnsitzfinanzämter in das Verfahren der Anrufungsauskunft einbeziehen oder die Anrufungsauskunft selbst als Grundlagenbescheid ausgestalten müssen. Zudem ist das Lohnsteuerabzugsverfahren ein Vorauszahlungsverfahren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 = SIS 97 14 55), dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38 Rz A 7).

 

 

25

cc) Schließlich steht § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG der Änderung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer für seine Lohnsteuer nur in bestimmten Fällen als Gesamtschuldner neben dem Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger vorliegend als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden könnte. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass diese Vorschrift trotz ihres irreführenden Wortlauts keine Auswirkungen auf das Veranlagungsverfahren hat (Urteil vom 17.5.1985 VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660 = SIS 85 20 28). Es handelt sich um eine Regelung des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Damit gelten die Beschränkungen für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nur innerhalb dieses Verfahrens. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz durchbrechen wollte und die Vorschrift zur gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers lediglich systematisch unzutreffend eingeordnet hat, sind nicht erkennbar. Daher kann der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren uneingeschränkt in Anspruch genommen werden.

 

 

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e) Zu Recht ging das FG auch davon aus, dass das FA nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert war. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Steuerrecht anzuwenden ist, kann zwar einer Steuernachforderung und damit auch einer Änderung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen. Dies setzt aber voraus, dass die Nachforderung dem vorausgegangenen Verhalten der Verwaltung widerspricht und der Steuerpflichtige im berechtigten Vertrauen auf dieses Verhalten vermögensrechtliche Dispositionen getroffen hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen (BFH-Urteile vom 5.2.1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; vom 11.8.1972 VI R 262/69, BFHE 107, 127, BStBl II 1973, 35 = SIS 73 00 22). Solche Dipositionen hat der Kläger nicht getroffen. Er hat auch keinen Vermögensschaden dadurch erlitten, dass er nachträglich zu der gesetzlich geschuldeten Steuer herangezogen wurde (Senatsurteil vom 10.7.1964 VI 299/63 U, BFHE 80, 314, BStBl III 1964, 587 = SIS 64 03 46).

 

 

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Im Streitfall fehlt es bereits an einem vom FA gesetzten Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nicht zu erkennen gegeben, dass es die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers später nicht noch einmal ändern wird. Auch das Verhalten der OFD, die den Sachverhalt nicht aufgeklärt und die Wohnsitzfinanzämter nicht entsprechend informiert hat, begründet keinen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Kläger gegenüber dem FA berufen könnte.