Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.12.2021 -
11 K 14197/20 = SIS 22 02 99 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform
einer Europäischen Aktiengesellschaft ein Unternehmen. Ihr
Stammhaus befindet sich in X in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland). Sie unterhält zahlreiche Zweigniederlassungen
im europäischen und außereuropäischen Ausland;
unter anderem im Königreich der Niederlande, in Japan, in der
Republik Frankreich, im Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland, im Königreich Belgien, in
der Schweizerischen Eidgenossenschaft, im Königreich Spanien,
in der Italienischen Republik, in Australien, im Königreich
Dänemark, in der Hellenischen Republik, in Kanada, in der
Republik Singapur, in Irland und im Königreich Norwegen
(Norwegen). Die dort tätigen und auch im jeweiligen
Beschäftigungsstaat wohnhaften Arbeitnehmer sind
zivilrechtlich bei der Klägerin angestellt.
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Die Mitarbeiter der ausländischen
Zweigniederlassungen kommen in unregelmäßigen
Abständen für kurzfristige Dienstreisen (beispielsweise
für Schulungen, Seminare, Workshops, Projektarbeiten oder
Managementforen) nach Deutschland. Sie halten sich nicht mehr als
183 Tage im Steuer- beziehungsweise Kalenderjahr beziehungsweise
innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während
des betreffenden Jahres beginnt oder endet, in Deutschland auf. Die
Dienstreisen nehmen die Arbeitnehmer im Interesse der jeweiligen
Auslandsniederlassung vor, welche neben der kompletten
Tätigkeitsvergütung auch die Reisekosten trägt. Die
gesamten mit der Tätigkeit dieser Mitarbeiter verbundenen
Kosten erfasst die jeweilige Auslandszweigniederlassung in ihrer
Buchführung. Das Stammhaus erstattet diese Kosten
nicht.
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In der Lohnsteuer-Anmeldung für
Februar 2020 (Streitzeitraum) schätzte die Klägerin in
Übereinstimmung mit einer vom Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) erteilten Anrufungsauskunft die auf die
Inlandsdienstreisen der Mitarbeiter der jeweiligen
ausländischen Zweigniederlassungen entfallenden
Lohnsteuerbeträge.
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Die hiergegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG)
ab.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt,
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das Urteil des Niedersächsischen FG
vom 16.12.2021 - 11 K 14197/20 sowie die Einspruchsentscheidung vom
24.08.2020 aufzuheben und die Lohnsteuer-Anmeldung für Februar
2020 dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuer insoweit
herabgesetzt wird, als sie auf die Vergütungsanteile für
Inlandsreisen der bei ausländischen Betriebsstätten der
Klägerin in DBA-Vertragsstaaten beschäftigten
Arbeitnehmer entfällt.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin
die Lohnsteuer, die auf die Vergütungen ihrer Arbeitnehmer aus
den ausländischen Zweigniederlassungen für deren im
Streitzeitraum durchgeführte Inlandsdienstreisen
entfällt, zu Recht einbehalten und angemeldet hat.
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1. Das FG ist zunächst zutreffend
(stillschweigend) davon ausgegangen, dass die Klage zulässig
ist.
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Die Lohnsteuer-Anmeldung ist eine
Steuererklärung im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 3 der
Abgabenordnung (AO), in der der Arbeitgeber die Steuer selbst zu
berechnen hat. Sie steht einer Steuerfestsetzung unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 167, 168 AO).
Da die Klägerin die Lohnsteuer-Anmeldung für rechtswidrig
hält, kann sie diese, auch wenn die Steuerfestsetzung den
eigenen Angaben folgt, anfechten.
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2. Die in ihrem jeweiligen
Beschäftigungsstaat wohnhaften Arbeitnehmer der Klägerin
sind in Deutschland mit dem für ihre Tätigkeit in
Deutschland bezogenen Arbeitslohn beschränkt steuerpflichtig
(§ 1 Abs. 4, § 19 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 4
Buchst. a des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
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3. Die Klägerin ist, was zwischen den
Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, nach dem nationalen
(Lohn-)Steuerrecht als inländische Arbeitgeberin (§ 38
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zum Einbehalt (§ 38 Abs. 2 und Abs.
