Lohnsteuer-Anrufungsauskunft, Verwaltungsakt, Rechtsschutz: 1. Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft (§ 42 e EStG) stellt nicht nur eine Wissenserklärung (unverbindliche Rechtsauskunft) des Betriebsstätten-FA darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist vielmehr feststellender Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO, mit dem sich das FA selbst bindet. - 2. Die Vorschrift des § 42 e EStG gibt dem Arbeitgeber nicht nur ein Recht auf förmliche Bescheidung seines Antrags. Sie berechtigt ihn auch, eine ihm erteilte Anrufungsauskunft erforderlichenfalls im Klagewege inhaltlich überprüfen zu lassen (Änderung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 30.4.2009, VI R 54/07; SIS 09 22 54
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen zur
Verteilung von Direktwerbemitteln. Für verschiedene Kaufleute
und Handelsunternehmen verteilt die Klägerin in zahlreichen
Städten und Gemeinden Werbeprospekte, Flyer, Angebotszettel
und sonstiges Werbematerial an Privathaushalte. Hierzu setzt sie
eine größere Anzahl von Mitarbeitern als Zusteller der
Werbeprospekte und Anzeigenblätter ein. Bei den 300 bis 500
Verteilern handelt es sich vorwiegend um Schüler, Jugendliche,
Studenten und Rentner.
Im Zuge einer Verlegung des Unternehmens
der Klägerin von W in den Zuständigkeitsbereich des
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) beantragte die
Klägerin beim (seinerzeit zuständigen)
Betriebsstätten-FA eine Anrufungsauskunft (§ 42e des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) dahingehend, wie die
vorgenannten Mitarbeiter steuerlich zu behandeln seien. Die
Klägerin erhielt am 11.8.2000 die Auskunft, die Mitarbeiter
seien nach dem geschilderten Sachverhalt als Selbständige
anzusehen. Zur Begründung führte das FA u.a.
(wörtlich) an:
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„In dem von Ihnen geschilderten
Sachverhalt handelt es sich um eine selbständige
Tätigkeit der Mitarbeiter, da diese ohne feste Arbeitszeit,
Urlaubsanspruch und Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im
Krankheitsfall tätig sind. Sie sind selbständig in der
Organisation und Durchführung der Tätigkeit. Die
Bezahlung erfolgt erfolgsabhängig. Die Mitarbeiter tragen
somit das Unternehmerrisiko. Ein Angestelltenverhältnis ist zu
verneinen.“
|
Nach Verlegung ihres Geschäftssitzes
und unter Vorlage eines Mustervertrags mit den Zustellern erneuerte
die Klägerin am 20.2.2001 ihre Anfrage. Das FA teilte der
Klägerin daraufhin am 27.4.2001 mit, dass es bei der
bisherigen Einschätzung verbleibe. Zur Begründung
führte es die vorgenannten Gründe nochmals an.
Am 18.3.2002 widerrief das FA die
Anrufungsauskunft mit sofortiger Wirkung. Das FA begründete
den Widerruf mit einem Urteil des Niedersächsischen
Finanzgerichts (FG) vom 6.5.1999 11 K 679/97, veröffentlicht
in EFG 1999, 1015. Nach diesem Urteil seien Zusteller
regelmäßig Arbeitnehmer mit der Folge, dass die
ausgezahlten Bezüge lohnversteuert werden müssten. Das
Urteil in EFG 1999, 1015 sei dem FA bei Erteilung der
Anrufungsauskunft nicht bekannt gewesen.
Die Klägerin legte gegen die Aufhebung
der Anrufungsauskunft binnen eines Monats Einspruch ein. Sie
führte u.a. an, sie habe vor der Verlegung des
Unternehmenssitzes die angeführte Anrufungsauskunft eingeholt.
Sie - die Klägerin - habe auf der Grundlage dieser Auskunft
mit rd. 400 Verteilern Verträge abgeschlossen und die gesamte
Unternehmensstruktur in wirtschaftlicher Hinsicht auf diese Art der
Zusammenarbeit mit selbständigen Verteilern ausgerichtet. Die
rechtliche und steuerliche Beurteilung der eingesetzten Verteiler
als selbständig Tätige stelle eine unternehmerische
Grundlage des Betriebs der Klägerin dar. Der gesamte
Geschäftsbetrieb bzw. die gesamte wirtschaftliche Konzeption
des Unternehmens, insbesondere die Abrechnung mit den Verteilern,
sei auf den Einsatz der Verteiler als Selbständige
ausgerichtet.
