Ausländer, Kindergeld: 1. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass Ausländer, deren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist, auch nach der Neuregelung der Kindergeldberechtigung (§ 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des AuslAnsprG vom 13.12.2006, BGBl 2006 I, 1915) keinen Anspruch auf Kindergeld haben (Festhalten am Senatsurteil vom 15.3.2007 III R 93/03, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05). - 2. Ebenso wenig begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Anspruchsberechtigung von Ausländern mit bestimmten Aufenthaltstiteln (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG n.F.) an die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt geknüpft ist. - Urt.; BFH 22.11.2007, III R 54/02; SIS 08 08 53
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), der die Staatsangehörigkeit des Staates Bosnien
und Herzegowina besitzt, reiste im Jahr 1994 mit seiner Ehefrau und
dem 1990 geborenen Sohn A in die Bundesrepublik Deutschland
(Bundesrepublik) ein. Zunächst war er nach § 55 Abs. 2
des Ausländergesetzes (AuslG 1990) ausländerrechtlich
geduldet. Ab April 1995 begann er eine
sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit. Im Februar
1998 erlitt er einen Arbeitsunfall und ist seither
erwerbsunfähig. Vom 18.3.1998 bis zum 4.8.1999 erhielt der
Kläger Verletztengeld nach § 45 des Siebten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VII), danach wurde ihm gemäß
§ 62 Abs. 1 SGB VII eine Rente als vorläufige
Entschädigung zuerkannt. Ab 1.10.2000 bewilligte die
Berufsgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 2 SGB VII eine
Rente auf unbestimmte Zeit. Am 27.7.2000 erhielt der Kläger
eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG 1990.
Der Kläger beantragte im März
2001 Kindergeld für A, für die im August 1995 geborene
Tochter E sowie für den im April 2000 geborenen Sohn B. Die
Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) entschied über
den Antrag durch zwei Bescheide vom 28.3.2001. Sie bewilligte zum
einen für A und E Kindergeld ab Juli 1997, zum anderen hob sie
diese Festsetzung gemäß § 70 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ab September 1999 wieder
auf.
Gegen den Aufhebungsbescheid wandte sich
der Kläger ohne Erfolg mit Einspruch und Klage. Das Urteil des
Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2003, 49 = SIS 03 09 97
veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision trägt
der Kläger vor, er sei allein wegen seines Arbeitsunfalls
nicht erwerbstätig gewesen. Bei einer teleologischen Auslegung
des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG n.F. müsse eine
ausländerrechtliche Erlaubnis der Erwerbstätigkeit
genügen. Diese liege vor.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil, die
Einspruchsentscheidung vom 26.4.2001 sowie den Aufhebungsbescheid
vom 28.3.2001 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. 1. Das Revisionsverfahren war nicht im
Hinblick auf den Beschluss des FG Köln vom 9.5.2007 10 K
1690/07 (EFG 2007, 1247 = SIS 07 23 05), mit dem dieses dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage der Vereinbarkeit des
§ 62 Abs. 2 EStG n.F. mit dem Grundgesetz (GG) vorgelegt hat,
auszusetzen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) die Aussetzung eines Klageverfahrens
entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geboten,
wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos
erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende
Norm anhängig ist, den FG und dem BFH zahlreiche
Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der
Beteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer
Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der
umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG
anhängigen Verfahrens hat (z.B. Senatsbeschluss vom 7.2.1992
III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408 = SIS 92 13 92).
Ein derartiges Interesse ist im Streitfall jedoch zu bejahen, da
erstmals nach Ergehen des zitierten Vorlagebeschlusses eine
Entscheidung des BFH zur Verfassungsmäßigkeit des §
62 Abs. 2 Nr. 3 EStG n.F. herbeigeführt werden soll (vgl.
Senatsbeschluss in BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408 = SIS 92 13 92, unter 3. e).
2. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die
Familienkasse hat zu Recht die Festsetzung von Kindergeld für
die Zeit ab September 1999 aufgehoben.
a) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F.
des Jahressteuergesetzes 1996 hing der Anspruch eines
Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer
Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder
Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine
Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990),
Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung
(§§ 55, 56 AuslG 1990) reichte nicht aus. Diese Regelung
war nach Ansicht des BVerfG für die nahezu wortgleiche
Regelung in § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG)
i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-,
Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 (BGBl I
1993, 2353) insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als die
Gewährung von Kindergeld allein von der Art des
Aufenthaltstitels abhing (BVerfG-Beschluss vom 6.7.2004 1 BvL 4/97,
BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29). Das
BVerfG hat in dem zitierten Beschluss das vom Gesetzgeber verfolgte
Ziel, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von
denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in der Bundesrepublik
bleiben würden (s. BTDrucks 12/5502, S. 44), nicht
beanstandet, sondern nur die zur Erreichung dieses Ziels
getroffenen gesetzlichen Unterscheidungskriterien, die allein an
die Qualität des ausländerrechtlichen Titels
anknüpften und deshalb nach Ansicht des BVerfG sachlich nicht
gerechtfertigt waren.
b) Der Gesetzgeber hat daraufhin § 62
Abs. 2 EStG durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von
Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und
Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 1915)
geändert. Die Regelung ist mit Wirkung vom 1.1.2006 in Kraft
getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen - wie im
Streitfall - das Kindergeld noch nicht bestandskräftig
festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG).
Ausländer, die nach §§ 55, 56 AuslG 1990 bzw. nach
§ 60a des ab 1.1.2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
geduldet sind, haben auch nach der Neufassung des § 62 Abs. 2
EStG keinen Anspruch auf Kindergeld. Der Senat hat mit Urteilen vom
15.3.2007 III R 93/03 (BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt) sowie III R 54/05 (BFH/NV
2007, 1298 = SIS 07 20 02) zur Kindergeldberechtigung geduldeter
Ausländer entschieden, dass die vom Gesetzgeber getroffene
Differenzierung sachlich gerechtfertigt und mit Art. 3 Abs. 1 GG
vereinbar ist, da keine langfristige Integration geduldeter
Ausländer und ihrer Familien in der Bundesrepublik
beabsichtigt ist. An diesen Grundsätzen hält der Senat
fest.
c) In Fällen, in denen ein Ausländer
im Besitz einer wegen eines Krieges in seinem Heimatland erteilten
Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 AufenthG ist oder in
denen er eine Aufenthaltsgenehmigung wegen eines
Härtefallersuchens (§ 23a AufenthG), zur Gewährung
vorübergehenden Schutzes (§ 24 AufenthG) oder aus
humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG)
erhalten hat, hängt der Anspruch auf Kindergeld nach der
Neuregelung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG davon ab, dass der Ausländer sich
seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder
geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3
Buchst. a EStG) und darüber hinaus berechtigt
erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III
bezieht oder Elternzeit nach §§ 15 ff. des
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5.12.2006 (BGBl I
2006, 2748) in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b
EStG). Das Gesetz stellt auf die Integration von Ausländern in
den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der Gesetzgeber den
Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das beanstandet hatte, dass die
frühere Regelung nur ausländische Eltern benachteiligte,
die legal in der Bundesrepublik lebten und bereits in den
Arbeitsmarkt integriert waren (s. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111,
160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29, unter B. III. 4.).
Bei Ausländern, denen keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist,
ging er wie das BVerfG davon aus, dass das Existenzminimum ihrer
Kinder durch staatliche Fürsorgeleistungen in ausreichendem
Maße gesichert ist (BTDrucks 16/1368, S. 9).
3. Der Senat teilt nicht die im
Vorlagebeschluss des FG Köln in EFG in 2007, 1247
geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, in
Fällen, in denen ein Ausländer rechtmäßig oder
rechtswidrig in die Bundesrepublik einreist und - z.B. wegen eines
tatsächlichen Abschiebungshindernisses - damit zu rechnen ist,
dass er auf absehbare Zeit nicht mehr ausreist, von Anfang an oder
nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu gewähren, weil von
einem Daueraufenthalt auszugehen sei. Vielmehr kann bei der nach
dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2,
114 = SIS 05 07 29 anzustellenden Prognose über die Dauer des
Aufenthalts zunächst erwartet werden, dass sich ein
Ausländer, dessen Aufenthalt lediglich geduldet ist,
rechtstreu verhält und wieder ausreist oder dass ein
Ausländer, der wegen eines Krieges in seinem Heimatland eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder eine
Erlaubnis nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG
erhalten hat, nach Wegfall der Gründe, die einer Rückkehr
in sein Herkunftsland entgegengestanden waren, wieder heimkehrt.
Der Gesetzgeber handelte verfassungskonform und im Rahmen des ihm
zustehenden Gestaltungsspielraums, als er typisierend
gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einen Daueraufenthalt
erst bei einem mindestens dreijährigen Aufenthalt im
Bundesgebiet und bei Integration in den Arbeitsmarkt unterstellte.
Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers
bietet eine derartige Integration eine Perspektive für einen
dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik.
b) Entgegen der im Vorlagebeschluss in EFG
2007, 1247 = SIS 07 23 05 geäußerten Ansicht des FG
Köln ist das in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG
verwendete Abgrenzungskriterium der Erwerbstätigkeit nicht
derart unbestimmt, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip
verstößt (Art. 20 Abs. 3 GG). Es handelt sich um einen
unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies
allein steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach
Normenbestimmtheit nicht entgegen (z.B. BVerfG-Beschluss vom
14.3.1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, BStBl III 1967, 357 = SIS 67 62 58, unter B. I.). Unüberwindliche Auslegungsprobleme
sind für den Senat nicht ersichtlich.
c) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, die
in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der
Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht
bestandskräftig entschiedene Fälle sei verfassungswidrig,
weil der Gesetzgeber den bis zum 1.1.2006 befristeten
Regelungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt habe
(so FG Köln, Urteil vom 9.5.2007 10 K 983/04, EFG 2007, 1254 =
SIS 07 23 08). Der Fall, der dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE
111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29 zugrunde lag,
betraf § 1 Abs. 3 BKGG 1993. Die vom BVerfG getroffene
Anordnung, wonach das bis zum 31.12.1993 geltende Recht anzuwenden
sei (§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des
Ausländerrechts vom 9.7.1990, BGBl I 1990, 1354), falls der
Gesetzgeber bis zum 1.1.2006 die verfassungswidrige Norm nicht
durch eine Neuregelung ersetzen sollte, gilt nur für § 1
Abs. 3 BKKG 1993, nicht aber für das ab 1996 nach §§
62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld. Auch wenn § 1 Abs.
3 BKGG 1993 und § 62 Abs. 2 EStG 1996 nahezu wortgleich waren,
folgt daraus nicht, dass die vom BVerfG angeordnete Sanktion des
Wieder-In-Kraft-Setzens der bis zum 31.12.1993 geltenden
kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auch für das
steuerrechtliche Kindergeld gilt. § 1 Abs. 3 BKGG in der bis
zum 31.12.1993 geltenden Fassung kann im steuerlichen
Kindergeldrecht keine (Wieder-) Geltung erlangen.
d) Eine Übertragung der vom BVerfG
für § 1 Abs. 3 BKGG 1993 angeordneten Sanktion auf das
steuerrechtliche Kindergeld lässt sich entgegen der
Rechtsansicht des Niedersächsischen FG im Urteil vom 23.1.2006
16 K 12/04 (EFG 2006, 751 = SIS 06 23 41) sowie des FG Köln im
Urteil in EFG 2007, 1254 = SIS 07 23 08 auch nicht mit einem
Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1.6.2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273,
BStBl II 2005, 26 = SIS 04 23 56) begründen. Nach dieser
Entscheidung sind wegen Unvereinbarkeit des Verlustausgleichs- und
Abzugsverbots in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. mit Art. 3 Abs.
1 GG für Altfälle die allgemeinen
einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich
und Verlustabzug anzuwenden. Eine Vorlage an das BVerfG wegen der
Verfassungswidrigkeit der Regelung hielt der BFH ausnahmsweise
für entbehrlich, weil das BVerfG bereits das (vergleichbare)
Verlustausgleichsverbot in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen
Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt
hatte mit der Folge, dass die Verluste entsprechend den allgemeinen
Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln
waren (BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88
= SIS 98 23 05). Im Streitfall handelt es sich dagegen nicht um
einschränkende Regelungen systematisch zusammenhängender
Vorschriften eines Gesetzes, deren Nichtigkeit zur Anwendbarkeit
der allgemeinen gesetzlichen Regeln führt, sondern es sind
Vorschriften verschiedener Gesetze (BKGG und EStG) betroffen. Das
BVerfG hat in seiner Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005,
Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. für
die Jahre 1993 bis 1995 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG
erklärt und angeordnet, dass auf noch nicht abgeschlossene
Verfahren § 1 Abs. 3 BKGG in der bis 31.12.1993 geltenden
Fassung anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige
Regelung nicht bis zum 1.1.2006 ersetzen sollte. Diese nur für
§ 1 Abs. 3 BKGG geltende Sanktion des BVerfG kann der BFH
trotz Wortgleichheit der Vorschriften nicht in eigener
Zuständigkeit auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen. Dies
fällt ausschließlich in die Kompetenz des BVerfG.
