Beiträge zur Rentenversicherung, Sonderausgabenabzug, Beschränkung ab 2005, Verfassungsmäßigkeit: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG (ab dem 1.1.2005) geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung (§ 10 Abs. 3 EStG) nur beschränkt abziehbar sind. Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen bei summarischer Beurteilung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. - Urt.; BFH 1.2.2006, X B 166/05; SIS 06 12 72
I. Der im Jahre 1973 geborene Antragsteller
und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Angestellter. In
seinem das Streitjahr 2005 betreffenden Antrag auf
Lohnsteuerermäßigung machte er geltend, die von ihm in
diesem Jahr zu leistenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen
Rentenversicherung von 3.510 EUR seien als vorweggenommene
Werbungskosten zu berücksichtigen. Auf der Lohnsteuerkarte sei
ein Freibetrag von 1.888 EUR einzutragen. Diesen Betrag ermittelte
der Antragsteller in der Weise, dass er den gesetzlichen
Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung um einen nach seiner
Darstellung als Altersvorsorgeaufwand bei den Sonderausgaben
abziehbaren Betrag von 702 EUR und um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag
nach § 9a des Einkommensteuergesetzes (EStG) kürzte. Zur
Begründung trug er vor, auf Grund der im Rahmen des
Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004,
1427) getroffenen Regelung sei davon auszugehen, dass er bei einem
unterstellten Renteneintritt im Jahre 2038 seine zukünftigen
Renteneinnahmen zu 98 v.H. werde versteuern müssen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das
Finanzamt - FA - ) lehnte den Antrag ab. Über die hiergegen
beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobene Sprungklage
hat das FG nach Lage der Akten noch nicht entschieden. Den vom
Antragsteller beim FA gestellten Antrag, den Freibetrag im Wege der
Aussetzung der Vollziehung (AdV) vorweg auf der Lohnsteuerkarte
einzutragen, lehnte das FA ebenfalls ab. Hierauf stellte der
Antragsteller beim FG den Antrag, den Betrag von 2.808 EUR (3.510
EUR Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung als
vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften
gemäß § 22 Nr. 1 EStG abzüglich 702 EUR als
Sonderausgaben gemäß § 10c EStG
berücksichtigte Aufwendungen) im Wege der AdV auf der
Lohnsteuerkarte einzutragen.
Das FG hat den AdV-Antrag abgewiesen (vgl.
SIS 06 04 87). Der Gesetzgeber habe im AltEinkG Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a EStG dem Sonderausgabenabzug zugewiesen. Dass
solche Aufwendungen im Streitjahr lediglich mit 60 v.H.
berücksichtigungsfähig seien, sei nicht zu beanstanden.
Der abziehbare Teil solcher Vorsorgeaufwendungen steige in der
Folgezeit jährlich an und erreiche im Jahr 2025.100 v.H.
Umgekehrt werde auch die nachgelagerte Rentenbesteuerung
stufenweise umgesetzt. Im Jahr 2005 gelte ein Besteuerungsanteil
von 50 v.H. Dieser erhöhe sich für Rentner, deren Rente
zu einem späteren Zeitpunkt beginne. Erst bei Rentenbeginn im
Jahr 2040 betrage der Besteuerungsanteil 100 v.H. Dieses System
setze die Vorgaben im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
vom 6.3.2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93) verfassungskonform um. Insbesondere werde bei
typisierender Betrachtung eine Doppelbesteuerung vermieden.
Mit seiner Beschwerde macht der
Antragsteller weiterhin geltend, die von ihm geleisteten
Rentenversicherungsbeiträge seien Werbungskosten i.S. von
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Aufwendungen dienten objektiv und
subjektiv der Erzielung künftiger steuerpflichtiger
Renteneinnahmen. Denn auf Grund der durch das AltEinkG geschaffenen
Neuregelung seien nicht nur die Erträge des Rentenrechts,
sondern grundsätzlich die gesamten Renteneinnahmen der
Besteuerung unterworfen. Eine bloße Berücksichtigung als
Sonderausgaben scheide aber gemäß dem
ausdrücklichen Wortlaut des Einleitungssatzes des § 10
Abs. 1 EStG dann aus, wenn die Aufwendungen materiell-rechtlich
Werbungskosten oder Betriebsausgaben seien. Ein unbeschränkter
Werbungskostenabzug folge auch aus dem objektiven Nettoprinzip.
Durch die Zuordnung zu den - beschränkt abziehbaren -
Sonderausgaben verstoße der Gesetzgeber gegen Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG), weil er den Grundsatz der Folgerichtigkeit
nicht beachte. Selbst wenn eine Zuordnung zu den Sonderausgaben
verfassungsrechtlich zulässig sein sollte, wäre es
für den Antragsteller jedenfalls nicht zumutbar, die
Abziehbarkeit seiner Rentenversicherungsbeiträge im Jahr 2005
auf 60 v.H. der Aufwendungen zu beschränken. Denn
voraussichtlich müsse er nach der auf Grund des AltEinkG
gegebenen Rechtslage seine Renteneinnahmen mit 98 v.H. versteuern.
Zumindest zu diesem Prozentsatz sei ein steuermindernder Abzug
geboten. Erst recht sei es verfassungsrechtlich bedenklich, im
Ergebnis lediglich 20 v.H. der von ihm im Jahr 2005 zu leistenden
Rentenversicherungsbeiträge zum (Sonderausgaben-)Abzug
zuzulassen: Dieser Prozentsatz ergebe sich daraus, dass 60 v.H. des
Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung als Altersvorsorgeaufwand
behandelt würden, der Gesamtaufwand aber um 100 v.H. dieses
Arbeitgeberanteils gekürzt werde. Die volle Abziehbarkeit der
Rentenversicherungsbeiträge folge auch aus dem subjektiven
Nettoprinzip. Danach seien diejenigen notwendigen Privatausgaben
zum Abzug zuzulassen, denen sich der Steuerpflichtige aus
tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht entziehen
könne. Eine lediglich beschränkte Abziehbarkeit der
Rentenversicherungsbeiträge lasse sich nicht mit der
Haushaltslage der öffentlichen Hand rechtfertigen. Diese habe
verfassungsrechtlich keinen Vorrang vor den Interessen des
Bürgers auf eine sachgerechte Besteuerung.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss
der Vorinstanz vom 21.9.2005 aufzuheben und im Wege der AdV auf
seiner Lohnsteuerkarte für 2005 einen Freibetrag von 2.808 EUR
einzutragen.
Das FA beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen.