Das FA führte daraufhin mit Schreiben
vom 13.5.2002 an, es sei zulässig, die Bindungswirkung der
Auskunft für die Zukunft aufzuheben. Das FA sei dabei an keine
weiteren Voraussetzungen gebunden. Insbesondere könne es seine
Rechtsauffassung ändern, auch wenn sich der zugrunde liegende
Sachverhalt - wie hier - nicht geändert habe. Zugleich
verschob das FA den ersten Lohnsteuer-Abführungszeitraum von
April 2002 auf Juni 2002.
Gegen die Einspruchsentscheidung des FA, in
der der Einspruch der Klägerin als unzulässig
zurückgewiesen wurde, erhob die Klägerin Klage. In seinem
die Klage abweisenden Urteil (vgl. SIS 09 10 69) führte das FG
im Wesentlichen aus, eine Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1
der Finanzgerichtsordnung (FGO) scheide aus, da es sich bei dem
Widerruf nicht um einen Verwaltungsakt handele. Die
Anrufungsauskunft nach § 42e EStG stelle nur eine
Wissenserklärung des FA darüber dar, ob und inwieweit im
einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden
seien. Es fehle an einem Regelungswillen des FA. Die
Bindungswirkung des FA ergebe sich lediglich aus den
Grundsätzen von Treu und Glauben. Die Bindungswirkung entfalle
analog § 207 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für die
Zukunft, wenn das FA die Auskunft widerrufe, was jederzeit
möglich sei. Eine Klärung von Rechtsfragen könne
erforderlichenfalls im Besteuerungs- oder Haftungsverfahren
erfolgen. Auch eine subsidiäre Feststellungsklage (§ 41
FGO) sei deshalb nicht zulässig.
Mit der - nach Zulassung durch den Senat -
hiergegen erhobenen Revision rügt die Klägerin die
Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Zur Begründung bringt die
Klägerin im Wesentlichen vor, der Widerruf einer
Lohnsteuer-Anrufungsauskunft stelle einen Verwaltungsakt i.S. des
§ 118 Satz 1 AO dar. Das FG habe sich in dieser Hinsicht
lediglich auf die (ältere) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) berufen und den Widerruf - ebenso wie die Anrufungsauskunft -
als reine Wissenserklärung angesehen. Diese Rechtsprechung
bedürfe der Korrektur. Die Ansicht der Vorinstanz hätte
letztlich zur Folge, dass es gegen eine rechtswidrige
Lohnsteuer-Anrufungsauskunft bzw. gegen den rechtswidrigen Widerruf
einer richtigen Anrufungsauskunft keinen Rechtsschutz gebe. Dies
gelte auch in Fällen, in denen das Abführen von
Lohnsteuer (einschließlich des hiermit verbundenen
Verwaltungsaufwands) dem Arbeitgeber aufgrund einer rechtswidrigen
Lohnsteuer-Anrufungsauskunft nicht zugemutet werden könne und
dies sogar existenzbedrohende Wirkung habe.
