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Abzug von Beiträgen zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung; Weitergeltungsanordnung des BVerfG kein Verstoß gegen GG oder EMRK

Abzug von Beiträgen zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung; Weitergeltungsanordnung des BVerfG kein Verstoß gegen GG oder EMRK: 1. Die durch das BVerfG (Beschluss vom 13.2.2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120 S. 125 = SIS 08 16 87, unter E.II.2.) mit Wirkung bis zum 31.12.2009 ausgesprochene Anordnung der Weitergeltung der für mit dem GG unvereinbar erklärten Regelungen über die Abziehbarkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung ist weder verfassungswidrig noch liegt darin ein Verstoß gegen die EMRK. - 2. Es besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung einkommensteuerlich in voller Höhe oder zumindest im Wege eines negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. - Urt.; BFH 16.11.2011, X R 15/09; SIS 12 04 54

Kapitel:
Privatbereich > Sonderausgaben
Fundstellen
  1. BFH 16.11.2011, X R 15/09
    BStBl 2012 II S. 325
    LEXinform 0179717

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 23.4.2012
    AK in DStZ 7/2012 S. 219
    J.F. in BFH/PR 5/2012 S. 152
    E.K. in HFR 4/2012 S. 386
Normen
[EStG 1990/1997] § 10 Abs. 3, § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
[GG] Art. 3 Abs. 1
[EMRK] Art. 5, Art. 6, Art. 8, Art. 14
[BVerfGG] § 31 Abs. 2, § 35
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • nach: 2 BvR 598/12 (BVerfG), Einkommensteuer, Beitrag, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Weitergeltung
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 08.10.2008, SIS 09 10 38, Sonderausgabenhöchstbetrag, Vorsorgeaufwendungen, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Verfassung, Bindung, Negativer Progressionsvorbehalt
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 30.8.2023, SIS 23 14 85, Weitere Anwendung der Regelungen über den gesetzlichen Zinssatz (§ 233 a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der A...
  • BFH 19.1.2023, SIS 23 09 08, Zur Aufteilung der während des laufenden Insolvenzverfahrens anfallenden Einkommensteuer zwischen dem Ins...
  • BFH 14.12.2022, SIS 23 06 48, Kein Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen bei Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn aus einer Tätigk...
  • BMF 18.6.2018, SIS 18 08 67, Musterverfahren, vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung der Steuerfestsetzung: Die Vorläufigkeiten wege...
  • FG Hamburg 28.4.2017, SIS 17 23 16, Besteuerung vorheriger Erbfälle oder Schenkungen gemäß dem ErbStG 2009 nach dem 30.6.2016: 1. Nach dem 30...
  • FG Baden-Württemberg 25.7.2016, SIS 17 05 66, Verfassungsmäßigkeit des Sonderausgabenabzugs für Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherun...
  • FG Düsseldorf 8.5.2015, SIS 15 14 79, Abzug von niederländischen Krankenversicherungsbeiträgen als Sonderausgabe im Zusammenhang mit steuerfrei...
  • FG Rheinland-Pfalz 24.3.2015, SIS 15 12 37, Keine steuermindernde Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund des Bezugs von steuerfre...
  • FG München 10.2.2015, SIS 15 19 75, Rechtsschutzbedürfnis, Klage gegen hinsichtlich beschränkt abzugsfähiger Vorsorgeaufwendungen vorläufig e...
  • OFD Koblenz 3.2.2014, SIS 15 08 50, Musterverfahren, vorläufige Steuerfestsetzung, Berücksichtigung von Beiträgen zu Versicherungen gegen Arb...
  • BFH 9.9.2013, SIS 13 30 17, Kindergeld, Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 S. 2 EStG, Lohnsteuer, auswärtige Unterbringung de...
  • FG München 30.7.2013, SIS 14 03 63, Antrag auf schlichte Änderung nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung, Zweck eines Antrags auf schlicht...
  • BFH 23.1.2013, SIS 13 08 23, Ermäßigter Höchstbetrag bei Leistungen des Arbeitgebers für den Krankenversicherungsschutz des Arbeitnehm...
  • BFH 23.1.2013, SIS 13 11 47, Beendigung der Verfahrensruhe im Einspruchsverfahren durch Vorläufigkeitsvermerk: Die Finanzbehörde kann ...
  • FG Baden-Württemberg 22.1.2013, SIS 13 31 47, Berechnung der nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbaren Unterhaltsaufwendungen: 1. Bei der Berechnung der Aufw...
  • FG München 25.10.2012, SIS 13 06 20, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei vorläufig ergangenem Steuerbescheid: 1. Das Rechtsschutzbedürfnis feh...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 15.8.2012, SIS 12 32 23, Abgetretene britische Rentenbeiträge mindern weder den Progressionsvorbehalt noch stellen sie abzugsfähig...
  • BFH 10.5.2012, SIS 12 24 16, Verfahrensruhe im Einspruchsverfahren durch Bezugsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschen...
  • BFH 18.4.2012, SIS 12 19 47, Steuerrechtliche Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen: 1. Obligatorische Beitr...
  • Thüringer FG 18.4.2012, SIS 14 22 91, Ruhen des Verfahrens wegen eines EGMR-Verfahrens, Bestimmtheit eines Vorläufigkeitsvermerks: 1. Das FA is...
  • BFH 14.3.2012, SIS 12 13 40, Weitergeltungsanordnung des BVerfG für Fachgerichte verbindlich: 1. Die vom BVerfG ausgesprochene Weiterg...
  • FG Baden-Württemberg 8.12.2011, SIS 12 20 27, Keine Steuerbefreiung der Krankenversicherungsbeiträge eines Grenzgängers zur Schweiz nach § 3 Nr. 62 ESt...

