3
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In den Einkommensteuerbescheiden für
die Streitjahre wurden die Vorsorgeaufwendungen jeweils mit dem
gesetzlichen Höchstbetrag (7.830 DM jährlich)
berücksichtigt.
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4
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Die Einsprüche der Kläger, mit
denen sie neben zahlreichen weiteren Punkten u.a. die
Verfassungswidrigkeit dieses Höchstbetrags rügten, hatten
nur für die Jahre 1993 bis 1995 in geringem Umfang - aus
Gründen, die nicht die Vorsorgeaufwendungen betreffen -
Erfolg. Im Übrigen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) die Einsprüche zurück. Soweit die
Steuerbescheide zunächst im Hinblick auf die beschränkte
Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig ergangen
waren (Streitjahre 1993 bis 1996), wurden sie im Laufe des
Einspruchsverfahrens in diesem Punkt für endgültig
erklärt.
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5
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Im Klageverfahren haben die Kläger
zuletzt noch begehrt, die Beiträge zur Krankenversicherung und
an die Bundesanstalt für Arbeit in voller Höhe als
Sonderausgaben abzuziehen, hilfsweise, die Beiträge an die
Bundesanstalt für Arbeit im Wege des negativen
Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Die Klage hatte
keinen Erfolg (EFG 2009, 733 = SIS 09 10 38).
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6
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Mit ihrer Revision verfolgen die
Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, die im
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.2.2008 2
BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87) ausgesprochene
Weitergeltungsanordnung hinsichtlich der Beiträge zur
Krankenversicherung verletze ihrerseits Verfassungsrecht (Art. 1,
2, 3, 6, 14, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG
- ). Der rechtsuchende Bürger werde dadurch letztlich rechtlos
gestellt. Ferner verletze die Weitergeltungsanordnung auch die Art.
5, 6, 8 und 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11.1950 (BGBl II
1952, 685).
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7
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Die Beiträge zur Bundesanstalt
für Arbeit seien aus verfassungsrechtlichen Gründen
steuerlich in voller Höhe abzuziehen, weil sie dem
Existenzminimum zuzuordnen seien. Hilfsweise seien sie im Wege des
negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen, weil auch
zahlreiche der von der Bundesanstalt für Arbeit gewährten
Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Eine
vorrangige steuersystematische Zuordnung dieser Beiträge zu
den Sonderausgaben scheide angesichts des klaren Wortlauts des
Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) aus.
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8
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Die Kläger begehren vorrangig ein
Ruhen oder Aussetzen des Revisionsverfahrens bis zum Ergehen von
Entscheidungen des BVerfG bzw. des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EGMR) in verschiedenen näher
bezeichneten Verfahren.
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9
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In der Sache selbst beantragen die
Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1993, 1994 und 1996 vom
9.8.2000, für die Jahre 1997 und 1998 vom 10.8.2000, für
das Jahr 1995 vom 29.8.2000 und für das Jahr 1999 vom 9.5.2001
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 20. und 29.11.2000
sowie vom 18.9.2001 dahingehend zu ändern, dass die
Beiträge zur Krankenversicherung und an die Bundesanstalt
für Arbeit in voller Höhe abgezogen werden.
