Insoweit wird die Sache an das Finanzgericht
Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Die Revision der Klägerin gegen den die
Ablehnung einer abweichenden Feststellung des Gewinns aus
Gewerbebetrieb für 2010 aus Billigkeitsgründen
betreffenden Teil-Endgerichtsbescheid des Finanzgerichts
Münster vom 30.12.2021 - 4 K 1512/15 F wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des
gesamten Revisionsverfahrens wird dem Finanzgericht Münster
übertragen.
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I. Kommanditisten der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, sind
der Beigeladene zu 1. mit einer Beteiligung von 90 % und die
Beigeladene zu 2. (10 %). Die Komplementär-GmbH ist am
Vermögen der Klägerin nicht beteiligt. Die Klägerin
war im Streitjahr 2010 die Besitzgesellschaft im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung mit der XA-GmbH als Betriebsgesellschaft. An
der XA-GmbH waren der Beigeladene zu 1. mit 98 % und die
Beigeladene zu 2. mit 2 % beteiligt. Im selben Verhältnis
waren die beiden Beigeladenen auch Gesellschafter der X-GmbH. Die
Anteile an der X-GmbH und der XA-GmbH gehörten zum
Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der
Klägerin.
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Mit notarieller Urkunde vom …2010
(Urkundenrollennummer - UR-Nr. - 10/2010) beschlossen die
Beigeladenen in einer Gesellschafterversammlung der X-GmbH eine
Erhöhung des Stammkapitals dieser Gesellschaft im
Verhältnis der bisherigen Beteiligungen. Zur Anrechnung auf
die Kapitalerhöhung brachten die Beigeladenen ihre jeweiligen
Anteile an der XA-GmbH in die X-GmbH ein und nahmen sogleich die
Abtretung vor. Damit wurde die X-GmbH Alleingesellschafterin der
XA-GmbH.
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In einer nachfolgenden notariellen Urkunde
vom selben Tag (UR-Nr. 20/2010) über eine
Gesellschafterversammlung der XA-GmbH heißt es
demgegenüber, Gesellschafter der XA-GmbH seien die X-GmbH zu
98 % und die XA-Verwaltungs-GmbH zu 2 %. Feststellungen zu der
Frage, durch welchen Vorgang zwischenzeitlich ein 2 %-Anteil an der
XA-GmbH auf die XA-Verwaltungs-GmbH übertragen worden ist, hat
das Finanzgericht (FG) nicht getroffen.
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4
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In dieser Gesellschafterversammlung
beschlossen die Gesellschafter der XA-GmbH deren Formwechsel in die
XA-KG zu Buchwerten. Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 %
am Kapital sollte die X-GmbH werden. Die XA-Verwaltungs-GmbH - die
nach den Feststellungen des FG zuvor mit 2 % an der XA-GmbH
beteiligt war - wurde Komplementärin ohne
Kapitaleinlage.
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5
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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig,
dass die Einbringung der ursprünglich den Beigeladenen
zustehenden Anteile an der XA-GmbH in die X-GmbH gegen
Gewährung neuer Anteile als qualifizierter Anteilstausch
anzusehen ist und diese Anteile bei der X-GmbH - entsprechend einem
von der X-GmbH gestellten Antrag - nach § 21 Abs. 1 Satz 2 des
Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 2006 in der im Streitjahr 2010
geltenden Fassung (UmwStG 2006 a.F.) mit dem Buchwert anzusetzen
sind.
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6
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) die Auffassung, der nachfolgende Formwechsel
der XA-GmbH in die XA-KG sei als Veräußerung der Anteile
an der XA-GmbH durch die X-GmbH im Sinne des § 22 Abs. 2
UmwStG 2006 anzusehen, die zur Entstehung eines Einbringungsgewinns
II führe. Dieser sei von den Beigeladenen - als den
Einbringenden - im Rahmen der Gewinnfeststellung der Klägerin
zu versteuern.
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7
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Das FA ermittelte - nach Maßgabe
einer im vereinfachten Ertragswertverfahren durchgeführten
Unternehmensbewertung - Einbringungsgewinne II von 2.383.517 EUR
(Beigeladener zu 1.) und 48.643 EUR (Beigeladene zu 2.) und setzte
diese im angefochtenen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid
2010 für die Klägerin vom 03.02.2015 an.
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8
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Schon vor Ergehen dieses Bescheids hatte
die Klägerin die Nichtbesteuerung des Einbringungsgewinns II
aus sachlichen Billigkeitsgründen beantragt. Diesen Antrag
lehnte das FA am 12.02.2015 ab.
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9
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Sowohl gegen den Feststellungsbescheid als
auch gegen den im Billigkeitsverfahren ergangenen
Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie war
der Ansicht, ein Formwechsel sei schon nicht als
Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG
2006 anzusehen. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, sei
jedenfalls einer der in § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG 2006 a.F.
enthaltenen Ausnahmetatbestände analog anzuwenden oder der
Begriff der „Veräußerung“
teleologisch zu reduzieren.
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Zum Erlassantrag brachte die Klägerin
vor, zwar seien vorliegend nicht alle der in Tz. 22.23 des
Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11.11.2011
(BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63) - Umwandlungssteuererlass 2011
- genannten Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme
erfüllt. Wertungsmäßig sei die Situation aber mit
der im Umwandlungssteuererlass 2011 beschriebenen vergleichbar.
Trotz des Untergangs der Anteile an der XA-GmbH trete keine
steuerliche Statusverbesserung ein, weil die Besteuerung der
Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft -
wegen der Nichtanwendbarkeit der teilweisen Steuerbefreiung nach
§ 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - nachteiliger
sei als die Besteuerung der Veräußerung von Anteilen an
einer Kapitalgesellschaft. Mit dem Formwechsel hätten sich die
Beigeladenen zudem der Möglichkeit begeben, von der
Abschmelzregelung des § 22 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 zu
profitieren. Es seien weder stille Reserven auf Dritte
übergegangen noch sei das deutsche Besteuerungsrecht
beschränkt worden. Der Formwechsel habe auch nicht der
Vorbereitung einer Veräußerung gedient.
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11
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Das FA wies beide Einsprüche
zurück. In Bezug auf den Erlassantrag führte es aus, nach
dem Umwandlungssteuererlass 2011 setze eine
Billigkeitsmaßnahme voraus, dass der Sachverhalt in jeder
Hinsicht mit den in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 3, 5 UmwStG 2006
a.F. genannten Ausnahmetatbeständen vergleichbar sei. Dies sei
hier nicht der Fall. Die Nichterwähnung des Formwechsels im
Katalog der gesetzlichen Ausnahmetatbestände dürfe zudem
nicht durch eine generelle Billigkeitsmaßnahme unterlaufen
werden.
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Im Klageverfahren machte die Klägerin
zusätzlich geltend, der Einbringungsgewinn II sei vom FA zu
hoch angesetzt worden.
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13
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Das FG entschied über die Klage gegen
den Feststellungsbescheid durch Teil-Zwischengerichtsbescheid und
stellte fest, dass durch den Formwechsel ein dem Grunde nach
steuerpflichtiger Einbringungsgewinn II entstanden sei (EFG 2022,
538 = SIS 22 02 22). Zur Begründung führte es aus, der
Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits mehrfach ausgesprochen, dass der
Formwechsel ein tauschähnlicher Vorgang und daher als
Veräußerung anzusehen sei. Weder die Voraussetzungen
für eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1
UmwStG 2006 noch für die Anwendung oder teleologische
Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m.
§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 Halbsatz 2 UmwStG 2006 a.F. seien
erfüllt. Die Entscheidung über die Höhe des Gewinns
behielt das FG dem weiteren Verfahren vor.
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Über die Billigkeitsmaßnahme
entschied das FG durch Teil-Endgerichtsbescheid und wies die Klage
insoweit ab. Das FA habe die beantragte Billigkeitsmaßnahme
ermessensfehlerfrei abgelehnt. Es bestünden bereits Bedenken,
ob das BMF überhaupt eine von den gesetzlichen Vorgaben
abweichende Steuerfestsetzung anordnen dürfe. Nicht zu
beanstanden sei jedenfalls die Auffassung des FA, die Entscheidung
des Gesetzgebers, den Formwechsel nicht von § 22 Abs. 2 UmwStG
2006 auszunehmen, dürfe nicht durch eine
Billigkeitsmaßnahme unterlaufen werden.
