Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO

Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO: 1. Der Finanzbehörde gilt nur der Inhalt der Akten als bekannt, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden. Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. - 2. Eine Änderung wegen neuer Tatsachen ist ausgeschlossen, wenn die Tatsache dem Sachbearbeiter zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannt war oder bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre (Bestätigung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 13.6.2012, VI R 85/10; SIS 12 28 18

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 13.06.2012, VI R 85/10
    BStBl 2013 II S. 5
    LEXinform 0928140

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 17.12.2012
    St.Sch. in BFH/PR 1/2013 S. 24
    St.Sch. in StC 1/2013 S. 11
Normen
[AO 1977] § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 129
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG des Saarlandes, 14.10.2010, SIS 11 07 66, Neue Tatsache, Andere Person, Zurechnung, Amtsträger, Ermittlungspflicht, Offenbare Unrichtigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 13.9.2023, SIS 23 21 09, Offenbare Unrichtigkeit einer elektronischen Steuererklärung: 1. Die Finanzbehörde kann sich eine Unricht...
  • FG Münster 14.6.2023, SIS 23 15 62, Anwendung von § 129 AO: 1. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beis...
  • Niedersächsisches FG 16.5.2023, SIS 23 12 18, Anwendung von Korrekturnormen bei Veranlagungen unter Verwendung eines Risikomanagementsystems: 1. Das Me...
  • BFH 15.11.2022, SIS 23 03 46, Kein Zufluss von Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag bei nur buchmäßigem Ausweis der Zinsen auf einem Bo...
  • Niedersächsisches FG 21.9.2022, SIS 22 20 56, Frage der Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 129 AO oder § 1...
  • FG Münster 14.6.2022, SIS 22 13 20, Übertragung von Gewinnen aus dem Tausch von Grundstücken eines LuF-Betriebs nach § 6 c, § 6 b EStG: 1. Be...
  • FG Münster 30.6.2021, SIS 21 13 66, Erforderlichkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Veräußerungsgewinnen nach § 23 Abs....
  • Niedersächsisches FG 13.4.2021, SIS 23 03 92, Hinzuschätzung anhand durchschnittlicher Tagesumsätze: Bei Verwendung einer objektiv manipulierbaren elek...
  • BFH 26.5.2020, SIS 20 13 06, Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO: 1...
  • Niedersächsisches FG 25.2.2020, SIS 20 05 86, Keine steuerliche Anerkennung von Werbungskostenüberschüssen bei von vorn herein geplanter kurzfristiger ...
  • BFH 12.2.2020, SIS 20 12 92, Keine Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO bei Tatsachen- oder Rechtsirrtum: 1. § 129 AO ist auch dann ...
  • Niedersächsisches FG 22.1.2020, SIS 21 20 49, Einheitliches Vertragswerk im Grunderwerbsteuerrecht: 1. Der für ein einheitliches Vertragswerk im Sinne ...
  • BFH 12.3.2019, SIS 19 11 93, Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsache: 1. Bekannt sind alle Tatsachen, die dem für die ...
  • FG Köln 28.2.2019, SIS 19 07 13, "Zuhause im Glück", Renovierungsleistungen steuerpflichtig: Die Renovierungsleistungen bei den Teilnehmer...
  • FG Köln 27.9.2018, SIS 19 04 66, Offenbare Unrichtigkeit: Ein Rechtsanwendungsfehler auf der Ebene des Steuerpflichtigen wird durch die Üb...
  • FG Hamburg 9.8.2018, SIS 18 16 36, Kein Ausgleich nach § 174 AO bei unzutreffender Umsetzung der Wechselwirkung von KStG und GewStG: Wenn da...
  • FG Köln 14.6.2018, SIS 18 15 22, Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit: 1. Unterläuft dem Sachbearbeiter des FA bei de...
  • FG Baden-Württemberg 7.5.2018, SIS 19 10 71, Keine Berichtigung nach § 129 AO bei von einem Steuerberater unzutreffend in eine falsche Zeile der Einko...
  • FG Münster 28.2.2018, SIS 18 10 73, Zusammenveranlagung und Aufteilung der ESt-Schuld im Jahr der Verfahrenseröffnung, Änderung nach § 174 Ab...
  • Thüringer FG 31.1.2018, SIS 18 16 64, Nichterfassung eines in der Einkommensteuererklärung erklärten Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG bei der...
  • BFH 16.1.2018, SIS 18 02 27, Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO bei Abweichen des erklärten Arbeitslohns von dem elektronisch beig...
  • BFH 16.1.2018, SIS 18 02 53, Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO bei Abweichen des erklärten Arbeitslohns von dem elektronisch beig...