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10
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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11
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Es tritt den Anträgen auf Ruhen oder
Aussetzen des Verfahrens entgegen.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
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13
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1. Die verfassungsrechtlichen Fragen
hinsichtlich der begrenzten Abziehbarkeit von Beiträgen zu
Krankenversicherungen sind durch den Beschluss des BVerfG in
BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87 geklärt. Danach war der
Gesetzgeber verpflichtet, mit Wirkung zum 1.1.2010 eine Neuregelung
zu schaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben sowohl die für
das seinerzeitige Streitjahr 1997 beanstandete Fassung des §
10 Abs. 3 EStG als auch sämtliche Nachfolgeregelungen weiter
anwendbar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87, unter Nr. 2 des Tenors sowie unter E.II.2. der Gründe). In
späteren Entscheidungen haben sowohl das BVerfG (Beschluss vom
13.2.2008 2 BvR 1220/04, 410/05, BVerfGE 120, 169 = SIS 08 16 85,
unter B.II.) als auch der Bundesfinanzhof - BFH - (Senatsbeschluss
vom 26.11.2008 X R 20/04, BFH/NV 2009, 382 = SIS 09 05 98,
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch
BVerfG-Beschluss vom 9.7.2009 2 BvR 92/09; Senatsbeschluss vom
11.12.2008 X B 179/08, BFH/NV 2009, 573 = SIS 09 09 03, unter 2.b
bb, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch
BVerfG-Beschluss vom 14.9.2010 2 BvR 329/09) hinsichtlich der
Beiträge zur Krankenversicherung die weitere Anwendbarkeit des
§ 10 Abs. 3 EStG in seinen bis einschließlich des
Veranlagungszeitraums 2009 geltenden Fassungen bestätigt.
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14
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Diese Weitergeltungsanordnung ist für den
Senat bindend, weil sie mit Gesetzeskraft versehen ist (§ 31
Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -
BVerfGG - ; vgl. hierzu ausführlich BFH-Beschluss vom
24.11.2010 II B 9/10, BFH/NV 2011, 441 = SIS 11 05 01, unter 1.a,
mit zahlreichen weiteren Nachweisen); sie ist ihrerseits weder
verfassungswidrig (dazu unten a) noch verstößt sie gegen
Regelungen der EMRK (unten b).
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15
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a) Das BVerfG hat als Verfassungsorgan des
Bundes hinsichtlich der zeitlichen Geltung seiner
Unvereinbarkeitserklärung eine Abwägung getroffen
zwischen dem Anspruch des Rechtsuchenden auf Gewährung von
Individualrechtsschutz, seinen Aufgaben zur Gewährleistung
einer auch objektiven Rechtskontrolle, den Grundsätzen einer
geordneten Haushaltsplanung (vgl. zur verfassungsrechtlichen
Verankerung dieses Gesichtspunkts Art. 104a ff., Art. 109 GG), der
Erwägung, nicht für weit zurückliegende
Veranlagungszeiträume Verzerrungen herbeizuführen
zwischen denjenigen Steuerpflichtigen, deren Veranlagungen bereits
bestandskräftig waren und denjenigen, die ihre Veranlagungen
offengehalten haben, sowie der Vorhersehbarkeit normverwerfender
Entscheidungen, die solche Vorschriften betreffen, die zuvor
jahrzehntelang angewendet und durch die höchstrichterliche
Rechtsprechung in ihrer Wirksamkeit bestätigt worden waren
(z.B. BFH-Urteil vom 16.10.2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II
2003, 179 = SIS 03 11 50) und erhebliche Breitenwirkung haben.
Derartige Abwägungen stehen dem BVerfG kraft seiner Stellung
als Verfassungsorgan zu; die befristete Weitergeltungsanordnung
kann verfassungsgerichtsverfahrensrechtlich auf § 35 BVerfGG
gestützt werden (BVerfG-Beschluss vom 11.10.1994 2 BvR 633/86,
BVerfGE 91, 186, unter C.III.1.).
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16
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Der erkennende Senat hält die vom BVerfG
getroffene Weitergeltungsanordnung hinsichtlich der gesetzlichen
Regelungen zum Abzug der Krankenversicherungsbeiträge für
verfassungsgemäß.
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17
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Selbst wenn der Senat von der
Verfassungswidrigkeit der mit Gesetzeskraft versehenen
Weitergeltungsanordnung überzeugt wäre, wäre er
infolge seiner Gesetzesbindung verfahrensrechtlich auf die konkrete
Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG verwiesen. Eine durch das
BVerfG selbst getroffene Anordnung der befristeten Weitergeltung
eines Gesetzes, das für mit dem GG unvereinbar erklärt
worden ist, kann jedoch nicht tauglicher Gegenstand einer
Richtervorlage sein (vgl. ausführlich Senatsurteil vom
21.7.2004 X R 72/01, BFH/NV 2005, 513 = SIS 05 15 72, unter II.3.,
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch
BVerfG-Beschluss vom 25.9.2009 2 BvR 2299/04).