II. Die zulässige Beschwerde ist
unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat im
Ergebnis zu Recht entschieden, dass an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids über die
Ablehnung des Antrags auf Eintragung eines Freibetrags auf der
Lohnsteuerkarte 2005 keine ernsthaften Zweifel bestehen. Die vom
Antragsteller im Jahr 2005 voraussichtlich zu leistenden
Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht
eintragungsfähige Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von §
10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Hiergegen bestehen auch keine
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Der AdV-Antrag ist zulässig.
a) Ein Antrag auf vorläufige Eintragung
eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ist im AdV-Verfahren
statthaft, wenn das FA die Eintragung eines solchen Freibetrags
ablehnt (Senatsbeschluss vom 12.4.1994 X S 20/93, BFH/NV 1994,
783).
b) Auch sind
die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Nach dieser Vorschrift
ist ein beim FG zu stellender AdV-Antrag grundsätzlich nur
zulässig, wenn die Behörde einen dort gestellten Antrag
auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Aus dem Normzweck dieser
Vorschrift hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass die
Voraussetzungen dann nicht erfüllt sind, wenn dem Gericht ein
völlig neuer Problembereich unterbreitet wird, der zuvor noch
nicht Gegenstand der Prüfung durch die Finanzbehörde
gewesen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.12.1999
III B 15/99, BFH/NV 2000, 827 = SIS 00 56 11). Diese
Grundsätze lassen sich aber nicht auf den Fall
übertragen, dass ein Antragsteller die vorläufige
Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte begehrt,
diesen Antrag aber betragsmäßig auf den
ursprünglichen Antrag begrenzt hat und er ihn nunmehr im
Hinblick auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt
betragsmäßig erweitert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
der ursprüngliche Antrag der Finanzbehörde Anlass zu der
Überlegung geboten hat, den Antrag auch unter diesem
Gesichtspunkt zu überdenken. Diese Voraussetzungen sind im
Streitfall gegeben. Denn der ursprüngliche Antrag ging dahin,
die Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzutragen.
Demgegenüber begehrt der Antragsteller nunmehr die Eintragung
dieser Beiträge unter dem Gesichtspunkt, sie seien
vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften
gemäß § 22 Nr. 1 EStG.
2.
Gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der
Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsakts aussetzen, wenn
ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.
Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige,
gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage
treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung
der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen
bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom
11.6.2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663 = SIS 03 29 59, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
nicht vor. Bei der gebotenen summarischen Prüfung hat der
Senat keine ernstlichen Zweifel daran, dass die vom Antragsteller
im Streitjahr 2005 zu leistenden Arbeitnehmeranteile zur
gesetzlichen Rentenversicherung auch im Geltungsbereich des
AltEinkG - nichteintragungsfähige - Sonderausgaben
gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind.
3. Die hier
fraglichen Aufwendungen sind nicht
eintragungsfähig.
a)
Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG können auf der
Lohnsteuerkarte u.a. bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit anfallende Werbungskosten
eingetragen werden, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag
(§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) übersteigen. Zudem
kann als Freibetrag gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5
Buchst. b EStG die negative Summe der Einkünfte i.S. des
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 EStG und der negativen
Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG
eingetragen werden. Dagegen sind Sonderausgaben i.S. von § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht eintragungsfähig, weil
§ 39 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur andere Sonderausgaben anspricht und
Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im
Wege der Vorsorgepauschale gemäß § 10c Abs. 2 und 3
EStG berücksichtigt werden (Schmidt/Drenseck,
Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 39a Rz. 3).
b) Ob Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F.
des AltEinkG) unbeschränkt abziehbare vorweggenommene
Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den
sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 EStG
oder lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.S. von
§ 10 Abs. 3, Abs. 4a EStG darstellen, wird unterschiedlich
beurteilt. Die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen - BMF - vom 24.2.2005, BStBl I 2005, 429 = SIS 05 13 43 Tz. 1 f.; Oberfinanzdirektion Münster, Verfügung vom
17.5.2005, DB 2005, 1250 = SIS 05 25 06) und ein Teil der Literatur
(Jachmann, Deutsche Rentenversicherung-Schriften - DRV-Schriften -
Band 51, 125; Myßen, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 3,
13095; Musil, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2005, 278; Risthaus,
DB 2004, 1329; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10 Rz. 80;
Weber-Grellet, DStR 2004, 1721) behandeln solche Aufwendungen als
lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben. Von in vollem
Umfang berücksichtigungsfähigen Werbungskosten gehen
hingegen das FG Niedersachsen (Beschluss vom 23.5.2005 7 S 4/03,
EFG 2005, 1184 = SIS 05 29 81) und ein anderer Teil der Literatur
aus (Balke, FR 2005, 1143; Hahn, juris PraxisReport Steuerrecht
35/2005 Anm. 4; Hegemann/Querbach, Die Steuerberatung - Stbg -
2005, 245; Hey, DRV 2004, 1; Intemann/ Cöster, DStR 2005,
1921; Heidrich, FR 2004, 1321; ders. in DStR 2005, 861; Heine,
Zeitschrift für Rechtspolitik - ZRP - 2002, 479; Kulosa in
Herrmann/Heuer/ Raupach - HHR -, Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Jahresband 2003-2005,
§ 10 EStG Anm. J 04-8; Kreft, Gestaltende Steuerberatung -
GStB - 2005, 279: „grober handwerklicher Fehler des
Gesetzgebers“; Neufang, Stbg 2004, 551; Ruland,
Festschrift für Peter Selmer 2005, 889; H.P. Schneider, Die
Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 2002, 289;
Seifert, GStB 2005, 240; Söhn, StuW 2003, 332).
c) Der erkennende Senat schließt sich
der ersteren Meinung an. Dass die hier fraglichen
Vorsorgeaufwendungen im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG
keine - unbeschränkt abziehbaren - vorweggenommenen
Werbungskosten, sondern nach Maßgabe des § 10 Abs. 3
EStG nur beschränkt abziehbare Sonderausgaben sind, folgt aus
dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 und Abs.
4a EStG, dem systematischen Zusammenhang dieser Vorschriften mit
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa, Satz 3 EStG sowie dem
hinreichend erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers, der
seinen Niederschlag im Gesetz gefunden hat.