3 Satz 1, § 39b EStG) und zur Anmeldung der Lohnsteuer (§
41a EStG) hinsichtlich der Vergütung verpflichtet, die auf die
inländischen Dienstreisen der im Ausland ansässigen
Arbeitnehmer entfällt.
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Auch ist die Höhe der Lohnsteuer zwischen
den Beteiligten zu Recht unstreitig. Die Erfassung der Lohnsteuer
in Höhe einer geschätzten Abschlagszahlung entspricht
zwar nicht der gesetzlichen Regelung des § 41a EStG. Das FA
hat der Klägerin allerdings eine Lohnsteuer-Anrufungsauskunft
gemäß § 42e EStG erteilt, nach der die
vorübergehende Schätzung der einzubehaltenden Lohnsteuer
der ausländischen Arbeitnehmer unter bestimmten, in der
Anrufungsauskunft näher festgelegten, Voraussetzungen zur
Vereinfachung der unterjährigen Abwicklung der Besteuerung von
entsandten Mitarbeitern zulässig ist. An diese Auskunft ist
das FA gebunden (s. Senatsurteil vom 13.01.2011 - VI R 61/09, BFHE
232, 5, BStBl II 2011, 479 = SIS 11 06 54, Rz 24).
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4. Die Klägerin durfte für den
Streitzeitraum nach den im Streitfall einschlägigen
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht von der Anmeldung der
Lohnsteuer absehen. Denn das Besteuerungsrecht steht auch nach den
maßgeblichen DBA-Regelungen Deutschland als
Tätigkeitsstaat zu.
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a) Nach
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der
Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen vom 12.04.2012 (BGBl II 2012, 1415, BStBl I 2016, 48)
i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 11.01.2016 (BGBl II 2016,
868, BStBl I 2017, 70) - DBA-Niederlande 2012/2016 - ,
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
bestimmter anderer Steuern sowie zur Verhinderung der
Steuerverkürzung und -umgehung vom 17.12.2015 (BGBl II 2016,
958, BStBl I 2016, 1307) - DBA-Japan 2015 - ,
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Art. 13 Abs. 1 und 4 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik
zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und über gegenseitige
Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom
21.07.1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) i.d.F. des
Zusatzabkommens vom 31.03.2015 (BGBl II 2015, 1335, BStBl I 2016,
518) - DBA-Frankreich 1959/2015 - ,
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland zur Beseitigung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und
-umgehung vom 30.03.2010 (BGBl II 2010, 1334, BStBl I 2011, 470)
i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 17.03.2014 (BGBl II 2015,
1298, BStBl I 2016, 193) - DBA-Großbritannien 2010/2014 -
,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener
anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der
Grundsteuern vom 11.04.1967 (BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39)
i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21.01.2010 (BGBl II 2010,
1279) - DBA-Belgien 1967/2010 - ,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des
Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl II 2011, 1092, BStBl
I 2012, 513) - DBA-Schweiz 1971/2010 - ,
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen vom 03.02.2011 (BGBl II 2012, 19, BStBl I 2013,
350) - DBA-Spanien 2011 - ,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung vom 18.10.1989 (BGBl II 1990, 743, BStBl I
1990, 397) - DBA-Italien 1989 - ,
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Australien zur Beseitigung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und
-umgehung vom 12.11.2015 (BGBl II 2016, 1116, BStBl I 2017, 122) -
DBA-Australien 2015 - ,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich
Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Nachlaß-,
Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Beistandsleistung in
Steuersachen vom 22.11.1995 (BGBl II 1996, 2566, BStBl I 1966,
1220) - DBA-Dänemark 1995 - ,
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Art. XI Abs. 2 und 3 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie bei der Gewerbesteuer vom 18.04.1966 (BGBl II
1967, 853, BStBl I 1967, 51) - DBA-Griechenland 1966 - ,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der
Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen vom
19.04.2001 (BGBl II 2002, 671, BStBl I 2002, 505) - DBA-Kanada 2001