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1993 bis 1999 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Sie erzielten im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den von ihnen geleisteten Vorsorgeaufwendungen waren ausweislich einer im Klageverfahren eingereichten Aufstellung Beiträge zur Krankenversicherung und an die seinerzeitige Bundesanstalt für Arbeit in folgender Höhe enthalten:

 

 

 

2

Jahr

Vorsorgeaufwendungen

Krankenversicherung

Bundesanstalt

 

 

gesamt

 

für Arbeit

 

 

1993

25.540 DM

5.580 DM

3.482 DM

 

 

1994

28.024 DM

5.017 DM

3.725 DM

 

 

1995

26.356 DM

6.128 DM

3.042 DM

 

 

1996

32.322 DM

9.510 DM

3.704 DM

 

 

1997

30.855 DM

8.786 DM

3.468 DM

 

 

1998

34.164 DM

10.164 DM

3.874 DM

 

 

1999

33.862 DM

10.274 DM

3.916 DM

 

 

3

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre wurden die Vorsorgeaufwendungen jeweils mit dem gesetzlichen Höchstbetrag (7.830 DM jährlich) berücksichtigt.

 

 

4

Die Einsprüche der Kläger, mit denen sie neben zahlreichen weiteren Punkten u.a. die Verfassungswidrigkeit dieses Höchstbetrags rügten, hatten nur für die Jahre 1993 bis 1995 in geringem Umfang - aus Gründen, die nicht die Vorsorgeaufwendungen betreffen - Erfolg. Im Übrigen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Einsprüche zurück. Soweit die Steuerbescheide zunächst im Hinblick auf die beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig ergangen waren (Streitjahre 1993 bis 1996), wurden sie im Laufe des Einspruchsverfahrens in diesem Punkt für endgültig erklärt.

 

 

5

Im Klageverfahren haben die Kläger zuletzt noch begehrt, die Beiträge zur Krankenversicherung und an die Bundesanstalt für Arbeit in voller Höhe als Sonderausgaben abzuziehen, hilfsweise, die Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2009, 733 = SIS 09 10 38).