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b) Die Weitergeltungsanordnung
verstößt nicht gegen Vorschriften der EMRK.
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19
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aa) Soweit sich die Kläger - ohne
nähere Begründung - auf das „Recht auf Freiheit
und Sicherheit“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EMRK) berufen, ist
nicht ersichtlich, inwieweit dieses Recht durch die
Weitergeltungsanordnung des BVerfG verletzt sein soll. Ohnehin
versteht Art. 5 Abs. 1 EMRK unter der persönlichen Freiheit
nur die körperliche Bewegungsfreiheit, nicht aber die
allgemeine Handlungsfreiheit (Renzikowski in Internationaler
Kommentar zur EMRK, Art. 5 Rz 1, 15 f., Stand Juni 2004). Die
körperliche Bewegungsfreiheit wird aber weder durch die
Besteuerung noch durch die Weitergeltungsanordnung
berührt.
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20
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bb) Art. 6 Abs. 1 EMRK (Anspruch auf
rechtliches Gehör vor einem unabhängigen Gericht
innerhalb einer angemessenen Frist) gilt nach seinem klaren
Wortlaut nur für gerichtliche Verfahren über
zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen. Im
Bereich des - öffentlich-rechtlichen - Steuerrechts ist diese
Norm von vornherein nicht anwendbar (vgl. ausführlich Urteil
des EGMR vom 12.7.2001 44759/98, NJW 2002, 3453; ferner BFH-Urteile
vom 13.12.1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232 =
SIS 96 09 20, unter I., und vom 21.3.1996 XI R 82/94, BFHE 180,
316, BStBl II 1996, 518 = SIS 96 20 42, unter II.B.4.;
BFH-Beschlüsse vom 27.2.2002 VII B 294/01, BFH/NV 2002, 942 =
SIS 02 69 48, und vom 31.7.2003 IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603 = SIS 03 50 01).
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21
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Dem steht das von den Klägern
angeführte EGMR-Urteil vom 29.5.1986 9/1984/81/128 (NJW 1989,
652) nicht entgegen. Zwar hat der EGMR dort in Bezug auf ein
Verfahren, das Ansprüche gegen die gesetzliche
Unfallversicherung betraf, eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK
bejaht. Er hat zugleich aber festgestellt, dass es sich bei den
Leistungsansprüchen von Arbeitnehmern gegen die gesetzliche
Unfallversicherung um „zivilrechtliche
Ansprüche“ im Sinne der genannten
Konventionsvorschrift handelt (EGMR-Urteil in NJW 1989, 652, Rz 71
ff.: Unfallrente als Verlängerung des dem Arbeitnehmer
entgehenden zivilrechtlichen Anspruchs auf Vergütung). Dies
ist bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis indes
nicht der Fall.
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22
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cc) Der Anspruch auf Achtung des Privat- und
Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) ist nicht verletzt. Der
bisherigen Rechtsprechung des EGMR ist nicht einmal ansatzweise zu
entnehmen, dass die beschränkte einkommensteuerrechtliche
Abziehbarkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung bei
gleichzeitiger Steuerfreiheit der bezogenen Leistungen (vgl. §
3 Nr. 1 Buchst. a EStG) eine Menschenrechtsverletzung darstellen
könnte.
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dd) Weshalb die Weitergeltungsanordnung eine -
nach Art. 14 EMRK verbotene - Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen
oder sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft,
Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status darstellen
soll, ist nicht ersichtlich.
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24
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Die Kläger berufen sich zwar darauf, dass
diese Konventionsnorm auch eine Diskriminierung aufgrund des
„Vermögens“ verbietet. Art. 14 EMRK dient
in seiner Gesamtausrichtung jedoch erkennbar dem
Minderheitenschutz. Die Frage der einkommensteuerrechtlichen
Abziehbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen betrifft
jedoch nicht lediglich eine Minderheit, sondern nahezu die
Gesamtheit aller Steuerpflichtigen.