- ,
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen vom 28.06.2004 (BGBl II 2006, 931,
BStBl I 2007, 158) - DBA-Singapur 2004 - ,
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Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Irland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
30.03.2011 (BGBl II 2011, 1043, BStBl I 2013, 472) i.d.F. des
Änderungsprotokolls vom 03.12.2014 (BGBl II 2015, 1323, BStBl
I 2016, 197) - DBA-Irland 2011/2014 - und
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Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige
Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen vom 04.10.1991 (BGBl II 1993, 972, BStBl I 1993, 656)
i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 24.06.2013 (BGBl II 2014,
907, BStBl I 2015, 246) - DBA-Norwegen 1991/2013 -
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steht - mit Ausnahme des DBA-Frankreich
1959/2015 - das Besteuerungsrecht für Gehälter,
Löhne und ähnliche Vergütungen bei den
Einkünften aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich
dem Ansässigkeitsstaat der Person zu, die die entsprechenden
Einkünfte bezieht. Wird die Arbeit jedoch in dem anderen
Vertragsstaat (hier also in Deutschland) ausgeübt, können
die dafür bezogenen Vergütungen auch im anderen Staat
besteuert werden. Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2015
können Einkünfte aus unselbständiger Arbeit hingegen
grundsätzlich nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in
dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte
herrühren, ausgeübt wird, im vorliegenden Fall also
wiederum in Deutschland.
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b) Das hiernach für die inländische
Tätigkeit der Arbeitnehmer grundsätzlich bestehende
Besteuerungsrecht Deutschlands wird im Streitfall auch nicht durch
die sogenannte 183-Tage-Klausel, die sämtliche
einschlägigen DBA enthalten (Art. 14 Abs. 2 DBA-Niederlande
2012/2016, DBA-Japan 2015, DBA-Großbritannien 2010/2014,
DBA-Spanien 2011, DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014; Art.
15 Abs. 2 DBA-Belgien 1967/2010, DBA-Schweiz 1971/2010, DBA-Italien
1989, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada 2001, DBA-Singapur 2004,
DBA-Norwegen 1991/2013; Art. XI Abs. 3 DBA-Griechenland 1966; Art.
13 Abs. 4 DBA-Frankreich 1959/2015), beschränkt.
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Danach wird das ausschließliche
Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats wiederum dann
begründet, wenn sämtliche Voraussetzungen der Regelung
kumulativ vorliegen. Dabei ist vorliegend einzig das in Art. 14
Abs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande 2012/2016, DBA-Japan 2015,
DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien 2011,
DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014; Art. 15 Abs. 2 Nr. 2
DBA-Belgien 1967/2010; Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz
1971/2010, DBA-Italien 1989, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada
2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013; Art. XI Abs. 3
Buchst. b DBA-Griechenland 1966 und Art. 13 Abs. 4 Nr. 2
DBA-Frankreich 1959/2015 enthaltene Merkmal streitig, dass die
Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen
Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Vertragsstaat
(hier Deutschland) ansässig ist.
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An dieser Voraussetzung fehlt es im
Streitfall. Denn die ausländischen Betriebsstätten
kommen, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht als
Arbeitgeberinnen im Sinne des einschlägigen Abkommensrechts in
Betracht.
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aa) Nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener
Übereinkommens über das Recht der Verträge vom
23.05.1969 - WÜRV - (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches
Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom
03.08.1985 (BGBl II 1985, 926) am 20.08.1987 (BGBl II 1987, 757),
ist ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben
in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen
Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im
Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“.
Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art.