4. Einschlägig für die Lösung
des hier zur Entscheidung gestellten Rechtsproblems sind die
folgenden gesetzlichen Bestimmungen.
a) Die Weichenstellung zwischen den
Aufwendungen für die Erwerbssphäre und den der
Privatsphäre zuzuordnenden Sonderausgaben wird -
zunächst generalisierend (lex generalis) - durch den
Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG in der Weise gezogen,
dass der gesamte Katalog der Sonderausgaben gemäß §
10 Abs. 1 Nr. 1 ff. EStG von vornherein nicht anwendbar ist, wenn
die fraglichen Aufwendungen nach ihrer materiellen Rechtsnatur
Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Mit dieser normativen
Verzweigung bringt § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Ausdruck, dass
der Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug gegenüber dem
Sonderausgabenabzug vorrangig ist. Die Norm knüpft an § 2
EStG an, wonach im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden
Einkommens zunächst die Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG)
zu ermitteln sind und der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2
Abs. 3 EStG) u.a. um die Sonderausgaben zu kürzen ist (§
2 Abs. 4 EStG). Die Zuweisung zur Sphäre der
Einkünfteermittlung ist endgültig, wenn und soweit nicht
für eine Katalogposition des § 10 Abs. 1 EStG
spezialgesetzlich eine Ausnahme normiert wird. Dies ist hier
- wie darzulegen sein wird (s. unten 5.) - der Fall.
b) Werbungskosten sind gemäß §
9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und
Erhaltung der Einnahmen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind sie bei
der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Bezogen
auf den hier zu beurteilenden Streitpunkt wird geltend gemacht, die
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien ihrer
Rechtsnatur nach vorweggenommene Werbungskosten bei den
Alterseinkünften.
aa) Ausgehend von der durch das AltEinkG
vollzogenen Änderung der Besteuerung von Zuflüssen aus
der gesetzlichen Rentenversicherung könnte die Annahme nahe
liegen, dass die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen
Rentenversicherung, jedenfalls soweit sie in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit (voraussichtlich) ab dem Jahr 2040 beginnenden und
sodann in vollem Umfang steuerbaren Renten stehen, ihrer
Rechtsnatur nach vorab entstandene Werbungskosten i.S. von § 9
Abs. 1 Satz 1 EStG bei den sonstigen Einkünften
gemäß § 22 Nr. 1 EStG sind (z.B. Musil, StuW 2005,
278; Söhn, StuW 2003, 332; Ruland, a.a.O., 2005, 889). Denn
die Aufwendungen dienen der Erlangung steuerpflichtiger Einnahmen.
Insoweit könnte die Rechtslage vergleichbar sein mit
derjenigen bei Zahlungen zur Abwendung von Pensionskürzungen
nach bzw. zum Zweck der Durchführung eines
Versorgungsausgleichs, weil jene „den ungeschmälerten
Zufluss der nachträglichen Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit sicherstellen sollen“
(BMF-Schreiben vom 20.7.1981 IV B 1 - S 1900 - 25/80, BStBl I 1981,
567 = SIS 81 18 01, dort Tz. 2).
bb) Dem könnte auch nicht
entgegengehalten werden, dass die Rechtsprechung es nach der bis
zum 31.12.2004 gegebenen Rechtslage abgelehnt hat,
Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick
darauf als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1 EStG zu
berücksichtigen, dass dem Steuerpflichtigen ab dem Zeitpunkt
des Rentenbeginns steuerpflichtige Einnahmen zufließen werden
(vgl. BFH-Urteile vom 29.7.1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl
II 1986, 747 = SIS 86 18 41, und vom 21.7.2004 X R 72/01, BFH/NV
2005, 513 = SIS 05 15 72; kritisch hierzu Söhn, StuW 2003,
332, und Heidrich, DStR 2005, 861). Denn nicht die Rückzahlung
des auf diese Weise angesammelten Rentenkapitals, sondern nur der
mittels dieses Kapitals erwirtschaftete Ertrag unterlag der
Besteuerung. Dieser Gesichtspunkt ist aber möglicherweise
nicht mehr tragfähig, wenn der Gesetzgeber nach seiner neuen
gesetzlichen Konzeption bei Renten, die erst nach Ablauf der bis
zum Jahr 2039 geltenden Übergangsregelung beginnen, die
Rentenzuflüsse im vollem Umfang der Besteuerung
unterwirft.
cc) Auch soweit das AltEinkG gesetzliche
Altersrenten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, nur anteilig der
Besteuerung unterwirft (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa Satz 3
EStG), ergeben sich keine Besonderheiten. Das gesetzliche
Regelungskonzept strebt an, dass Leistungen aus gesetzlichen
Renten, auch wenn diese vor dem Jahr 2040 beginnen, ab dem Jahr
2005 der sog. nachgelagerten Besteuerung unterliegen. Dies zeigt
sich auch daran, dass der Gesetzgeber in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a, aa Satz 4 EStG den nicht der Besteuerung unterliegenden
Teil der Rente als Freibetrag ausgestaltet hat. Auch dieser Teil
der zufließenden Renteneinnahmen stellt mithin steuerbares
Einkommen dar, das lediglich deshalb steuerfrei zu lassen ist, um
dem Regelungsauftrag des BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002,
618 = SIS 02 04 93 (unter D. II.) zu entsprechen, wonach
Rentenzahlungen, die auf versteuertem Einkommen beruhen, insoweit
nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden dürfen (vgl.
Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921). Vor diesem Hintergrund kann
sich in rechtssystematischer Hinsicht allein die Frage stellen, ob
ein - etwaiger - Werbungskostenabzug durch unmittelbare oder
analoge Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG zu begrenzen ist, wenn
die Rentenversicherungsbeiträge im Zusammenhang mit
(voraussichtlich) vor dem Jahr 2040 beginnenden gesetzlichen
Altersrenten geleistet werden (vgl. hierzu Heidrich, FR 2004, 1321;
Kulosa in HHR, a.a.O., § 10 EStG Anm. J 04-8).
dd) Der Senat weist darauf hin, dass im
vorliegenden Verfahren eine abschließende Entscheidung
über die materielle Rechtsnatur der Vorsorgeaufwendungen nicht
zu treffen ist.
c) § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
i.d.F. des AltEinkG regelt die Abziehbarkeit u.a. von
Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen. § 10
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: „Zu den Beiträgen
nach Buchstabe a und b ist der nach § 3 Nr. 62 steuerfreie
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein
diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des Arbeitgebers
hinzuzurechnen.“ Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind
„Vorsorgeaufwendungen nach Absatz 1 Nr. 2 Satz 2 ... bis
zu 20.000 Euro zu berücksichtigen“. Bei
zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbetrag
(§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag nach Satz 1
oder 2 ist bei Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des §
10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG gehören oder Einkünfte i.S.
des § 22 Nr. 4 EStG erzielen und die ganz oder teilweise ohne
eigene Beitragsleistungen einen Anspruch auf Altersversorgung
erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die
Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum
genannten Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag
(Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen
Rentenversicherung entspricht (§ 10 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im Kalenderjahr
2005 die nach § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten
Vorsorgeaufwendungen mit 60 v.H. anzusetzen. § 10 Abs. 3 Satz
5 EStG zieht hieraus die rechtliche und rechnerische Konsequenz wie
folgt (Hervorhebung nicht im Original):
|
„Der sich danach ergebende
Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 steuerfreien
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und einen
diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers,
ist als Sonderausgabe abziehbar.“
|
Der in § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte
Vomhundertsatz erhöht sich nach Satz 6 dieser Vorschrift in
den folgenden Kalenderjahren bis zum Kalenderjahr 2025 um je 2
vom-Hundert-Punkte je Kalenderjahr.
d) § 10 Abs. 4a EStG sieht eine sog.