Sollte der Widerruf der Anrufungsauskunft
keinen Verwaltungsakt darstellen, müsse der Klägerin
Rechtsschutz in Form einer Feststellungsklage (§ 41 FGO)
gewährt werden. Unter den im Streitfall vorliegenden
Umständen habe die Klägerin nach dem Widerruf der
rechtmäßigen Anrufungsauskunft ein
Feststellungsinteresse hinsichtlich ihrer
Lohnsteuer-Verpflichtungen. Die Einrichtung der Lohnbuchhaltung und
die Abführung von Lohnsteuern (und in Folge davon auch von
Sozialabgaben) führten bei einem Arbeitgeber zu einer
erheblichen Belastung. Es sei mit dem Zweck der Anrufungsauskunft
nicht zu vereinbaren, einen (rechtswidrigen) Lohnsteuereinbehalt
erst im Haftungsverfahren oder durch Anfechtung der
Lohnsteuer-Anmeldungen zu korrigieren. Im Streitfall wäre die
Klägerin im Übrigen gezwungen, sich durch den
Lohnsteuereinbehalt gegenüber den Prospektverteilern
vertragswidrig zu verhalten, nur um einen rechtsmittelfähigen
(Lohnsteuer-)Bescheid zu erhalten.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Verwaltungsakt des FA vom 18.3.2002
(Widerruf der Anrufungsauskunft) in Gestalt des Verwaltungsakts vom
13.5.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2002 aufzuheben,
hilfsweise (unter Aufhebung der Vorentscheidung) festzustellen,
dass die vorbezeichneten Verwaltungsakte rechtswidrig gewesen
sind.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der
Einspruchsentscheidung vom 27.11.2002 sowie des Verwaltungsakts des
FA vom 18.3.2002 (Aufhebung der Anrufungsauskunft) in Gestalt des
Verwaltungsakts vom 13.5.2002. Die genannten Entscheidungen
verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
1. Die von der Klägerin erhobene - auf
Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtete - Anfechtungsklage
(§ 40 Abs. 1 FGO) ist zulässig. Sowohl die
Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) als auch deren Aufhebung
(Rücknahme, Widerruf) stellen Verwaltungsakte i.S. des §
118 Satz 1 AO dar.
Nach § 42e Satz 1 EStG hat das
Betriebsstätten-FA auf Anfrage eines Beteiligten darüber
Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die
Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.
a) In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der
BFH der - primär auf die Belange des Arbeitgebers
zugeschnittenen - Anrufungsauskunft nach § 42e EStG lediglich
den Charakter einer bloßen Wissenserklärung zuerkannt
(z.B. BFH-Urteile vom 9.3.1979 VI R 185/76, BFHE 127, 376, BStBl II
1979, 451 = SIS 79 02 25; vom 9.10.1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202,
BStBl II 1993, 166 = SIS 92 24 28; ebenso von Bornhaupt, DStR 1980,
3, 4; Gersch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Rz 23;
Küttner/Huber, Personalbuch 2009, Stichwort Anrufungsauskunft
Rz 9; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 42e Rz 6;
Dißars, Die Information für Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer 2003, 862; Schmieszek in Bordewin/Brandt,
§ 42e EStG Rz 11, m.w.N.). Der BFH verneinte das Vorliegen
eines Verwaltungsakts (§ 118 Satz 1 AO), da es an einer
Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach
außen fehle.
Wandte der Arbeitgeber die
lohnsteuerrechtlichen Vorschriften entsprechend der ihm erteilten
Anrufungsauskunft an, so wurde sein Vertrauen auf deren Richtigkeit
gleichwohl geschützt. Grundlage dieses Vertrauensschutzes war
der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben, der die Beteiligten
im Rechtsverkehr verpflichtet, auf die berechtigten Belange des
anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich mit seinem eigenen
Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch zu
setzen. Die so verstandene Anrufungsauskunft hatte
hauptsächlich die Haftungsrisiken im Blick, die sich aus der
gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einbehaltung der
Lohnsteuer ergeben (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil in BFHE 169, 202,
BStBl II 1993, 166 = SIS 92 24 28).
Bestritt der Arbeitgeber die inhaltliche
Richtigkeit der erteilten Anrufungsauskunft, so war ein
Rechtsbehelf hiergegen nicht gegeben. Eine gerichtliche
Entscheidung über die in der Anrufungsauskunft vertretene
Rechtsauffassung des FA konnte nur im nachfolgenden
Steuerfestsetzungs- oder im Haftungsverfahren herbeigeführt
werden (vgl. auch Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 42e Rz
13).
b) Diese Rechtsprechung hat zunehmend Kritik
erfahren. Ungeachtet unterschiedlicher Begründungen im
Einzelnen wird die Anrufungsauskunft im Schrifttum überwiegend
als - feststellender - Verwaltungsakt beurteilt (vgl. z.B. Barein
in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §
42e Rz 12; Seifert in Korn, § 42e EStG, Rz 8; Fichtelmann, FR
1980, 236; Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 26;
Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im
Lohnsteuerabzugsverfahren, Diss. 1998, S. 259 ff.; Fumi, EFG 2003,
1106; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 42e Rz 7; s.a. Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 89 AO Rz
97 ff., 99; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 204 Rz 35).
