1
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A. Im März 2007 ging beim Beklagten,
Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) die
Einkommensteuererklärung des Klägers,
Revisionsklägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für
das Streitjahr 2005 ein, mit der er Einkünfte aus
Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit
erklärte. Im Bescheid für 2005 über Einkommensteuer
und Solidaritätszuschlag vom 5.4.2007 berücksichtigte das
FA die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers (Beiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung) sowie die übrigen
Vorsorgeaufwendungen entsprechend den Regelungen in § 10 Abs.
3, 4 und 4a des Einkommensteuergesetzes in der Fassung für das
Streitjahr 2005 (EStG) in beschränktem Umfang als
Sonderausgaben.
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Auf Antrag des Klägers erging am
26.4.2007 ein geänderter Bescheid, weil die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit zu hoch angesetzt worden waren. Die
Festsetzung der Einkommensteuer war - wie im ursprünglichen
Bescheid - gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der
Abgabenordnung (AO) vorläufig: hinsichtlich - der
beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10
Abs. 3, 4, 4a EStG), - der Anwendung der durch das
Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2004 vom 29.12.2003 (BGBl I
2003, 3076, BGBl I 2004, 69, BStBl I 2004, 120)
geänderten Vorschriften und - der Nichtberücksichtigung
pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der
steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des
Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz - AbgG - ). Die
Festsetzung des Solidaritätszuschlags war gemäß
§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der
Verfassungsmäßigkeit des
Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) 1995.
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3
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Im Bescheid wird erläutert, die
Vorläufigkeitserklärung erfasse nur die Frage, ob die
angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem
Recht vereinbar seien. Die Vorläufigkeitserklärung
erfolge aus verfahrensrechtlichen Gründen und sei nicht dahin
zu verstehen, dass die Regelungen als verfassungswidrig oder als
gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßend
angesehen würden. Änderungen dieser Regelungen
würden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch sei
insoweit nicht erforderlich.
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4
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Mit seinem Einspruch gegen den
geänderten Bescheid vom 26.4.2007 bat der Kläger unter
Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31.5.2006
X R 9/05 (BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96), ihm
die von den Vorläufigkeitsvermerken umfassten Verfahren und
Rechtsfragen mitzuteilen, damit die Reichweite der
Vorläufigkeitsvermerke im vorliegenden Fall klar
feststehe.
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5
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Ferner führte er unter anderem aus,
ein Vorläufigkeitsvermerk biete nicht den gleichen
Rechtsschutz wie ein Einspruch. Solange ein Einspruchsverfahren
laufe, sei der Steuerbescheid offen und der Steuerpflichtige
könne sich auf alle in dieser Zeit erlassenen Urteile berufen,
während ein Vorläufigkeitsvermerk den Bescheid nur
hinsichtlich der ihm zugrunde liegenden anhängigen Verfahren
offen halte. Zudem würden von dem Vorläufigkeitsvermerk
nur Verfahren umfasst, bei denen es um die Vereinbarkeit einer Norm
mit höherrangigem Recht gehe und wenn ein Verstoß gegen
höherrangiges Recht angenommen werde. Gelange das Gericht aber
durch einfachgesetzliche Auslegung zu einer verfassungskonformen
Entscheidung, könne sich der Steuerpflichtige, dessen Steuer
nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt
sei, hierauf nicht berufen.
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Beim BFH sei das Verfahren X R 9/07
anhängig, das die - auch im Streitfall erhebliche - Frage
betreffe, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
im Hinblick auf zukünftige Renteneinkünfte in voller
Höhe als vorweggenommene Werbungskosten oder nur
beschränkt als Sonderausgaben abziehbar seien. Es sei
zweckmäßig, das Verfahren bis zur rechtskräftigen
Entscheidung dieser Rechtsfrage ruhen zu lassen.
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Ergänzend werde der Einspruch auf die
den Vorläufigkeitsvermerken im angefochtenen Bescheid zugrunde
liegenden Musterverfahren gestützt, bei denen er, der
Kläger, davon ausgehe, dass sie durch einfachgesetzliche
verfassungskonforme Auslegung der jeweils betroffenen Norm zu
Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden würden. Das
Einspruchsverfahren habe bis zur Entscheidung auch dieser
Musterverfahren zu ruhen.
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Das FA erließ am 12.7.2007
gemäß § 367 Abs. 2a AO eine
Teileinspruchsentscheidung mit folgendem Tenor: „Der
Einspruch wird, soweit hierdurch über ihn entschieden, als
unbegründet zurückgewiesen. Über folgenden Teil des
Einspruchs wird nicht entschieden: - Nichtabziehbarkeit von
Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene
Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG; beim BFH anhängiges
Verfahren X R 9/07 Der Bescheid ist weiterhin vorläufig gem.
§ 165 Abs. 1 AO, soweit dies im Erläuterungstext des
angefochtenen Bescheides ausgeführt ist.“
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Zur Begründung führte das FA aus:
Wegen der vom Kläger beanstandeten Nichtabziehbarkeit von
Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene
Werbungskosten sei beim BFH das Verfahren X R 9/07 anhängig.
Insoweit ruhe das Einspruchsverfahren gemäß § 363
Abs. 2 AO.
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Soweit der Kläger die ungeklärte
Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke rüge, sei der
Einspruch entscheidungsreif. Es sei sachdienlich, über diesen
Teil gemäß § 367 Abs. 2a Satz 1 AO vorab zu
entscheiden. Der Einspruch sei insoweit unbegründet. Die
Vorläufigkeitsvermerke seien nicht zu beanstanden, da sowohl
Grund als auch Umfang der Vorläufigkeit in den
Erläuterungen zum Bescheid angegeben seien.
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Der rechtliche und zeitliche Umfang eines
Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO
sei seit dem BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96 geklärt. Danach reiche der Hinweis auf § 165
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO aus. Der Einwand des Klägers, die
Vorläufigkeitsvermerke seien nicht ausreichend begründet,
weil sie „nicht in eine sachliche und rechtliche Verbindung
zu genau bezeichneten Verfahren i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr.
3 AO“ gebracht würden, gehe ins Leere. Denn die
Vorläufigkeit beschränke sich nach dem BFH-Urteil in BFHE
213, 199, BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96 nur dann auf zum
Zeitpunkt der Festsetzung anhängige Verfahren, wenn die Steuer
„im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw.
andere gerichtliche Verfahren“ vorläufig festgesetzt
worden sei. Der angefochtene Bescheid enthalte eine solche
Einschränkung der Vorläufigkeit nicht. Die Reichweite
einer Vorläufigkeit sei dem dafür im Bescheid
angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen
Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln.