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25
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass
das EStG nicht an das Vermögen, sondern an das Einkommen
anknüpft. Der bisherigen Rechtsprechung des EGMR ist nicht zu
entnehmen, dass der Gerichtshof nationale gesetzliche Regelungen
über die Einkommensteuer als Diskriminierung aufgrund des
Vermögens ansehen könnte.
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26
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Das von den Klägern angeführte
Urteil des EGMR vom 28.11.1984 9/1983/65/100 (Europäische
Grundrechte-Zeitschrift 1985, 511) betrifft die
Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung; derartige Sachverhalte
sind schon im Ausgangspunkt nicht mit der von den Klägern
angegriffenen Weitergeltungsanordnung vergleichbar.
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27
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c) Soweit die Kläger dem Senat
umfangreiche Ausführungen zur Zulässigkeit von
Vorläufigkeitsvermerken und Teileinspruchsentscheidungen
unterbreitet haben, sind diese für das vorliegende Verfahren
nicht entscheidungserheblich. Denn weder ist gegen die Kläger
eine Teileinspruchsentscheidung ergangen, noch ist den
angefochtenen Verwaltungsakten in derjenigen Gestalt, in der sie
Gegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens sind, ein
Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der beschränkten
Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen beigefügt worden.
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28
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2. Hinsichtlich der Beiträge an die
Bundesanstalt für Arbeit (heute: Beiträge zu
Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit) ist weder ein
Sonderausgabenabzug in voller Höhe (dazu unten a) noch eine
Berücksichtigung im Wege des negativen Progressionsvorbehalts
(dazu unten b) verfassungsrechtlich geboten.
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29
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a) Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich
nicht verpflichtet, Beiträge an die Bundesanstalt für
Arbeit bzw. zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit
einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen (ebenso
im Ergebnis bereits Senatsurteil vom 18.11.2009 X R 6/08, BFHE 227,
137, BStBl II 2010, 282 = SIS 10 00 40, unter B.II.3.b cc).
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30
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In seiner Entscheidung zur
Verfassungswidrigkeit der im Jahr 1997 geltenden Regelungen zur
Abziehbarkeit von Beiträgen zu privaten Kranken- und
Pflegeversicherungen hat das BVerfG „streng auf das
sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine
das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene“
abgestellt. Es hat - entgegen den Ausführungen des
Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen
Verhandlung - eine verfassungsrechtliche Pflicht, unter dem
Gesichtspunkt der „Zwangsläufigkeit“
Ausgaben bis zur Höhe der
Pflichtsozialversicherungsbeiträge zum Abzug von der
einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zuzulassen,
ausdrücklich verneint. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des
Existenzminimums gewährleiste dem Steuerpflichtigen lediglich
den Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau, nicht aber
auf dem Niveau, das durch die Leistungen der gesetzlichen
Sozialversicherung erreicht werden könne (zum Ganzen
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87, unter
D.II.3.).
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31
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Der gesetzliche Leistungskatalog der
Sozialhilfe enthielt aber weder im Jahr 1997 eine Verpflichtung der
Sozialhilfeträger zur Übernahme von Beiträgen an die
Bundesanstalt für Arbeit noch ist im gegenwärtigen
Sozialhilferecht nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB
XII) eine Verpflichtung zur Übernahme von Beiträgen zu
Arbeitslosenversicherungen vorgesehen. Vielmehr wird das Risiko der
Arbeitslosigkeit und des damit verbundenen Wegfalls des
Erwerbseinkommens bereits durch die Sozialhilfe-Regelsätze
berücksichtigt. Das dadurch quantifizierte Existenzminimum
wird einkommensteuerrechtlich indes - in verfassungsrechtlich
unbedenklicher Weise (Senatsurteil vom 18.11.2009 X R 34/07, BFHE
227, 99, BStBl II 2010, 414 = SIS 10 00 39, unter B.III.) - durch
den Grundfreibetrag steuerfrei gestellt. Damit unterscheidet sich
die sozialhilferechtliche Rechtslage hinsichtlich der Beiträge
zu Arbeitslosenversicherungen grundlegend von den insoweit
geltenden Regelungen zur Kranken- und Pflegeversorgung, nach denen
sozialhilferechtlich entweder die Übernahme der zu zahlenden
Beiträge oder aber die Gewährleistung von Kranken- und
Pflegeversorgung zusätzlich zum Sozialhilfe-Regelsatz
vorgesehen war und ist (vgl. für das Jahr 1997 §§
13, 36 ff., 68 ff. des Bundessozialhilfegesetzes; heute
§§ 32, 47 ff., 61 ff. SGB XII).