31 Abs. 2 WÜRV) und die gewöhnliche Bedeutung der
verwendeten Ausdrücke. Dementsprechend sind
abkommensrechtliche Begriffe zunächst nach dem Wortlaut und
den Definitionen des Abkommens und sodann nach dem Sinn und dem
Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens auszulegen. Auf
die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist
grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene
zurückzugreifen (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
13.07.2021 - I R 63/17, BFHE 274, 18, BStBl II 2022, 250 = SIS 21 18 59, Rz 16, m.w.N.; BFH-Urteil vom 05.12.2023 - I R 42/20, BFHE
283, 94 = SIS 24 07 27, Rz 36).
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bb) (1) In Art. 3 Abs. 1 DBA-Niederlande
2012/2016, DBA-Japan 2015, DBA-Großbritannien 2010/2014,
DBA-Spanien 2011, DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014,
DBA-Belgien 1967/2010, DBA-Schweiz 1971/2010, DBA-Italien 1989,
DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada 2001, DBA-Singapur 2004,
DBA-Norwegen 1991/2013; Art. II Abs. 1 DBA-Griechenland 1966 und
Art. 2 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2015 findet sich keine Definition
des Arbeitgeberbegriffs für Zwecke des Abkommens. Nach Art. 3
Abs. 2 DBA-Niederlande 2012/2016, DBA-Japan 2015,
DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien 2011,
DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014, DBA-Belgien 1967/2010,
DBA-Schweiz 1971/2010, DBA-Italien 1989, DBA-Dänemark 1995,
DBA-Kanada 2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013; Art. II
Abs. 2 DBA-Griechenland 1966 und Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich
1959/2015 kann in einem solchen Fall, wenn der Zusammenhang nichts
anderes erfordert, auf das Recht des Anwendungsstaats (hier
Deutschland) zurückgegriffen werden.
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21
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(2) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
kann Arbeitgeber im Sinne des Abkommensrechts - anders als
grundsätzlich im nationalen (Lohn-)Steuerrecht (s. BFH-Urteil
vom 24.03.1999 - I R 64/98, BFHE 190, 74, BStBl II 2000, 41 = SIS 00 04 72) - nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber, sondern auch
eine andere natürliche oder juristische Person sein, die die
Vergütung für die ihr geleistete nichtselbständige
Arbeit wirtschaftlich trägt (BFH-Urteile vom 29.01.1986 - I R
109/85, BFHE 146, 141, BStBl II 1986, 442 = SIS 86 14 59,
betreffend DBA-Schweden 1992; vom 15.03.2000 - I R 28/99, BFHE 191,
325, BStBl II 2002, 238 = SIS 00 09 56, betreffend DBA-Belgien 1967
und vom 23.02.2005 - I R 46/03, BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547 =
SIS 05 25 20, betreffend DBA-Spanien 1966).
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22
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Die ausländischen Zweigniederlassungen
der Klägerin sind jedoch keine (juristischen) Personen im
Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande 2012/2016,
DBA-Japan 2015, DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Australien
2015, DBA-Irland 2011/2014, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada
2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013, DBA-Italien 1989,
DBA-Schweiz 1971/2010; Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien 1967/2010;
Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien 2011; Art. II Abs. 1 Nr. 2
DBA-Griechenland 1966 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
DBA-Frankreich 1959/2015. Eine solche ist nach Art. 1 Abs. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 allein die Klägerin selbst.
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23
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Die ausländischen Zweigniederlassungen
sind lediglich Betriebsstätten der Klägerin im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande 2012/2016, DBA-Japan 2015,
DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien 2011,
DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014, DBA-Dänemark 1995,
DBA-Kanada 2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013,
DBA-Italien 1989, DBA-Schweiz 1971/2010, DBA-Belgien 1967/2010;
Art. II Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Griechenland 1966 und Art. 2
Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-Frankreich
1959/2015.
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(3) Eine Betriebsstätte kann aber, wie
das FG zutreffend entschieden hat, bereits dem Grunde nach nicht
Arbeitgeber im Sinne des Abkommensrechts sein.