 

 

6

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.2.2008 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87) ausgesprochene Weitergeltungsanordnung hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung verletze ihrerseits Verfassungsrecht (Art. 1, 2, 3, 6, 14, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ). Der rechtsuchende Bürger werde dadurch letztlich rechtlos gestellt. Ferner verletze die Weitergeltungsanordnung auch die Art. 5, 6, 8 und 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11.1950 (BGBl II 1952, 685).

 

 

7

Die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit seien aus verfassungsrechtlichen Gründen steuerlich in voller Höhe abzuziehen, weil sie dem Existenzminimum zuzuordnen seien. Hilfsweise seien sie im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen, weil auch zahlreiche der von der Bundesanstalt für Arbeit gewährten Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Eine vorrangige steuersystematische Zuordnung dieser Beiträge zu den Sonderausgaben scheide angesichts des klaren Wortlauts des Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus.

 

 

8

Die Kläger begehren vorrangig ein Ruhen oder Aussetzen des Revisionsverfahrens bis zum Ergehen von Entscheidungen des BVerfG bzw. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in verschiedenen näher bezeichneten Verfahren.

 

 

9

In der Sache selbst beantragen die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1993, 1994 und 1996 vom 9.8.2000, für die Jahre 1997 und 1998 vom 10.8.2000, für das Jahr 1995 vom 29.8.2000 und für das Jahr 1999 vom 9.5.2001 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 20. und 29.11.2000 sowie vom 18.9.2001 dahingehend zu ändern, dass die Beiträge zur Krankenversicherung und an die Bundesanstalt für Arbeit in voller Höhe abgezogen werden.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

11

Es tritt den Anträgen auf Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens entgegen.

 

 

12

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

 

 

13

1. Die verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich der begrenzten Abziehbarkeit von Beiträgen zu Krankenversicherungen sind durch den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87 geklärt. Danach war der Gesetzgeber verpflichtet, mit Wirkung zum 1.1.2010 eine Neuregelung zu schaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben sowohl die für das seinerzeitige Streitjahr 1997 beanstandete Fassung des § 10 Abs. 3 EStG als auch sämtliche Nachfolgeregelungen weiter anwendbar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87, unter Nr. 2 des Tenors sowie unter E.II.2. der Gründe). In späteren Entscheidungen haben sowohl das BVerfG (Beschluss vom 13.2.2008 2 BvR 1220/04, 410/05, BVerfGE 120, 169 = SIS 08 16 85, unter B.II.) als auch der Bundesfinanzhof - BFH - (Senatsbeschluss vom 26.11.2008 X R 20/04, BFH/NV 2009, 382 = SIS 09 05 98, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 9.7.2009 2 BvR 92/09; Senatsbeschluss vom 11.12.2008 X B 179/08, BFH/NV 2009, 573 = SIS 09 09 03, unter 2.b bb, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 14.9.2010 2 BvR 329/09) hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung die weitere Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 EStG in seinen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2009 geltenden Fassungen bestätigt.

 

 

14

Diese Weitergeltungsanordnung ist für den Senat bindend, weil sie mit Gesetzeskraft versehen ist (§ 31 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG - ; vgl. hierzu ausführlich BFH-Beschluss vom 24.11.2010 II B 9/10, BFH/NV 2011, 441 = SIS 11 05 01, unter 1.a, mit zahlreichen weiteren Nachweisen); sie ist ihrerseits weder verfassungswidrig (dazu unten a) noch verstößt sie gegen Regelungen der EMRK (unten b).