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Soweit die Steuerfestsetzung auf dem nicht
entschiedenen Teil beruhe, ruhe das Verfahren weiterhin
gemäß § 363 Abs. 2 AO. Nur insoweit trete durch
diese Entscheidung keine Bestandskraft ein (§ 367 Abs. 2a Satz
2 AO).
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Mit der Klage beantragte der Kläger,
die Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides sowie der
Teileinspruchsentscheidung festzustellen, hilfsweise deren
Aufhebung. Das Finanzgericht (FG) hob durch Urteil vom 12.12.2007 7
K 249/07 (EFG 2008, 1082 = SIS 08 29 58) die
Teileinspruchsentscheidung auf. Sie sei rechtswidrig, weil das FA
keine Ermessenserwägungen angestellt bzw. nicht dargelegt
habe, weshalb das Einspruchsvorbringen entscheidungsreif sei und
weshalb es im Streitfall sachdienlich sei, das Verfahren nicht
ruhen zu lassen. Die Vorläufigkeitsvermerke seien unwirksam,
denn sie ließen den Umfang und den Grund der
Vorläufigkeit nicht hinreichend genau erkennen. Da die
Unwirksamkeit der Vorläufigkeitsvermerke nicht zur Nichtigkeit
des Steuerbescheides führe, habe das FA den Kläger
insoweit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu bescheiden.
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Gegen das Urteil haben sowohl der
Kläger als auch das FA Revision eingelegt.
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Während des Revisionsverfahrens wurde
der angefochtene Bescheid für 2005 über Einkommensteuer
und Solidaritätszuschlag - aus hier nicht streitigen
Gründen - mehrfach geändert. Die Bescheide vom 10.7.2008
und vom 19.1.2009 waren nur noch vorläufig hinsichtlich der
beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10
Abs. 3, 4, 4a EStG) und der Nichtberücksichtigung pauschaler
Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien
Aufwandsentschädigung nach § 12 AbgG. In dem nach §
172 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 23.9.2010 wurden
die Vorläufigkeitsvermerke hinsichtlich des HBeglG 2004 und
der Verfassungsmäßigkeit des SolzG 1995 wieder
aufgenommen.
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Der Kläger trägt zur
Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor:
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Die Vorläufigkeitsvermerke seien
unbestimmt und damit unwirksam. Die Unwirksamkeit führe zur
Nichtigkeit der Festsetzung. Zumindest aber seien die
Vorläufigkeitsvermerke und damit auch der Bescheid für
2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag
rechtswidrig.
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Entgegen § 165 Abs. 1 Satz 3 AO seien
Grund und Umfang der Vorläufigkeit nicht angegeben. Die
vorläufig festgesetzte Steuer müsse beziffert werden,
weil sich nach Beendigung der Vorläufigkeit ein
Einspruchsverfahren anschließen könne, in dem andere
Begründungen nachgeschoben werden dürften. Unklar sei
auch, ob sich der jeweilige Vorläufigkeitsvermerk nur auf die
zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen
Verfahren beziehe (so BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006,
858 = SIS 06 34 96, und Urteil des Sächsischen FG vom
19.8.2009 2 K 1038/09, juris = SIS 09 31 81) oder auch auf
später anhängig werdende Verfahren, wie die
Finanzverwaltung behaupte.
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Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO sei
vorläufig festzusetzen, wenn die Vereinbarkeit eines
Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines
Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH),
dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder einem obersten
Bundesgericht sei. Es sei daher anzugeben, welche anhängigen
Verfahren (unter Angabe des Gerichts und des Aktenzeichens) und
welche genauen Rechtsfragen von dem Vorläufigkeitsvermerk
umfasst seien. Ohne diese Angaben könne der Steuerpflichtige
nicht entscheiden, ob ein Einspruch gegen den Steuerbescheid
erforderlich sei oder nicht. Fehlten diese Angaben im
Vorläufigkeitsvermerk, habe die Finanzbehörde die
Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks im Einspruchsverfahren
zu erläutern (BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858
= SIS 06 34 96). Dieser Begründungspflicht sei das FA bisher
nicht nachgekommen.
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Eine vorläufige Festsetzung nach
§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO erfasse nur die Vereinbarkeit mit
höherrangigem Recht, nicht aber die einfachgesetzliche
verfassungskonforme Auslegung. Die Vertreter der Finanzverwaltung
hätten in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH zwar
erklärt, die Vorläufigkeit beziehe sich auch auf die
verfassungskonforme Auslegung. Aus den bisherigen Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ergebe sich jedoch die
gegenteilige Auffassung. Bei Erhalt des angefochtenen Bescheides
sei daher die Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke auch
insoweit nicht klar und eindeutig gewesen.
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Da der Steuerpflichtige das Recht habe,
nach Beseitigung der Ungewissheit eine
Endgültigkeitserklärung zu beantragen, müsse klar
sein, wann die Ungewissheit beseitigt sei. Die Vertreter der
Finanzverwaltung hätten in der mündlichen Verhandlung
erklärt, die Ungewissheit sei mit der Entscheidung über
die im Vorläufigkeitsvermerk bezeichnete Frage beseitigt; nach
Rz 9 zu § 165 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)
dürfe die Vorläufigkeit aber jederzeit durch eine
Endgültigkeitserklärung beendet werden. Zudem lasse die
Finanzverwaltung bei Änderungsbescheiden die
Vorläufigkeitsvermerke bereits dann entfallen, wenn kein
Verfahren mehr anhängig sei, unabhängig davon, ob die
Rechtsfrage bereits geklärt sei.
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22
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Nach dem aus Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes (GG) folgenden Recht freier Prozess- und
Verfahrensführung könne der Steuerpflichtige selbst
entscheiden, ob er das Verfahren zum Stillstand bringe oder selbst
eine gerichtliche Entscheidung herbeiführe. Durch die
vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO
werde dieses Recht des Steuerpflichtigen aber eingeschränkt,
da er nach Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung bei
vorläufiger Festsetzung insoweit kein
Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch habe. Zwar
hätten die Vertreter der Finanzverwaltung erklärt, der
Steuerpflichtige könne Einspruch einlegen, wenn der
Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid
entfalle, der Bescheid nach einer höchstrichterlichen
Entscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen geändert oder
für endgültig erklärt werde. In einem solchen
Einspruchsverfahren könnte aber die Rechtsfrage, deretwegen
vorläufig festgesetzt worden sei, nicht geklärt werden;
denn nach § 351 AO dürften unanfechtbare Verwaltungsakte
nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche.
Selbst wenn das Entfallen eines Vorläufigkeitsvermerks als
Änderung angesehen würde, könne allenfalls
geklärt werden, ob der Vorläufigkeitsvermerk zu Recht
entfallen sei. Bei einer Änderung zugunsten des
Steuerpflichtigen könne der Änderungsbescheid nicht
angegriffen werden, weil der Steuerpflichtige, der eine weitere
Herabsetzung begehre, durch den Änderungsbescheid nicht
beschwert sei. Da die Endgültigkeitserklärung anders als
die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs.
3 Satz 2 AO) keiner Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der
Nachprüfung gleichstehe, könne der Steuerpflichtige mit
einem Einspruch gegen die Endgültigkeitserklärung
ebenfalls nicht Rechtsfragen klären lassen, hinsichtlich derer
die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt worden
sei.