Günstigerprüfung vor: Hiernach sind Vorsorgeaufwendungen
nach Abs. 1 Nr. 2 und 3 mit den zum Abzug zugelassenen
Beträgen der Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 3
EStG in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung
anzusetzen, wenn dies günstiger ist als ein Abzug nach §
10 Abs. 3 und 4 EStG i.d.F. des AltEinkG. Hierdurch will der
Gesetzgeber gewährleisten, dass Arbeitnehmer mit kleinem
Einkommen, die nach der bisherigen Rechtslage in der Lage waren,
ihre Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang als
Sonderausgaben geltend zu machen, weil diese die damaligen
gesetzlichen Höchstbeträge nicht überstiegen haben,
sich durch die Neuregelung nicht steuerlich verschlechtern
(BTDrucks 15/2150, S. 35).
e) Die ab dem Rentenbeginn zugeflossenen
Leibrenten und anderen Leistungen (u.a.) aus gesetzlichen
Rentenversicherungen gehören nach § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a, aa Satz 1 ff. EStG i.d.F. des AltEinkG zu den sonstigen
Einkünften. Der der Besteuerung unterliegende Teil dieser
Zuflüsse richtet sich nach Satz 3 dieser Vorschrift nach dem
Jahr des Rentenbeginns. Dieser Besteuerungsanteil beträgt
für Renten, die bis 2005 beginnen, nach der in Satz 3
eingefügten Tabelle 50 v.H. Er erhöht sich schrittweise
für später beginnende Renten und wächst für
2040 und später beginnende Renten auf 100 v.H. an.
f) Diese gesetzliche Regelung hat den
folgenden Hintergrund:
aa) Das BVerfG hat die unterschiedliche
Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs.
2 EStG i.d.F. vor dem AltEinkG einerseits und von Renten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung andererseits teilweise für
verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungswidrigkeit ergab
sich daraus, dass zufließende Versorgungsbezüge
grundsätzlich in vollem Umfang der Besteuerung unterliegen.
Hingegen waren Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur
mit dem in den Zuflüssen enthaltenen Zinsertrag (dem sog.
Ertragsanteil) besteuert worden. Der nicht vom Ertragsanteil
erfasste Teil des Zuflusses war als Rückzahlung des
Rentenkapitals und damit als Vorgang im Bereich der
nichtsteuerbaren Umschichtung von Privatvermögen beurteilt
worden. Demgegenüber ergab sich die
„beträchtliche“ und daher
verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare unterschiedliche steuerliche
Belastung aus der Zusammenschau der folgenden drei Aspekte: der
unterschiedlichen einkommensteuerlichen Belastung beider
Vergleichsgruppen in der Nacherwerbsphase, der Realitätsferne
des bei der Ertragsanteilsbesteuerung gesetzlich unterstellten
Anteils eines Kapitalrückflusses sowie schließlich der
unterschiedlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase
(BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93,
unter A. I. 5.). Die vollumfängliche Besteuerung der
Versorgungsbezüge einerseits und die bloße Besteuerung
des Ertragsanteils der Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung andererseits führte zu einer wegen
Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht
hinnehmbaren unterschiedlichen Behandlung, soweit die Zahlungen der
Rentenversicherung auf dem Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und auf staatlichen Transferzahlungen beruhten
und damit nicht auf versteuertes Einkommen des Versicherungsnehmers
zurückgeführt werden konnten.
Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, die
Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 zu bereinigen. Im 3. Leitsatz
seines Urteils hat es entschieden: „Der Gesetzgeber hat im
Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die
Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der
Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte
Besteuerung vermieden wird.“ In den
Entscheidungsgründen ist vermerkt, es werde Aufgabe des
Gesetzgebers sein, „sich vor dem Hintergrund des breiten
Spektrums der seit langem aufbereiteten Reformalternativen für
ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig
auszugestalten“. Insoweit werde der Gesetzgeber sich an
ökonomisch sachverständigen Berechnungen orientieren
können. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang
die Befugnis zu vertrauensschützenden Übergangsregelungen
eingeräumt.
bb) Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des AltEinkG
angeordnet, dass zu den als Sonderausgaben abzugsfähigen
Vorsorgeaufwendungen u.a. Beiträge zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen gehören. Er ist nicht dem Vorschlag der
vom BMF eingesetzten Sachverständigenkommission zur Neuordnung
der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen (künftig: Kommission) gefolgt, diese
Aufwendungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Die Kommission
hatte in ihrem Abschlussbericht deren Abzug als vorweggenommene
Werbungskosten vorgeschlagen (Kommissionsbericht, Schriftenreihe
des BMF, Band 74, insbesondere S. 4 f., 13, 21). Die Abziehbarkeit
sollte nach einem Stufenplan für im Jahr 2005 geleistete
Altersvorsorgeaufwendungen mit 60 v.H. beginnen. Der steuerlich
freizustellende Anteil sollte jährlich um zwei Punkte
ansteigen und im Jahr 2025 eine vollständige Freistellung
erreichen (Kommissionsbericht, a.a.O., S. 35 f.). Der Gesetzgeber
hat den Vorschlag der Berücksichtigungsfähigkeit solcher
Aufwendungen als Werbungskosten nicht aufgegriffen, hingegen den
von der Kommission vorgeschlagenen Stufenplan im Rahmen des bis zum
Jahr 2025 prozentual beschränkten Sonderausgabenabzugs (§
10 Abs. 3 Satz 4 ff. EStG) verwirklicht.
Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens des mit
textgleichen Entwürfen der Fraktionen SPD und Bündnis
90/Die Grünen (BTDrucks 15/2150) und der Bundesregierung
(BTDrucks 15/2563, BTDrucks 15/2592) eingeleiteten
Gesetzgebungsverfahrens ist dargestellt im Bericht des
Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 29.4.2004 (BTDrucks
15/3004, S. 1 ff., 6).
cc) Den lediglich beschränkten Abzug u.a.