  • FG München 22.8.2017, SIS 18 03 62, Änderungsbefugnis wegen neuer Tatsachen nach Rücktrag von Kirchensteuererstattungen: 1. Steuerbescheid i....
  • FG München 29.5.2017, SIS 17 17 93, Schätzung der Einkünfte eines Spargelbauers, Änderung wegen geänderter Anbauflächen: Soweit im Rahmen ein...
  • BFH 3.5.2017, SIS 17 18 63, Bescheidkorrektur bei Nichtberücksichtigung einer Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe im Jahr i...
  • BFH 21.2.2017, SIS 17 08 91, Zum Verhältnis einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Feststellu...
  • FG Düsseldorf 16.2.2017, SIS 17 13 47, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, Nichterfassung von Einkünften beim Einscannen der Steuererkl...
  • BFH 26.10.2016, SIS 17 01 66, Keine Berichtigungsmöglichkeit bei fehlerhafter Eintragung von Beiträgen an Versorgungswerke: 1. Wird ein...
  • FG Köln 14.9.2016, SIS 16 26 64, Inkongruente Gewinnausschüttung: 1. Eine inkongruente Gewinnausschüttung ist auch im Falle einer anschlie...
  • BFH 3.8.2016, SIS 17 03 39, Offenbare Unrichtigkeit bei unvollständig ausgefülltem Steuererklärungsvordruck und unvollständigem Beleg...
  • FG Nürnberg 7.7.2016, SIS 17 02 51, Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei fehlerhafter manueller Programmeingabe einer Kennziffer: 1. Feh...
  • FG Baden-Württemberg 5.2.2016, SIS 17 17 29, Tatbestandliche Voraussetzungen der Änderungsnorm des § 10 Abs. 2 a S. 8 EStG, offenbare Unrichtigkeit be...
  • FG Berlin-Brandenburg 20.1.2016, SIS 17 07 73, Spendenabzug, keine rückwirkende "Heilung" einer unberechtigt erteilten Spendenbescheinigung, Rechtserheb...
  • Thüringer FG 27.10.2015, SIS 16 08 60, Bedarfsbewertung eines Grundstücks, Verkauf nach dem Bewertungsstichtag zu einem unter dem bestandskräfti...
  • FG Köln 26.8.2015, SIS 15 27 49, Änderung von Steuerbescheiden, Reichweite der Ermittlungspflicht des FA im Zusammenhang mit dem Verzicht ...
  • BFH 18.8.2015, SIS 15 26 69, Kenntnis des Finanzamts von Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen des § 82 InsO: Die Verletzung der...
  • BFH 8.7.2015, SIS 15 21 19, Änderung von Steuerbescheiden, neue Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und unlautere Mittel i.S. de...
  • FG Berlin-Brandenburg 1.7.2015, SIS 15 19 63, Keine schlichte Änderung im Hinblick auf im Rahmen einer Einspruchsentscheidung bereits entschiedene Tat-...
  • BFH 18.6.2015, SIS 15 20 62, Feststellungslast bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO: 1. Di...
  • FG Rheinland-Pfalz 16.6.2015, SIS 15 17 77, Nachträgliches Bekanntwerden von Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 AO: Bei dem Bezug einer im Rahmen de...
  • BFH 28.5.2015, SIS 15 15 12, Offenbare Unrichtigkeit: Eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO ist nicht dadurch ausgesch...
  • BFH 18.12.2014, SIS 15 06 31, Änderungsbefugnis wegen neuer Tatsachen bei Aufnahme von Vorläufigkeitsvermerken: 1. Wird ein Steuerbesch...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 2.7.2014, SIS 14 34 12, Erkenntnis über Unrichtigkeit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung keine neue Tatsache i.S. des § 1...
  • FG Köln 26.6.2014, SIS 14 29 10, Berichtigung wegen ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit: 1. Verwechselt der Bearbeiter des FA bei der Einga...
  • BFH 20.5.2014, SIS 14 21 05, Änderungsmöglichkeit bei Tatsachenkenntnis unzuständiger Dienststellen: Bei der Änderung eines Steuerbesc...
  • BMF 31.1.2014, SIS 14 08 32, AEAO, Neubekanntmachung: Das Bundesfinanzministerium hat die Neufassung des Anwendungserlasses zur Abgabe...
  • FG München 13.11.2013, SIS 14 33 72, Vorsteuerabzug aus Gutschriften, die Scheinrechnungen über Metalllieferungen darstellen: 1. Ein Großhändl...
  • FG Hamburg 25.10.2013, SIS 14 03 11, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bzw. neuer Tatsachen: 1. Die Vorlage einer Kinderfreibeträge ...
  • FG Baden-Württemberg 19.7.2013, SIS 14 09 55, Ausschluss der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen Verletzung der Aufklärungspflicht durch das FA: ...
  • FG des Saarlandes 13.3.2013, SIS 14 31 83, Änderung wegen Tatsachen, die der zuständige FA-Sachbearbeiter einer anderen wenige Tage zuvor bearbeitet...
  • BMF 31.1.2013, SIS 13 05 12, AEAO, Änderung Januar 2013: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 2.1.2008 (BStBl 2008 I S. 26 = SI...