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Auch werde das Recht des Steuerpflichtigen
auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Steuerbescheides
eingeschränkt; denn die Vollziehung der Steuerfestsetzung
könne nur ausgesetzt werden, wenn ein zulässiger
Einspruch vorliege. Da zu einer Aussetzung/Aufhebung der
Vollziehung des Steuerbescheides führende ernstliche Zweifel
in der Regel erst vorlägen, wenn der BFH die Sache dem BVerfG
zur Entscheidung vorlege, müsse dem Steuerpflichtigen die
Möglichkeit gegeben werden, trotz vorläufiger Festsetzung
Einspruch einzulegen und das Verfahren zum Ruhen zu bringen. Nur
durch die generelle Zulässigkeit eines Einspruchs bei
vorläufiger Festsetzung und die Einräumung der
Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO werde das Recht auf
individuellen, effektiven Rechtsschutz gewahrt. Art. 19 Abs. 4 GG
verbiete jede Einschränkung des Rechts auf AdV durch
Vorläufigkeitsvermerke bei verfassungsrechtlichen
Musterprozessen.
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Die Teileinspruchsentscheidung sei
ebenfalls nichtig, zumindest aber rechtswidrig, weil nicht
angegeben sei, welcher Steuerbetrag nicht bestandskräftig
werden solle. Da eine Steuerfestsetzung stets
betragsmäßig in Bestandskraft erwachse, reiche ein
Hinweis auf offene Besteuerungsgrundlagen nicht aus.
Besteuerungsgrundlagen könnten nicht bestandskräftig
werden. Eine Bezifferung der nicht bestandskräftig werdenden
Steuerfestsetzung sei auch deshalb erforderlich, weil der
Steuerpflichtige insoweit die Besteuerungsgrundlagen im
Einspruchsverfahren austauschen könne. Die Auffassung der
Finanzverwaltung, nach Ergehen einer Teileinspruchsentscheidung
bestehe ein solches Recht nicht, schränke den Rechtsschutz
ein.
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Nichtig oder jedenfalls rechtswidrig sei
die Teileinspruchsentscheidung zudem, weil sie inhaltlich nicht
hinreichend bestimmt sei. Nach Rz 6.3 zu § 367 AEAO sei
„genau zu bestimmen (z.B. durch Benennung der anhängigen
Verfahren vor dem BFH, BVerfG oder EuGH mit Az. und Streitfrage),
hinsichtlich welcher Teile des Verwaltungsaktes Bestandskraft nicht
eintreten“ solle. Im Streitfall sei für den nicht
bestandskräftig werdenden Teil des Einspruchs das beim BFH
anhängige Verfahren X R 9/07 genannt worden. Unklar sei, ob
das Einspruchsverfahren trotz der Entscheidung des BFH im Verfahren
X R 9/07 weiterhin ruhe, weil gegen diese Entscheidung
Verfassungsbeschwerde erhoben worden sei (Az. 2 BvR
290/10).
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26
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Das FA habe die Teileinspruchsentscheidung
auch deshalb nicht erlassen dürfen, weil gemäß
§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO gesetzliche Zwangsruhe eingetreten sei.
Denn er, der Kläger, habe sich darauf berufen, dass die den
Vorläufigkeitsvermerken zugrunde liegenden Verfahren durch
verfassungskonforme einfachgesetzliche Auslegung der jeweils
betroffenen Norm zu Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden
würden. Fragen der einfachgesetzlichen Auslegung einer
Rechtsnorm würden aber von einem auf § 165 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 AO gestützten Vorläufigkeitsvermerk nicht umfasst.
Da die zu klärende Frage den gesamten Bescheid betreffe,
könne dieser nicht in zwei Teile geteilt werden mit der Folge,
dass eine abschließende Entscheidung nur hinsichtlich eines
Teiles nicht möglich sei (vgl. auch Beschluss des FG
Düsseldorf vom 23.6.2009 11 V 1839/08 A [F], EFG 2009,
1817).
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27
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Die Teileinspruchsentscheidung sei
außerdem ermessensfehlerhaft. Soweit das FA hinsichtlich der
Sachdienlichkeit Ermessen ausgeübt habe, sei dieses nicht auf
den konkreten Einzelfall bezogen und deshalb fehlerhaft.
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Schließlich gebe es für die
Teileinspruchsentscheidung keine Rechtsgrundlage, weil das
Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) nicht
verfassungsgemäß zustande gekommen sei. § 78 Abs. 1
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags (GO BT) schreibe
drei Beratungen für Gesetzentwürfe vor. Bei der ersten
Beratung des JStG 2007 am 28.9.2006 sei aber § 367 Abs. 2a AO
in dem Gesetzentwurf noch nicht enthalten gewesen (vgl. BTDrucks
16/2712). Die zweite Beratung des Gesetzentwurfs habe entgegen
§ 81 Abs. 1 GO BT früher als am zweiten Tag nach
Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts
begonnen bzw. eine dritte Beratung sei nicht durchgeführt
worden, da vor der Schlussabstimmung noch nicht einmal gefragt
worden sei, ob sich jemand zur Sache äußern möchte.
Ein evidenter Mangel im Gesetzgebungsverfahren führe nach der
Rechtsprechung des BVerfG zur Nichtigkeit des Gesetzes.
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29
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Wegen des weiteren Vortrags des
Klägers nimmt der Senat auf die im Revisionsverfahren
eingereichten Schriftsätze einschließlich des
Schriftsatzes vom 6.10.2010 Bezug.
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30
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Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Nichtigkeit des Bescheides für 2005
über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom
5.4.2007, der geänderten Bescheide für 2005 über
Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26.4.2007,
18.2.2008, 17.3.2008, 10.7.2008, 19.1.2009 und 23.9.2010 sowie der
Teileinspruchsentscheidung vom 12.7.2007 festzustellen, hilfsweise,
das FG-Urteil, den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer
und Solidaritätszuschlag vom 5.4.2007, den geänderten
Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag vom 26.4.2007 in der Fassung der
Teileinspruchsentscheidung vom 12.7.2007 sowie die geänderten
Bescheide für 2005 über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag vom 18.2.2008, 17.3.2008, 10.7.2008,
19.1.2009 und 23.9.2010 aufzuheben, weiter hilfsweise, das
FG-Urteil, den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag vom 5.4.2007, den geänderten
Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag vom 26.4.2007 in der Fassung der
Teileinspruchsentscheidung vom 12.7.2007 sowie die geänderten
Bescheide für 2005 über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag vom 18.2.2008, 17.3.2008, 10.7.2008,
19.1.2009 und 23.9.2010 aufzuheben und das FA zu verpflichten, den
Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu
bescheiden.
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31
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Das FA beantragt mit seiner Revision, unter
Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
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32
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Das BMF und das Niedersächsische
Finanzministerium sind dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Sie haben keine
Anträge gestellt.
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33
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B. I. Auf die Revisionen des Klägers
und des FA ist das FG-Urteil schon aus verfahrensrechtlichen
Gründen aufzuheben, weil diesem ein nicht mehr existierender
Bescheid zugrunde liegt. Das FG hat über den Bescheid für
2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom
26.4.2007 und die Teileinspruchsentscheidung vom 12.7.2007
entschieden. Während des Revisionsverfahrens hat das FA aber
mehrere geänderte Bescheide erlassen, die gemäß
§ 121, § 68 FGO nacheinander Gegenstand des Verfahrens
geworden sind (BFH-Urteil vom 15.4.2010 IV R 5/08, BFHE 229, 524,
BFH/NV 2010, 1926 = SIS 10 22 52, m.w.N.).