von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat der
Gesetzgeber „mit untragbaren Haushaltsrisiken“
begründet (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der
Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 9.12.2003,
BTDrucks 15/2150, S. 22 - künftig: Gesetzesentwurf; ebenso
Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom
29.4.2004, BTDrucks 15/3004, S. 8, 13). Dem u.a. von der Fraktion
der FDP eingebrachten Entschließungsantrag vom 28.4.2004
(BTDrucks 15/2988), die ab dem Jahr 2005 geleisteten
Altersvorsorgebeiträge bis zu den der Beitragsbemessungsgrenze
entsprechenden Höchstbeträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, ist der
Gesetzgeber nicht gefolgt (vgl. Bericht des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestags, BTDrucks 15/3004, S. 13).
dd) Den für die Abzugsfähigkeit von
Altersvorsorgeaufwendungen geltenden Stufenplan hat der Gesetzgeber
mit der in § 22 Nr. 1 Satz 3, Buchst. a, aa Satz 3 EStG
getroffenen Regelung inhaltlich abgestimmt, wonach sich der
Besteuerungsanteil der Rente schrittweise von zunächst 50 v.H.
auf 100 v.H. erhöht. Diese Abstimmung ist nicht in der Weise
erfolgt, dass der nach der gesetzlichen Regelung abziehbare Teil
der Altersvorsorgeaufwendungen mit dem (voraussichtlich) der
Besteuerung unterliegenden Teil der Rente korrelieren würde
(kritisch aus diesem Grund Kulosa in HHR, a.a.O., Vor § 22
EStG Anm. J 04-8). Stattdessen hat der Gesetzgeber im Ergebnis auf
die von der Kommission angestellten Modellrechnungen
(Kommissionsbericht, S. 50 ff.) zurückgegriffen. In diesen ist
die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, die stufenweise Anhebung
des abziehbaren Teils der Altersvorsorgeaufwendungen abhängig
vom Jahr der jeweiligen Leistung der Aufwendungen einerseits und
des vom Jahr des Rentenbeginns abhängigen Besteuerungsanteils
andererseits bewirke, dass unter Zugrundelegung realistischer
Annahmen die nach den Vorgaben des BVerfG verbotene
Zweifachbesteuerung vermieden werde (Kommissionsbericht, S. 50 f.;
Gesetzesentwurf, BTDrucks 15/2150, S. 2, 39 f.). Hierbei geht der
Gesetzesentwurf davon aus, „dass § 22 Nr. 1 Satz 3,
Buchst. a, aa, S. 3 EStG spiegelgleich zu § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a und b EStG den Systemwechsel hin zu einer
vollständigen nachgelagerten Besteuerung von Leibrenten aus
den gesetzlichen Rentenversicherungen (u.a.) regelt“.
Zugleich wird berücksichtigt, dass in einer
Übergangsphase ein Teil der Rentenbeiträge aus
versteuertem Einkommen geleistet wurde und aus
verfassungsrechtlichen Gründen keine sofortige Vollbesteuerung
der Renten zulässig ist. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben
sieht der Gesetzgeber durch das Zusammenwirken beider Vorschriften
als gewahrt an (Gesetzesentwurf, BTDrucks 15/2150, S. 39 f.). Ob
diese Annahme des Gesetzgebers zutrifft, insbesondere ob dieser von
realitätsgerechten und einer verfassungsrechtlichen
Überprüfung standhaltenden Annahmen ausgegangen ist, kann
zunächst dahinstehen (vgl. hierzu unten bei 7. b), weil es
vorliegend darum geht, in einem ersten Schritt dem
gesetzgeberischen Willen zur Abziehbarkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen Rechnung zu tragen.
5. Der erkennende Senat lässt die Frage
nach dem Charakter der Vorsorgeaufwendungen
„gemäß ihrer Rechtsnatur“
dahingestellt. Denn der Gesetzgeber hat die hier fraglichen
Vorsorgeaufwendungen jedenfalls mit konstitutiver Wirkung durch
§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG den Sonderausgaben (§ 10 Abs.
1 Nr. 2 EStG i.d.F. des AltEinkG) zugewiesen. Er hat mithin
für diese Aufwendungen eine Sonderregelung getroffen, die
Sperrwirkung gegenüber der Anwendung der generellen Regelung
des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
entfaltet. Dies wird durch § 10 Abs. 4a EStG sowie durch den
Willen des historischen Gesetzgebers bestätigt, der im
Gesetzeswortlaut einen hinreichend deutlichen Ausdruck gefunden
hat. Ein anderes Auslegungsergebnis würde dem vom Gesetzgeber
erkennbar gewollten Verhältnis der Korrespondenz zwischen
Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und der Steuerbarkeit der
entsprechenden Alterseinkünfte keinen relevanten
Anwendungsbereich belassen und wäre schon deswegen nicht zu
befürworten.
a) § 10 EStG i.d.F. des AltEinkG
enthält in Bezug auf Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10
Abs. 1 Nr. 2 EStG sich scheinbar widersprechende Aussagen.
Einerseits ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG an, dass die
in § 10 EStG genannten Aufwendungen dann keine Sonderausgaben
sind, wenn sie Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Sofern
man Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung und
andere Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften beurteilt - was indes nicht für alle im
Anwendungsbereich des AltEinkG in Betracht kommenden
Fallgestaltungen zweifelsfrei ist - kommt ein Sonderausgabenabzug
nicht in Betracht; diese „Verzweigung“
würde zu einer grundsätzlich unbeschränkten
Abziehbarkeit von Werbungskosten führen.
Andererseits qualifiziert § 10 Abs. 3
Satz 5 EStG den steuerlich abziehbaren (End-)Betrag
ausdrücklich als Sonderausgabe und ordnet damit den
rechnerisch ermittelten Betrag der Vorsorgeaufwendungen den
Sonderausgaben zu. Das widerstreitende Verhältnis zu § 10
Abs. 1 Satz 1 EStG ist nach dem Grundsatz vom Vorrang der
speziellen Norm in der Weise aufzulösen, dass die in § 10
Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene spezielle Zuweisung zu den
Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG
vorgeht. Den gesetzgeberischen Willen, in der ab dem Jahr 2005
beginnenden Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung und andere Altersvorsorgeaufwendungen nicht in
vollem Umfang als Werbungskosten, sondern prozentual begrenzt als
Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, belegt auch die in § 10
Abs. 4a EStG vorgesehene Günstigerprüfung: Auch diese
hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn die
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin in vollem
Umfang als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären.