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32
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Unzutreffend ist die Auffassung der
Kläger, aus dem - ohnehin erst nach den Streitjahren in Kraft
getretenen - Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) folge, dass mit
den Beiträgen an die Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für
Arbeit ausschließlich Leistungen finanziert würden, die
das Niveau der Existenzsicherung nicht überschritten. Die
Kläger beziehen sich insoweit auf die Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
(„Hartz IV“). Dabei verkennen sie, dass diese
Leistungen gerade nicht aus Beitragsmitteln, sondern - ebenso wie
die Sozialhilfe und die frühere Arbeitslosenhilfe - vom Bund
finanziert werden (§ 46 Abs. 1 SGB II; vgl. hierzu auch
BVerfG-Beschluss vom 8.11.2011 1 BvR 2007/11, Die
Sozialgerichtsbarkeit 2012, 25). Nichts anderes folgt aus dem
Hinweis der Kläger auf die Vorschrift des § 46 Abs. 4 SGB
II. Denn der dort genannte Finanzierungsanteil der Bundesagentur
für Arbeit betrifft lediglich Leistungen zur Eingliederung in
Arbeit sowie entsprechende Verwaltungskosten. Dabei handelt es sich
aber nicht um existenzsichernde Geldleistungen, sondern um
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.
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33
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b) Die Kläger haben keinen
verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass ihre Beiträge an
die Bundesanstalt für Arbeit im Wege des negativen
Progressionsvorbehalts zu einer zusätzlichen
einkommensteuerlichen Entlastung führen.
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aa) Anders als das Finanzgericht offenbar
meint, kennt das Einkommensteuerrecht auch einen negativen
Progressionsvorbehalt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 13.11.2002 I R
13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795 = SIS 03 19 24; zuletzt
BFH-Urteil vom 9.6.2010 I R 107/09, BFHE 230, 35 = SIS 10 22 24,
unter B.I.4.).
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35
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bb) Dieser beschränkt sich indes auf den
Bereich der Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie der negativen
Einnahmen. Dies folgt aus § 32b EStG. Denn in § 32b Abs.
1 Nr. 2 EStG 1990 (ab 1996 § 32b Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG;
heute § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 EStG) ist
ausdrücklich der Begriff der
„Einkünfte“ verwendet, auf deren Höhe
sich Sonderausgaben gemäß § 2 Abs. 4 EStG nicht
auswirken. In § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG findet sich
dieser Begriff zwar nicht unmittelbar; dort sind aber
ausschließlich Lohn- und Einkommensersatzleistungen (so
zutreffend Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b EStG Rz 60,
Stand Januar 2005) enumerativ aufgeführt, die ihrem Wesen nach
grundsätzlich zu den steuerbaren Einnahmen gehören (vgl.
auch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Dies zeigt, dass - neben
negativen Einnahmen - nur Aufwendungen im Bereich der
Einkunftserzielung einen negativen Progressionsvorbehalt
auslösen können (ebenso BFH-Urteil vom 3.11.2010 I R
73/09, BFH/NV 2011, 773 = SIS 11 12 39, unter II.3.).