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15
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Mit ihrer Revision bringt die Klägerin
vor, die Regelung des § 22 UmwStG 2006 diene der Verhinderung
missbräuchlicher Gestaltungen. Eine Umwandlung, die keinen
Missbrauch zum Ziel habe, könne auch keinen Einbringungsgewinn
II auslösen. Daher sei stets die Kontrollüberlegung
anzustellen, ob der Einbringende die sich aus der Folgeumwandlung
ergebende Struktur auch ohne die vorangegangene Einbringung
steuerneutral hätte erreichen können. Eine solche
Möglichkeit hätte hier bestanden, nämlich durch eine
abweichende zeitliche Abfolge, in der zunächst der Formwechsel
und anschließend die Einbringung durchgeführt worden
wäre. Die vom FG angeführten BFH-Entscheidungen, in denen
ein Formwechsel als veräußerungsähnlicher Vorgang
angesehen worden sei, seien zu anderen Sachverhaltsgestaltungen
ergangen.
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16
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In einem erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz macht die
Klägerin zudem geltend, nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) dürften
Regelungen, die § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 entsprächen, bei
grenzüberschreitenden Vorgängen nicht angewendet werden,
soweit dies der Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19.10.2009
über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen,
Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen
und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes
einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen
Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen
Mitgliedstaat (Fusionsrichtlinie - FRL 2009 - ) widerspreche.
Dann müsse eine Besteuerung aber auch bei reinen
Inlandsfällen unterbleiben, sofern nachgewiesen werde, dass
die Umwandlung auf vernünftigen wirtschaftlichen Gründen
beruhe. Dies habe der EuGH bereits in Bezug auf solche nationalen
Steuerregeln entschieden, mit denen - wie im deutschen
Umwandlungssteuerrecht - grenzüberschreitende und rein
innerstaatliche Fälle gleichbehandelt würden.
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Hinsichtlich des Billigkeitsantrags
wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus den vorangegangenen
Verfahrensabschnitten.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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den angefochtenen
Teil-Zwischengerichtsbescheid und die Einspruchsentscheidung vom
05.05.2015 aufzuheben, soweit darin über den
Gewinnfeststellungsbescheid entschieden worden ist, und den
Gewinnfeststellungsbescheid 2010 vom 03.02.2015 dahingehend zu
ändern, dass für die Beigeladenen kein Einbringungsgewinn
II mehr angesetzt wird,
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hilfsweise, den angefochtenen
Teil-Endgerichtsbescheid und die Einspruchsentscheidung vom
05.05.2015, soweit darin über den Erlassantrag entschieden
worden ist, aufzuheben, und das FA unter Aufhebung des
Ablehnungsbescheids vom 12.02.2015 zu verpflichten, bei den
Beigeladenen aus sachlichen Billigkeitsgründen von der
Feststellung eines Einbringungsgewinns II abzusehen.
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19
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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20
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Es hält das angefochtene Urteil
für zutreffend und die vom FG herangezogenen
BFH-Entscheidungen für einschlägig. § 22 UmwStG 2006
sei lediglich eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift.
Die Norm sei praxisgerecht ausgestaltet worden, indem auf eine
leicht überprüfbare Haltefrist abgestellt werde. Eine
detaillierte Überprüfung eventueller Gesichtspunkte, die
im Einzelfall für oder gegen eine missbräuchliche
Gestaltung sprächen, sei daher nicht angezeigt.
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21
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Die Beigeladenen haben keinen Antrag
gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht
geäußert.
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22
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II. Die Revision ist in Bezug auf den
Teil-Zwischengerichtsbescheid, der den Gewinnfeststellungsbescheid
2010 betrifft, begründet. Sie führt insoweit zur
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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23
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Der Erlass eines Zwischengerichtsbescheids war
verfahrensrechtlich zulässig (dazu unten 1.). Zutreffend hat
das FG erkannt, dass eine zu einem steuerpflichtigen
Einbringungsgewinn II führende
„Veräußerung“ im Sinne des
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 (zu den Voraussetzungen dieser
Norm s. unten 2.) auch dann gegeben ist, wenn die
Kapitalgesellschaft, deren Anteile in die übernehmende
Gesellschaft eingebracht wurden, formwechselnd in eine
Personengesellschaft umgewandelt wird (unten 3.). Die
Voraussetzungen eines der in § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG 2006
a.F. enthaltenen Ausnahmetatbestände sind nicht erfüllt
(unten 4.). Im vorliegenden Sachverhalt ist auch weder eine
teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
noch eine teleologische Extension des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2
Halbsatz 2 UmwStG 2006 a.F. vorzunehmen (unten 5.). Die FRL 2009
ist auf den vorliegenden, rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht
anwendbar (unten 6.). Die Sache ist allerdings an das FG
zurückzuverweisen, um aufzuklären, ob durch den
Übertragungsakt betreffend 2 % der Anteile, der dem hier
streitigen Formwechsel zeitlich vorangegangen sein muss, auch diese
Anteile im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
„veräußert“ worden sind
(unten 7.).
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1. Der Erlass eines Zwischenurteils - das auch
in Gestalt eines Zwischengerichtsbescheids ergehen kann (BFH-Urteil
vom 27.10.1993 - XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439 =
SIS 94 04 52, unter II.1.) - war zulässig.
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25
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Zwar sind Zwischenurteile über den Grund
des Anspruchs (§ 99 Abs. 1 FGO) in Verfahren, die - wie hier -
einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte
Feststellung des Gewinns zum Gegenstand haben, nicht zulässig
(BFH-Beschluss vom 20.11.2008 - IV B 7/08, unter II.2.b,
m.w.N.).
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Das FG hat seinen Zwischengerichtsbescheid
aber zu Recht auf § 99 Abs. 2 FGO gestützt. Danach kann
ein Gericht durch Zwischenurteil über eine
entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden,
wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger oder der
Beklagte widerspricht. Vorliegend war die Vorabentscheidung
über die Frage, ob ein Einbringungsgewinn II dem Grunde nach
entstanden ist - angesichts der Schwierigkeiten bei der Ermittlung
der Höhe des Gewinns - sachdienlich; die vom BFH für
Grundurteile nach § 99 Abs. 1 FGO vorgenommene
Einschränkung in Bezug auf einheitliche und gesonderte
Gewinnfeststellungsbescheide gilt für § 99 Abs. 2 FGO
nicht. Die Beteiligten sind - in einem Erörterungstermin - zum
beabsichtigten Erlass einer Zwischenentscheidung angehört
worden und haben dem nicht widersprochen.
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27
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2. Soweit im Rahmen einer Sacheinlage (§
20 Abs. 1 UmwStG 2006) oder eines Anteilstausches (§ 21 Abs. 1
UmwStG 2006) unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb
eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt
durch die übernehmende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar
veräußert werden und soweit beim Einbringenden der
Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im
Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) steuerfrei gewesen
wäre, ist der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr
der Einbringung rückwirkend als Gewinn des Einbringenden aus
der Veräußerung von Anteilen zu versteuern
(Einbringungsgewinn II gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1
UmwStG 2006).
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Die Beigeladenen haben durch den in der UR-Nr.
10/2010 enthaltenen Gesellschafterbeschluss ihre Anteile an der
XA-GmbH zum Buchwert - unstreitig unterhalb des gemeinen Werts - in
die X-GmbH eingebracht und dafür neue Anteile an der X-GmbH
erhalten. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig,
dass dies einen Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 UmwStG
2006 a.F. darstellt.
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Da es sich bei den einbringenden Beigeladenen
um natürliche Personen handelt, wäre bei ihnen ein Gewinn
aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile an der
XA-GmbH im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG
steuerfrei gewesen. Auch hat der Formwechsel der XA-GmbH in die
XA-KG innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt
stattgefunden.
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Weil die Anteile der Beigeladenen an der
XA-GmbH und der X-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der
Beigeladenen bei der Klägerin gehörten, wäre ein
eventueller Einbringungsgewinn II - wie geschehen - im Rahmen der
Gewinnfeststellung der Klägerin zu erfassen.
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Einziger Streitpunkt ist sonach, ob der in der
UR-Nr. 20/2010 beschlossene Formwechsel der XA-GmbH in die XA-KG
als „Veräußerung“ der Anteile
an der XA-GmbH durch die übernehmende X-GmbH anzusehen
ist.
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3. Diese Frage ist zu bejahen. Wird eine
Kapitalgesellschaft, deren Anteile in die übernehmende
Gesellschaft eingebracht wurden, formwechselnd in eine
Personengesellschaft umgewandelt, stellt dies eine
Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende
Gesellschaft im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 dar.
Der zivilrechtlich identitätswahrende Charakter des
Formwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes, vgl.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.02.2015 - I ZR 213/13, Rz 17)
steht dem nicht entgegen, da der ertragsteuerrechtliche Begriff der
Veräußerung in ständiger BFH-Rechtsprechung
umwandlungssteuerspezifisch zu verstehen ist.
