Mitarbeiterbeteiligung, Rückabwicklung nach Fehlschlag, Lohnsteuer: 1. Wird ein fehlgeschlagenes Mitarbeiteraktienprogramm rückgängig gemacht, indem zuvor vergünstigt erworbene Aktien an den Arbeitgeber zurückgegeben werden, liegen negative Einnahmen bzw. Werbungskosten vor. - 2. Die Höhe des Erwerbsaufwands bemisst sich in einem solchen Fall nach dem ursprünglich gewährten geldwerten Vorteil; zwischenzeitlich eingetretene Wertveränderungen der Aktien sind unbeachtlich. - Urt.; BFH 17.9.2009, VI R 17/08; SIS 09 34 52
I. Streitig ist, in welcher Höhe durch
die Rückgabe von im Wert gestiegenen Aktien negativer
Arbeitslohn bei der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 zu
berücksichtigen ist.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem ...
börsennotiert. Der Emissionspreis für Privatanleger
betrug 12 EUR pro Aktie. Im Vorfeld des Börsenganges hatte die
Klägerin geplant, ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auf
Aktienbasis für ihre Führungskräfte aufzulegen. Dazu
hatte sie einen Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft
gemäß § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG)
gestellt, mit der ihr bestätigt werden sollte, dass als
Bewertungsgrundlage für die Bewertung der im Rahmen des
Mitarbeiteraktienprogramms ausgegebenen Aktien ausschließlich
das Stuttgarter Verfahren anzuwenden sei. Im Laufe des Verfahrens
über die Anrufungsauskunft modifizierte die Klägerin ihr
Mitarbeiteraktienprogramm dahingehend, dass die den Mitarbeitern
gewährten Aktien zurückzuübertragen seien, wenn die
beantragte Anrufungsauskunft nicht bis zum 27.10.2006
vorliege.
Die Mitarbeiter der Klägerin erhielten
Aktien zum Preis von 0,25 EUR pro Aktie. Die Anrufungsauskunft
wurde jedoch nicht in der beantragten Form erteilt, da der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung
vertrat, dass der zu versteuernde geldwerte Vorteil aus der
verbilligten Überlassung der Aktien nach dem Börsenkurs
für Privatanleger am Tag der Börseneinführung und
damit in Höhe von 11,75 EUR je Aktie zu bemessen sei. Am
27.11.2006 haben die teilnehmenden Mitarbeiter der Klägerin
das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien auf einen
Treuhänder, dessen Vermögen der Klägerin zuzurechnen
ist, übertragen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Aktienkurs bei
16,24 EUR. Die Klägerin ermittelte den durch die
Rückübertragung entstandenen „geldwerten
Nachteil“ ihrer Mitarbeiter unter Zugrundelegung des
gestiegenen Börsenkurses und machte mit der
Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 negativen Arbeitslohn
in Höhe von 15,99 EUR je zugewendeter Aktie (16,24 EUR - 0,25
EUR <Anschaffungskosten>) geltend. Das FA versagte seine
Zustimmung zu dieser Lohnsteuer-Anmeldung, die insgesamt einen
Betrag in Höhe von ./. 135.526,81 EUR auswies, und
erließ eine geänderte Lohnsteuer-Anmeldung, in der
lediglich der ursprünglich angesetzte geldwerte Vorteil in
Höhe von 11,75 EUR rückgängig gemacht wurde. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in EFG 2008, 1280 = SIS 08 22 70 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Berlin-Brandenburg vom 19.3.2008 12 K 9231/07 und die
Einspruchsentscheidung des FA vom 19.6.2007 aufzuheben sowie unter
Abänderung der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 vom
29.3.2007 die Lohnsteuer in Höhe von 125.604,17 EUR und den
Solidaritätszuschlag in Höhe von 6.935,45 EUR als
Erstattungsbeträge festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht darauf
erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Festsetzung
des beantragten Erstattungsbetrags in der Lohnsteuer-Anmeldung
für Dezember 2006 hat.
1. Zahlt ein Arbeitnehmer Arbeitslohn
zurück, der dem Lohnsteuerabzug unterlegen hat, so bleibt der
früher gezahlte Arbeitslohn zugeflossen (§ 11 Abs. 1
EStG; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.11.2006 VI R 2/05,
BFHE 215, 481, BStBl II 2007, 315 = SIS 07 03 21, m.w.N., und vom
7.5.2009 VI R 37/08, BFHE 225, 106, BFH/NV 2009, 1513 = SIS 09 22 14). Die zurückgezahlten Beträge sind vielmehr im
Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen oder
Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. dazu Senatsurteile vom
4.5.2006 VI R 33/03, BFHE 214, 92, BStBl II 2006, 911 = SIS 06 37 88, und vom 5.7.2007 VI R 58/05, BFHE 218, 320, BStBl II 2007, 774
= SIS 07 27 20).
a) Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG
alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem
Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert
umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende
Güter beim Steuerpflichtigen abfließen. Werbungskosten
setzen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG u.a. Aufwendungen des
Steuerpflichtigen voraus. Des Weiteren sind
Arbeitslohnrückzahlungen nur anzunehmen, wenn es sich um
Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der Vorgang
also als „actus contrarius“ zur Lohnzahlung
darstellt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten
Beträgen fort (BFH-Urteil in BFHE 225, 106, BFH/NV 2009, 1513
= SIS 09 22 14).
b) Zahlt ein Steuerpflichtiger, dem Einnahmen
zugeflossen sind, diese Einnahmen im gleichen Kalenderjahr ganz
oder zum Teil an seinen Arbeitgeber zurück, kann der
Arbeitgeber den als Lohn zu versteuernden laufenden Arbeitslohn
(§ 39b Abs. 2 EStG) um die zurückgezahlten Beträge
kürzen und die Lohnsteuer nur von dem die zurückgezahlten
Beträge übersteigenden Arbeitslohn berechnen
(Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 39b Rz 8; Trzaskalik,
in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39b Rz C 12).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen haben
das FG und die Beteiligten die Rückübertragung der Aktien
am 27.11.2006 auf den Treuhänder zutreffend als
Rückzahlung von Arbeitslohn behandelt und in der
Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006
berücksichtigt.