2. Nach erneuter Prüfung hält der
erkennende Senat an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht mehr
fest. Er schließt sich dem überwiegenden Schrifttum an,
wonach die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG als -
feststellender - Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.
a) Nach § 118 Satz 1 AO ist ein
Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere
hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist. Unter einer „Regelung“ ist dabei
nicht nur eine Entscheidung zu verstehen, welche die
Begründung, Änderung und Aufhebung, sondern auch die
verbindliche Feststellung von Rechten und Pflichten sowie von
rechtserheblichen Tatsachen und Eigenschaften zum Gegenstand hat
(sog. feststellender Verwaltungsakt; vgl. u.a. Schenke,
Verwaltungsprozessrecht, 11. Aufl., Rz 195; Kopp/Ramsauer,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl., § 35 Rz 51 ff.).
b) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des
§ 42e EStG hat das Betriebsstätten-FA Auskunft zu
erteilen. Der Arbeitgeber hat demnach einen - auch gerichtlich
durchsetzbaren - Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die
Anwendung lohnsteuerrechtlicher Vorschriften. Nach Ansicht des
erkennenden Senats bezieht sich dieser Anspruch jedoch nicht nur
darauf, dass der Arbeitgeber förmlich zu bescheiden ist.
§ 42e EStG vermittelt dem Arbeitgeber auch einen Anspruch
darauf, dass die Anrufungsauskunft inhaltlich richtig ist.
c) Die Anrufungsauskunft erschöpft sich
auch nicht nur in einer bloßen Wissenserklärung. Die mit
dem erforderlichen Bindungswillen versehene Erklärung des FA
geht darüber hinaus und ist zusätzlich auf die
Selbstbindung seines zukünftigen Handelns gerichtet. Der
erkennende Senat ist schon bisher davon ausgegangen, dass der
Anrufungsauskunft Bindungswirkung zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
16.11.2005 VI R 23/02, BFHE 212, 59, BStBl II 2006, 210 = SIS 06 08 88, m.w.N.). Denn das FA bindet sich gegenüber dem Arbeitgeber
in der Weise, Lohnsteuer weder im Wege eines Nachforderungs- noch
eines Haftungsbescheids nachzuerheben, wenn sich dieser
entsprechend der Anrufungsauskunft verhält. Allerdings hat der
BFH die Rechtswirkungen dieser verbindlichen Auskunft erst im
Steuerfestsetzungs- bzw. Haftungsverfahren entsprechend dem
Grundsatz von Treu und Glauben eintreten lassen. Eines
Rückgriffs auf diesen Grundsatz bedarf es jedoch nicht. Denn
die Selbstbindung des FA ergibt sich unmittelbar aus § 42e
EStG (so schon BFH-Urteil in BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166 =
SIS 92 24 28, unter II. 3. c; ebenso Barein in Littmann/Bitz/Pust,
a.a.O., § 42e Rz 12, m.w.N.; vgl. auch Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42e Rz B 11 ff.).
d) Nach ständiger Rechtsprechung des
Senats besteht nur eine einseitige Bindung des
Betriebsstätten-FA an die Anrufungsauskunft. Die Auffassung,
die Anrufungsauskunft stelle deshalb keine
„Regelung“ i.S. des § 118 Satz 1 AO dar,
weil der Arbeitgeber sich hieran nicht halten müsse, teilt der
Senat nicht. Für die Lohnsteuer-Anrufungsauskunft, in der die
maßgeblichen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers
festgestellt werden, gilt insoweit nichts anderes als für
verbindliche Auskünfte (Zusagen) i.S. des § 89 AO n.F.
und des § 204 AO. Auch insoweit wird allgemein angenommen,
dass lediglich eine einseitige Bindung der Verwaltung ohne
Fremdbindung des Steuerpflichtigen besteht (vgl. auch Seer in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 204 AO Rz 2).
e) Diese Grundsätze greifen auch ein,
soweit es sich um die Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) einer
Anrufungsauskunft handelt. Stellt die Anrufungsauskunft einen
Verwaltungsakt dar, so muss dies erst recht für deren
Aufhebung gelten. Das FA geht insoweit zutreffend selbst davon aus,
dass die von ihm ausgesprochene Aufhebung (sog. actus contrarius)
die Rechtswirkungen der ursprünglichen Anrufungsauskunft zum
Wegfall bringt (vgl. hierzu auch FG München, Urteil vom
18.8.2008 7 K 742/06, EFG 2008, 1915 = SIS 08 39 51 mit Anm.