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36
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Die von den Klägern gezahlten
Beiträge stellen jedoch weder negative Einnahmen - dies ist
unstreitig - noch Werbungskosten dar. Denn der Gesetzgeber hat die
Vorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung - und Vorrang
gegenüber der allgemeinen Regelung des Einleitungssatzes des
§ 10 Abs. 1 EStG - den Sonderausgaben zugewiesen und ihren
Abzug nur in den Grenzen der in § 10 Abs. 3 EStG 1990/1997
bestimmten Höchstbeträge zugelassen. Zur näheren
Begründung verweist der Senat auf seine - zu
Altersvorsorgeaufwendungen ergangenen - Entscheidungen vom 1.2.2006
X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 = SIS 06 12 72, unter
II.5., und in BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282 = SIS 10 00 40,
unter B.I.2.b bb). Diese auch hinsichtlich der Beiträge zur
Bundesanstalt für Arbeit geltende und verfassungsrechtlich
nicht zu beanstandende gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung
liefe leer, wenn denjenigen Steuerpflichtigen, bei denen der Abzug
dieser Beiträge durch § 10 Abs. 3 EStG 1990/1997 begrenzt
ist, ersatzweise ein Wahlrecht auf Anwendung des negativen
Progressionsvorbehalts zustehen würde.
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37
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Im Übrigen folgt aus der Systematik des
§ 32b EStG, dass ein negativer Progressionsvorbehalt
überhaupt nur dann in Betracht kommen kann, wenn ein Abzug der
entsprechenden Aufwendungen zum Regeltarif bereits dem Grunde nach
nicht möglich ist. Das ist hinsichtlich der von den
Klägern gezahlten Beiträge nicht der Fall. Auch stellt
§ 32b EStG keinen Auffangtatbestand für den Abzug solcher
Aufwendungen dar, die bei Ermittlung der tariflichen
Einkommensteuer zwar dem Grunde nach abziehbar sind, deren
Berücksichtigung im Einzelfall jedoch daran scheitert, dass
ein im Gesetz bestimmter Höchstbetrag überschritten
ist.
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38
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cc) Der Hinweis der Kläger auf die neuere
Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach im Bereich der
Berufsausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) aufgrund des
Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 EStG der Werbungskostenabzug
vorrangig vor dem Abzug als Sonderausgaben sei (BFH-Urteil vom
28.7.2011 VI R 38/10, NJW 2011, 2909 = SIS 11 26 71, unter II.1.c;
vgl. aber § 4 Abs. 9 und § 9 Abs. 6 EStG in der Fassung
des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur
Änderung steuerlicher Vorschriften, BGBl I 2011, 2592), steht
dem nicht entgegen. Denn der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG verbleibt auch bei Zugrundelegung der Auslegung des VI. Senats
noch ein gewisser eigener Anwendungsbereich, weil von ihr auch
solche Ausbildungskosten erfasst werden, die der Steuerpflichtige
ohne die Absicht, hieraus später steuerpflichtige Einnahmen zu
erzielen, trägt. So weist der VI. Senat ausdrücklich
darauf hin, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG Abzugsmöglichkeiten habe schaffen
wollen, die nach der seinerzeitigen Rechtslage im Bereich der
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nicht bestanden hätten
(BFH-Urteil vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II
2003, 407 = SIS 03 07 75, unter II.3.c). Demgegenüber
verbliebe für den vom Gesetzgeber für die Beiträge
zur Bundesanstalt für Arbeit ausdrücklich vorgesehenen
Sonderausgabentatbestand keinerlei Anwendungsbereich mehr, wenn
diese Beiträge entsprechend der Auffassung der Kläger den
Werbungskosten zuzuordnen wären. Eine solche Auslegung
würde aber den klaren Willen des historischen Gesetzgebers
missachten (so bereits Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II
2006, 420 = SIS 06 12 72, unter II.5.b). Auch der VI. Senat hat die
Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Vorsorgeaufwendungen
unberührt lassen wollen, was sich schon daran zeigt, dass die
Rechtsprechung zu den Ausbildungskosten ohne Divergenzanfrage
ergangen ist.