b) Die von Teilen der Literatur
befürwortete Auffassung, ein in § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG
angeordneter Vorrang der Werbungskosten sei auch auf Aufwendungen
i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erstrecken (so z.B. Balke,
FR 2005, 1143; Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921, 1923; Kreft,
GStB 2005, 279; Kulosa in HHR, a.a.O., § 10 EStG Anm. J 04-8;
Seifert, GStB 2005, 240, 241; ebenso FG Niedersachsen, Beschluss in
EFG 2005, 1184 = SIS 05 29 81 zu der bis zum 31.12.2004 geltenden
Rechtslage) würde dazu führen, dass der
Sonderausgabenabzug für solche Altersvorsorgeaufwendungen
entgegen der erkennbaren Intention des Gesetzgebers insofern leer
liefe, als für diese Regelung kein eigener Anwendungsbereich
mehr verbliebe (in dieser Hinsicht zutreffend Intemann/
Cöster, DStR 2005, 1921). Eine solche Auslegung würde den
Willen des historischen Gesetzgebers missachten und der
Regelungskonzeption des „schonenden“
Übergangs in die sog. nachgelagerte Besteuerung, welche im
Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat, keinen relevanten
Anwendungsbereich belassen. Dies widerspräche nicht nur dem
Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG. Es würde
auch das gesamte auf Erlass des AltEinkG gerichtete
Gesetzgebungsverfahren desavouieren.
aa) Es mag zweifelhaft sein, welcher
Erkenntniswert etwa der Begründung zum Regierungsentwurf eines
Gesetzes oder der persönlichen Stellungnahme eines Mitglieds
eines parlamentarischen Gremiums beizumessen ist (vgl. Bydlinski,
Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 428
ff., 449 ff.). Vorliegend kann indes nicht unberücksichtigt
bleiben, dass - angestoßen durch den Auftrag des BVerfG zur
Neuregelung des Steuerrechts der Altersvorsorge und
Alterseinkünfte - auf der Grundlage von umfangreichen, u.a.
durch die sog. Rürup-Kommission erarbeiteten
Vorüberlegungen und im Rahmen einer vom Finanzausschuss des
Bundestags durchgeführten Anhörung über die gesamten
Entstehungsphasen des AltEinkG hinweg nachweislich ein bestimmter
parlamentarischer Konsens organisiert worden ist, der u.a. zum Ziel
hatte, eine haushaltsschonende Überleitung in die
nachgelagerte Besteuerung zu normieren. Das Gesetzgebungsverfahren
als „Verhandlungs- und Entscheidungsprozess“ zur
politischen Entscheidung über Alternativen (Schulze-Fielitz,
Theorie und Praxis der parlamentarischen Gesetzgebung, 1988, S. 255
ff., 301 ff., 371 ff.) und das in den Beschlüssen der
parlamentarischen Gremien konkretisierte Ergebnis dürfen vom
Rechtsanwender nicht negiert werden, wenn dieses Ergebnis eindeutig
ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie im
Gesetzgebungsverfahren des AltEinkG (oben 4. f cc) eine
Gesetzesinitiative, die auf eine grundlegende Änderung des
Regierungsentwurfs abzielt, abgelehnt wird. Auch durch die
Ablehnung zur Entscheidung gestellter Alternativen wird der
„Wille des Gesetzgebers“ geformt, ohne dass -
der Natur der Sache nach - dieser Verfahrensschritt im
Gesetzeswortlaut seinen Niederschlag finden würde (vgl. P.
Fischer, Auslegungsziele und Verfassung, in Festschrift für
Klaus Tipke, 1995, S. 187 ff., 198 ff.).
bb) Einem allgemeinen Grundsatz der
Methodenlehre zufolge darf ein Gesetz nicht in der Weise ausgelegt
werden, dass es keinen relevanten Regelungsbereich hätte (vgl.
z.B. BVerfG-Beschluss vom 1.3.1997 2 BvR 1599/89, 2 BvR 1714/92, 2
BvR 1508/95, HFR 1997, 512 = SIS 97 08 48). Anderenfalls wären
die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grenzen der richterlichen
Auslegungsbefugnis überschritten. Solches ist der Fall, wenn
die Rechtsprechung sich an die Stelle des Gesetzgebers setzt, indem
die Auslegung zu einem Ergebnis führt, das in Widerspruch
steht zu dem auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen
Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, ihrer Systematik und ihrem
erkennbaren Sinn (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 27.12.1991 2 BvR
72/90, BStBl II 1992, 212 = SIS 92 03 11, und vom 22.12.1992 1 BvR
1333/89, DStR 1993, 603).
6. Anders als § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in
der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung entfaltet § 10 Abs. 3
Satz 5 EStG eine Sperrwirkung, die den Abzug von Werbungskosten
ausschließt. Insofern ist die Rechtsprechung des VI. Senats
des BFH (Urteile vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl
II 2003, 407 = SIS 03 07 75, und vom 27.5.2003 VI R 33/01, BFHE
202, 314, BStBl II 2004, 884 = SIS 03 29 58) für die
vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung.
7. Gegen die gesetzliche Zuweisung der
Beiträge zur Rentenversicherung zu den Sonderausgaben bestehen
keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die
Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Gleichbehandlung
von wesentlich Ungleichem (BVerfG-Entscheidungen vom 24.4.1991 1
BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 157 f.; vom 15.7.1998 1 BvR 1554/89
u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann
verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der
Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die
gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden
lässt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 =
SIS 02 04 93, unter C. I., m.w.N.). Verletzt der Gesetzgeber das
allgemeine Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung steuerlicher
Grundentscheidungen (BVerfG-Beschlüsse vom 30.9.1998 2 BvR
1818/91, BVerfGE 99, 88, 95 = SIS 98 23 05, und vom 11.11.1998 2
BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 295, BStBl II 1999, 502 = SIS 99 08 48), dann indiziert dies einen solchen Verstoß. Ausnahmen von
einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines
besonderen sachlichen Grundes.