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33
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a) Dies ist bereits in Bezug auf § 18
Abs. 4 UmwStG 1995 entschieden worden, der in seiner bis 1998
geltenden Fassung tatbestandlich ausschließlich an einen
„Vermögensübergang“
anknüpfte (der bei einem Formwechsel zivilrechtlich nicht
stattfindet). Gleichwohl ist der BFH zu der Auffassung gekommen,
dass ertragsteuerrechtlich auch der Formwechsel einer
Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als
Vermögensübergang anzusehen ist (zum Ganzen
BFH-Entscheidungen vom 11.12.2001 - VIII R 23/01, BFHE 197, 425,
BStBl II 2004, 474 = SIS 02 06 25, unter II.1.a aa,
[Verfassungsbeschwerde durch Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 05.08.2002 - 1 BvR 637/02
nicht zur Entscheidung angenommen]; vom 01.10.2003 - VIII B 22/03,
BFH/NV 2004, 384 = SIS 04 10 27, unter 2.; vom 20.11.2006 - VIII R
45/05, BFH/NV 2007, 793 = SIS 07 10 05, unter II.1.b aa; vom
26.06.2007 - IV R 58/06, BFHE 217, 162, BStBl II 2008, 73 = SIS 07 28 47, unter II.1.a [Verfassungsbeschwerde durch den
ausführlich begründeten Beschluss des BVerfG vom
06.11.2008 - 1 BvR 2360/07, HFR 2009, 302 = SIS 09 03 29 nicht zur
Entscheidung angenommen], und vom 30.08.2007 - IV R 22/06, BFH/NV
2008, 109 = SIS 08 05 16, unter II.1.b; ebenso zu § 18 Abs. 3
UmwStG 2006 jüngst BFH-Urteil vom 14.03.2024 - IV R 20/21,
DStR 2024, 995 = SIS 24 07 32, Rz 24).
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34
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b) Der BFH hat den - von der
handelsrechtlichen Betrachtung ausdrücklich und bewusst
abweichenden - Begriff „tauschähnlicher entgeltlicher
Rechtsträgerwechsel“ als Ausdruck der
Regelungskonzeption des UmwStG 1995 erstmals in Bezug auf den
Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft
im Anwendungsbereich des § 25 UmwStG 1995 verwendet
(BFH-Urteil vom 19.10.2005 - I R 38/04, BFHE 211, 472, BStBl II
2006, 568 = SIS 06 11 06, unter II.2.b). Dies bestätigte in
jenem Urteilsfall die von den dortigen Steuerpflichtigen
gewünschte und dem Wortlaut des UmwStG 1995 entsprechende
Aufstockung der Buchwerte auf die Teilwerte und die
anschließende Vornahme gewinnmindernder Absetzungen für
Abnutzung durch die infolge des Formwechsels entstandene
Kapitalgesellschaft. Die Einordnung des Formwechsels einer
Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft als
tauschähnlicher Vorgang und damit ausdrücklich als
„Veräußerung“ ist vom BFH
zudem in Bezug auf § 16 EStG - für die Rechtslage vor
Inkrafttreten des § 25 UmwStG 1995 - ausgesprochen worden
(BFH-Urteil vom 17.10.2007 - I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II
2008, 953 = SIS 08 12 28, unter II.1.).
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35
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c) Nachfolgend hat der BFH auch den -
vorliegend streitgegenständlichen - Formwechsel einer
Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als
„tauschähnlichen entgeltlichen
Rechtsträgerwechsel“ bezeichnet
(BFH-Urteil vom 25.11.2014 - I R 78/12, BFH/NV 2015, 523 = SIS 15 05 61, Rz 20). Er hat unter anderem aus diesem Grund die
formwechselnde Kapitalgesellschaft als „übertragende
Körperschaft“ im Sinne des § 37 Abs.
3 Satz 2 KStG in der im dortigen Streitjahr 2001 geltenden Fassung
verstanden.
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36
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d) Diese rechtliche Beurteilung hat der BFH
sodann auf die - im Streitfall maßgebliche - Norm des §
22 Abs. 2 UmwStG 2006 übertragen und auch dort
tauschähnliche Vorgänge als Veräußerung
verstanden.
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37
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aa) So hat er die Verschmelzung einer
Tochter-Kapitalgesellschaft auf die Mutter-Kapitalgesellschaft
(„Aufwärtsverschmelzung“) als
„Veräußerung“ im Sinne des
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 angesehen, die einen
Einbringungsgewinn II auslöst (ausführlich, auch zum
Folgenden, BFH-Urteil vom 24.01.2018 - I R 48/15, BFHE 261, 8,
BStBl II 2019, 45 = SIS 18 08 39, Rz 18, 21 und 23). Danach ist
unter einer Veräußerung im Sinne der genannten Norm
grundsätzlich die entgeltliche Übertragung von
Gesellschaftsanteilen auf einen anderen Rechtsträger zu
verstehen. Die Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
bewirkt aus Sicht des Anteilseigners einen Tausch der Anteile an
der übertragenden Körperschaft gegen die Anteile an der
übernehmenden Körperschaft und damit einen entgeltlichen
Erwerb. Im Rahmen einer Aufwärtsverschmelzung auf den
alleinigen Anteilseigner erhält dieser zwar keine neuen
Anteile. Auch hier gehen aber das Vermögen und die
Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers auf den
übernehmenden Rechtsträger über; im Gegenzug gehen
die von ihm gehaltenen Anteile an der übertragenden
Tochtergesellschaft unter. Dies stellt sich als
tauschähnlicher Vorgang und damit als Veräußerung
der Anteile dar.
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bb) Ebenso hat der BFH in Anwendung derselben
Maßstäbe den Formwechsel der übernehmenden
Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als
Veräußerung der eingebrachten Anteile im Sinne des
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 angesehen (BFH-Urteile vom
18.11.2020 - I R 25/18, BFHE 271, 421, BStBl II 2021, 732 = SIS 21 08 91, Rz 18 ff., und vom 18.11.2020 - I R 24/18, BFH/NV 2021, 951
= SIS 21 08 84, Rz 18 ff.). Denn die eingebrachten Anteile gehen
aus steuerrechtlicher Sicht zusammen mit dem sonstigen
Vermögen der formwechselnden Kapitalgesellschaft auf die
Personengesellschaft, mittelbar also auf deren Gesellschafter - und
damit auf andere Rechtsträger -, über. Als
„Gegenleistung“ verlieren diese
Gesellschafter zugleich ihre Beteiligung an der formwechselnden
Kapitalgesellschaft. Dies genügt für die erforderliche,
aber auch ausreichende
„Ähnlichkeit“ mit einem Tausch.
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39
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e) Legt man diese Rechtsprechung zugrunde,
dann ist der Formwechsel nicht nur der übernehmenden, sondern
auch derjenigen Kapitalgesellschaft, deren Anteile in die
übernehmende Gesellschaft eingebracht werden, als
„Veräußerung“ im Sinne des
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 anzusehen. Der BFH geht
für § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 von einem weiten
Veräußerungsbegriff aus, dem bereits bei Verwirklichung
tauschähnlicher Vorgänge genügt ist (vgl. oben d
aa), und hat zudem den Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaft und
Personengesellschaft wiederholt in unterschiedlichen
Konstellationen als tauschähnlichen Vorgang betrachtet (vgl.
oben b, c, d bb). Wird die Kapitalgesellschaft, deren Anteile
eingebracht wurden, in eine Personengesellschaft formgewechselt, so
gibt die übernehmende Gesellschaft ihre Anteile an der
Kapitalgesellschaft hin, um dafür eine Beteiligung an der
Personengesellschaft zu erhalten. Insoweit bewirkt der Formwechsel
einen Tausch der Beteiligungsform.
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40
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f) Andere, zum Teil von der Klägerin
angeführte BFH-Entscheidungen stehen dieser Beurteilung nicht
entgegen, da sie zu anderen Rechtsfragen ergangen sind.
