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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids
zu Lasten des Arbeitnehmers.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Arbeitnehmer der G-GmbH (GmbH). Die GmbH war
zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt
„E-Stadt“. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den
Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch
zu verschaffen. Entsprechend einer am 10.1.2001 abgeschlossenen
Vereinbarung übernahm die ZVK „L-Stadt“ das
Vermögen der ZVK „E-Stadt“. Die bisherigen
Mitglieder der ZVK „E-Stadt“ wurden mit Wirkung ab dem
1.1.2001 Mitglieder der ZVK „L-Stadt“. Zum Ausgleich
der mit der Übernahme der ZVK „E-Stadt“ für
die ZVK „L-Stadt“ verbundenen Nachteile hatte die ZVK
„E-Stadt“ eine Ausgleichszahlung (sog.
Nachteilsausgleich) an die ZVK „L-Stadt“ zu leisten.
Sie behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als
erhöhte Umlage und erhob Lohnsteuer mit einem
Pauschalsteuersatz gemäß § 40b des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die
Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die GmbH die
entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.
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Mit Urteil vom 14.9.2005 VI R 148/98 (BFHE
210, 443, BStBl II 2006, 532 = SIS 05 45 98) entschied der
erkennende Senat, dass die Nachteilsausgleichszahlungen keinen
Arbeitslohn darstellten. Im Anschluss an diese Entscheidung
beantragte die GmbH beim zuständigen
Betriebsstättenfinanzamt „E-Stadt“ eine
Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, wonach es ihr erlaubt sei,
sämtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen
der Jahre 2002 bis 2005 im laufenden Lohnsteuerzahlungszeitraum des
Jahres 2006 in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem
Antrag gab das Betriebsstättenfinanzamt am 29.6.2006 statt.
Die GmbH machte in der Lohnsteuerabrechnung für September 2006
von der Auskunft Gebrauch und verrechnete die laufenden
Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen
im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen
abgeführten Lohnsteuer, auch soweit das Jahr 2001 betroffen
war. Mit Schreiben vom 20.9.2006 widerrief das
Betriebsstättenfinanzamt seine Anrufungsauskunft vom
29.6.2006. Die dagegen von der GmbH erhobene Klage war in der
Revisionsinstanz erfolgreich. Der Senat hob die
Aufhebungsverfügung des Betriebsstättenfinanzamts vom
20.9.2006 mit Urteil vom 2.9.2010 VI R 3/09 (BFHE 230, 500, BStBl
II 2011, 233 = SIS 10 33 60) auf.
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Am 21.11.2008 erhielt der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) als Wohnsitzfinanzamt des
Klägers eine Kontrollmitteilung der Zentralen
Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALSt). Die ZALSt
informierte das FA darüber, dass die GmbH als Arbeitgeber des
Klägers im Lohnsteuerzahlungszeitraum September 2006 den
Bruttoarbeitslohn des Klägers um 4.082,63 EUR gemindert habe.
Die GmbH sei unzutreffenderweise davon ausgegangen, dass in dieser
Höhe negativer Arbeitslohn des Klägers vorgelegen habe.
Bei dem Betrag handele es sich um die Summe der in den Jahren 2001
bis 2005 auf den Kläger entfallenden und individuell
versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen der GmbH an die ZVK
„L-Stadt“.
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Das FA erließ daraufhin
gegenüber dem Kläger, der mangels Antrag im Streitjahr
nicht zur Einkommensteuer veranlagt worden ist (§ 46 Abs. 2
Nr. 8 EStG), unter dem Datum 12.12.2008 einen Bescheid über
die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer sowie von
nachzuforderndem Solidaritätszuschlag. Der
Lohnsteuernachforderungsbetrag wurde auf 1.154 EUR und der
Solidaritätszuschlag auf 63,47 EUR festgesetzt. Die nach
erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG)
aus den in EFG 2012, 1781 = SIS 12 22 94 veröffentlichten
Gründen ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt, das Urteil des FG
Düsseldorf vom 24.4.2012 13 K 799/09 L sowie den Bescheid
über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer sowie von
nachzuforderndem Solidaritätszuschlag vom 12.12.2008 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.6.2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der angefochtene
Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid sowie die dazugehörige
Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den
Kläger in seinen Rechten. Sie waren daher gemäß
§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.