Zu den das Einkommensteuerrecht tragenden
Grundprinzipien rechnet das objektive Nettoprinzip. Danach werden
Einnahmen nicht brutto, sondern gekürzt um damit im
Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung
unterworfen (BVerfG-Entscheidungen vom 2.10.1969 1 BvL 12/68,
BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140 = SIS 70 00 80, und vom
23.1.1990 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE
81, 228, BStBl II 1990, 483 = SIS 90 09 55). Dieser
verfassungsrechtliche Aspekt könnte allenfalls dann
berührt sein, wenn man eine den Werbungskostenabzug
begründende betragsmäßige Relation herstellt zu der
ab dem Jahre 2040 geltenden Besteuerung der Alterseinkünfte
mit dem vollen Nennbetrag des Zuflusses. Dies führt indes
nicht zur Verfassungswidrigkeit des vorgelagerten
beschränkten Abzugs der Vorsorgeaufwendungen, weil die bis zum
Jahre 2024 beschränkte Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen
integraler Bestandteil der Übergangsregelung ist, die das
BVerfG als verfassungsrechtlich unbedenklich akzeptiert hat;
insoweit hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten
Gestaltungsspielraum zugestanden (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73,
BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93, unter D. II.). Ausgehend von
diesem für sich gesehen verfassungsrechtlich unbedenklichen
Datum kann die Stimmigkeit des vom Gesetzgeber verwirklichten
Systems der nachgelagerten Besteuerung nur daran gemessen werden,
ob der nachgelagerte steuerliche Zugriff auf die -
später zufließenden - Alterseinkünfte gegen das vom
BVerfG ausgesprochene Verbot einer Doppelbesteuerung von
Lebenseinkünften verstößt. M.a.W.: Die Versagung
des vollen Abzugs der Vorsorgeaufwendungen in den Jahren 2005 bis
2024 ist nicht isoliert betrachtet verfassungsrechtlich
problematisch, sondern nur in der Gesamtschau mit der späteren
Rentenbesteuerung. Insoweit wird später der Umfang der
Rentenbesteuerung auf dem Prüfstand stehen, denn erst durch
diesen wird gegebenenfalls eine verfassungsrechtlich
unzulässige Überbesteuerung bewirkt werden. Aus diesem
Grund hat der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren auch noch
nicht über die verfassungsrechtlichen Schranken der
Besteuerung der zufließenden Renteneinnahmen zu entscheiden
(vgl. auch Kammerbeschluss des BVerfG vom 21.12.2004 2 BvR 2197/04,
HFR 2005, 353, 355 = SIS 05 21 59).
b) Im Rahmen einer späteren
Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa EStG wird der Senat das
Grundsystem der nachgelagerten Rentenbesteuerung zu überdenken
haben.
aa) Insoweit wird zu erwägen sein, ob der
Gesetzgeber wegen des Gebots der folgerichtigen Umsetzung des
Prinzips der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater
Vermögensumschichtungen überhaupt berechtigt ist,
Rentenzuflüsse, soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des
Steuerpflichtigen beruhen, über den Ertragsanteil hinausgehend
der Besteuerung zu unterwerfen (P. Fischer, Deutsche
Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 24, 463, 488; ders., BB
2003, 873; Jachmann, DRV-Schriften Band 51, 125, 130; a.A.
Söhn, StuW 2003, 332). Die Gesichtspunkte des
„Einkaufens“ in ein - privates oder staatliches
- Transfersystem und des hiermit korrespondierenden Abzugs
vorweggenommener Aufwendungen (vgl. oben 4. b aa) hindern eine
Besteuerung jedenfalls nicht, wenn und soweit der Steuerpflichtige
mit seinen Beiträgen keinen versicherungsrechtlich
begründeten „eigenen“ Anspruch bzw. eine
Anwartschaft hierauf „erwirbt“, es sich bei den
(späteren) Rentenbezügen vielmehr um staatliche
Transferleistungen handelt, die grundsätzlich
einkommensteuerbares Einkommen sind (vgl. BVerfG in BVerfGE 105,
73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93, unter C. V. 1. c). Es liegt
auf der Hand, dass der Anteil solcher Transferleistungen
abhängig ist von der Art und vor allem von der Finanzierung
des jeweiligen Versorgungssystems: Es ist hier zu unterscheiden
etwa zwischen Renten aus berufsständischen
Versorgungseinrichtungen, die nach dem Versicherungsprinzip und dem
Grundsatz der Kapitaldeckung arbeiten einerseits (vgl. für das
Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land NRW, Seer, StuW
1996, 323, 330), und landwirtschaftlichen Alterskassen
andererseits. Soweit der Steuerpflichtige hingegen mit seinen
Beiträgen einen „eigenen“
Versicherungsanspruch erwirbt, der zu einer Ablaufleistung
führt, die als Einmalbetrag nicht steuerbar wäre
(Senatsurteil vom 15.6.2005 X R 64/01, BFHE 210, 281, DStR 2005,
1764 = SIS 05 42 01), wird sich die Frage stellen, ob hier die
Grundsätze der BFH-Rechtsprechung über die
„Anschaffung von Rentenrechten“ (z.B. BFH-Urteil
vom 30.10.2001 VIII R 29/00, BFHE 197, 114 = SIS 02 02 12) durch
die gesetzliche Anordnung einer „nachgelagerten
Besteuerung“ ausgeblendet werden können. Denn man
kann daran denken, die zwingenden Folgerungen aus der zeitlich
gestreckten Auszahlung eigenen Vermögens auch dann zu ziehen,
wenn die Anschaffung des Versicherungsanspruchs durch den
Sonderausgabenabzug begünstigt war. Dann müsste die vom
BVerfG geforderte Verhinderung der Entstehung von
„weißem“ Lebenseinkommen rechtstechnisch
in der Weise „konstruiert“ werden, dass die in
der Erwerbsphase steuerfrei belassenen Versicherungsbeiträge
in der Auszahlungsphase - gegebenenfalls typisierend -
nachversteuert werden.
bb) Hält man hingegen eine
grundsätzlich die gesamten Renteneinnahmen umfassende
Besteuerung für zulässig, weil der
rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer wirtschaftlich gesehen
ebenso wie der Beamte auf Grund seiner nichtselbständigen
Tätigkeit als Gegenleistung im weitesten Sinn
Anwartschaftsrechte auf Versorgung im Alter und bei
Erwerbsunfähigkeit aus anderen Gründen erwirbt
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93, unter C. III. 2.), hat auch eine solche die gesamten
Renteneinnahmen umfassende Besteuerung verfassungsrechtliche
Grenzen. Sie ist unter der vorgenannten Prämisse dann
grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie
Beitragszahler betrifft, deren Aufwendungen steuermindernd
berücksichtigt worden sind. Insoweit ist es dann unerheblich,
dass diese Minderung nicht im Rahmen des Werbungskostenabzugs,
sondern durch den Sonderausgabenabzug bewirkt worden ist. In
verfassungsrechtlicher Hinsicht ist nicht die zutreffende
systematische Zuordnung dieser Aufwendungen entscheidend, sondern
der Gesichtspunkt der am Maßstab des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beurteilenden
Ergebnisrichtigkeit.
Werden hingegen die Beitragszahlungen
teilweise aus versteuertem Einkommen erbracht, ist das zwingende
Gebot des BVerfG zu beachten, dass hierauf beruhende
Rentenzahlungen nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden
dürfen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 =
SIS 02 04 93, unter D. II.). Insoweit wird insbesondere zu
überprüfen sein, ob der Gesetzgeber dieses Gebot des
BVerfG zutreffend interpretiert hat (vgl. hierzu Bericht des
Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 15/3004, S.