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41
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aa) Allerdings hat der I. Senat des BFH in
seinem Beschluss vom 05.05.1998 - I B 24/98 (BFHE 185, 497, BStBl
II 2000, 430 = SIS 98 16 35, unter II.2.), auf den die
Klägerin mehrfach verwiesen hat, im Rahmen der
Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt,
ein Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine
Personengesellschaft, der einem Entstrickungsantrag nach § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 nachfolge, sei nicht als
Veräußerung im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 5 UmwStG
1995 anzusehen, die zur Beendigung der Stundung der auf den
Entstrickungsgewinn entfallenden Steuer (§ 21 Abs. 2 Satz 3
UmwStG 1995) führe. Es kann dahinstehen, ob sich dieses
Verständnis aufgrund teleologischer Auslegung allein auf den
Veräußerungsbegriff des § 21 Abs. 2 Satz 5 UStG
1995 beziehen sollte. Aufgrund der zahlreichen nachfolgenden und
ausführlich begründeten Entscheidungen insbesondere des
I. Senats, in denen ein Formwechsel als Veräußerung
angesehen worden ist, und zwar in Gestaltungen, die derjenigen des
Streitfalls vergleichbar sind (vgl. die vorstehend unter a bis d
angeführten Nachweise), lässt sich aus diesem
BFH-Beschluss für den Anwendungsbereich von § 22 Abs. 2
Satz 1 UmwStG 2006 nichts mehr herleiten.
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42
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bb) Soweit der IV. Senat des BFH den
Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft
im Hinblick auf die für nicht wesentlich beteiligte
Anteilseigner geltende Sondervorschrift des § 7 UmwStG 1995
nicht als tauschähnlichen Anschaffungsvorgang, sondern als
„privilegierte Liquidationsbesteuerung“
angesehen hat (BFH-Urteil vom 12.07.2012 - IV R 39/09, BFHE 238,
353, BStBl II 2012, 728 = SIS 12 22 65, Rz 24 ff.), beruhte dies
auf den Besonderheiten des § 7 UmwStG 1995. Im Übrigen
würde auch die Liquidation der Kapitalgesellschaft, deren
Anteile unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 UmwStG 2006
eingebracht worden sind, einen Einbringungsgewinn II auslösen
(§ 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG
2006).
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43
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Im Urteil vom 28.09.2017 - IV R 51/15 (BFH/NV
2018, 246 = SIS 17 22 49, Rz 25) hat der IV. Senat den Formwechsel
einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft zwar nicht
als tauschähnlichen Anschaffungsvorgang verstanden. Diese
Aussage bezog sich jedoch lediglich auf die
Regelungszusammenhänge der § 4 Abs. 4 Satz 1, § 5
Abs. 3 UmwStG 1995. Diese Vorschriften fingierten für Zwecke
der Besteuerung des Gesellschafters, der seine Anteile an der
Kapitalgesellschaft in einem Betriebsvermögen hielt,
ausdrücklich eine Einlage, was die Annahme eines
tauschähnlichen Anschaffungsvorgangs dort ausschloss, sie
außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Fiktion jedoch
weiterhin eröffnet.
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44
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Dementsprechend hat auch der IV. Senat
außerhalb der Einlagefiktion den Formwechsel in jener
Entscheidung als „fingierten
Vermögensübergang“ bezeichnet
(BFH-Urteil vom 28.09.2017 - IV R 51/15, BFH/NV 2018, 246 = SIS 17 22 49, Rz 23; zu den Besonderheiten der Einlagefiktionen im
Anwendungsbereich der §§ 5, 7 UmwStG 2006 vgl. zudem
BFH-Urteil vom 11.04.2019 - IV R 1/17, BFHE 264, 13, BStBl II 2019,
501 = SIS 19 06 87, Rz 14 ff.) und damit deutlich gemacht, dass er
im Übrigen von einem tauschähnlichen Vorgang ausgeht.
Darüber hinaus hat der IV. Senat auch zu § 4 Abs. 4 Satz
1 UmwStG 2006 ausgeführt, dass dieser Gewinnermittlung
jedenfalls gedanklich die Vorstellung einer Veräußerung
beziehungsweise eines Tausches der bilanzierten Anteile an der
untergehenden Körperschaft gegen die übernommenen
Wirtschaftsgüter zugrunde liege (BFH-Urteil vom 09.05.2019 -
IV R 13/17, BFHE 264, 430, BStBl II 2019, 754 = SIS 19 11 74, Rz
44).
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45
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cc) Mit den von der Klägerin
angeführten Literaturstimmen, die die Auffassung vertreten,
ein Formwechsel sei nicht als Veräußerung der Anteile
anzusehen, hat sich der BFH bereits im Urteil vom 18.11.2020 - I R
25/18 (BFHE 271, 421, BStBl II 2021, 732 = SIS 21 08 91, Rz 21)
auseinandergesetzt und diese Argumentation nicht für
durchgreifend erachtet.
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46
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Die neuere Literatur (z.B.
Krüger/Gebhardt, GmbHR 2021, 1200; Bernhagen, GmbHR 2022, 301,
305 f.; Dreßler/Veil, DB 2023, 536, 540; Ott, DStR 2023, 417)
kritisiert daher nicht mehr die vom BFH in ständiger
Rechtsprechung vorgenommene weite Auslegung des Begriffs der
Veräußerung, sondern untersucht die Möglichkeit, in
bestimmten Fallgruppen eine teleologische Reduktion vornehmen zu
können (dazu vgl. unten 5.).
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47
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4. Auch aus § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m.
Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. lässt sich kein für
die Klägerin günstiges Ergebnis herleiten.
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48
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a) Nach der systematischen Stellung des §
22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 2006 als Ersatzrealisierungstatbestand
wäre der Anwendungsbereich dieser Regelung und des darin
enthaltenen Verweises auf § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG 2006 a.F.
im Streitfall von vornherein nicht eröffnet. Denn wenn bereits
- wie hier - aufgrund der Annahme einer
„Veräußerung“ der
Grundtatbestand des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
erfüllt ist, bedarf es keiner Prüfung eines
Ersatztatbestands mehr.
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49
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b) Der BFH hat allerdings - im Einklang mit
der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur -
ausgeführt, trotz seiner systematischen Stellung als
Ersatztatbestand enthalte § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1
Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. eine Ausnahme vom
Veräußerungsbegriff für zum Buchwert vollzogene
Einbringungsvorgänge (BFH-Urteil vom 24.01.2018 - I R 48/15,
BFHE 261, 8, BStBl II 2019, 45 = SIS 18 08 39, Rz 19, sowie die
dort zitierte Literatur).
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50
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Auch dies verhilft der Revision aber nicht zum
Erfolg. Nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F.
löst eine entgeltliche Übertragung der Anteile keinen
Einbringungsgewinn I (bzw. in den Fällen des § 22 Abs. 2
Satz 6 UmwStG 2006 keinen Einbringungsgewinn II) aus, wenn der
Einbringende nachweist, dass die Übertragung durch einen
Vorgang im Sinne des § 20 Abs. 1 oder § 21 Abs. 1 UmwStG
2006 oder auf Grund vergleichbarer ausländischer Vorgänge
zu Buchwerten erfolgte. Der vorliegend durchgeführte
Formwechsel der XA-GmbH in die XA-KG ist kein Vorgang im Sinne des
§ 20 Abs. 1 oder § 21 Abs. 1 UmwStG 2006. Allein der
Umstand, dass der Formwechsel zu Buchwerten vorgenommen wurde,
führt nicht dazu, dass er einem der in § 20 Abs. 1 oder
§ 21 Abs. 1 UmwStG 2006 genannten Vorgänge
gleichsteht.
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51
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5. Im Streitfall ist weder eine teleologische
Reduktion des Wortlauts des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
noch ist eine teleologische Extension des § 22 Abs. 1 Satz 6
Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. vorzunehmen.
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52
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a) Eine den Gesetzeswortlaut korrigierende
Auslegung wird dann zugelassen, wenn die wortlautgemäße
Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss
gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig
umgesetzt wurde. Weichen Gesetzeswortlaut und Normzweck in einem
solchen Fall voneinander ab, ist der Wortlaut in einer Weise
einzuschränken, die dem Normzweck entspricht, wenn sich das
Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend
erweist. Demgegenüber kommt eine teleologische Reduktion
grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der
Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des
Gesetzgebers ist (zum Ganzen BFH-Urteil vom 15.07.2021 - IV R
36/18, BFHE 274, 55 = SIS 21 17 38, Rz 36, m.w.N.; vgl. auch
BFH-Urteil vom 22.01.2020 - II R 8/18, BFHE 267, 468, BStBl II
2020, 567 = SIS 20 10 31, Rz 24; beide ebenfalls zu Normen, die in
typisierender Weise der Vermeidung missbräuchlicher
Gestaltungen dienen).
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53
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b) Nach den genannten Voraussetzungen kommt
hier eine teleologische Reduktion nicht in Betracht.