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39
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Mit dem Argument, der Senat weiche von der
Rechtsprechung des IX. Senats zu Versorgungsausgleichszahlungen
zwischen Ehegatten ab (z.B. BFH-Urteil vom 8.3.2006 IX R 107/00,
BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446 = SIS 06 16 49), hat sich der
Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414
= SIS 10 00 39 (unter B.I.2.b bb ddd) auseinandergesetzt. Da die
Kläger insoweit keine neuen Argumente vorbringen, ist auf die
genannte Entscheidung zu verweisen.
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40
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3. Ein Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens
kommt nicht in Betracht.
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41
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a) Für das von den Klägern
beantragte Ruhen des Verfahrens gilt dies schon deshalb, weil
hierfür gemäß § 251 der Zivilprozessordnung
i.V.m. § 155 FGO ein übereinstimmender Antrag beider
Beteiligten erforderlich wäre, an dem es jedoch fehlt.
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42
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b) Eine Aussetzung des Verfahrens in analoger
Anwendung des § 74 FGO im Hinblick auf die von den
Klägern angeführten Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR
ist ebenfalls nicht angebracht. Diese Verfahren betreffen lediglich
Teilaspekte des vorliegend zu beurteilenden Streitstoffs. Allein
der Umstand, dass gegen bestimmte Entscheidungen des Senats
Verfassungsbeschwerden eingelegt worden sind, begründet noch
kein überwiegendes Interesse anderer Rechtsmittelführer
an der Aussetzung (vgl. BFH-Beschluss vom 8.11.2007 VIII B 170/06,
BFH/NV 2008, 580 = SIS 08 14 23, unter II.2., m.w.N.). Gleiches
gilt für den Umstand, dass gegen eine Entscheidung des BVerfG
eine Beschwerde beim EGMR eingelegt worden ist.
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43
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In Bezug auf das beim EGMR anhängige
Verfahren weist der Senat zudem darauf hin, dass die
Entscheidungsbefugnis des EGMR nicht so weit reicht wie die des
BVerfG. Das BVerfG kann auch im Verfahren der
Urteilsverfassungsbeschwerde ein Gesetz, auf dem die mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung beruht, für
nichtig erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Diese
Nichtigkeitserklärung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2
BVerfGG) und wirkt damit unmittelbar für und gegen alle.
Demgegenüber kann der EGMR im Falle einer Verletzung der EMRK
lediglich dem Beschwerdeführer im anhängigen Einzelfall
eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen
(Art. 41 EMRK); eine Verwerfung von Normen des nationalen Rechts
mit Wirkung für und gegen alle ist dem EGMR nicht
möglich. Die analoge Anwendung des § 74 FGO in
Fällen anhängiger Musterverfahren vor dem BVerfG ist
damit begründet worden, dass allein das BVerfG
„verbindlich über die umstrittene
Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung
entscheiden kann“ (BFH-Beschluss vom 7.2.1992 III B 24,
25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408 = SIS 92 13 92, unter
2.b). Diese Begründung hebt ersichtlich auf die negative
Gesetzkompetenz des BVerfG ab. Fehlt den Entscheidungen eines
Obergerichts hingegen diese
„Inter-omnes-Wirkung“, kommt eine auf eine
analoge Anwendung des § 74 FGO gestützte Aussetzung des
Verfahrens nicht in Betracht (vgl. - zur Berufung auf
Musterverfahren, die vor dem BFH anhängig sind -
BFH-Entscheidungen vom 18.9.2002 XI B 126/01, BFH/NV 2003, 189 =
SIS 03 08 50, und vom 23.7.2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II
2003, 926 = SIS 03 47 13, unter II.1.).
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Im Übrigen machen die Kläger bereits
jetzt geltend, die Verfahrensdauer sei zu lang. Durch eine
Aussetzung des Verfahrens würde sich die Verfahrensdauer aber
noch wesentlich verlängern.
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