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34
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Einer Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das FG gemäß § 127 FGO bedarf es
nicht, weil sich die Streitpunkte nicht geändert haben. Die
Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag im Bescheid vom
23.9.2010 sind (wieder) in demselben Umfang vorläufig
festgesetzt wie im angefochtenen Bescheid vom 26.4.2007, so dass
die Streitpunkte hinsichtlich der Vorläufigkeitsvermerke
gleich geblieben sind. Auch über die Rechtmäßigkeit
der Teileinspruchsentscheidung ist im Revisionsverfahren weiterhin
zu entscheiden. Denn die Teileinspruchsentscheidung enthält
eine selbständige Beschwer und wird insoweit durch die
Änderungsbescheide, die den Bescheid vom 26.4.2007 ersetzt
haben, nicht berührt. Da die tatsächlichen, mit
Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG
durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind, bilden sie
nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats
(z.B. BFH-Urteil vom 27.3.2007 VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl
II 2007, 639 = SIS 07 23 57, m.w.N.). Der Senat entscheidet daher
aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in
der Sache selbst.
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35
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II. Die Revision des FA führt zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO); die
Revision des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg (§
126 Abs. 2 FGO).
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36
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1. Die Vorläufigkeitsvermerke sind i.S.
des § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt.
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37
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a) Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann die
Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob
die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind.
Diese Regelung ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO auch
anzuwenden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit
höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim EuGH, dem
BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Welche Anforderungen
an die inhaltliche Bestimmtheit einer vorläufigen Festsetzung
zu stellen sind, ergibt sich aus § 165 Abs. 1 Satz 3 AO.
Danach sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben.
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38
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b) Aus den Vorläufigkeitsvermerken ergibt
sich der Umfang der Vorläufigkeit hinreichend deutlich.
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39
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Zwar bezieht sich nach § 165 Abs. 1 AO
die Vorläufigkeit auf die Festsetzung der Steuer. Nach
ständiger Rechtsprechung des BFH muss die Auswirkung der
Vorläufigkeit auf die Steuerfestsetzung jedoch nicht
betragsmäßig angegeben werden. Es reicht der Hinweis auf
eine Besteuerungsgrundlage aus, wenn dadurch jedenfalls mittelbar
der Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen die Steuerfestsetzung
änderbar sein soll (BFH-Urteil vom 27.11.1996 X R 20/95, BFHE
183, 348, BStBl II 1997, 791 = SIS 97 14 63, m.w.N.).
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40
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Diesem Erfordernis wird der
Änderungsbescheid vom 23.9.2010 gerecht. Es wird hinreichend
bestimmt umschrieben, inwieweit die Steuerfestsetzung
vorläufig ist, nämlich insoweit, als die
Vorsorgeaufwendungen des Klägers nicht in vollem Umfang als
Sonderausgaben abgezogen, Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben
nicht in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach
§ 12 AbgG berücksichtigt sowie durch das HBeglG 2004
geänderte Vorschriften angewendet worden sind und ein
Solidaritätszuschlag festgesetzt worden ist.
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41
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Hierdurch ist auch der Änderungsrahmen
eines Einspruchsverfahrens bestimmt, das sich gegebenenfalls
anschließt, wenn ein Vorläufigkeitsvermerk in einem
Änderungsbescheid nicht mehr enthalten ist (vgl. BFH-Urteil
vom 19.10.1999 IX R 23/98, BFHE 190, 44, BStBl II 2000, 282 = SIS 00 04 35) oder wenn das FA die Festsetzung von sich aus oder auf
Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt
(§ 165 Abs. 2 Sätze 2 und 4 AO). Im Übrigen wird
eine im Hinblick auf eine (oder mehrere) Besteuerungsgrundlage(n)
vorläufige Steuerfestsetzung nur für solche Einwendungen
offen gehalten, die sich auf die betreffende(n)
Besteuerungsgrundlage(n) beziehen; in einem nachfolgenden
Einspruchs- oder Klageverfahren können Einwendungen
hinsichtlich anderer Besteuerungsgrundlagen wegen der materiellen
Bestandskraft der ursprünglichen Steuerfestsetzung nicht mehr
berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 6.3.1992 III R 47/91,
BFHE 167, 290, BStBl II 1992, 588 = SIS 92 13 64). Nur bei einer
Änderung der vorläufigen Festsetzung sind im Rahmen des
Änderungsbetrags auch solche Fehler zu berücksichtigen,
die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen
(§ 177 Abs. 4 AO).
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42
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Es ist auch nicht unklar, ob die
Vorläufigkeitsvermerke nur bereits anhängige oder auch
künftig anhängig werdende Verfahren betreffen. Die
Vorläufigkeitsvermerke waren - anders als die
Vorläufigkeitsvermerke, über die der BFH im Urteil in
BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96 zu entscheiden
hatte - nicht beschränkt auf die zum Zeitpunkt der
vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren. Eine solche
Einschränkung ergibt sich auch nicht aus § 165 Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 AO. Danach ist tatbestandsmäßige
Voraussetzung für die Vorläufigkeit, dass die
Vereinbarkeit eines Gesetzes mit höherrangigem Recht
Gegenstand (mindestens) eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG
oder einem obersten Bundesgericht ist. Hat sich das Verfahren, das
Anlass für die vorläufige Festsetzung war, in welcher
Weise auch immer erledigt, bleibt der Tatbestand des § 165
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gleichwohl erfüllt, wenn inzwischen ein
anderes einschlägiges Verfahren anhängig geworden ist.
Selbst wenn insoweit Zweifel hätten bestehen können,
wären diese durch die Ausführungen des FA in der
Teileinspruchsentscheidung beseitigt und ein etwaiger
Begründungsmangel nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO geheilt
worden (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1989 X R 109/87, BFHE 159, 128,
BStBl II 1990, 278 = SIS 90 06 46).
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43
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Ebenso wenig ist unklar, wie lang der
künftige Zeitraum, in dem neue Gerichtsverfahren zu
berücksichtigen sind, zu bemessen ist und wann die
Ungewissheit i.S. des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO endet. Sind
die Verfahren, die der vorläufigen Festsetzung zugrunde
liegen, auf welche Weise auch immer beendet, ist die
Rechtsgrundlage für ein Aufrechterhalten des
Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO,
d.h. die Ungewissheit im Sinne dieser Vorschrift entfallen, selbst
wenn die betreffende Rechtsfrage noch nicht entschieden ist (vgl.
Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSP -, § 165 AO
Rz 19e).
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44
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Ob und wann das FA eine nach § 165 Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung für endgültig
erklärt, steht in seinem Ermessen. Dazu verpflichtet ist es
nur, wenn der Steuerpflichtige dies nach Beendigung der
Ungewissheit beantragt (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO). In der Regel
bleibt die Festsetzung daher, wenn der Steuerpflichtige einen
solchen Antrag nicht stellt, formal weiterhin vorläufig. Wird
vor Ablauf der Festsetzungsfrist (vor Ablauf von zwei Jahren nach
Beseitigung der Ungewissheit und Kenntnis der Finanzbehörde
hiervon, § 171 Abs. 8 Satz 2 AO) ein weiteres
einschlägiges Verfahren anhängig, hat die angeordnete
Vorläufigkeit wieder eine Rechtsgrundlage; die Festsetzung
bleibt weiterhin vorläufig (vgl. auch Buciek in
Beermann/Gosch, AO § 165 Rz 116). Dass bei Erlass des
vorläufigen Steuerbescheides der konkrete Zeitpunkt nicht
bekannt ist, zu dem die Ungewissheit entfällt, liegt in der
Natur der Sache und kann die Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit
eines Vorläufigkeitsvermerks nicht begründen.
