Sozialversicherungsabkommen mit Jugoslawien, geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, Kindergeld: Aus dem früheren Jugoslawien stammende, geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, für die der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsbeiträge abführt, haben keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl 1969 II, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 (BGBl 1975 II S. 390). - Urt.; BFH 21.2.2008, III R 79/03; SIS 08 20 28
I. Die aus dem früheren Jugoslawien
stammende Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hielt
sich seit 1991 aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung
(§ 55 Abs. 2 des Ausländergesetzes - AuslG - 1990) in der
Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) auf. Vom 1.10.1998 bis
zum 30.4.2001 war sie für einen Monatslohn von 200 DM
geringfügig beschäftigt. Ab April 1999 führte ihr
Arbeitgeber für sie pauschale Rentenversicherungsbeiträge
ab.
Im November 2001 beantragte die
Klägerin Kindergeld für ihren im Jahr 1997 geborenen
Sohn. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse)
lehnte dies ab, der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen
Erfolg.
Im anschließenden Klageverfahren
verpflichtete das Finanzgericht (FG) die Familienkasse zur Leistung
von Kindergeld für die Zeit von April 1999 bis April 2001
(Urteil vom 26.11.2002 1 K 3/02, EFG 2003, 786 = SIS 03 26 16). Das
FG war der Ansicht, die Klägerin habe einen Anspruch auf
Kindergeld aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik
Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl II
1969, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 (BGBl
II 1975, 390) - SozSichAbk YUG - . Die Klägerin sei
Arbeitnehmerin im Sinne des Abkommens. Maßgebliches Kriterium
für die Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft sei, ob durch
eine nichtselbständige Tätigkeit Ansprüche gegen die
sozialen Sicherungssysteme des jeweiligen Vertragsstaates
begründet worden seien. Dies sei seit dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999 (BGBl I 1999,
388) zum 1.4.1999 der Fall. Seither habe der Arbeitgeber
Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.
Zur Begründung der Revision trägt
die Familienkasse u.a. vor, das SozSichAbk YUG beziehe sich nur auf
solche Arbeitnehmer, die einer voll sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung unterlägen, wie sich aus dem Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.4.2000 B 14 KG 3/99 R (BSGE 86,
115) ergebe. Aus der Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse zum 1.4.1999 könne keine
Veränderung des SozSichABk YUG und des darin enthaltenen
historisch vorgeprägten Arbeitnehmerbegriffs hergeleitet
werden. Nach Art. 28 des Abkommens erhielten Arbeitslose nur dann
Kindergeld, wenn sie Arbeitslosengeld bezögen. Voraussetzung
hierfür sei eine vorherige arbeitslosenversicherungspflichtige
Beschäftigung gewesen, d.h. eine solche mit Beitragspflicht
zur Bundesagentur für Arbeit. Dies treffe jedoch auf die
Klägerin nicht zu. Ein Kindergeldanspruch sei nur dann
gegeben, wenn Versicherungspflicht in allen Zweigen der deutschen
Sozialversicherung bestehe.
Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht einen
Anspruch auf Kindergeld für die Zeit von April 1999 bis April
2001 bejaht.
1. Der Klägerin, die im streitigen
Zeitraum lediglich ausländerrechtlich geduldet war, steht kein
Kindergeld nach § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
n.F. zu. Die Neuregelung ist mit Wirkung vom 1.1.2006 in Kraft
getreten und erfasst gemäß § 52 Abs. 61a Satz 2
EStG alle Sachverhalte, bei denen - wie im Streitfall - das
Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist
(Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern
wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom
13.12.2006, BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62). Ausländer,
die nach §§ 55, 56 AuslG 1990 bzw. nach § 60a des ab
1.1.2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes geduldet sind, haben auch
nach der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG keinen Anspruch auf
Kindergeld. Der Senat hat mit Urteilen vom 15.3.2007 III R 93/03
(BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05) sowie vom
22.11.2007 III R 54/02 (BFH/NV 2008, 457 = SIS 08 08 53, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt) zur
Kindergeldberechtigung geduldeter Ausländer entschieden, dass
die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung sachlich
gerechtfertigt und mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
vereinbar ist, da keine langfristige Integration geduldeter
Ausländer und ihrer Familien in der Bundesrepublik
beabsichtigt ist. An diesen Grundsätzen hält der Senat
fest. Der Senat teilt auch nicht die im Vorlagebeschluss des FG
Köln vom 9.5.2007 10 K 1690/07 (EFG 2007, 1247 = SIS 07 23 05)
geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Neufassung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat
auf das Urteil in BFH/NV 2008, 457 = SIS 08 08 53.