e) Eine Beschränkung des
Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht entgegen
der Rechtsansicht des FG Köln im Beschluss in EFG 2007, 1247 =
SIS 07 23 05 auch nicht in Widerspruch zum Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom
25.10.2005 in der Sache 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006,
Beilage 3, 357 = SIS 05 49 32). Dieses ist, ebenso wie die
Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage
2, 114 = SIS 05 07 29 zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht
aber zu § 62 Abs. 2 EStG n.F. Ebenso wenig lässt sich ein
Anspruch auf Kindergeld aus dem Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 4.5.1999 C-262/96 (Slg. 1999,
I-2685) herleiten, das den Beschluss des Assoziationsrates
EWG-Türkei Nr. 3/80 betrifft (s. Senatsurteil in BFH/NV 2007,
1234 = SIS 07 15 05).
4. a) Im Streitfall war der Kläger bis
zum 27.7.2000 ausländerrechtlich lediglich geduldet; für
diesen Zeitraum stand ihm bereits nach den Grundsätzen der
Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05 sowie in BFH/NV
2007, 1298 = SIS 07 20 02 kein Kindergeld zu.
b) Auch für die Zeit danach bestand kein
Anspruch. § 62 Abs. 2 EStG n.F. verlangt u.a. einen
Aufenthaltstitel, der auf dem seit 1.1.2005 geltenden AufenthG
beruht. Betrifft der Sachverhalt - wie im Streitfall - einen
Zeitraum vor 2005, in dem noch das AuslG 1990 galt, sind
Aufenthaltsgenehmigungen i.S. des § 5 AuslG 1990 entsprechend
den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG als
Aufenthaltstitel im Sinne des AufenthG zu behandeln (Senatsurteil
in BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05; FG Düsseldorf vom
20.4.2007 18 K 5530/01 Kg, EFG 2007, 1615 = SIS 07 22 47).
Der Kläger, der unanfechtbar
ausreisepflichtig war, erhielt eine Aufenthaltsbefugnis nach §
30 Abs. 3 AuslG 1990, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner
Abschiebung Hindernisse entgegenstanden, die er nicht zu vertreten
hatte. Diese Aufenthaltsgenehmigung entspricht einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die erteilt
werden kann, wenn ein ausreisepflichtiger Ausländer aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne Verschulden
an der Ausreise gehindert ist und mit dem Wegfall des Hindernisses
in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (ebenso FG Düsseldorf
vom 23.1.2007 10 K 2661/04 Kg, EFG 2007, 605 = SIS 07 30 10, sowie
FG Münster vom 24.4.2007 15 K 3830/04 Kg, EFG 2007, 1700 = SIS 07 26 49). Die Kindergeldberechtigung des Klägers richtet sich
deshalb nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG, der
Aufenthaltsbefugnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG aufführt,
sowie nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Hiernach scheidet ein
Anspruch auf Kindergeld aus, weil der Kläger - wenn auch
aufgrund eines Arbeitsunfalls - nicht erwerbstätig war; auch
bezog er keine Leistungen zur Arbeitsförderung nach dem SGB
III oder nahm Elternzeit in Anspruch (§ 62 Abs. 2 Nr. 3
Buchst. b EStG).
5. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik
Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl II
1969, 1439) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 (BGBl
II 1975, 390) - SozSichAbk YUG - begründet ebenso wenig einen
Anspruch des Klägers auf Kindergeld. Nach Art. 28 Abs. 1
dieses Abkommens können Personen Kindergeld beanspruchen, die
in der Bundesrepublik beschäftigt sind und den in der
Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach
Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses
Geldleistungen aus der Krankenversicherung wegen
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der
Arbeitslosenversicherung beziehen.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht
gegeben. Beschäftigte Personen im Sinne dieses Abkommens sind
nur Arbeitnehmer (Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05, sowie in BFH/NV 2007, 1298 = SIS 07 20 02). Der Kläger war
im fraglichen Zeitraum jedoch nicht beschäftigt, auch bezog er
keine Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung,
sondern eine Rente der Berufsgenossenschaft. Da die
Anspruchsvoraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 SozSichAbk YUG nicht
erfüllt sind, braucht der Senat auf die Frage der Fortgeltung
des Abkommens nicht einzugehen (s. hierzu den Vorlagebeschluss des
Bundessozialgerichts an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 2
GG vom 23.5.2006 B 13 RJ 17/05 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2007,
227, betreffend das Verhältnis zu Bosnien und
Herzegowina).