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25
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Abkommensrechtlich kommt als Arbeitgeber nur
eine Person in Betracht, die im Sinne des entsprechenden Abkommens
die Fähigkeit besitzt, in einem der beiden Vertragsstaaten
ansässig zu sein. Eine Betriebsstätte kann jedoch nicht
ansässig sein, weshalb die inländische
Betriebsstätte einer im Ausland ansässigen Person auch
nicht Arbeitgeber sein kann (z.B. BFH-Urteile vom 29.01.1986 - I R
296/82, BFHE 146, 136, BStBl II 1986, 513 = SIS 86 11 56, unter
II.4.a, betreffend DBA-Frankreich 1959; vom 29.01.1986 - I R
109/85, BFHE 146, 141, BStBl II 1986, 442 = SIS 86 14 59, unter
II.5.b, betreffend DBA-Schweden 1959; Senatsurteil vom 16.05.2024 -
VI R 31/21, BStBl II 2024, 646 = SIS 24 11 72, Rz 29 ff.,
betreffend DBA-Griechenland 1966).
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(a) Dies folgt schon aus dem Wortlaut von Art.
14 Abs. 2 Buchst. c DBA-Niederlande 2012/2016, DBA-Japan 2015,
DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien 2011,
DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014; Art. 15 Abs. 2 Nr. 3
DBA-Belgien 1967/2010; Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Schweiz
1971/2010, DBA-Italien 1989, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada
2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013; Art. XI Abs. 3
Buchst. c DBA-Griechenland 1966 und Art. 13 Abs. 4 Nr. 3
DBA-Frankreich 1959/2015, der ausschließt, den
abkommensrechtlichen Arbeitgeberbegriff mit dem Begriff der
Betriebsstätte gleichzusetzen. Denn die dortige Formulierung,
wonach die Vergütung von einer Betriebsstätte getragen
beziehungsweise von ihrem Gewinn abgezogen werden muss, die der
Arbeitgeber im anderen Staat hat, macht hinreichend deutlich, dass
zwischen dem Arbeitgeber und der Betriebsstätte zu
unterscheiden ist (ähnlich bereits BFH-Urteil vom 21.08.1985 -
I R 63/80, BFHE 144, 428, BStBl II 1986, 4 = SIS 85 24 38).
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27
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(b) Anders als die Klägerin meint,
knüpfen Art. 14 Abs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande 2012/2016,
DBA-Japan 2015, DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien
2011, DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014; Art. 15 Abs. 2 Nr.
2 DBA-Belgien 1967/2010; Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz
1971/2010, DBA-Italien 1989, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada
2001, DBA-Singapur 2004; Art. XI Abs. 3 Buchst. b DBA-Griechenland
1966 und Art. 13 Abs. 4 Nr. 2 DBA-Frankreich 1959/2015 für die
Arbeitgebereigenschaft an die Fähigkeit zur Ansässigkeit
unbeschadet des Umstands an, dass die Ansässigkeit mit
Ausnahme des DBA-Norwegen 1991/2013 als negatives
Tatbestandsmerkmal („nicht im anderen Staat ansässig
ist“) formuliert ist. Denn fehlt dem
Arbeitgeber überhaupt die Fähigkeit, ansässig sein
zu können, wäre der letzte Halbsatz der vorgenannten
Bestimmungen obsolet, weil er immer erfüllt wäre. Es ist
allerdings nicht anzunehmen, dass die Parteien einer Vielzahl von
DBA, die insoweit auch Art. 15 Abs. 2 Buchst. b des Musterabkommens
der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie der
Steuerverkürzung und -umgehung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und Vermögen 2017 (OECD-Musterabkommen -
OECD-MustAbk - ) entsprechen, eine von vornherein
überflüssige Regelung vereinbart haben.
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(c) Aus dem Begriff des wirtschaftlichen
Arbeitgebers ergibt sich abkommensrechtlich insoweit nichts
anderes. Denn die Klägerin ist als einzige Arbeitgeberin der
im In- und im Ausland wohnhaften Arbeitnehmer nicht nur
zivilrechtliche, sondern gleichzeitig auch wirtschaftliche
Arbeitgeberin. Außer der Klägerin gibt es keine (andere)
Person, die den Arbeitslohn der in das Inland entsandten
ausländischen Arbeitnehmer wirtschaftlich trägt.