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22.10.2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von 7.762 DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die von E im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 7.020 DM nicht an.

 

 

2

In dem am 24.10.2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7.11.2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ es die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.

 

 

3

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9.10.2001 beim FA abgegeben. Er war vom selben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29.10.2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12.10.2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf 31.047 DM.

 

 

4

Das FA änderte den Bescheid vom 7.11.2001 am 19.12.2002 gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) und § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des E bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ das FA in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

 

 

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte das FA im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2.7.2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

 

 

6

Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe die Änderung des Bescheids zu Recht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen und auf § 129 AO bezüglich der Werbungskosten gestützt.

 

 

7

Der Sachbearbeiter des FA habe erst im Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids Kenntnis davon erlangt, dass S über höhere zu berücksichtigende Einkünfte verfügt habe. Aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten folge nichts Gegenteiliges. Der vom FA vorgetragene und mit dem Akteninhalt übereinstimmende Geschehensablauf spreche dafür, dass erst im Zuge der Überprüfung, wie der pauschalbesteuerte Aufwendungsersatz für beruflich veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Vorjahren behandelt worden sei, der neue Sachbearbeiter auch die Einkünfte des S überprüft habe.

 

 

8

Dem FA könne die Kenntnis des (früheren) Sachbearbeiters aus den Akten des S für den Steuerfall der Klägerin nicht zugerechnet werden. Zwar seien der zuständigen Dienststelle des FA der Inhalt der dort geführten Akten sowie die dem zuständigen Sachbearbeiter für seine Arbeit zugänglichen Dateien bzw. elektronischen Akten zuzurechnen, ohne dass es auf dessen individuelle Kenntnis im Einzelfall ankomme. Dabei komme es jedoch nur auf die denselben Steuerfall, d.h. die dasselbe Steuersubjekt betreffenden Akten an. Eine Tatsache sei nicht bekannt, wenn der Bearbeiter von ihr im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines anderen Steuerfalls Kenntnis erlangt habe, weil dies die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der innerhalb des FA zuständigen Personen überspanne. Dem Sachbearbeiter müsse und könne der Inhalt sämtlicher in seinem Veranlagungsbezirk geführten Akten nicht bei der Bearbeitung einer jeden Steuerfestsetzung bekannt sein.

 

 

9

Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne dem FA nicht entgegengehalten werden. Für den Sachbearbeiter des FA habe keine besondere Veranlassung bestanden, bei der Veranlagung der Klägerin und des E die Steuerakten des S beizuziehen, um die Akten zu überprüfen. Die Angaben zu den Unterhaltsaufwendungen seien aus sich heraus nachvollziehbar gewesen, so dass eine besondere Überprüfung nicht angezeigt gewesen sei.

 

 

10

Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Bei der erstmaligen Veranlagung habe der Sachbearbeiter offenkundig die pauschalversteuerten Arbeitgeberleistungen übersehen, obwohl diese aus der der Steuererklärung beigefügten Lohnsteuerkarte ohne weiteres ersichtlich gewesen seien. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter den Fahrtkostenersatz aufgrund eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums unberücksichtigt gelassen habe. Für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe nicht der geringste vernünftige Grund. Im Gegenteil: Die offenbare Unrichtigkeit sei so offenkundig, dass sie jeglichen begründeten Zweifel hieran ausschließe.