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54
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aa) § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 bezweckt,
dass die im Zeitpunkt des Anteilstausches in den eingebrachten
Anteilen ruhenden stillen Reserven, die in der Hand des
Einbringenden nach Maßgabe der allgemeinen
einkommensteuerrechtlichen Regelungen (im Streitfall: § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Nr. 40, § 32a EStG)
steuerverstrickt waren, bei einer innerhalb von sieben Jahren
stattfindenden Veräußerung durch die übernehmende
Gesellschaft auch weiterhin der Besteuerung unterliegen (vgl.
BFH-Urteil vom 18.11.2020 - I R 25/18, BFHE 271, 421, BStBl II
2021, 732 = SIS 21 08 91, Rz 23, m.w.N.). In dieser Entscheidung
wurde eine teleologische Reduktion der Vorschrift in einer
Fallkonstellation erwogen, in der die eingebrachten Anteile durch
den streitigen Formwechsel der übernehmenden
Kapitalgesellschaft in denjenigen steuerlichen Status
zurückgefallen waren, in dem sie sich vor der
sperrfristauslösenden Einbringung befunden hatten,
nämlich wieder dem Teileinkünfteverfahren unterlagen.
Gleichwohl wurde die teleologische Reduktion letztlich abgelehnt,
weil es durch den Anteilstausch zu einem Transfer stiller Reserven
zwischen verschiedenen Gesellschaftern gekommen war, an dem der
nachfolgende Formwechsel nichts geändert hat. Nur in Bezug auf
Gesellschaften, deren stille Reserven lediglich einer einzigen
Person steuerlich zuzurechnen sind
(„Einpersonengesellschaften“), hat der
I. Senat - in einer für die dortige Entscheidung nicht
erheblichen Bemerkung - angedeutet, er könne einer
teleologischen Reduktion nähertreten (zum Ganzen BFH-Urteil
vom 18.11.2020 - I R 25/18, BFHE 271, 421, BStBl II 2021, 732 = SIS 21 08 91, Rz 23 f.).
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55
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bb) Im Streitfall steht einer teleologischen
Reduktion zunächst entgegen, dass sich durch die Umwandlung
der XA-GmbH in eine Personengesellschaft die stillen Reserven
dieser Gesellschaft mit denen der X-GmbH vermischen (vgl.
zutreffend Ott, DStR 2023, 417, 422). Vor dem Formwechsel waren die
stillen Reserven der XA-GmbH und ihrer - seit dem Anteilstausch -
alleinigen Anteilseignerin X-GmbH ertragsteuerrechtlich voneinander
getrennt. Aufgrund des Formwechsels wurde das Trennungsprinzip dann
aber durch das - für Personengesellschaften kennzeichnende -
Transparenzprinzip ersetzt. Die Sphären der X-GmbH und der
XA-KG waren also nicht mehr voneinander getrennt; vielmehr waren
der X-GmbH die Wirtschaftsgüter der XA-KG - und damit auch
deren stille Reserven ertragsteuerrechtlich anteilig
zuzurechnen.
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56
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cc) Selbst wenn man diesen Gesichtspunkt
für die Verneinung einer teleologischen Reduktion nicht als
ausreichend ansehen wollte, wäre hierfür im Streitfall
jedenfalls der im BFH-Urteil vom 18.11.2020 - I R 25/18 (BFHE 271,
421, BStBl II 2021, 732 = SIS 21 08 91, Rz 23 f.) herangezogene
Gedanke leitend. Denn die Anteile sind nicht in ihren früheren
steuerlichen Status zurückgefallen.
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57
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Vorliegend ist es zwar - wenn man von der
neuen 2 %-Beteiligung der XA-Verwaltungs-GmbH absieht, zu deren
Entstehen das FG keine Feststellungen getroffen hat (dazu noch
unten 7.) - nicht zu einem Transfer stiller Reserven zwischen
verschiedenen Gesellschaftern gekommen, weil die Beigeladenen an
der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht wurden (XA-GmbH), und
an der übernehmenden Gesellschaft (X-GmbH) im selben
Verhältnis (jeweils 98 % beziehungsweise 2 %) beteiligt waren.
Allerdings sind die eingebrachten Anteile auch nach dem Formwechsel
weder formell noch hinsichtlich der möglichen Steuerbelastung
in den steuerlichen Status zurückgefallen, in dem sie sich vor
dem Anteilstausch befunden hatten. Würde die X-GmbH ihre
Anteile an der nunmehrigen XA-KG veräußern, wäre
dies - bei einem Körperschaftsteuersatz von 15 % - immer noch
deutlich günstiger als es vor dem Anteilstausch die
Veräußerung von Anteilen an der XA-GmbH durch die
Beigeladenen gewesen wäre, bei der es zu einer Anwendung des -
sich auf bis zu 45 % belaufenden (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5
EStG) - progressiven Einkommensteuertarifs auf 60 % des
Veräußerungsgewinns gekommen wäre.
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58
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Im Übrigen sind nicht die Beigeladenen
Gesellschafter der XA-KG geworden, sondern die X-GmbH mit der ihr
eigenen Abschirmwirkung ist Gesellschafterin geblieben. Auch dies
steht der Annahme eines Rückfalls in den früheren
steuerlichen Status entgegen.
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59
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dd) Ein weiterer - eigenständiger -
Gesichtspunkt, der gegen eine teleologische Reduktion spricht,
liegt darin, dass mit dem Formwechsel der Gesellschaft, deren
Anteile in die X-GmbH eingebracht worden sind, die Anwendbarkeit
des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 für die Zukunft - bereits
weit vor Ablauf der Sieben-Jahres-Frist - beendet worden ist,
obwohl die Änderung des steuerlichen Status fortbesteht. Diese
Regelung erfasst „eingebrachte Anteile“,
bei denen es sich - wie aus dem Verweis auf § 21 Abs. 1 UmwStG
2006 folgt - um Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder
Genossenschaft handeln muss. Diese Voraussetzung ist in Bezug auf
Anteile an einer KG aber nicht erfüllt.
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60
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ee) Aus der Rechtsprechung des BVerfG zur
Verfassungswidrigkeit der Nichteinbeziehung der Übertragung
von Anteilen zwischen Schwester-Personengesellschaften in die
Begünstigungsregelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
(BVerfG-Beschluss vom 28.11.2023 - 2 BvL 8/13, BVerfGE 168, 1 = SIS 24 01 44) folgt nicht, dass der auf einen Anteilstausch folgende
Formwechsel stets aus dem Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2
Satz 1 UmwStG 2006 herausgenommen werden müsste. Denn anders
als in der dortigen Konstellation hat im Streitfall die
Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft eine Abschirmwirkung
herbeigeführt. Eine solche Zwischenschaltung mit
Abschirmwirkung muss das Ertragsteuerrecht auch bei Einbeziehung
verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte nicht ebenso behandeln wie
eine unmittelbare Beteiligung oder eine mittelbare Beteiligung
über eine - ertragsteuerrechtlich transparente -
Personengesellschaft (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 - 1
BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz 62).
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61
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ff) Ebenso wenig kann eine teleologische
Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 in Fällen
des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine
Personengesellschaft auf die Rechtsprechung des IV. und XI. Senats
des BFH zu einer teleologischen Reduktion des - ebenfalls einen
Sperrfristverstoß regelnden - § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG
gestützt werden. Danach soll die Rechtsfolge des § 6 Abs.
5 Satz 6 EStG nicht eintreten, wenn eine an einer
Mitunternehmerschaft beteiligte Kapitalgesellschaft, die an dem
nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut
bereits (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt war,
ihren Mitunternehmeranteil ganz oder teilweise an eine andere
Kapitalgesellschaft veräußert (BFH-Urteil vom 15.07.2021
- IV R 36/18, BFHE 274, 55 = SIS 21 17 38, Rz 51; vgl. aber §
6 Abs. 5 Satz 7 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2024).
Gleiches gilt bei einer vollentgeltlichen Übertragung von
Anteilen durch den Einbringenden auf eine Körperschaft
(BFH-Urteile vom 18.08.2021 - XI R 43/20, BFHE 274, 124 = SIS 22 02 78, Rz 32 ff., und vom 18.08.2021 - XI R 20/19, BFH/NV 2022, 403 =
SIS 22 02 74, Rz 32 f.). Dies wird damit begründet, dass der
voll entgeltliche Erwerb bereits alle stillen Reserven aufdeckt, so
dass keine im Wertansatz des zuvor übertragenen
Wirtschaftsguts gespeicherten stillen Reserven vom
Einkommensteuerregime in das Körperschaftsteuerregime
übergehen.