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(d) Dieser Auslegung steht auch der sogenannte
Authorised OECD Approach (AOA) nicht entgegen. Den AOA hat die OECD
erstmals im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 als Konzept zur
Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte
für Zwecke der Gewinnabgrenzung eingeführt und ab dem
Jahr 2010 in das OECD-Musterabkommen übernommen. Nach diesen
Grundsätzen wird die Betriebsstätte
(ausschließlich) für Zwecke der Zurechnung von
Unternehmensgewinnen im Sinne des Art. 7 OECD-MustAbk fiktiv als
selbständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt
(Reinhold in: Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Art. 15 OECD-MA Rz
194; Haase in: Haase, AStG/DBA, Art. 15 OECD-MA Rz 182). Der AOA
ist mithin ohne Einfluss auf die tatsächliche
Arbeitgebereigenschaft. Daher ist es auch ohne Bedeutung, ob der
AOA im entsprechenden Abkommen bereits umgesetzt wurde (so im
Ergebnis auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
03.05.2018, BStBl I 2018, 643 = SIS 18 07 89, Rz 186).
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(e) Auch soweit in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b
und c DBA-Niederlande 2012/2016, DBA-Japan 2015,
DBA-Großbritannien 2010/2014, DBA-Spanien 2011,
DBA-Australien 2015, DBA-Irland 2011/2014; Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 und
3 DBA-Belgien 1967/2010; Art. 15 Abs. 2 Buchst. b und c DBA-Schweiz
1971/2010, DBA-Italien 1989, DBA-Dänemark 1995, DBA-Kanada
2001, DBA-Singapur 2004, DBA-Norwegen 1991/2013; Art. XI Abs. 3
Buchst. b und c DBA-Griechenland 1966 und Art. 13 Abs. 4 Nr. 2 und
3 DBA-Frankreich 1959/2015 eine Korrespondenz zwischen der
Minderung des Steuersubstrats im Tätigkeitsstaat durch den
Abzug der Löhne als Betriebsausgaben und dem Besteuerungsrecht
angelegt ist, gilt diese nicht absolut (Haase, IStR 2014, 237 f.;
DziurdŸ, IStR 2014, 876, 877 f.; Peter, IStR 1999, 456, 458;
Vogel, BB 1978, 1021, 1024 f.; a.A. Vogler/Nientimp, IStR 2014,
427, 433). Insbesondere hängt die grundsätzliche
Aufteilung des Besteuerungsrechts von Löhnen nicht von der
Abzugsfähigkeit der Löhne ab. Auch im Wortlaut der
einschlägigen DBA hat dies keinen Niederschlag gefunden
(DziurdŸ, IStR 2014, 876, 878; Haase, IStR 2014, 237 f.).
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Das DBA-Griechenland 1966 unterstreicht dieses
Ergebnis. Denn in Art. XI Abs. 3 wird das Korrespondenzprinzip
ausdrücklich nur in Buchst. c erwähnt, was deutlich
macht, dass es in Buchst. b nicht gelten soll.
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(f) Angesichts des eindeutigen Wortlauts und
der Systematik der im Streitfall einschlägigen DBA kommt auch
keine Einschränkung der inländischen Lohnbesteuerung aus
Verwaltungsvereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen
in Betracht (a.A. Ziesecke/Riehle/Muscheites, DStR 2015, 969,
976).
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5. Diese Auslegung des abkommensrechtlichen
Arbeitgeberbegriffs verstößt nicht gegen
Unionsrecht.
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a) Ein Verstoß gegen die durch Art. 49,
54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union (AEUV) und über Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 31, 34
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
(EWRAbk) auch für Norwegen (Art. 2 Buchst. b EWRAbk)
gewährleistete Niederlassungsfreiheit liegt nicht vor.