 

 

15

a) Das BVerfG hat als Verfassungsorgan des Bundes hinsichtlich der zeitlichen Geltung seiner Unvereinbarkeitserklärung eine Abwägung getroffen zwischen dem Anspruch des Rechtsuchenden auf Gewährung von Individualrechtsschutz, seinen Aufgaben zur Gewährleistung einer auch objektiven Rechtskontrolle, den Grundsätzen einer geordneten Haushaltsplanung (vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Gesichtspunkts Art. 104a ff., Art. 109 GG), der Erwägung, nicht für weit zurückliegende Veranlagungszeiträume Verzerrungen herbeizuführen zwischen denjenigen Steuerpflichtigen, deren Veranlagungen bereits bestandskräftig waren und denjenigen, die ihre Veranlagungen offengehalten haben, sowie der Vorhersehbarkeit normverwerfender Entscheidungen, die solche Vorschriften betreffen, die zuvor jahrzehntelang angewendet und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrer Wirksamkeit bestätigt worden waren (z.B. BFH-Urteil vom 16.10.2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179 = SIS 03 11 50) und erhebliche Breitenwirkung haben. Derartige Abwägungen stehen dem BVerfG kraft seiner Stellung als Verfassungsorgan zu; die befristete Weitergeltungsanordnung kann verfassungsgerichtsverfahrensrechtlich auf § 35 BVerfGG gestützt werden (BVerfG-Beschluss vom 11.10.1994 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186, unter C.III.1.).

 

 

16

Der erkennende Senat hält die vom BVerfG getroffene Weitergeltungsanordnung hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen zum Abzug der Krankenversicherungsbeiträge für verfassungsgemäß.

 

 

17

Selbst wenn der Senat von der Verfassungswidrigkeit der mit Gesetzeskraft versehenen Weitergeltungsanordnung überzeugt wäre, wäre er infolge seiner Gesetzesbindung verfahrensrechtlich auf die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG verwiesen. Eine durch das BVerfG selbst getroffene Anordnung der befristeten Weitergeltung eines Gesetzes, das für mit dem GG unvereinbar erklärt worden ist, kann jedoch nicht tauglicher Gegenstand einer Richtervorlage sein (vgl. ausführlich Senatsurteil vom 21.7.2004 X R 72/01, BFH/NV 2005, 513 = SIS 05 15 72, unter II.3., Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 25.9.2009 2 BvR 2299/04).

 

 

18

b) Die Weitergeltungsanordnung verstößt nicht gegen Vorschriften der EMRK.

 

 

19

aa) Soweit sich die Kläger - ohne nähere Begründung - auf das „Recht auf Freiheit und Sicherheit“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EMRK) berufen, ist nicht ersichtlich, inwieweit dieses Recht durch die Weitergeltungsanordnung des BVerfG verletzt sein soll. Ohnehin versteht Art. 5 Abs. 1 EMRK unter der persönlichen Freiheit nur die körperliche Bewegungsfreiheit, nicht aber die allgemeine Handlungsfreiheit (Renzikowski in Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 5 Rz 1, 15 f., Stand Juni 2004). Die körperliche Bewegungsfreiheit wird aber weder durch die Besteuerung noch durch die Weitergeltungsanordnung berührt.

 

 

20

bb) Art. 6 Abs. 1 EMRK (Anspruch auf rechtliches Gehör vor einem unabhängigen Gericht innerhalb einer angemessenen Frist) gilt nach seinem klaren Wortlaut nur für gerichtliche Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen. Im Bereich des - öffentlich-rechtlichen - Steuerrechts ist diese Norm von vornherein nicht anwendbar (vgl. ausführlich Urteil des EGMR vom 12.7.2001 44759/98, NJW 2002, 3453; ferner BFH-Urteile vom 13.12.1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232 = SIS 96 09 20, unter I., und vom 21.3.1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518 = SIS 96 20 42, unter II.B.4.; BFH-Beschlüsse vom 27.2.2002 VII B 294/01, BFH/NV 2002, 942 = SIS 02 69 48, und vom 31.7.2003 IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603 = SIS 03 50 01).