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62
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Vorliegend sind aber die in den Anteilen an
der XA-GmbH befindlichen stillen Reserven durch den vorangehenden
qualifizierten Anteilstausch vom Einkommensteuer- in das
Körperschaftsteuerregime übergegangen, ohne aufgedeckt
worden zu sein. Wenn der Gesetzgeber im Zeitpunkt des
qualifizierten Anteilstausches gleichwohl zunächst auf eine
Besteuerung der stillen Reserven verzichtet, ist eine Besteuerung
gerechtfertigt, wenn die Kapitalgesellschaft, in deren Wertansatz
die zuvor übergegangenen stillen Reserven nunmehr gespeichert
sind, innerhalb der Sieben-Jahres-Frist so umgewandelt wird, dass
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 bei einer nachfolgenden
Veräußerung der neuen Personengesellschaftsanteile oder
einzelner Wirtschaftsgüter nicht mehr anwendbar wäre (s.
dazu bereits oben bb).
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Im Übrigen wird auch in denjenigen
Entscheidungen, in denen eine teleologische Reduktion des § 6
Abs. 5 Satz 6 EStG vorgenommen wurde, dies für den Fall des
Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft
gerade ausdrücklich abgelehnt, weil damit stille Reserven aus
der Sphäre natürlicher Personen in die Sphäre von
Kapitalgesellschaften übergehen (vgl. BFH-Urteil vom
15.07.2021 - IV R 36/18, BFHE 274, 55 = SIS 21 17 38, Rz 26 f., Rz
35).
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64
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gg) Es kommt auch nicht darauf an, ob im
vorliegenden Fall durch eine andere Reihenfolge der einzelnen
Umstrukturierungsschritte eventuell eine steuerneutrale Umsetzung
des Gestaltungsziels hätte erreicht werden können.
Vielmehr hat es der BFH schon in einer früheren Entscheidung
zu § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 als für das Entstehen
eines Einbringungsgewinns II unerheblich angesehen, ob der
Einbringende die sich ergebende Unternehmensstruktur auf eine
andere Weise steuerneutral hätte erreichen können. Denn
maßgebend für die rechtliche Beurteilung sind der
tatsächlich verwirklichte Sachverhalt und die darauf
anwendbaren Rechtsvorschriften (BFH-Urteil vom 24.01.2018 - I R
48/15, BFHE 261, 8, BStBl II 2019, 45 = SIS 18 08 39, Rz 24).
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hh) Anders als nach der früheren
Rechtslage bei einbringungsgeborenen Anteilen kommt es nach dem
Regelungskonzept der §§ 21, 22 UmwStG 2006 nicht zu einer
doppelten steuerlichen Verstrickung stiller Reserven und damit auch
nicht zu einer doppelten Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom
11.07.2019 - I R 13/18, BFHE 266, 272, BStBl II 2022, 91 = SIS 20 01 62, Rz 19). Vielmehr bewirkt das Entstehen eines
Einbringungsgewinns II unmittelbar eine Erhöhung der
steuerlichen Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (§ 22
Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006). Damit fällt ein späterer
Veräußerungsgewinn entsprechend geringer aus, so dass
das Besteuerungssystem in sich stimmig ausgestaltet ist. In den von
§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 erfassten
Veräußerungsfällen wird lediglich die nach den
allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regelungen bereits bei der
Sacheinlage oder beim qualifizierten Anteilstausch vorzunehmende -
dort nach § 21 UmwStG 2006 aber aufgeschobene - Besteuerung
nachgeholt, nicht aber ein bereits einmal erfasstes Steuersubstrat
nochmals besteuert.
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66
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6. Auf die FRL 2009 kann die Klägerin
sich im Streitfall nicht berufen. Das entsprechende Vorbringen ist
zwar nicht verfristet (dazu unten a); die FRL 2009 ist im
Streitfall aber nicht anwendbar (unten b).
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67
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a) Es ist unschädlich, dass die
Klägerin die unionsrechtlichen Gesichtspunkte erstmals mit
einem am 27.06.2022 beim BFH eingegangenen Schriftsatz - und damit
nach Ablauf der bis zum 01.04.2022 verlängerten
Revisionsbegründungsfrist - in das Verfahren eingeführt
hat. Zwar können selbständige Revisionsrügen - wie
etwa die Geltendmachung eines Verfahrensmangels - erstmalig nur bis
zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in zulässiger
Weise angebracht werden (BFH-Beschluss vom 13.05.2013 - I R 39/11,
BFHE 241, 1, BStBl II 2016, 434 = SIS 13 18 00, Rz 19); nach
Fristablauf kann nur eine bereits innerhalb der
Revisionsbegründungsfrist hinreichend begründete Revision
ergänzt werden (BFH-Beschluss vom 22.03.2016 - VIII R 22/14,
BFH/NV 2016, 1054 = SIS 16 11 55, Rz 14). Ist die Revision aber -
wie hier - mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts
innerhalb der maßgebenden Frist in Bezug auf den jeweiligen
Streitgegenstand hinreichend begründet worden, ist der BFH an
die geltend gemachten materiell-rechtlichen Gründe für
die Sachprüfung des angefochtenen Urteils nicht gebunden
(BFH-Urteil vom 04.12.1996 - I R 151/93, BFHE 182, 116, BStBl II
1997, 327 = SIS 97 10 31, unter II.A.1.). Wenn eine derartige
Bindung des Revisionsgerichts aber nicht besteht, ist der BFH auch
zur Auseinandersetzung mit solchen materiell-rechtlichen
Gesichtspunkten verpflichtet, die der jeweilige
Revisionskläger im Rahmen eines in zulässiger Weise
eingeleiteten Revisionsverfahrens erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist geltend macht.
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b) Die FRL 2009 ist im vorliegenden Verfahren,
das einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betrifft, jedoch nicht
anwendbar.
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69
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aa) Nach Art. 1 Buchst. a FRL 2009 umfasst der
Anwendungsbereich der Richtlinie Fusionen, Spaltungen,
Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und - im
Streitfall einschlägig - den Austausch von Anteilen (vgl.
hierzu die Definition in Art. 2 Buchst. e FRL 2009), wenn daran
Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind.
Die letztgenannte Voraussetzung ist in Bezug auf den hier zu
beurteilenden Sachverhalt nicht erfüllt, weil alle beteiligten
Gesellschaften deutsche Kapitalgesellschaften und in der
Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig sind.
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70
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bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des
EuGH sieht sich dieser allerdings auch in einem Fall, der rein
innerstaatlichen Charakter hat, für die Auslegung der
Bestimmungen der FRL 2009 als zuständig an, wenn der jeweilige
nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, durch die
FRL 2009 geregelte und rein innerstaatliche Sachverhalte gleich zu
behandeln (so die überwiegend noch zum insoweit wortgleichen
Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23.07.1990
über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen,
Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den
Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten betreffen - FRL 1990 - ergangenen EuGH-Urteile
Leur-Bloem vom 17.07.1997 - C-28/95, EU:C:1997:369 = SIS 97 19 34,
Slg. 1997, I-4171, Rz 16 ff., insbesondere Rz 34; Modehuis A.
Zwijnenburg vom 20.05.2010 - C-352/08, EU:C:2010:282 = SIS 10 14 96, Rz 33; Foggia-SGPS vom 10.11.2011 - C-126/10, EU:C:2011:718 =
SIS 11 39 82, Rz 21; Pelati vom 18.10.2012 - C-603/10,
EU:C:2012:639 = SIS 12 33 72, Rz 18; Jacob und Lassus vom
22.03.2018 - C-327/16, C-421/16, EU:C:2018:210 = SIS 18 04 81, Rz
33 f., und GE Infrastructure Hungary Holding Kft vom 16.11.2023 -
C-318/22, EU:C:2023:890 = SIS 23 19 46, Rz 30).
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71
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Auf dieser Grundlage hat der EuGH seine
Zuständigkeit nicht nur dann angenommen, wenn innerstaatliche
und grenzüberschreitende Sachverhalte exakt derselben Regelung
unterworfen wurden (so die Konstellation, die den EuGH-Urteilen
Andersen og Jensen vom 15.01.2002 - C-43/00, EU:C:2002:15 = SIS 02 04 16, Rz 17; Modehuis A. Zwijnenburg vom 20.05.2010 - C-352/08,
EU:C:2010:282 = SIS 10 14 96, Rz 32 und Foggia-SGPS vom 10.11.2011
- C-126/10, EU:C:2011:718 = SIS 11 39 82, Rz 20 zugrunde lag),
sondern auch, wenn für innerstaatliche und
grenzüberschreitende Vorgänge zwar rechtstechnisch
getrennte, aber wortgleiche Regelungen galten (so EuGH-Urteil
Leur-Bloem vom 17.07.1997 - C-28/95, EU:C:1997:369 = SIS 97 19 34,
Slg. 1997, I-4171, Rz 30 ff.) oder wenn nach den nationalen
Rechtsvorschriften auf Sachverhalte, die nicht dem Unionsrecht
unterliegen, Lösungen angewendet werden, die den vom
Unionsrecht vorgesehenen entsprechen (EuGH-Urteil Ministre de
l’Action et des Comptes publics vom 18.09.2019 -
C-662/18, C-672/18, EU:C:2019:750 = SIS 19 15 32, Rz 27).