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45
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c) Der Grund der Vorläufigkeit ist aus
den Vorläufigkeitsvermerken ebenfalls ersichtlich. Aus der
Bezugnahme auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO und der Angabe der
Besteuerungsgrundlage - wie der beschränkten Abziehbarkeit von
Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG) - ergibt sich,
dass das FA von der Möglichkeit einer vorläufigen
Steuerfestsetzung Gebrauch gemacht hat, weil bei dem EuGH, dem
BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ein Verfahren
anhängig ist, in dem darum gestritten wird, ob § 10 Abs.
3, 4, 4a EStG mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
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46
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Einer weiteren Begründung der Anordnung
der Vorläufigkeit bedarf es nicht. Es ist nicht erforderlich,
dass die dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden
Verfahren im Einzelnen bezeichnet werden (BFH-Urteil in BFHE 183,
348, BStBl II 1997, 791 = SIS 97 14 63). Auch nach dem BFH-Urteil
in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96 reicht die
Angabe der Rechtsgrundlage aus. Aus der Formulierung in diesem
Urteil, dem Steuerpflichtigen könne es „zugemutet
werden, ... ggf. zur Klärung der Reichweite des
Vorläufigkeitsvermerks Einspruch einzulegen“, kann
nicht hergeleitet werden, dass das FA dem Steuerpflichtigen die dem
Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden Verfahren im
Einspruchsverfahren mitteilen muss und dass der
Vorläufigkeitsvermerk rechtswidrig oder sogar nichtig ist,
wenn das FA einem solchen Verlangen nicht nachkommt. Da sich die
Vorläufigkeit nicht auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen
Festsetzung anhängigen Verfahren beschränkt, wäre
eine Angabe dieser Verfahren im Bescheid auch nicht
zweckmäßig. Die Verfahren, die Grund für die
vorläufige Festsetzung sind, können der
vierteljährlich erscheinenden Beilage zum Bundessteuerblatt
Teil II, den Fachzeitschriften und auch den elektronischen Medien
entnommen werden.
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47
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2. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO
schränkt den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht in
verfassungswidriger Weise ein.
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48
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a) Der Kläger meint, es werde kein
ausreichender Rechtsschutz gewährt, wenn das dem
Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegende Verfahren aufgrund
verfassungskonformer Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen
entschieden werde. Entgegen der Auffassung des Klägers kann
eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige
Festsetzung aber auch dann geändert werden, wenn das Gericht
in dem Musterverfahren über die Vereinbarkeit eines
Steuergesetzes mit höherrangigem Recht aufgrund
verfassungskonformer Auslegung zu einem für den
Steuerpflichtigen günstigen Ergebnis kommt. Denn die
verfassungskonforme Auslegung ist insoweit keine einfachgesetzliche
Auslegung eines Steuergesetzes, sondern das Ergebnis der
Prüfung, ob das betreffende Steuergesetz mit
höherrangigem Recht vereinbar ist.
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49
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b) Ebenso wenig wird der Steuerpflichtige
dadurch in seinem Recht nach Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven
Rechtsschutz beschränkt, dass sich der
Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO
nicht auf alle denkbaren Fragen der Anwendung und Auslegung des
einfachen Rechts erstreckt. Denn der Steuerpflichtige kann mit dem
Einspruch gegen die Steuerfestsetzung Fragen der Auslegung
einfachen Rechts geltend machen und ggf. das Einspruchsverfahren
nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO zum Ruhen bringen, so wie es im
Streitfall wegen der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu
Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den
Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG
geschehen ist. Dem Steuerpflichtigen kann es zugemutet werden,
für eine sachgerechte Verfolgung seiner Rechte ggf.
fachkundigen Rat einzuholen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 199,
BStBl II 2006, 858 = SIS 06 34 96).
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50
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c) Auch ist es dem Steuerpflichtigen durch
eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz
2 Nr. 3 AO nicht generell mangels Rechtsschutzbedürfnisses
verwehrt, Einspruch und ggf. Klage zu erheben und vorläufigen
Rechtsschutz zu erlangen. Nach der Rechtsprechung kann trotz
vorläufiger Festsetzung wegen anhängiger Musterverfahren
ein Rechtsschutzbedürfnis für das Einspruchs- und
Klageverfahren anzunehmen sein, wenn - anders als im Streitfall -
besondere Gründe materiell-rechtlicher oder
verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden
(BFH-Beschlüsse vom 22.3.1996 III B 173/95, BFHE 180, 217,
BStBl II 1996, 506 = SIS 96 20 91; vom 30.11.2007 III B 26/07,
BFH/NV 2008, 374 = SIS 08 11 31; BFH-Urteil vom 16.2.2005 VI R
37/01, BFH/NV 2005, 1323 = SIS 05 32 30). In einem solchen
Einspruchs- und sich ggf. anschließenden Klageverfahren hat
der Steuerpflichtige jederzeit die Möglichkeit,
vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen und - sofern die
Voraussetzungen des § 361 AO bzw. des § 69 FGO vorliegen
- zu erhalten.
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51
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d) Der Steuerpflichtige erleidet auch keine
unzumutbaren Rechtsnachteile, wenn die materiell-rechtliche Frage
in dem Musterverfahren nicht in seinem Sinne oder - z.B. wegen
Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wegen Abhilfe oder wegen
Rücknahme - überhaupt nicht geklärt wird. Denn er
kann nach Erledigung des Musterverfahrens gemäß §
165 Abs. 2 Satz 4 AO beantragen, dass die Steuerfestsetzung
für endgültig erklärt wird, und gegen die dann auch
insoweit endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und ggf.
anschließend Klage erheben zur weiteren
verfassungsrechtlichen Klärung (vgl. Senatsbeschluss in BFHE
180, 217, BStBl II 1996, 506 = SIS 96 20 91, m.w.N.; Seer in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 54;
Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 165 Rz 56; Heuermann in
HHSp, § 165 AO Rz 39, 40, 46), ohne dass dem § 351 Abs. 1
AO entgegensteht (vgl. z.B. Klein/Rüsken, a.a.O., § 351
Rz 5; Heuermann in HHSp, § 165 AO Rz 46). Erklärt die
Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung für
endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in
einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf.
Klage möglich.
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52
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3. Die Entscheidung des FA, eine
Teileinspruchsentscheidung zu erlassen, ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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53
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a) Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die
Finanzbehörde auf den Einspruch des Steuerpflichtigen die
Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen und eine
abschließende Einspruchsentscheidung zu erlassen. Sie kann
aber nach § 367 Abs. 2a AO vorab über Teile des
Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. In dieser
Entscheidung hat sie zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile
Bestandskraft nicht eintreten soll (§ 367 Abs. 2a Satz 2
AO).