 

 

21

Dem steht das von den Klägern angeführte EGMR-Urteil vom 29.5.1986 9/1984/81/128 (NJW 1989, 652) nicht entgegen. Zwar hat der EGMR dort in Bezug auf ein Verfahren, das Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung betraf, eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK bejaht. Er hat zugleich aber festgestellt, dass es sich bei den Leistungsansprüchen von Arbeitnehmern gegen die gesetzliche Unfallversicherung um „zivilrechtliche Ansprüche“ im Sinne der genannten Konventionsvorschrift handelt (EGMR-Urteil in NJW 1989, 652, Rz 71 ff.: Unfallrente als Verlängerung des dem Arbeitnehmer entgehenden zivilrechtlichen Anspruchs auf Vergütung). Dies ist bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis indes nicht der Fall.

 

 

22

cc) Der Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) ist nicht verletzt. Der bisherigen Rechtsprechung des EGMR ist nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass die beschränkte einkommensteuerrechtliche Abziehbarkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung bei gleichzeitiger Steuerfreiheit der bezogenen Leistungen (vgl. § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG) eine Menschenrechtsverletzung darstellen könnte.

 

 

23

dd) Weshalb die Weitergeltungsanordnung eine - nach Art. 14 EMRK verbotene - Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen oder sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status darstellen soll, ist nicht ersichtlich.

 

 

24

Die Kläger berufen sich zwar darauf, dass diese Konventionsnorm auch eine Diskriminierung aufgrund des „Vermögens“ verbietet. Art. 14 EMRK dient in seiner Gesamtausrichtung jedoch erkennbar dem Minderheitenschutz. Die Frage der einkommensteuerrechtlichen Abziehbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen betrifft jedoch nicht lediglich eine Minderheit, sondern nahezu die Gesamtheit aller Steuerpflichtigen.

 

 

25

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das EStG nicht an das Vermögen, sondern an das Einkommen anknüpft. Der bisherigen Rechtsprechung des EGMR ist nicht zu entnehmen, dass der Gerichtshof nationale gesetzliche Regelungen über die Einkommensteuer als Diskriminierung aufgrund des Vermögens ansehen könnte.

 

 

26

Das von den Klägern angeführte Urteil des EGMR vom 28.11.1984 9/1983/65/100 (Europäische Grundrechte-Zeitschrift 1985, 511) betrifft die Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung; derartige Sachverhalte sind schon im Ausgangspunkt nicht mit der von den Klägern angegriffenen Weitergeltungsanordnung vergleichbar.

 

 

27

c) Soweit die Kläger dem Senat umfangreiche Ausführungen zur Zulässigkeit von Vorläufigkeitsvermerken und Teileinspruchsentscheidungen unterbreitet haben, sind diese für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich. Denn weder ist gegen die Kläger eine Teileinspruchsentscheidung ergangen, noch ist den angefochtenen Verwaltungsakten in derjenigen Gestalt, in der sie Gegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens sind, ein Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen beigefügt worden.

 

 

28

2. Hinsichtlich der Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit (heute: Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit) ist weder ein Sonderausgabenabzug in voller Höhe (dazu unten a) noch eine Berücksichtigung im Wege des negativen Progressionsvorbehalts (dazu unten b) verfassungsrechtlich geboten.

 

 

29

a) Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit bzw. zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen (ebenso im Ergebnis bereits Senatsurteil vom 18.11.2009 X R 6/08, BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282 = SIS 10 00 40, unter B.II.3.b cc).

 

 

30

In seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der im Jahr 1997 geltenden Regelungen zur Abziehbarkeit von Beiträgen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen hat das BVerfG „streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene“ abgestellt. Es hat - entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung - eine verfassungsrechtliche Pflicht, unter dem Gesichtspunkt der „Zwangsläufigkeit“ Ausgaben bis zur Höhe der Pflichtsozialversicherungsbeiträge zum Abzug von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zuzulassen, ausdrücklich verneint. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleiste dem Steuerpflichtigen lediglich den Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau, nicht aber auf dem Niveau, das durch die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung erreicht werden könne (zum Ganzen BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87, unter D.II.3.).