Demgegenüber ist der EuGH nicht zuständig - mit der
Folge, dass die im nationalen Recht für einen rein
innerstaatlichen Sachverhalt getroffene Regelung nicht an der FRL
2009 zu messen ist -, wenn im Gesetz ausdrücklich zwischen
rein innerstaatlichen Sachverhalten und solchen mit
Gemeinschaftsbezug unterschieden wird (EuGH-Urteile Leur-Bloem vom
17.07.1997 - C-28/95, EU:C:1997:369 = SIS 97 19 34, Slg. 1997,
I-4171, Rz 29, und Banca A vom 27.04.2023 - C-827/21, EU:C:2023:355
= SIS 23 21 92, Rz 33 ff.; zu weiteren Differenzierungen vgl.
EuGH-Urteil Ullens de Schooten vom 15.11.2016 - C-268/15,
EU:C:2016:874, Rz 50 ff., insbesondere Rz 54).
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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH
ist es allein Sache des nationalen Gerichts, die genaue Tragweite
der Verweisung des für innerstaatliche Sachverhalte geltenden
nationalen Rechts auf das Gemeinschaftsrecht zu beurteilen; die
Zuständigkeit des EuGH beschränkt sich auf die
Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen
(EuGH-Urteile Leur-Bloem vom 17.07.1997 - C-28/95, EU:C:1997:369 =
SIS 97 19 34, Slg. 1997, I-4171, Rz 33; Modehuis A. Zwijnenburg vom
20.05.2010 - C-352/08, EU:C:2010:282 = SIS 10 14 96, Rz 34;
Foggia-SGPS vom 10.11.2011 - C-126/10, EU:C:2011:718 = SIS 11 39 82, Rz 22; Pelati vom 18.10.2012 - C-603/10, EU:C:2012:639 = SIS 12 33 72, Rz 19, und GE Infrastructure Hungary Holding Kft vom
16.11.2023 - C-318/22, EU:C:2023:890 = SIS 23 19 46, Rz 31). Eine
Pflicht zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art.
267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union besteht in Bezug auf die
(Vor-)Frage, ob der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der FRL
2009 innerstaatliche und grenzüberschreitende Sachverhalte
gleichbehandelt, daher nicht.
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cc) Im deutschen Umwandlungssteuerrecht
bestehen und bestanden auch bereits im Streitjahr zwischen der
Behandlung rein innerstaatlicher und grenzüberschreitender
Anteilstauschvorgänge erhebliche Unterschiede. Die FRL 2009
ist daher auf den - hier gegebenen - rein innerstaatlichen
Sachverhalt nicht anwendbar.
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(1) Die Regelung für innerstaatliche
Anteilstauschvorgänge ist in § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG
2006 enthalten. Danach gilt der Wert, mit dem die übernehmende
Gesellschaft die eingebrachten Anteile ansetzt, für den
Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten
Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Die Norm
knüpft an § 21 Abs. 1 UmwStG 2006 an, der die
Wertansätze bei der übernehmenden Gesellschaft regelt.
Diese hat grundsätzlich den gemeinen Wert anzusetzen (§
21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006). Im Falle des qualifizierten
Anteilstausches hat die übernehmende Gesellschaft ein
Wahlrecht, die eingebrachten Anteile auf Antrag mit dem Buchwert
oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem
gemeinen Wert anzusetzen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006,
heute nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 UmwStG 2006 jedoch
mindestens mit dem gemeinen Wert sonstiger Gegenleistungen).
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Materiell-rechtlich fordert § 21 Abs. 2
Satz 1 UmwStG 2006 für die Steuerneutralität des
Einbringungsvorgangs in rein innerstaatlichen Fällen weiterhin
eine doppelte Buchwertverknüpfung, also den Ansatz des
bisherigen Buchwerts, den die eingebrachten Anteile beim
Einbringenden hatten, nicht nur für die Bewertung der
erhaltenen Anteile beim Einbringenden, sondern auch für die
Bewertung der eingebrachten Anteile bei der übernehmenden
Gesellschaft.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten
für den Einbringenden beim rein innerstaatlichen Fall keine
besonderen Anforderungen. Allerdings ist der Buchwertansatz bei der
übernehmenden Gesellschaft - der wiederum Voraussetzung
für die Steuerneutralität des Anteilstausches beim
Einbringenden ist - verfahrensrechtlich davon abhängig, dass
die übernehmende Gesellschaft einen Antrag auf Vornahme des
Buchwertansatzes stellt (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006).
Dieser Antrag ist spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der
steuerlichen Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft bei
dem für deren Besteuerung zuständigen Finanzamt zu
stellen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3
UmwStG 2006).
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(2) Demgegenüber unterscheidet sich die
Regelung des grenzüberschreitenden Anteilstausches sowohl in
materiell-rechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht
erheblich von derjenigen für innerstaatliche Sachverhalte.
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Materiell-rechtlich fehlt die
Buchwertverknüpfung zwischen dem Buchwert der eingebrachten
Anteile beim Einbringenden und dem Wertansatz der eingebrachten
Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft. Die Besteuerung
knüpft an die Wertansätze beim Einbringenden und nicht
bei der übernehmenden Gesellschaft an. Der Einbringende hat
hier grundsätzlich den gemeinen Wert der eingebrachten Anteile
als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der
erhaltenen Anteile anzusetzen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG
2006). Auf Antrag kann er gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3
UmwStG 2006 jedoch den Buchwert oder einen höheren Wert,
höchstens den gemeinen Wert, als Veräußerungspreis
ansetzen. Hierfür müssen die Voraussetzungen des §
21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 erfüllt sein (qualifizierter
Anteilstausch, heute nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006
darüber hinaus Deckelung der sonstigen Gegenleistungen).
Ferner ist und war bereits im Streitjahr Voraussetzung, dass das
Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung
des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile
nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 21 Abs. 2
Satz 3 Nr. 1 UmwStG 2006) oder der Gewinn aus dem Anteilstausch
aufgrund von Art. 8 FRL 2009 nicht besteuert werden darf (§ 21
Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG 2006 i.V.m. Art. 17 Abs. 2 FRL
2009).
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Im Gegensatz zu der für innerstaatliche
Anteilstauschvorgänge geltenden Regelung ist die Besteuerung
des Einbringenden beim grenzüberschreitenden Anteilstausch
daher nicht davon abhängig, welchen Wertansatz die
übernehmende Gesellschaft wählt. Vielmehr kann der
Einbringende das Wahlrecht selbst ausüben. Es kommt auch nicht
zu einer doppelten Buchwertverknüpfung, die der EuGH in
grenzüberschreitenden Fällen als unvereinbar mit Art. 8
Abs. 1, 2 FRL 1990 angesehen hat (EuGH-Urteil A.T. vom 11.12.2008 -
C-285/07, EU:C:2008:705 = SIS 09 03 19). Damit gelten für die
Steuerneutralität des innerstaatlichen Anteilstausches in
einem wesentlichen Punkt andere Voraussetzungen als für den
grenzüberschreitenden Anteilstausch.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss der
Antrag auf den Buchwertansatz vom Einbringenden selbst - also nicht
von der übernehmenden Gesellschaft - gestellt werden, und zwar
spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Steuererklärung
bei dem für seine Besteuerung zuständigen Finanzamt
(§ 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006).