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54
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b) Der Erlass der Teileinspruchsentscheidung
war entgegen der Auffassung des FG sachdienlich.
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55
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aa) Das FA entscheidet nach
pflichtgemäßem Ermessen („kann“), ob
es eine Teileinspruchsentscheidung erlässt (sog.
Entschließungsermessen). Diese Ermessensentscheidung ist
verbunden mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, weil der Erlass
einer Teileinspruchsentscheidung sachdienlich sein muss. Entgegen
der Auffassung des BMF führt die Verknüpfung aber -
anders als bei einem Erlass nach § 227 AO wegen sachlicher
Unbilligkeit (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105,
101, BStBl II 1972, 603 = SIS 72 03 54) - nicht dazu, dass auch der
Rechtsbegriff in den Bereich der Ermessensbetätigung
fällt mit der Folge, dass der Erlass einer
Teileinspruchsentscheidung auch in Bezug auf die Sachdienlichkeit
der Maßnahme gemäß § 102 FGO nur daraufhin
überprüft werden könnte, ob das FA die Grenzen des
Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem
Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht hat. Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung
ist vielmehr in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (so
auch Beschluss des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1817,
bestätigt durch BFH-Beschluss vom 21.5.2010 IV B 88/09, BFH/NV
2010, 1613 = SIS 10 26 32; Urteil des Niedersächsischen FG vom
16.2.2010 12 K 119/08, StE 2010, 454 = SIS 10 25 33; Bartone in
Beermann/ Gosch, AO § 367 Rz 52; Klein/Brockmeyer, a.a.O.,
§ 367 Rz 19; a.A. Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 509,
das FA habe einen Beurteilungsspielraum).
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56
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bb) Nach den Gesetzesmaterialien soll §
367 Abs. 2a AO - der auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt
wurde (BTDrucks 16/3368, S. 6) - den Finanzbehörden
ermöglichen, in einer förmlichen Einspruchsentscheidung
zunächst nur über Teile des Einspruchs zu befinden. Dies
sei insbesondere dann sinnvoll, wenn ein Teil des Einspruchs
entscheidungsreif sei und hinsichtlich des anderen Teils, z.B. nach
der Entscheidung in einem beim BFH anhängigen Verfahren, eine
einvernehmliche Lösung des Rechtsstreits erwartet werden
könne. Auf diese Weise könne der Steuerpflichtige
hinsichtlich des entscheidungsreifen Teils seines Einspruchs
schnelleren gerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Es liege sowohl im
Interesse des Steuerpflichtigen als auch im Interesse der
Finanzverwaltung, wenn über den entscheidungsreifen Teil
zeitnah entschieden werde (BTDrucks 16/3368, S. 25).
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57
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Aus der Gesetzesbegründung kann nicht -
wie das FG annimmt - hergeleitet werden, der Zweck der
Teileinspruchsentscheidung sei allein auf schnelleren Rechtsschutz
im Interesse des Steuerpflichtigen gerichtet und deshalb eine
Teileinspruchsentscheidung bei einem nur die vorläufige
Festsetzung betreffenden Einspruch nicht sachdienlich. Abgesehen
davon, dass eine solche Einschränkung im Gesetzeswortlaut
nicht zum Ausdruck kommt, wird in der Gesetzesbegründung
darauf hingewiesen, dass die Teileinspruchsentscheidung auch dem
Interesse der Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung
über den entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs dient.
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58
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Aus dem Zusammenspiel der Vorschrift mit der -
ebenfalls durch das JStG 2007 eingefügten - Regelung in §
367 Abs. 2b AO ergibt sich zudem, dass die
Teileinspruchsentscheidung als Instrument zur Bewältigung von
Masseneinsprüchen im Hinblick auf Musterverfahren geschaffen
wurde (so auch Bartone, a.a.O., AO § 367 Rz 50; Birkenfeld in
HHSp, § 367 AO Rz 486, 490). Betreffen die Einsprüche
(auch) Rechtsfragen, die Gegenstand eines Verfahrens beim EuGH,
BVerfG oder BFH sind, sollen die Finanzbehörden über die
Sach- und Rechtsfragen vorab entscheiden können, die von den
anhängigen höchstrichterlichen Verfahren nicht betroffen
sind. Ist aufgrund der Entscheidung in den betreffenden Verfahren
den Einsprüchen nicht abzuhelfen, kann die Finanzverwaltung
die Einsprüche gemäß § 367 Abs. 2b AO durch
Allgemeinverfügung zurückweisen. Diese Lösung ist
insbesondere dann zweckmäßig, wenn aufgrund einer
Teileinspruchsentscheidung nur noch der von der
Allgemeinverfügung betroffene Teil unentschieden ist, weil
andernfalls trotz der Allgemeinverfügung das
Einspruchsverfahren fortzuführen und eine
Einspruchsentscheidung zu erlassen ist (vgl. Rz 7.2 zu § 367
AEAO).
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59
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Es entspricht daher dem mit der Vorschrift
verfolgten Zweck und ist deshalb sachdienlich, eine
Teileinspruchsentscheidung zu erlassen, wenn Teile des Einspruchs
entscheidungsreif sind und der Einspruch ersichtlich nur zu dem
Zweck eingelegt wird, die Steuerfestsetzung nicht
bestandskräftig werden zu lassen. Auch Art. 19 Abs. 4 GG
gebietet es nicht, Einspruchsverfahren möglichst lange offen
zu halten, damit der Steuerpflichtige an künftigen
Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu
derzeit nicht streitigen Rechtsfragen teilhaben kann (z.B.
BFH-Urteile vom 6.10.1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II
1996, 20 = SIS 96 04 99; vom 26.9.2006 X R 39/05, BFHE 215, 1,
BStBl II 2007, 222 = SIS 07 03 12, unter 6.; BFH-Beschluss vom
6.7.1999 IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587 = SIS 99 53 94).
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60
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es im
Streitfall sachdienlich, über den Einspruch zu entscheiden mit
Ausnahme des Teils, der die in dem anhängigen Musterverfahren
zu entscheidende Frage über die Abziehbarkeit der
Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten betraf.
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61
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Der Kläger hat mit seinem Einspruch
materiell-rechtlich nur eingewendet, die
Vorläufigkeitsvermerke seien nichtig bzw. rechtswidrig, und
unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren X
R 9/07 zur Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge
als Werbungskosten das Ruhen des Verfahrens beantragt. Hinsichtlich
der gerügten Nichtigkeit/Rechtswidrigkeit der
Vorläufigkeitsvermerke war der Einspruch
entscheidungsreif.
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62
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Entgegen der Auffassung des Klägers war
nicht insgesamt gesetzliche Verfahrensruhe gemäß §
363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetreten. Das Einspruchsverfahren ruht nur
dann kraft Gesetzes, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit
einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem
EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig
ist und der Einspruch hierauf gestützt wird. Der
Einspruchsführer muss in der Begründung seines Einspruchs
die Rechtsfragen darlegen und sich auf dazu anhängige konkrete
Verfahren berufen (BFH-Urteile vom 27.4.2006 IV R 18/04, BFH/NV
2006, 2017 = SIS 06 41 19, und in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222 =
SIS 07 03 12). Der Kläger hat sich aber ausdrücklich nur
auf das BFH-Verfahren X R 9/07 bezogen.