 

 

31

Der gesetzliche Leistungskatalog der Sozialhilfe enthielt aber weder im Jahr 1997 eine Verpflichtung der Sozialhilfeträger zur Übernahme von Beiträgen an die Bundesanstalt für Arbeit noch ist im gegenwärtigen Sozialhilferecht nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine Verpflichtung zur Übernahme von Beiträgen zu Arbeitslosenversicherungen vorgesehen. Vielmehr wird das Risiko der Arbeitslosigkeit und des damit verbundenen Wegfalls des Erwerbseinkommens bereits durch die Sozialhilfe-Regelsätze berücksichtigt. Das dadurch quantifizierte Existenzminimum wird einkommensteuerrechtlich indes - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (Senatsurteil vom 18.11.2009 X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414 = SIS 10 00 39, unter B.III.) - durch den Grundfreibetrag steuerfrei gestellt. Damit unterscheidet sich die sozialhilferechtliche Rechtslage hinsichtlich der Beiträge zu Arbeitslosenversicherungen grundlegend von den insoweit geltenden Regelungen zur Kranken- und Pflegeversorgung, nach denen sozialhilferechtlich entweder die Übernahme der zu zahlenden Beiträge oder aber die Gewährleistung von Kranken- und Pflegeversorgung zusätzlich zum Sozialhilfe-Regelsatz vorgesehen war und ist (vgl. für das Jahr 1997 §§ 13, 36 ff., 68 ff. des Bundessozialhilfegesetzes; heute §§ 32, 47 ff., 61 ff. SGB XII).

 

 

32

Unzutreffend ist die Auffassung der Kläger, aus dem - ohnehin erst nach den Streitjahren in Kraft getretenen - Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) folge, dass mit den Beiträgen an die Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für Arbeit ausschließlich Leistungen finanziert würden, die das Niveau der Existenzsicherung nicht überschritten. Die Kläger beziehen sich insoweit auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II („Hartz IV“). Dabei verkennen sie, dass diese Leistungen gerade nicht aus Beitragsmitteln, sondern - ebenso wie die Sozialhilfe und die frühere Arbeitslosenhilfe - vom Bund finanziert werden (§ 46 Abs. 1 SGB II; vgl. hierzu auch BVerfG-Beschluss vom 8.11.2011 1 BvR 2007/11, Die Sozialgerichtsbarkeit 2012, 25). Nichts anderes folgt aus dem Hinweis der Kläger auf die Vorschrift des § 46 Abs. 4 SGB II. Denn der dort genannte Finanzierungsanteil der Bundesagentur für Arbeit betrifft lediglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie entsprechende Verwaltungskosten. Dabei handelt es sich aber nicht um existenzsichernde Geldleistungen, sondern um arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

 

 

33

b) Die Kläger haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass ihre Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu einer zusätzlichen einkommensteuerlichen Entlastung führen.

 

 

34

aa) Anders als das Finanzgericht offenbar meint, kennt das Einkommensteuerrecht auch einen negativen Progressionsvorbehalt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 13.11.2002 I R 13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795 = SIS 03 19 24; zuletzt BFH-Urteil vom 9.6.2010 I R 107/09, BFHE 230, 35 = SIS 10 22 24, unter B.I.4.).