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aa) Die Niederlassungsfreiheit erfasst nach
Art. 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 AEUV auch die Gründung einer
Zweigniederlassung, mithin einer Betriebsstätte, im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats. Art. 54 Abs. 1 AEUV erweitert
diesen Schutz auf nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
gegründete Gesellschaften.
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bb) Eine Diskriminierung des
grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem reinen
Inlandssachverhalt liegt nicht vor. Denn das Stammhaus müsste
auch für Arbeitnehmer einer inländischen
Betriebsstätte die Lohnsteuer berechnen und abführen.
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cc) Ein Verstoß gegen die von der
Niederlassungsfreiheit erfassten Rechtsformwahlfreiheit liegt
ebenfalls nicht vor.
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(1) Ein solcher Verstoß kann nicht damit
begründet werden, das Stammhaus sei nicht nur mit
erhöhtem administrativem Aufwand, sondern auch
tatsächlich mit der Lohnsteuer belastet. Denn die
Betriebsstätte als Teil des Unternehmens bildet mit dem
Stammhaus eine Einheit.
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(2) Eine Verletzung der Rechtsformwahlfreiheit
ist ebenfalls nicht darin zu sehen, dass es für eine
inländische Gesellschaft aufgrund des erhöhten
Verwaltungsaufwands im Zusammenhang mit der Berechnung der
Lohnsteuer für Mitarbeiter einer ausländischen
Betriebsstätte weniger attraktiv sei, über eine solche
anstatt über eine ausländische Tochtergesellschaft
tätig zu werden.
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(a) Zwar hat der Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass ein Mitgliedstaat
es einer Gesellschaft zu ermöglichen hat, Zweigniederlassungen
in einem anderen Mitgliedstaat zu eröffnen, um ihre
Tätigkeit dort unter den gleichen Bedingungen auszuüben,
wie sie für Tochtergesellschaften gelten (EuGH-Urteile CLT-UFA
vom 23.02.2006 - C-253/03, EU:C:2006:129 = SIS 06 16 85, Rz 14 und
Philips Electronics UK vom 06.09.2012 - C-18/11, EU:C:2012:532 =
SIS 12 25 07, Rz 14).
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41
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Ein Verstoß scheitert aber bereits
daran, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden
(Personen-)Gesellschaften und Betriebsstätten schon dem Grunde
nach aufgrund der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gesellschaften
nicht vergleichbar sind. So geht auch der EuGH nicht pauschal von
einer Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Gesellschaften
aus (EuGH-Urteil Saint Gobain ZN vom 21.09.1999 - C-307/97,
EU:C:1999:438 = SIS 99 22 25, Rz 48 f.; ähnlich auch
EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 28.01.1986 - C-270/83,
EU:C:1986:37, Rz 20). Vielmehr kommt es auf Sinn und Zweck der
Regelung im jeweiligen Einzelfall an (EuGH-Urteil Philips
Electronics UK vom 06.09.2012 - C-18/11, EU:C:2012:532 = SIS 12 25 07, Rz 17).
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42
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Insbesondere hat der EuGH im Fall X Holding
ausgeführt, dass sich ausländische Betriebsstätten
und ausländische Tochtergesellschaften im Hinblick auf die
Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bezüglich der
Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 Abs. 1
DBA-Niederlande-Belgien 2001 nicht in einer vergleichbaren
Situation befinden. Auch vor dem Hintergrund der
grundsätzlichen Rechtsformwahlfreiheit steht es den
Mitgliedstaaten vielmehr frei, Bedingungen und Höhe der
Besteuerung verschiedener ausländischer Niederlassungsformen
von inländischen Gesellschaften festzulegen, sofern es zu
keiner Diskriminierung gegenüber vergleichbaren
inländischen Niederlassungen komme (EuGH-Urteil X Holding vom
25.02.2010 - C-337/08, EU:C:2010:89 = SIS 10 06 43, Rz 38 und
40).