Loose). Auch dies erhellt, dass einer Aufhebung (Rücknahme,
Widerruf) Regelungscharakter zukommt.
3. Die geänderte Rechtsauffassung des
Senats steht mit der Rechtsentwicklung in ähnlichen
Normenbereichen im Einklang und vermeidet ansonsten auftretende
Wertungswidersprüche.
a) Der Gesetzgeber hat durch das
Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5.9.2006 (BGBl I 2006,
2098, 2106) die Vorschrift des § 89 Abs. 2 AO in die
Abgabenordnung eingefügt. Danach kann der Steuerpflichtige aus
Gründen der Planungs- und Entscheidungssicherheit eine
verbindliche Auskunft (Zusage) darüber verlangen, wie ein in
der Zukunft liegender Besteuerungstatbestand steuerlich zu
beurteilen ist. Die Vorschrift stellt die bisher schon
unbestrittene Befugnis des FA zur Erteilung verbindlicher
Auskünfte nunmehr gesetzlich klar.
Bei der verbindlichen Auskunft nach § 89
Abs. 2 AO handelt es sich nach zutreffender und unbestrittener
Auffassung um einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO mit
allen Konsequenzen der Form der Bekanntgabe (§ 122 AO), der
Abänderbarkeit (§§ 129 bis 131 AO, § 2 Abs. 3
der Steuer-Auskunftsverordnung) und der Einspruchs- und
Klagemöglichkeit (vgl. auch die amtliche Begründung der
Steuer-Auskunftsverordnung, BRDrucks 725/07 S. 5 und
Anwendungserlass zur Abgabenordnung - AEAO - zu § 89 Tz.
3.5.5; s.a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
11.12.2007 IV A 4 - S 0062/07/0003, DStR 2008, 99 ff.). Dies gilt
unabhängig davon, ob die Auskunft der Rechtsauffassung des
Antragstellers entspricht („positive Auskunft“)
oder nicht („negative Auskunft“). Auch nach der
damit übereinstimmenden Auffassung der Finanzverwaltung stellt
die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO einen -
begünstigenden - Verwaltungsakt (besonderer Art) dar, gegen
den der Einspruch (§ 347 AO) gegeben ist (s. AEAO zu § 89
Tz. 3.7). Sie enthält die Zusicherung einer bestimmten
künftigen steuerlichen Behandlung (vgl. auch Franke/von
Cölln, BB 2008, 584 ff.).
b) Nach § 204 AO soll die
Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich
zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im
Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft
steuerlich behandelt wird. Auch die Erteilung und Ablehnung dieser
verbindlichen Zusage sind Verwaltungsakte, gegen die Einspruch bzw.
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegeben sind (allg. Meinung;
vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 204 AO Rz 2;
Klein/Rüsken, a.a.O., § 204 Rz 15; Barein in
Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 42e Rz 12; Fumi, EFG 2003,
1106).
c) Bereits der Blick auf diese
angeführten Vorschriften erhellt, dass der Gesetzgeber
Steuerpflichtigen aus Gründen der Planungs- und
Entscheidungssicherheit (zunehmend) Rechtsschutz in Form
verbindlicher Auskünfte/Zusagen bereits vor der eigentlichen
Steuerfestsetzung gewährt. Wird indessen ein solcher
Rechtsschutz schon aus den bezeichneten Gründen gewährt,
so darf der Rechtsschutz im Bereich des § 42e EStG für
den Arbeitgeber, der zudem Entrichtungspflichtiger ist und für
Lohnsteuerzwecke vom Fiskus in Anspruch genommen wird (zu den
einschlägigen Arbeitgeberpflichten vgl. auch Drüen, FR
2004, 1134 ff.), nicht schwächer ausfallen.