 

 

35

bb) Dieser beschränkt sich indes auf den Bereich der Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie der negativen Einnahmen. Dies folgt aus § 32b EStG. Denn in § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1990 (ab 1996 § 32b Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG; heute § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 EStG) ist ausdrücklich der Begriff der „Einkünfte“ verwendet, auf deren Höhe sich Sonderausgaben gemäß § 2 Abs. 4 EStG nicht auswirken. In § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG findet sich dieser Begriff zwar nicht unmittelbar; dort sind aber ausschließlich Lohn- und Einkommensersatzleistungen (so zutreffend Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b EStG Rz 60, Stand Januar 2005) enumerativ aufgeführt, die ihrem Wesen nach grundsätzlich zu den steuerbaren Einnahmen gehören (vgl. auch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Dies zeigt, dass - neben negativen Einnahmen - nur Aufwendungen im Bereich der Einkunftserzielung einen negativen Progressionsvorbehalt auslösen können (ebenso BFH-Urteil vom 3.11.2010 I R 73/09, BFH/NV 2011, 773 = SIS 11 12 39, unter II.3.).

 

 

36

Die von den Klägern gezahlten Beiträge stellen jedoch weder negative Einnahmen - dies ist unstreitig - noch Werbungskosten dar. Denn der Gesetzgeber hat die Vorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung - und Vorrang gegenüber der allgemeinen Regelung des Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 EStG - den Sonderausgaben zugewiesen und ihren Abzug nur in den Grenzen der in § 10 Abs. 3 EStG 1990/1997 bestimmten Höchstbeträge zugelassen. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf seine - zu Altersvorsorgeaufwendungen ergangenen - Entscheidungen vom 1.2.2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 = SIS 06 12 72, unter II.5., und in BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282 = SIS 10 00 40, unter B.I.2.b bb). Diese auch hinsichtlich der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit geltende und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung liefe leer, wenn denjenigen Steuerpflichtigen, bei denen der Abzug dieser Beiträge durch § 10 Abs. 3 EStG 1990/1997 begrenzt ist, ersatzweise ein Wahlrecht auf Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts zustehen würde.

 

 

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Im Übrigen folgt aus der Systematik des § 32b EStG, dass ein negativer Progressionsvorbehalt überhaupt nur dann in Betracht kommen kann, wenn ein Abzug der entsprechenden Aufwendungen zum Regeltarif bereits dem Grunde nach nicht möglich ist. Das ist hinsichtlich der von den Klägern gezahlten Beiträge nicht der Fall. Auch stellt § 32b EStG keinen Auffangtatbestand für den Abzug solcher Aufwendungen dar, die bei Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer zwar dem Grunde nach abziehbar sind, deren Berücksichtigung im Einzelfall jedoch daran scheitert, dass ein im Gesetz bestimmter Höchstbetrag überschritten ist.

 

 

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cc) Der Hinweis der Kläger auf die neuere Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach im Bereich der Berufsausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) aufgrund des Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 EStG der Werbungskostenabzug vorrangig vor dem Abzug als Sonderausgaben sei (BFH-Urteil vom 28.7.2011 VI R 38/10, NJW 2011, 2909 = SIS 11 26 71, unter II.1.c; vgl. aber § 4 Abs. 9 und § 9 Abs. 6 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, BGBl I 2011, 2592), steht dem nicht entgegen. Denn der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG verbleibt auch bei Zugrundelegung der Auslegung des VI. Senats noch ein gewisser eigener Anwendungsbereich, weil von ihr auch solche Ausbildungskosten erfasst werden, die der Steuerpflichtige ohne die Absicht, hieraus später steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen, trägt. So weist der VI. Senat ausdrücklich darauf hin, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG Abzugsmöglichkeiten habe schaffen wollen, die nach der seinerzeitigen Rechtslage im Bereich der Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nicht bestanden hätten (BFH-Urteil vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407 = SIS 03 07 75, unter II.3.c). Demgegenüber verbliebe für den vom Gesetzgeber für die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit ausdrücklich vorgesehenen Sonderausgabentatbestand keinerlei Anwendungsbereich mehr, wenn diese Beiträge entsprechend der Auffassung der Kläger den Werbungskosten zuzuordnen wären. Eine solche Auslegung würde aber den klaren Willen des historischen Gesetzgebers missachten (so bereits Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 = SIS 06 12 72, unter II.5.b). Auch der VI. Senat hat die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Vorsorgeaufwendungen unberührt lassen wollen, was sich schon daran zeigt, dass die Rechtsprechung zu den Ausbildungskosten ohne Divergenzanfrage ergangen ist.