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43
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Vor diesem Hintergrund liegt es im Ermessen
der Mitgliedstaaten, ihre Besteuerungsbefugnisse - auch durch
entsprechende Auslegung des Arbeitgeberbegriffs - im Hinblick
darauf aufzuteilen, ob es sich bei den Niederlassungsformen um
selbständige Rechtspersonen handelt oder nicht. Für die
Aufteilung der Besteuerungsrechte im Rahmen der
nichtselbständigen Einkünfte kann dabei nichts anderes
gelten als bei den Unternehmenseinkünften, zumal vorliegend
keine Diskriminierung gegenüber inländischen
Niederlassungen erfolgt.
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(b) Dem steht auch der Beschluss des
Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.2005 - 7 ABR 20/04 (DB 2005, 1855,
unter B.I.) nicht entgegen. Denn dort ging es nicht um die
grundsätzliche Rechtsfähigkeit einer Zweigniederlassung
beziehungsweise Betriebsstätte, sondern darum, ob eine
eingetragene Zweigniederlassung einer ausländischen
Gesellschaft im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
beteiligtenfähig ist.
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45
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(c) Hinzu kommt, dass der monierte
Verwaltungsaufwand lediglich die Tätigkeitsausübung
berührt. Anders als im Falle einer
marktzugangsbeschränkenden Maßnahme (EuGH-Urteile
Kommission/Italien vom 28.04.2009 - C-518/06, EU:C:2009:270, Rz 64;
Kommission/Spanien vom 24.03.2011 - C-400/08, EU:C:2011:172, Rz 64;
Kommission/Italien vom 29.03.2011 - C-565/08, EU:C:2011:188 = SIS 11 20 24, Rz 46 und DKV Belgium vom 07.03.2013 - C-577/11,
EU:C:2013:146, Rz 33) ist bei einer solchen
marktverhaltensbezogenen Maßnahme (Calliess/Ruffert/Korte, 6.
Aufl. 2022, AEUV Art. 49, Rz 63), die weder die Gründung noch
die spätere Niederlassung einer Gesellschaft betrifft
(EuGH-Urteil Kornhaas vom 10.12.2015 - C-594/14, EU:C:2015:806, Rz
28), nicht von einer Beschränkung auszugehen.
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46
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dd) Diese Ausführungen gelten nach Art. 1
Abs. 2 Buchst. b und Art. 31, 34 EWRAbk gleichfalls für die
Betriebsstätte in Norwegen (Art. 2 Buchst. b EWRAbk).
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47
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b) Auch ein Verstoß gegen die durch Art.
45 AEUV und über Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 28 EWRAbk
auch für Norwegen (Art. 2 Buchst. b EWRAbk)
gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nicht
ersichtlich.
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48
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Aus dem Vorbringen der Klägerin, es sei
für Arbeitnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat bei einer
Betriebsstätte tätig werden, weniger attraktiv, nach
Deutschland zu reisen, als wenn sie bei einer Tochtergesellschaft
der Klägerin im jeweiligen Mitgliedstaat tätig
wären, lässt sich keine Beschränkung der
Arbeitnehmerfreizügigkeit ableiten. Denn unabhängig
davon, dass schon zweifelhaft ist, ob die Grundsätze der
Rechtsformwahlfreiheit überhaupt im Rahmen der
Arbeitnehmerfreizügigkeit berücksichtigt werden
können, scheitert ein Verstoß - wie vorstehend dargelegt
- bereits an der mangelnden Vergleichbarkeit von
Tochtergesellschaft und Betriebsstätte.
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6. Schließlich liegt auch ein
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht
vor.
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50
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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. hierzu z.B.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.09.2009 - 2 BvL
3/02, BVerfGE 124, 251 = SIS 09 33 15, Rz 34, m.w.N.). Die
Situation einer inländischen Gesellschaft mit
ausländischer Betriebsstätte und einer solchen mit
ausländischer Tochtergesellschaft ist aus Sicht des nationalen
Rechts aber bereits aus dem Grund nicht vergleichbar, da einer
Betriebsstätte keine selbständige
Rechtspersönlichkeit zukommt und Einkünfte einer
Betriebsstätte grundsätzlich anders als solche von
Tochtergesellschaften besteuert werden.
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51
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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