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1. Nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG
kann das FA den Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer in
Anspruch nehmen, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht
vorschriftsmäßig angemeldet hat (zu § 42d Abs. 3
Satz 4 Nr. 1 EStG als „Anspruchsgrundlage“ vgl.
Senatsentscheidung vom 13.1.1989 VI R 153/85, BFHE 156, 99, BStBl
II 1989, 447 = SIS 89 13 46; FG München, Urteil vom 15.5.2003
11 K 2986/02, EFG 2003, 1281 = SIS 03 38 80; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rz D 5, D 7;
Wagner, in Heuermann/Wagner, Lohnsteuer J Rz 131;
Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Nachforderung
von Lohnsteuer Rz 31, 35).
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a) Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der
Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Nicht einbehaltene und nicht
abgeführte Lohnsteuer kann deshalb von der Finanzbehörde
grundsätzlich von ihm nachgefordert werden, und zwar auch
dann, wenn das Kalenderjahr abgelaufen ist (Schmidt/Krüger,
EStG, 32. Aufl., § 42d Rz 22; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rz D 7; Wagner,
a.a.O., Lohnsteuer J Rz 132). Denn der Lohnsteueranspruch erlischt
nicht, wenn die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres
gemäß § 36 Abs. 1 EStG entsteht
(Schmidt/Krüger, a.a.O., § 42d Rz 22; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rz D 7; Wagner,
a.a.O., Lohnsteuer J Rz 132). Allerdings ist der
Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid auch in diesem Fall ein
Vorauszahlungsbescheid, sofern das FA - wie vorliegend - lediglich
die Lohnsteuer des fehlerhaften Abführungszeitraums festsetzt
(Schmidt/Krüger, a.a.O., § 42d Rz 22).
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b) Zugleich haftet der Arbeitgeber nach §
42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für nicht einbehaltene und nicht
abgeführte Lohnsteuer. Soweit diese Haftung reicht, sind der
Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3
Satz 1 EStG). Das Betriebsstättenfinanzamt kann die
Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem
Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen
(§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG). Allerdings kann der Arbeitnehmer
nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG für seine Lohnsteuer
als (Gesamt)Schuldner neben dem Arbeitgeber nur in bestimmten
Fällen in Anspruch genommen werden, etwa wenn der Arbeitgeber
die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn
einbehalten hat (vgl. Senatsurteil vom 13.1.2011 VI R 61/09, BFHE
232, 5, BStBl II 2011, 479 = SIS 11 06 54).
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c) An einer vorschriftswidrigen Einbehaltung
und Abführung der Lohnsteuer fehlt es, wenn der Arbeitgeber
eine Anrufungsauskunft eingeholt hat und danach verfahren ist. In
einem solchen Fall kann ihm nicht entgegengehalten werden, er habe
die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten. Das
gilt unabhängig davon, ob die Anrufungsauskunft materiell
richtig oder unrichtig ist (Senatsurteil vom 16.11.2005 VI R 23/02,
BFHE 212, 59, BStBl II 2006, 210 = SIS 06 08 88, m.w.N.;
Schmidt/Krüger, a.a.O., § 42d Rz 3 und § 42e Rz 8
f.). Ist der Arbeitgeber entsprechend einer Anrufungsauskunft
verfahren, hat er den „Weisungen und
Vorschriften“ des Auftrag gebenden Finanzamts Rechnung
getragen und damit die Lohnsteuer vorschriftsmäßig
einbehalten und abgeführt (Schmidt/Krüger, a.a.O., §
42d Rz 3). Der Haftungstatbestand ist in diesen Fällen nicht
erfüllt (Senatsurteil in BFHE 212, 59, BStBl II 2006, 210 =
SIS 06 08 88, m.w.N.; Schmidt/Krüger, a.a.O., § 42d Rz 3;
Blümich/Wagner, § 42d EStG Rz 51; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rz B 1; Gersch in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Rz 24).