2. Das FG hat auch zu Recht den laufenden
Arbeitslohn für Dezember 2006 in der Lohnsteuer-Anmeldung
Dezember 2006 lediglich um den ursprünglichen, aus der
verbilligten Überlassung der Aktien ermittelten geldwerten
Vorteil in Höhe von 11,75 EUR je Aktie gekürzt. Nur in
dieser Höhe ist den am Mitarbeiteraktienprogramm teilnehmenden
Arbeitnehmern durch die Rückgabe der Aktien Erwerbsaufwand
entstanden.
a) Dies folgt aus dem Umstand, dass nach den
unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen des FG wegen des
Eintritts der auflösenden Bedingung - dem Ausbleiben der
begehrten Anrufungsauskunft - die verbilligt ausgegebenen
Mitarbeiteraktien von den Arbeitnehmern
„zurückzuübertragen“ waren. Der
Rückgewähranspruch der Klägerin richtet sich damit
im Streitfall allein auf die
„gegenständliche“ Rückgabe der konkret
ausgegebenen Aktien. Eine Verpflichtung zum Ausgleich von
Wertveränderungen haben sich die Beteiligten des
Aktienprogramms nicht auferlegt. Die „Modifizierung des
Mitarbeiteraktienprogramms“ zielt vorliegend nach ihrem
wirtschaftlichen Gehalt vielmehr auf die Beseitigung der mit der
Ausgabe der Aktien bewirkten Rechtsfolgen „ex
tunc“. Folglich stellt sich die Rückgabe der Papiere
auch nur insoweit als „actus contrarius“ zu
einer Lohnzahlung und damit als durch das Arbeitsverhältnis
veranlasste negative Einnahme bzw. Erwerbsaufwand dar, als der
ursprünglich gewährte geldwerte Vorteil
zurückgegeben worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 106,
BFH/NV 2009, 1513 = SIS 09 22 14).
b) Dass das FA die Höhe der negativen
Einnahmen nicht nach dem gemeinen Wert der Aktien zum Zeitpunkt der
Rückgabe bemessen hat, stellt deshalb keinen Verstoß
gegen das objektive Nettoprinzip dar. Insbesondere ist die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der am
Mitarbeiteraktienprogramm teilnehmenden Arbeitnehmer durch die
Rückgabe der Aktien im Streitfall - entgegen der Auffassung
der Klägerin - nicht um den Saldo aus aktuellem Kurswert der
Papiere in Höhe von 16,24 EUR (üblicher Endpreis am
Abgabeort bzw. gemeiner Wert) und den (historischen)
Anschaffungskosten in Höhe von 0,25 EUR gemindert worden. Ein
solcher Vermögenszuwachs stünde den Arbeitnehmern, selbst
wenn sie ihn im Rahmen einer abredewidrigen
Anteilsveräußerung realisiert hätten, nicht zu.
Denn angesichts der „gegenständlichen“
Rückgabeverpflichtung wären die Arbeitnehmer verpflichtet
gewesen, den Veräußerungserlös bis auf ihre
Anschaffungskosten in Höhe von 0,25 EUR an den Arbeitgeber
auszukehren, selbst wenn sie wegen des gestiegenen Aktienwertes
einen Mehrerlös erzielt hätten. Eine
Vermögensmehrung hat der gestiegene Börsenkurs den
Arbeitnehmern folglich nicht vermittelt. Im Ergebnis erschöpft
sich die Rückübertragung der Aktien in der
Rückgewähr des ursprünglich zugewandten geldwerten
Vorteils in Höhe von 11,75 EUR je Aktie. Eine darüber
hinausgehende wirtschaftliche Belastung vermag die
Rückabwicklung des Mitarbeiteraktienprogramms nicht zu
bewirken, da die verbilligt erworbenen Aktien von Anbeginn an mit
der „gegenständlichen“
Rückgabeverpflichtung belegt waren.
c) § 19a EStG in der im Streitjahr
geltenden Fassung rechtfertigt das Begehren der Klägerin
ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift besteht die steuerlich
maßgebliche Bereicherung des Arbeitnehmers bei der
Überlassung von Vermögensbeteiligungen in Höhe der
Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Beteiligung (§ 19a
Abs. 2 Satz 1 EStG) und - bei verbilligter Überlassung - der
Zuzahlung des Arbeitnehmers (Breinersdorfer, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19a Rz B 13). Als
Bewertungsmaßstab für die Bemessung negativer Einnahmen
kann die Vorschrift jedenfalls dann nicht herangezogen werden, wenn
- wie im Streitfall - lediglich ein zuvor gewährter geldwerter
Vorteil rückgängig gemacht werden soll.