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63
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Sein Vortrag, die dem
Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden - nicht bezeichneten
- Musterverfahren könnten auch durch verfassungskonforme
einfachgesetzliche, vom Vorläufigkeitsvermerk nicht umfasste
Auslegung entschieden werden, reicht nicht aus, um gesetzliche
Verfahrensruhe eintreten zu lassen. Abgesehen davon ist eine nach
§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung auch
dann zu ändern, wenn das dem Vorläufigkeitsvermerk
zugrunde liegende Verfahren durch verfassungskonforme Auslegung
zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird (vgl. oben unter
B.II.2.a). Insoweit kommt eine gesetzliche Zwangsruhe nach §
363 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO nicht in Betracht.
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64
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c) Das FA hat sein Ermessen entsprechend dem
Zweck des § 367 Abs. 2a AO ausgeübt und die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 5 AO). Es hat seine
Ermessensentscheidung auch ausreichend begründet.
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65
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Das FA hat in der Einspruchsentscheidung
dargelegt, warum der Erlass der Teileinspruchsentscheidung
sachdienlich ist. Diese Ausführungen genügen, um zu
erläutern, warum es von seinem Entschließungsermessen
Gebrauch gemacht hat. Ist der Erlass einer
Teileinspruchsentscheidung sachdienlich, entspricht es im Regelfall
billigem Ermessen, eine Teileinspruchsentscheidung zu erlassen; das
Entschließungsermessen ist daher in einer Weise
vorgeprägt, dass keine weitere Begründung erforderlich
ist (vgl. zur Betätigung des Ermessens im Falle der
Haftungsinanspruchnahme BFH-Urteil vom 12.2.2009 VI R 40/07, BFHE
224, 306, BStBl II 2009, 478 = SIS 09 12 01, m.w.N.).
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66
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d) Die Teileinspruchsentscheidung ist auch
nicht nichtig oder rechtswidrig, weil das FA nur die
Besteuerungsgrundlage genannt hat, die nicht bestandskräftig
werden soll, nicht aber den Steuerbetrag. Denn ebenso wenig wie bei
der vorläufigen Festsetzung muss bei der
Teileinspruchsentscheidung die nicht bestandskräftig werdende
Steuer beziffert werden. Auch im Hinblick auf eine mögliche
Saldierung - wie sie der BFH bei der vorläufigen Festsetzung
anerkennt (z.B. BFH-Entscheidungen vom 2.3.2000 VI R 48/97, BFHE
191, 223, BStBl II 2000, 332 = SIS 00 08 30; vom 6.3.2003 IX B
197/02, BFH/NV 2003, 742 = SIS 03 23 82; vom 14.10.2002 VIII R
70/98, BFH/NV 2003, 742 = SIS 03 23 83) - ist eine Bezifferung
nicht erforderlich. Der genaue Steuerbetrag, der
möglicherweise saldiert werden könnte, kann ohnehin erst
ermittelt werden, wenn feststeht, wie die Rechtsfrage, deretwegen
das Verfahren ruht, zu entscheiden ist.
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67
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e) Ebenso wenig ist die
Teileinspruchsentscheidung nichtig oder rechtswidrig, weil - wie
der Kläger vorträgt - unklar sei, ob der Einspruch bis
zur Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren X R 9/07 oder bis
zur endgültigen Klärung durch das BVerfG ruhe, bei dem
das Verfahren inzwischen anhängig sei.
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68
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Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruht das
Einspruchsverfahren, soweit der Einspruchsführer seinen
Einspruch auf ein Verfahren stützt, das wegen der
Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder einer
Rechtsfrage bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten
Bundesgericht anhängig ist. Ruht das Verfahren wie im
Streitfall wegen einer durch den BFH zu klärenden Rechtsfrage,
endet die Verfahrensruhe mit der Entscheidung des anhängigen
Verfahrens, auf das sich der Einspruchsführer berufen hat
(vgl. BFH-Beschlüsse vom 25.11.2003 II B 68/02, BFH/NV 2004,
462 = SIS 04 10 92; vom 24.10.2006 X B 39/04, BFH/NV 2007, 258 =
SIS 07 03 97; BFH-Urteil in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222 = SIS 07 03 12, unter II.3.b). Das FA kann über den noch offenen
Teil des Einspruchs ohne vorherige Mitteilung entscheiden, z.B.
auch durch Allgemeinverfügung; eine Mitteilung nach § 363
Abs. 2 Satz 4 AO ist nur erforderlich, wenn das FA das
Einspruchsverfahren trotz andauernder Zwangsruhe fortsetzen will
(BFH-Urteil in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222 = SIS 07 03 12).
Wird gegen die Entscheidung, deretwegen das Einspruchsverfahren
ruhte, Verfassungsbeschwerde erhoben, setzt sich die Zwangsruhe
nicht „automatisch“ fort. Der
Einspruchsführer muss vielmehr, bevor über den noch
ruhenden Teil des Einspruchs entschieden wird, seinen Einspruch auf
die Verfassungsbeschwerde erstrecken (Urteile des FG
Baden-Württemberg vom 27.5.2008 4 K 340/06, EFG 2008, 1352 =
SIS 08 29 94, und des FG Hamburg vom 31.7.2009 1 K 4/09, EFG 2010,
109 = SIS 09 35 54).
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69
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Der Kläger hat sich auf das Verfahren X R
9/07 berufen; insoweit ruht das Verfahren kraft Gesetzes. Das FA
hat deshalb insoweit über den Einspruch nicht entschieden. Es
hat im Tenor unter Hinweis auf das BFH-Verfahren X R 9/07 genau
umschrieben, über welchen Teil des Einspruchs nicht
entschieden wird, nämlich soweit er die Nichtabziehbarkeit von
Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene
Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a EStG betrifft. Damit steht zweifelsfrei fest, dass
nur unentschieden bleibt, ob die Beiträge des Klägers zur
gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 3
Satz 4 EStG als Sonderausgaben der Höhe nach beschränkt
oder als Werbungskosten in voller Höhe abziehbar sind. In den
Gründen der Teileinspruchsentscheidung wird ausgeführt,
dass das Verfahren hinsichtlich der Steuerfestsetzung des nicht
entschiedenen Teils weiterhin gemäß § 363 Abs. 2 AO
ruht und insoweit keine Bestandskraft eintritt.
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70
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Mit dem Urteil des BFH vom 18.11.2009 X R 9/07
(BFH/NV 2010, 412 = SIS 10 05 78) endete die gesetzliche
Verfahrensruhe, sodass das FA über diesen Teil des Einspruchs
ebenfalls entscheiden könnte, sofern der Kläger sich
nicht auf die beim BVerfG gegen dieses Urteil anhängige
Verfassungsbeschwerde 2 BvR 290/10 beruft.
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71
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4. Anders als der Kläger ist der Senat
der Auffassung, dass das JStG 2007 und damit auch der durch das
JStG 2007 eingeführte § 367 Abs. 2a AO
verfassungsmäßig zustandegekommen ist. Eine Vorlage an
das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in
Betracht.