4. Die bisherige Rechtsauffassung über
die Anrufungsauskunft wurde der besonderen Stellung des
Arbeitgebers nicht gerecht. Sie war im Wesentlichen und einseitig
auf die Minderung bzw. den Ausschluss des Haftungsrisikos des
Arbeitgebers (§ 42d EStG) fokussiert (vgl. hierzu Drüen,
Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, Deutsche
Steuerjuristische Gesellschaft 31, 167, 196). Der Arbeitgeber ist
indes nicht nur durch ein latentes Zahlungs- und Haftungsrisiko,
sondern bereits durch potentielle Lohnsteuerpflichten und einer
damit einhergehenden Pflicht, eine entsprechende Infrastruktur zu
schaffen, belastet (ebenso Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 42e Rz
13, unter c). Wie der Streitfall zudem in besonderer Weise
aufzeigt, können bereits die Einrichtung einer bestimmten
Lohnbuchhaltung, mannigfaltige lohnsteuerliche Pflichten und die
Abführung von Lohnsteuern zu einer erheblichen
(Kosten-)Belastung führen.
Diesen besonderen Belastungen des Arbeitgebers
trug die bisherige Rechtsauffassung, ausreichender Rechtsschutz
könne auch noch durch Anfechtung einer Lohnsteuer-Anmeldung
oder ggf. eines Nachforderungs- und Haftungsbescheids gewährt
werden, nicht hinreichend Rechnung. Effektiver Rechtsschutz
gebietet vielmehr, dass der Arbeitgeber frühestmöglichst
und definitiv Klarheit über die Anwendung
lohnsteuerrechtlicher Normen erhält. Hierzu räumt ihm die
Vorschrift des § 42e EStG das Recht ein, nicht nur die
Auffassung des FA zu erfahren, sondern auch Sicherheit über
die zutreffende Rechtslage zu erlangen und seine - des Arbeitgebers
- Rechte und Pflichten in einem besonderen Verfahren im Voraus
(ggf. gerichtlich) verbindlich feststellen zu lassen (zur
Absicherung zukünftiger Dispositionen durch
Vorwegentscheidungen, vgl. auch Hey, Steuerplanungssicherheit als
Rechtsproblem, 2002, S. 697 ff.). Nur auf diese Weise wird dem
Zweck der Anrufungsauskunft hinreichend entsprochen, präventiv
Konflikte zwischen dem Betriebsstätten-FA und dem Arbeitgeber
zu vermeiden und auftretende lohnsteuerliche Fragen, die
häufig auch die Kostenkalkulation des Arbeitgebers und - wie
hier - die zivilrechtliche Ausgestaltung von Verträgen mit
Mitarbeitern berühren, zeitnah einer Klärung
zuzuführen. Die Klägerin weist insoweit zu Recht auch
darauf hin, dass es mit den Grundsätzen eines fairen
Verfahrens schwerlich vereinbar erscheint, dem vom Fiskus in die
Pflicht genommenen Arbeitgeber, der mit dem Inhalt einer
Anrufungsauskunft nicht einverstanden ist, anheim zu stellen, die
Lohnsteuer zunächst (rechtswidrig) einzubehalten und
abzuführen, den einschlägigen Rechtsschutz jedoch erst
später durch Anfechtung entsprechender Lohnsteuer- bzw.
Haftungsbescheide zu suchen.
5. Die Klage ist auch begründet. Die
Voraussetzungen für eine Aufhebung der erteilten
Anrufungsauskunft liegen nicht vor.
Der Senat kann offen lassen, ob sich die
Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) der Anrufungsauskunft nach den
§§ 130 ff. AO richtet oder - wie das FG meint - eine
analoge Anwendung der Vorschrift des § 207 Abs. 2 AO
zutreffend ist. In beiden Fällen hatte das FA jedenfalls eine
Ermessensentscheidung zu treffen und hierin die für und gegen
eine Aufhebung sprechenden Umstände sorgfältig
abzuwägen. Dies ist nicht geschehen. Schon deshalb können
die angefochtenen Entscheidungen keinen Bestand haben. Im
Übrigen hat sich das FA in seiner Aufhebungsverfügung in
der Frage der Beurteilung der Mitarbeiter der Klägerin
lediglich auf das vorbezeichnete - zum Zeitpunkt der Erteilung der
Anrufungsauskunft überdies bereits veröffentlichte -
Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1999, 1015 berufen (zur
einschlägigen Rechtsprechung des Senats vgl. auch Beschluss
vom 9.9.2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42 = SIS 03 52 65). Auch dies
reicht nicht aus. Eine neuerliche, andersartige Gewichtung und
Abwägung der Umstände, die die ursprüngliche
(nunmehr fortwirkende) Anrufungsauskunft als nicht
rechtmäßig hätten erscheinen lassen können,
hat das FA nicht vorgenommen.