2. Entgegen der Ansicht des FG begründet
auch das SozSichAbk YUG keinen Anspruch auf Kindergeld, da die
Klägerin im streitigen Zeitraum nicht in einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
stand.
a) Nach Art. 28 Abs. 1 SozSichAbk YUG erhalten
Personen Kindergeld, die in der Bundesrepublik beschäftigt
sind und den in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften
unterliegen oder nach Beendigung ihres
Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen aus der
Krankenversicherung wegen vorübergehender
Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der
Arbeitslosenversicherung erhalten. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d
SozSichAbk YUG bezieht sich auf die deutschen Vorschriften
über das Kindergeld für Arbeitnehmer. Abkommensrechtlich
sind dies Personen, die einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung nachgehen (s. BSG-Urteil in BSGE 86, 115, sowie
FG Düsseldorf vom 20.3.2007 10 K 805/05 Kg, EFG 2007, 1531 =
SIS 08 02 88).
b) Dies trifft auf die Klägerin nicht zu.
Sie war lediglich geringfügig beschäftigt (§ 8 Abs.
1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - a.F.) und
damit in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung
versicherungsfrei (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V bzw.
§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III), ebenso in der Rentenversicherung
(§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), da sie nicht nach § 5
Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf die Versicherungsfreiheit verzichtet
hat.
c) An der Versicherungsfreiheit ändert
auch der Umstand nichts, dass der Arbeitgeber der Klägerin ab
April 1999 nach § 172 Abs. 3 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur
Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999 (BGBl I 1999,
388) pauschale Beiträge zur Rentenversicherung abzuführen
hatte. Dies hatte lediglich zur Folge, dass für die Monate,
für die die Beiträge entrichtet wurden, Zuschläge an
Entgeltpunkten ermittelt werden (vgl. § 63, § 76b SGB VI)
und diese Monate nach Maßgabe des § 52 Abs. 2 SGB VI auf
die für den Bezug einer Rente erforderliche Wartezeit
angerechnet werden. Hat ein Arbeitgeber für einen
geringfügig Beschäftigten pauschale Beiträge zur
Krankenversicherung abzuführen, weil dieser bereits
anderweitig gesetzlich krankenversichert ist (§ 249b SGB V),
so führt dies zu keinen zusätzlichen
Leistungsansprüchen des Arbeitnehmers. Für ein
Sozialversicherungsverhältnis, das einen Kindergeldanspruch
nach dem SozSichAbk YUG begründet, genügt die
Abführung pauschaler Arbeitgeberbeiträge nicht.
d) Ob ein Kindergeldanspruch nach dem
SozSichAbk YUG grundsätzlich ein Versicherungsverhältnis
zur Bundesagentur für Arbeit (früher Bundesanstalt
für Arbeit) voraussetzt (so Rz 26 ff. der Anlage 2 zum
Rundbrief der Bundesanstalt für Arbeit vom 3.12.2002,
abgedruckt bei Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar,
Fach D III Nr. 3, sowie Fach D II Kommentierung SozSichAbk YUG Rz
7), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Ebenso wenig braucht er
auf die Frage der Fortgeltung des Abkommens einzugehen (vgl. den
Vorlagebeschluss des BSG an das Bundesverfassungsgericht
gemäß Art. 100 Abs. 2 GG vom 23.5.2006 B 13 RJ 17/05 R,
Die Sozialgerichtsbarkeit 2007, 227, betreffend das Verhältnis
zu Bosnien und Herzegowina).