13; Kommissionsbericht, S. 51; kritisch hierzu und zu anderen
Fragen insbesondere Hey, DRV 2004, 1, 8; Ruland, a.a.O., 2005, 889,
901).
cc) Es ist davon auszugehen, dass die
Problematik der zutreffenden Besteuerung der dem AltEinkG
unterfallenden Renteneinkünfte in Fällen von ab dem Jahr
2005 zufließenden Renteneinnahmen i.S. von § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a, aa EStG die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit in
überschaubarer Zeit erreichen und sodann einer
verfassungsrechtlichen Klärung zugeführt werden wird.
8. Die lediglich beschränkte
Abzugsfähigkeit des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung
verletzt auch nicht das aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1
GG) abzuleitende subjektive Nettoprinzip. Danach muss dem
Steuerpflichtigen ein „staatsfreies
Existenzminimum“ verbleiben; bestimmte zwangsläufige
Aufwendungen müssen, auch wenn sie in den Bereich der privaten
Lebensführung fallen, steuerlich verschont werden
(BVerfG-Beschluss vom 4.12.2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00,
BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 = SIS 03 19 40; Senatsbeschluss
vom 14.12.2005 X R 20/04, BFH/NV 2006, 431 = SIS 06 06 88).
Der Senat kann offen lassen, ob der
Gesetzgeber gehalten ist, den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung deshalb in vollem Umfang steuerlich
freizustellen, weil dieser Aufwand zwangsläufig entsteht und
die hierfür verwendeten Einkünfte dem Arbeitnehmer
aktuell nicht zur Verfügung stehen (so Söhn, StuW 1985,
395; Söhn/Müller-Franken, StuW 2000, 442; Wernsmann, StuW
1998, 317). Denn das BVerfG hat den Gesetzgeber angewiesen, die
steuerliche Behandlung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen im
Rahmen der Neuordnung der Rentenbesteuerung mit zu regeln
(BVerfG-Beschlüsse vom 26.3.1980 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76,
BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545 = SIS 80 02 85, und vom
20.8.1997 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397 = SIS 97 24 15). Diese
Entscheidung hat der Gesetzgeber im AltEinkG in der Weise
getroffen, dass im Jahr 2005 geleistete
Rentenversicherungsbeiträge mit 60 v.H. und die in Folgejahren
geleisteten Beiträge mit einem um jeweils 2 vom-Hundert-Punkte
höheren Prozentsatz abziehbar sind (§ 10 Abs. 3 Satz 6
EStG). Im Jahr 2025 geleistete Rentenversicherungsbeiträge
sind demgemäß im Rahmen des Sonderausgabenabzugs
vollständig freigestellt, denn die Gesamtbeiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung erreichen auch nicht annähernd
den gesetzlichen Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG
von 20.000 EUR. Aus diesem Grund kann es der Senat offen lassen, ob
die Aussage im Beschluss des BVerfG vom 11.1.2005 2 BvR 167/02
(BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 = SIS 05 30 28), wonach im Rahmen des
Grenzbetrags des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte des
(volljährigen) Kinds um von diesem geleistete
Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen sind, weil dem Kind
in dieser Höhe die Einkünfte nicht zur Verfügung
stehen, in dem Sinne zu verallgemeinern ist, dass solche
Aufwendungen stets steuerlich freizustellen sind.
9. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist
auch die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG i.d.F. des
AltEinkG verfassungsrechtlich unbedenklich. Hierbei kann der Senat
offen lassen, ob diese Frage im vorliegenden Streitfall deshalb
nicht erheblich ist, weil Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10
Abs. 2 EStG wie dargelegt (unter 3. a) nicht auf der
Lohnsteuerkarte eingetragen werden können. Im Streitfall kann
es auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des §
10 Abs. 3 Satz 5 EStG nur ankommen, wenn man in Erwägung
zieht, dieses Eintragungsverbot unterliege insoweit
verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat braucht dieser Frage
nicht weiter nachzugehen, weil gegen § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG
keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ist
den vom Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen i.S. von
Satz 1 dieser Vorschrift u.a. der von seinem Arbeitgeber geleistete
Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung hinzuzurechnen. Dieser
Gesamtbeitrag wirkt sich im Jahr 2005 nur mit 60 v.H. aus (§
10 Abs. 3 Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende
Betrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 v.H.
dieses Arbeitgeberanteils zu kürzen. Nur die Differenz ist als
Sonderausgabe abziehbar.
b) Diese Regelung beruht auf einem
sachgerechten Grund und verstößt daher nicht gegen Art.
3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber will im Jahr 2005 geleistete
Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit 60
v.H. von der Besteuerung freistellen. Da der Arbeitgeberanteil
bereits auf Grund von § 3 Nr. 62 EStG nicht der Besteuerung
unterliegt, ist es gerechtfertigt, den Sonderausgabenabzug um
diesen Betrag zu kürzen. Hierdurch wird gewährleistet,
dass zwei Steuerpflichtige, bei denen jeweils solche
Vorsorgeaufwendungen in Höhe des gesetzlichen
Höchstbetrags von 20.000 EUR angefallen sind, von denen jedoch
nur einer einen solchen steuerfreien Arbeitgeberanteil erhalten
hat, steuerlich in gleichem Umfang freigestellt werden. Der
Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur
Rentenversicherung und/oder zu anderen Altersvorsorgeaufwendungen
i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG leistet, kann im Jahr 2005 60
v.H. der Aufwendungen, also 12.000 EUR als Sonderausgaben abziehen.
Der andere Steuerpflichtige, dessen Vorsorgeaufwendungen sich aus
eigenen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung,
Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
und aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von beispielsweise
2.000 EUR zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung
über § 3 Nr. 62 EStG von 2.000 EUR. Umgekehrt kann er als
Sonderausgaben 60 v.H. von 20.000 EUR = 12.000 EUR abzüglich
2.000 EUR Arbeitgeberanteil geltend machen (vgl. Risthaus, DB 2004,
1329, 1332). Die steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger
ist daher im Ergebnis gleich.
c) Dem steht nicht entgegen, dass die
sozialgerichtliche Rechtsprechung diesen Arbeitgeberanteil nicht
als Arbeitslohn beurteilt und auch der BFH der Vorschrift des
§ 3 Nr. 62 EStG nur deklaratorischen Charakter beimisst
(Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.6.2000 B 4 RA 57/98 R, BSGE
86, 262; BFH-Urteil vom 6.6.2002 VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl
II 2003, 34 = SIS 03 02 16). Denn nach der Rechtsprechung des
BVerfG liegt in Gestalt des Arbeitgeberanteils ein Beitrag zum
Erwerb der Vorsorgungsanwartschaft vor, der unmittelbar
wirtschaftliches Ergebnis der Arbeitsleistung ist (BVerfG-Urteil in
BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93, unter C. V. 1.
b).