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dd) Der Würdigung, dass § 21 UmwStG
2006 in erheblichem Umfang zwischen innerstaatlichen und
grenzüberschreitenden Anteilstauschvorgängen
unterscheidet, steht der von einigen Literaturstimmen
(Krüger/Gebhardt, GmbHR 2021, 1200, 1207;
Hageböke/Stangl, FR 2023, 1117, 1121) vorgenommene Verweis auf
die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über
steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der
Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften nicht entgegen. Zwar heißt es
dort pauschal - ohne Zuordnung zu einer bestimmten Vorschrift -,
künftig würden europaweit die gleichen steuerlichen
Grundsätze für inländische und für alle
grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen
gelten (BT-Drucks. 16/2710, 25 f.). Dabei ist aber zu
berücksichtigen, dass dieser Gesetzentwurf jedenfalls die
später zum Gesetz gewordenen und hier zu beurteilenden
unterschiedlich ausgestalteten Regelungen über die jeweiligen
Antragsfristen noch nicht enthielt (heute § 21 Abs. 1 Satz 3
i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 für den
innerstaatlichen Fall; § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 für
den grenzüberschreitenden Fall). Diese Regelungen sind erst im
weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens durch den
Finanzausschuss des Bundestages in den Gesetzentwurf eingefügt
worden (Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3369, 12). Die
Begründung des vorangehenden - gerade in diesem Punkt
geänderten - Gesetzentwurfs kann daher nicht herangezogen
werden, um auf einen Willen des Gesetzgebers zur Gleichbehandlung
auch im Bereich der Antragsfrist zu schließen. Im
Übrigen hatte der Bundesrat bereits zum ursprünglichen
Gesetzentwurf dahingehend Stellung genommen, dass das Ziel einer
Gleichbehandlung innerstaatlicher und grenzüberschreitender
Vorgänge nicht erreicht werde (BT-Drucks. 16/2710, S. 60); dem
stimmt der Senat angesichts der - oben unter cc dargestellten -
erheblichen materiell-rechtlichen Unterschiede in der Regelung
dieser Vorgänge zu.
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ee) Auf die von der Klägerin aufgeworfene
Frage, ob § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 mit dem Missbrauchsvorbehalt
des Art. 15 Abs. 1 Buchst. a FRL 2009 vereinbar ist, kommt es daher
für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht an.
Ohnehin wären im Vorfeld die - von der Klägerin nicht
angesprochenen - Fragen zu klären gewesen, ob der
Gewinnrealisierungstatbestand des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 im
Kern durch den in Art. 8 Abs. 6 FRL 2009 für Fälle
„einer späteren Veräußerung der erworbenen
Anteile“ enthaltenen Vorbehalt gedeckt ist und
ob der Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft
nicht nur nach nationalem Recht, sondern auch im Sinne des Art. 8
Abs. 6 FRL 2009 als
„Veräußerung“ anzusehen
ist.
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7. Damit hat das FG zwar zu Recht erkannt,
dass durch den Formwechsel ein dem Grunde nach steuerpflichtiger
Einbringungsgewinn II entstanden ist. Allerdings ist bisher offen,
ob auch die Teilanteilsübertragung, die schon vor dem
Formwechsel stattgefunden haben muss, den Tatbestand des § 22
Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 verwirklicht hatte. Denn nach dem
Ergebnis der notariellen Urkunde mit der UR-Nr. 10/2010 ist die
übernehmende Gesellschaft (X-GmbH) Alleingesellschafterin der
XA-GmbH geworden, deren Anteile mit dieser Urkunde in die X-GmbH
eingebracht wurden. Demgegenüber wird in der nachfolgenden, am
selben Tage errichteten, aber nicht unmittelbar
anschließenden notariellen Urkunde mit der UR-Nr. 20/2010
angegeben, Gesellschafter der XA-GmbH seien zu 98 % die X-GmbH und
zu 2 % die XA-Verwaltungs-GmbH. Zwischenzeitlich muss die X-GmbH
daher einen 2 %-Anteil an der XA-GmbH auf die XA-Verwaltungs-GmbH
übertragen haben. Feststellungen hierzu hat das FG nicht
getroffen. Sollte es sich bei dieser Anteilsübertragung um
eine „Veräußerung“ im Sinne
des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 - oder um einen der in
§ 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG
2006 a.F. genannten Vorgänge - gehandelt haben, wäre
schon dadurch - und nicht erst durch den nachfolgenden Formwechsel
- in Bezug auf den 2 %-Anteil ein Einbringungsgewinn II realisiert
worden. Andernfalls wären die festgestellten
Einbringungsgewinne II jeweils um 2 % zu kürzen. Hierzu wird
das FG noch Feststellungen zu treffen haben.
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III. Die Revision ist in Bezug auf den
Teil-Endgerichtsbescheid, der den Billigkeitsantrag betrifft,
unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO
zurückzuweisen. Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis
gelangt, dass das FA eine Billigkeitsmaßnahme
ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
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1. Eine Billigkeitsentscheidung nach §
163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist eine
Ermessensentscheidung der Finanzbehörde im Sinne des § 5
AO, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen
Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 Satz 1 FGO).
Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur daraufhin
überprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die
Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von
dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Hingegen ist das
Gericht nicht befugt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen
und diese an die Stelle der behördlichen Ermessensentscheidung
zu setzen (zum Ganzen BFH-Urteil vom 17.05.2022 - VIII R 26/20,
BFHE 277, 218, BStBl II 2022, 829 = SIS 22 14 00, Rz 17,
m.w.N.).
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86
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2. Nach Tz. 22.23 Satz 3 und 4 des
BMF-Schreibens vom 11.11.2011 (BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63)
kann unter bestimmten Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen
bei Umwandlungen zu Buchwerten von der Besteuerung eines
Einbringungsgewinns abgesehen werden. Dies setzt nach der dort
niedergelegten Verwaltungsauffassung allerdings voraus, dass der
konkrete Einzelfall in jeder Hinsicht mit den in § 22 Abs. 1
Satz 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG 2006 a.F. enthaltenen
Ausnahmetatbeständen vergleichbar sei. Dabei müsse auch
die gesetzgeberische Grundentscheidung berücksichtigt werden,
dass § 22 UmwStG 2006 - anders als für Einbringungen im
Sinne der §§ 20, 21 UmwStG 2006 - keine Rückausnahme
für Einbringungen in Personengesellschaften (§ 24 UmwStG
2006) vorsehe. Nicht vergleichbar mit einem der genannten
Ausnahmetatbestände seien Umwandlungen beispielsweise dann,
wenn sie ohne Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften an
Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften vorgenommen würden
(zum Ganzen Tz. 22.23 Satz 7 bis 9 des BMF-Schreibens vom
11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63). Aus den in den
nachfolgenden Ausführungen des genannten BMF-Schreibens
gebildeten Alternativen zu den Beispielen 1 und 2 wird deutlich,
dass nach der Verwaltungsauffassung Fälle der Umwandlung in
eine Personengesellschaft nicht zur Gewährung einer
Billigkeitsmaßnahme führen können (ebenso
Bernhagen, GmbHR 2022, 301, 304 f.).
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3. Das FG hat hierzu - ebenso wie es bereits
in der Einspruchsentscheidung des FA angedeutet war -
ausgeführt, dass bei einem Formwechsel der
Kapitalgesellschaft, an der die eingebrachten Anteile bestehen, in
eine Personengesellschaft schon die Ziel-Rechtsform, bei der es
sich um ein grundlegendes Merkmal eines jeden Umwandlungsvorgangs
handelt, von den in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG 2006
a.F. genannten Vorgängen abweicht. Diese Erwägung ist
tragfähig und überzeugend und schließt daher im
vorliegenden Fall eine Billigkeitsmaßnahme auf der Grundlage
des Umwandlungssteuererlasses 2011 aus.
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4. Auch unabhängig von den vorstehend
dargestellten Ermessensleitlinien des BMF kommt im Streitfall keine
Billigkeitsmaßnahme in Betracht. In der Literatur wird - mit
durchaus bedenkenswerten Gründen - die Auffassung vertreten,
die Billigkeitsregelung des BMF sei eher als Darstellung der
Kriterien für eine teleologische Reduktion der Vorschrift des
§ 22 Abs. 2 UmwStG 2006 anzusehen (so Bilitewski in
Haritz/Menner/Bilitewski, Umwandlungssteuergesetz, 6. Aufl., §
22 Rz 57). Da vorliegend eine teleologische Reduktion des § 22
Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 aber ausscheidet (vgl. oben II.5.), ist
kein Gesichtspunkt ersichtlich, der darüber hinaus zu einer
Billigkeitsmaßnahme Anlass geben könnte.
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IV. Die Übertragung der
Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Im
Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der
Kostenentscheidung wird die Übertragung auch insoweit
vorgenommen, als der Senat über die beantragte
Billigkeitsmaßnahme abschließend entschieden hat (vgl.
BFH-Urteil vom 17.03.2020 - III R 31/19, BFH/NV 2021, 38 = SIS 20 16 68, Rz 29; Senatsbeschluss vom 22.03.2023 - X B 135/21, BFH/NV
2023, 731 = SIS 23 05 77, Rz 42; jeweils m.w.N.).
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