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72
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a) Die Rüge des Klägers, § 367
Abs. 2a AO sei nicht Gegenstand der ersten Lesung gewesen, ergibt
keinen Verfassungsverstoß.
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73
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Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf
der Bundesregierung (BTDrucks 16/2712, 16/3036), der § 367
Abs. 2a AO noch nicht enthielt, in seiner Sitzung am 28.9.2006 dem
Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie weiteren
Ausschüssen zur Mitberatung überwiesen. In der
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 8.11.2006 und in dem
Bericht des Finanzausschusses vom 9.11.2006 war der vom Bundesrat
zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau
vorgeschlagene § 367 Abs. 2a AO eingefügt (BTDrucks
16/3325, S. 54, 55; BTDrucks 16/3368, S. 6, 25). Die zweite
Beratung des Entwurfs des JStG 2007 fand am 9.11.2006 statt. Laut
Plenarprotokoll 16/63 (S. 6224, 6232) wurde der Gesetzentwurf,
für den eine Aussprache von einer halben Stunde vorgesehen
war, in zweiter Beratung angenommen, an die sich nach Aufruf der
dritten Beratung die Schlussabstimmung anschloss.
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74
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Nach § 78 Abs. 1 GO BT werden
Gesetzentwürfe zwar in drei Beratungen behandelt. Entgegen der
Auffassung des Klägers muss eine vom Gesetzentwurf in erster
Beratung abweichende Beschlussempfehlung aber nicht Gegenstand
einer erneuten ersten Beratung sein. Nach dem Plenarprotokoll
(16/54, S. 5274) fand in der ersten Beratung in
Übereinstimmung mit § 79 GO BT keine allgemeine
Aussprache statt, sondern der Gesetzentwurf wurde gemäß
§ 80 Abs. 1 GO BT an die entsprechenden Ausschüsse
überwiesen. Nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des
Ausschussberichts begann wie in § 81 GO BT vorgesehen die
Aussprache, für die eine halbe Stunde vorgesehen war. Da in
zweiter Beratung keine Änderungen beschlossen wurden, folgten
gemäß § 84 Satz 1 Buchst. a GO BT unmittelbar im
Anschluss die dritte Beratung und die Schlussabstimmung (§ 86
Sätze 1 und 2 GO BT). Es gibt auch kein verfassungsrechtliches
Prinzip, das drei Beratungen erfordert (vgl. BVerfG-Urteil vom
6.3.1952 2 BvE 1/51, BVerfGE 1, 144).
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b) Auch die Rüge des Klägers, die
zweite Beratung des JStG 2007 habe entgegen § 81 Abs. 1 Satz 2
GO BT bereits vor dem zweiten Tag nach Verteilung der
Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts stattgefunden,
begründet keine formelle Verfassungswidrigkeit des JStG
2007.
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Zwar fand die zweite Beratung des JStG 2007
schon am 9.11.2006 statt, obwohl der Finanzausschuss den
Gesetzentwurf erst am 8.11.2006 abschließend beraten hatte
und die mitberatenden Ausschüsse sich ebenfalls erst am
8.11.2006 mit der Vorlage befasst hatten, sodass die Frist für
den Beginn der zweiten Beratung - am zweiten Tag nach Verteilung
der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts - nicht
eingehalten war. Aus dem Plenarprotokoll ergibt sich auch nicht,
dass die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 GO BT für eine
Fristverkürzung vorgelegen haben. Dieser Verstoß gegen
die GO BT führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des JStG
2007.
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Bei der GO BT handelt es sich um eine autonome
Satzung, deren Bestimmungen nur die Mitglieder des Bundestages
binden. Ungeachtet ihrer großen Bedeutung für das
materielle Verfassungsrecht und das Verfassungsleben folgt aus
dieser Rechtsnatur der GO BT, dass sie der geschriebenen Verfassung
und den Gesetzen im Range nachsteht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 1,
144). Es ist daher fraglich, ob Verstöße gegen
Bestimmungen der GO BT überhaupt zur Unwirksamkeit eines
Gesetzes führen können (offen gelassen im
BVerfG-Beschluss vom 8.12.2009 2 BvR 758/07, Deutsches
Verwaltungsblatt 2010, 308, betr. Verletzung des § 78 Abs. 5
GO BT, den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses dem
Deutschen Bundestag mindestens zwei Tage vor dessen
endgültiger Beschlussfassung nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG
zuzuleiten). Zur formellen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes
können jedenfalls nur schwerwiegende, die grundgesetzlichen
Verfahrensvorschriften (Art. 76 bis 78 GG) berührende
Verstöße führen (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 10. Aufl., Art.
40 Rz 9; Rubel in Umbach/Clemens, Grundgesetz, Art. 77 Rz 16).
Hierzu gehört die Verletzung der Frist nach § 81 Abs. 1
GO BT nicht.
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Ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit
wird traditionell außerhalb des Plenums geleistet. Die GO BT
trägt dem faktischen Zwang zur Arbeitsteilung im
parlamentarischen Bereich zunächst dadurch Rechnung, dass sie
die Einrichtung von Ausschüssen (§§ 54 ff. GO BT)
vorsieht. In ihnen vollzieht sich ein wesentlicher Teil des
Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses des Bundestages. Die
Arbeit der Fraktionen (§§ 10 ff. GO BT) erreicht
grundsätzlich alle Abgeordneten des Parlaments. Die
Schlussabstimmung nach Beratung im Plenum bildet einen zwar
rechtlich notwendigen, zuweilen in seiner politischen Bedeutung
jedoch geminderten letzten Teilakt der parlamentarischen
Willensbildung, während die Entscheidung in Wirklichkeit
bereits in den Ausschüssen und Fraktionen gefallen ist
(BVerfG-Beschluss vom 10.5.1977 2 BvR 705/75, BVerfGE 44, 308). Vor
diesem Hintergrund ist die Nichteinhaltung der in § 81 Abs. 1
GO BT vorgegebenen Frist (kein Beginn der zweiten Beratung vor dem
zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des
Ausschussberichts) kein schwerwiegender, zur formellen
Verfassungswidrigkeit führender Verstoß, zumal die
Abgeordneten zu Beginn der zweiten Beratung der vorgeschlagenen
Aussprache von einer halben Stunde laut Plenarprotokoll (16/63, S.
6224) nicht widersprochen und damit zum Ausdruck gebracht haben,
dass die Vorbereitungszeit ausreichte. Lediglich ein Abgeordneter
mahnte an, künftig die Fristen einzuhalten. Da der Ablauf des
Verfahrens bis zum Gesetzesbeschluss in Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG
nicht geregelt ist und die Fristbestimmung in § 81 Abs. 1 GO
BT weder Verfassungsgewohnheitsrecht ist noch zu den unabdingbaren
Grundsätzen der demokratischen rechtsstaatlichen Ordnung
gehört (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 14.10.1970 1 BvR 307/68,
BVerfGE 29, 221), kann die Nichteinhaltung der Frist nicht zur
formellen Verfassungswidrigkeit des JStG 2007 führen.
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