 

 

11

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

12

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19.12.2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

 

 

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

14

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FA durfte zwar den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid wegen des ursprünglich nicht berücksichtigten Aufwendungsersatzes gemäß § 129 AO ändern. Zur Frage, ob das FA auch berechtigt war, denselben Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu berichtigen, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen.

 

 

15

1. Soweit das FA im angefochtenen Bescheid bei den Einkünften des Klägers die Werbungskosten gekürzt hat, ergibt sich die Änderungsbefugnis aus § 129 AO. Die Würdigung des FG, dem FA sei insoweit beim Erlass des ursprünglichen Bescheids ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht unterlaufen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

 

 

16

a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem „Versehen“ beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein.

 

 

17

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.

 

 

18

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1.7.2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 4).

 

 

19

Ein Fehler ist dann „offenbar“ i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (Senatsentscheidung vom 8.12.2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694 = SIS 12 10 01).

 

 

20

b) Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers im Wesentlichen mit der Begründung angenommen, für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe „nicht der geringste vernünftige Grund“. Für das FG war offensichtlich maßgeblich, dass sich nach Aktenlage ein Hinweis auf einen solchen, die Berichtigung ausschließenden Irrtum nicht belegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen sei ein offen zutage liegender Umstand, noch nachvollziehbar. Ohne eine entsprechende Kenntlichmachung in den Akten kann nicht davon ausgegangen werden, der Bearbeiter hätte den Ansatz bewusst außer Betracht lassen wollen.

 

 

21

2. Anhand der Feststellungen des FG kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob das FA den angefochtenen Bescheid wegen neuer Tatsachen ändern durfte.

 

 

22

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, s. etwa Urteil vom 28.6.2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835 = SIS 06 37 73; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 80 ff.)

 

 

23

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

 

 

24

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der „Finanzbehörde“ als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 31).

 

 

25

Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 28.4.1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458 = SIS 98 16 74; kritisch zur Rechtsprechung von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 173 AO Rz 183 ff.). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (Senatsentscheidung vom 13.1.2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479 = SIS 11 06 54). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 20.6.1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492 = SIS 85 18 44; vom 5.11.1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220 = SIS 71 01 27).

 

 

26

Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Streitfalls organisationsmäßig berufen war (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458 = SIS 98 16 74). Zu diesen Personen zählen regelmäßig der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (BFH-Urteil vom 14.11.2007 XI R 48/06, BFH/NV 2008, 367 = SIS 08 11 23). Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458 = SIS 98 16 74).

 

 

27

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem FA nur der Inhalt der Akten als bekannt gelten kann, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (BFH-Urteil in BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220 = SIS 71 01 27; Urteil des FG Köln vom 13.3.2003 6 K 5158/99, EFG 2003, 1060 = SIS 03 31 27; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 188; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 123; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 56.4 unter Bezugnahme auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31.10.1991 14 K 185/87 E; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 65). Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Denn maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächliche Kenntnis der Finanzbehörde, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen. Soweit die Rechtsprechung aktenkundige Tatsachen stets als bekannt voraussetzt, handelt es sich um eine wesentliche Einschränkung und Ausnahme vom Grundsatz der subjektiven Gegebenheiten. Der Ausnahmecharakter gebietet die Beschränkung auf zugängliche (s. dazu von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 190) und den Steuerpflichtigen unmittelbar betreffende Akten.

 

 

28

d) Der Streitfall ist gleichwohl nicht spruchreif. Denn das FG hat nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 367 = SIS 08 11 23). Hierzu bestand deshalb Anlass, weil der für die Klägerin und E zuständige Sachbearbeiter nur wenige Tage zuvor den S veranlagt hat. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ihm die hieraus bekannt gewordene Höhe der Einkünfte des S noch im Gedächtnis war oder ihm die Bruchstücke seiner Erinnerung jedenfalls Anlass gaben, die Steuerakten des S beizuziehen. Denn der zuständige Bearbeiter muss sich jedenfalls das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren dann zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (BFH-Urteil vom 13.7.1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047 = SIS 90 19 50).

 

 

29

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, ob der zuständige Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besaß. Kann der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, ist nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden (s. dazu Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 53, m.w.N.).