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d) Überdies führt die
ordnungsgemäße Abführung der
auskunftsgemäß einbehaltenen Lohnsteuer zum
Erlöschen des Lohnsteueranspruchs des FA (§ 47 der
Abgabenordnung - AO - ). Der Arbeitnehmer (Steuerschuldner) kann
damit nicht mehr auf Zahlung der Lohnsteuer in Anspruch genommen
werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber die
Lohnsteuer aufgrund einer materiell unrichtigen
Lohnsteueranrufungsauskunft einbehalten und abgeführt hat. In
einem solchen Fall wird zwar nicht die Einkommensteuerschuld, aber
die Lohnsteuerschuld i.S. des § 38 Abs. 2 EStG des
Arbeitnehmers wie auch die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers
durch das Finanzamt im Wege der Anrufungsauskunft verbindlich
festgestellt. Es kann daher die vom Arbeitgeber aufgrund einer
unrichtigen Anrufungsauskunft nicht einbehaltene und
abgeführte Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nicht nach § 42d
Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG nachfordern (Blümich/Heuermann,
§ 42e EStG Rz 31; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz 109;
Wagner, a.a.O., Lohnsteuer K Rz 32). Denn die Finanzbehörden
sind zwar nicht im Veranlagungsverfahren, aber im Rahmen des
Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit des Vorauszahlungsverfahrens
(vgl. Senatsurteil in BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479 = SIS 11 06 54, m.w.N.) auch gegenüber dem Arbeitnehmer gebunden
(Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42e
Rz B 13; Dißars, Die Information für Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer (INF) 2003, 862 <865>;
Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 38; Schmidt/Krüger,
a.a.O, § 42d Rz 24 bis zum Abschluss des
Lohnsteuerabzugsverfahrens; a.A. Eisgruber in Kirchhof, EStG, 12.
Aufl., § 42e Rz 6 f.; Frotscher in Frotscher, EStG, Freiburg
2011, § 42e Rz 23). Die Frage nach der Anwendung der
lohnsteuerrechtlichen Vorschriften ist einheitlich zu beantworten
(Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42e
Rz B 13; Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 31; Wagner,
a.a.O., Lohnsteuer K Rz 32). Ob die Anrufungsauskunft nach §
42e EStG insoweit als Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu beurteilen
ist, braucht der Senat hierbei nicht zu entscheiden (so Drenseck,
Verwaltungsakte im Lohn- und Einkommensteuerverfahren, in
Stolterfoht, Grundfragen des Lohnsteuerrechts 1986, 377,
<396>; Schmidt/Krüger, a.a.O., § 42e Rz 9;
Dißars, INF 2003, 862 <865>; Blümich/Heuermann,
§ 42e EStG Rz 31; Seer, a.a.O., § 89 AO Rz 109).
Jedenfalls kann sich der Arbeitgeber auf eine dem Arbeitnehmer
erteilte Auskunft berufen und umgekehrt (Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42e Rz B 13;
Dißars, INF 2003, 862 <864 f.>; Blümich/Heuermann,
§ 42e EStG Rz 31; Seer, a.a.O., § 89 AO Rz 109). An der
gegenteiligen Auffassung, nach der das FA nicht gehindert ist, im
Lohnsteuerverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen anderen,
ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im
Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber (Senatsbeschluss
vom 22.5.2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658 = SIS 07 27 62),
hält der Senat nicht fest. Denn das dem Arbeitnehmer
eingeräumte Antragsrecht wäre ansonsten praktisch
wertlos. Arbeitgeber und Arbeitnehmer wären gezwungen, jeweils
einen gemeinsamen Antrag nach § 42e EStG zu stellen (Seer,
a.a.O., § 89 AO Rz 109).
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2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen
Grundsätzen nicht. Vielmehr steht der streitigen
Lohnsteuernachforderung die dem Arbeitgeber des Klägers am
29.6.2006 im Rahmen des Lohnsteuerabzugs erteilte Anrufungsauskunft
entgegen (vgl. Senatsurteil in BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479 =
SIS 11 06 54). Denn das Nachforderungsverfahren ist die Fortsetzung
des Lohnsteuerabzugsverfahrens (Drenseck, Verwaltungsakte im Lohn-
und Einkommensteuerverfahren, in Stolterfoht, Grundfragen des
Lohnsteuerrechts 1986, 377, <424>).
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