 

 

39

Mit dem Argument, der Senat weiche von der Rechtsprechung des IX. Senats zu Versorgungsausgleichszahlungen zwischen Ehegatten ab (z.B. BFH-Urteil vom 8.3.2006 IX R 107/00, BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446 = SIS 06 16 49), hat sich der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414 = SIS 10 00 39 (unter B.I.2.b bb ddd) auseinandergesetzt. Da die Kläger insoweit keine neuen Argumente vorbringen, ist auf die genannte Entscheidung zu verweisen.

 

 

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3. Ein Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens kommt nicht in Betracht.

 

 

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a) Für das von den Klägern beantragte Ruhen des Verfahrens gilt dies schon deshalb, weil hierfür gemäß § 251 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO ein übereinstimmender Antrag beider Beteiligten erforderlich wäre, an dem es jedoch fehlt.

 

 

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b) Eine Aussetzung des Verfahrens in analoger Anwendung des § 74 FGO im Hinblick auf die von den Klägern angeführten Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR ist ebenfalls nicht angebracht. Diese Verfahren betreffen lediglich Teilaspekte des vorliegend zu beurteilenden Streitstoffs. Allein der Umstand, dass gegen bestimmte Entscheidungen des Senats Verfassungsbeschwerden eingelegt worden sind, begründet noch kein überwiegendes Interesse anderer Rechtsmittelführer an der Aussetzung (vgl. BFH-Beschluss vom 8.11.2007 VIII B 170/06, BFH/NV 2008, 580 = SIS 08 14 23, unter II.2., m.w.N.). Gleiches gilt für den Umstand, dass gegen eine Entscheidung des BVerfG eine Beschwerde beim EGMR eingelegt worden ist.

 

 

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In Bezug auf das beim EGMR anhängige Verfahren weist der Senat zudem darauf hin, dass die Entscheidungsbefugnis des EGMR nicht so weit reicht wie die des BVerfG. Das BVerfG kann auch im Verfahren der Urteilsverfassungsbeschwerde ein Gesetz, auf dem die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung beruht, für nichtig erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Diese Nichtigkeitserklärung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) und wirkt damit unmittelbar für und gegen alle. Demgegenüber kann der EGMR im Falle einer Verletzung der EMRK lediglich dem Beschwerdeführer im anhängigen Einzelfall eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen (Art. 41 EMRK); eine Verwerfung von Normen des nationalen Rechts mit Wirkung für und gegen alle ist dem EGMR nicht möglich. Die analoge Anwendung des § 74 FGO in Fällen anhängiger Musterverfahren vor dem BVerfG ist damit begründet worden, dass allein das BVerfG „verbindlich über die umstrittene Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung entscheiden kann“ (BFH-Beschluss vom 7.2.1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408 = SIS 92 13 92, unter 2.b). Diese Begründung hebt ersichtlich auf die negative Gesetzkompetenz des BVerfG ab. Fehlt den Entscheidungen eines Obergerichts hingegen diese „Inter-omnes-Wirkung“, kommt eine auf eine analoge Anwendung des § 74 FGO gestützte Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht (vgl. - zur Berufung auf Musterverfahren, die vor dem BFH anhängig sind - BFH-Entscheidungen vom 18.9.2002 XI B 126/01, BFH/NV 2003, 189 = SIS 03 08 50, und vom 23.7.2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926 = SIS 03 47 13, unter II.1.).

 

 

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Im Übrigen machen die Kläger bereits jetzt geltend, die Verfahrensdauer sei zu lang. Durch eine Aussetzung des Verfahrens würde sich die Verfahrensdauer aber noch wesentlich verlängern.