Aktionär, Darlehen an AG, Anschaffungskosten, Auflösungsverlust, Halbabzugsverbot: 1. Gewährt ein nicht unternehmerisch beteiligter Aktionär der AG ein Darlehen, so führt dies nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung (Anschluss an BFH-Urteil vom 2.4.2008 IX R 76/06, BFHE 221 S. 7, BStBl 2008 II S. 706 = SIS 08 28 65). - 2. Der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG ist jedenfalls dann nicht nach § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 15.2.2010, IV C 6 - S 2244/09/10002, BStBl 2010 I S. 181 = SIS 10 00 74) - Urt.; BFH 25.6.2009, IX R 42/08; SIS 09 28 49
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war an der X GmbH von April
1993 bis Oktober 1997 zu mindestens 1 % beteiligt, von Oktober 1997
bis Januar 1998 wegen einer Kapitalerhöhung zu unter 1 % sowie
danach wieder zu mindestens 1 %. Sie hatte im April 1993
Stammeinlagen mit der Verpflichtung zur Zahlung eines Aufgelds
übernommen und sich gleichzeitig zur Gewährung von
Darlehen verpflichtet, die ab Auszahlung mit 8 % bzw. 10 % zu
verzinsen und einschließlich Zinsen spätestens fünf
Jahre nach Auszahlung zur Rückzahlung fällig sein
sollten. Hinsichtlich der Zins- wie
Darlehensrückzahlungsansprüche erklärte sie einen
Rangrücktritt. Mit Auszahlung der Darlehen war die
Klägerin berechtigt, eine Stammkapitalerhöhung der
Gesellschaft und ihre Zulassung zur Übernahme einer neuen
Stammeinlage zu verlangen. Diese Stammeinlage und die Darlehen
wurden in den Jahren 1995 und 1996 gezahlt.
Im August 1996 beteiligte die Klägerin
sich als typisch stille Gesellschafterin ohne Verlustbeteiligung an
der X GmbH. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung
bestand u.a. bei Liquidation der Gesellschaft oder der
Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens. Abgesehen
vom Fall der Liquidation wurde auch für die stille
Gesellschaft ein Rangrücktritt der Klägerin
vereinbart.
Im Januar 1998 wurde eine Erhöhung des
Stammkapitals der Gesellschaft beschlossen. Die Klägerin
übernahm neue Geschäftsanteile gegen Bareinlage.
Im November 1998 wurde die X GmbH
formwechselnd und identitätswahrend in die X AG umgewandelt.
Die stillen Beteiligungsverträge mit bestimmten
Gesellschaftern blieben für die X AG weiter bestehen. Im
September 1999 wurde das Grundkapital erhöht. Die
Klägerin übernahm wieder neue Aktien gegen
Bareinlage.
Am 1.8.2001 wurde über das
Vermögen der X AG das Insolvenzverfahren eröffnet und mit
Beschluss vom 7.7.2003 nach Schlussverteilung abgeschlossen; den
anerkannten Forderungen von 7.648.042 EUR stand eine
verfügbare Masse von 3.820.117 EUR gegenüber.
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr 2003 machten die zusammenveranlagten
Kläger u.a. einen Verlust der Klägerin i.S. von § 17
des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 265.656 EUR
geltend. Rückzahlungen seien weder auf das überlassene
Fremdkapital noch auf das Eigenkapital jemals erfolgt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte zunächst lediglich
einen Auflösungsverlust in Höhe von 64.938 EUR,
erhöhte diesen im Einspruchsverfahren um weitere 38.449 EUR,
qualifizierte aber die von der Klägerin hingegebenen Darlehen
und die stille Einlage nicht als eigenkapitalersetzend.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) entschied, dass keine nachträglichen
Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG vorlägen und die
nur hälftige Berücksichtigung der Auflösungsverluste
der Klägerin nach dem Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG)
verfassungsgemäß sei (EFG 2008, 1602 = SIS 08 36 45).
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts
rügen (§ 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG sowie Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes - GG - ). Insbesondere habe die Klägerin
gezielt trotz ihrer Zwergbeteiligung Finanzierungsverantwortung
übernommen.
Der lediglich hälftige Abzug des
Auflösungsverlusts der Klägerin sei verfassungswidrig. Da
der Verlust auf Ebene der Kapitalgesellschaft nicht
(korrespondierend zur Vor-Belastung) zu einer Vor-Begünstigung
des Gesellschafters führen könne, werde ihm durch das
Halbabzugsverbot ohne Grund verwehrt, seinen tatsächlichen
Aufwand auf die in der Insolvenz verlorenen Geschäftsanteile
zur Gänze steuerlich zu effektuieren. Insoweit werde die vom
Gesetzgeber getroffene Systementscheidung in § 3 Nr. 40 EStG
durch das Halbabzugsverbot widersprüchlich
weiterentwickelt.
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung
vorangegangener Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2003
unter Berücksichtigung des den Klägern entstandenen
Auflösungsverlusts aus der Insolvenz der X AG von 519.579 DM
(= 265.656,52 EUR) neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG sei auch im Verlustfall anzuwenden. Der Gesetzgeber
habe mit dem Verweis auf die nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig
steuerbefreiten Einnahmen lediglich die Unabhängigkeit der
Einnahmen von den Ausgaben in zeitlicher Hinsicht regeln wollen,
nicht aber das Erfordernis, dass im konkreten Fall überhaupt
Einnahmen anfallen müssten. Vielmehr sei der Gesetzgeber von
einer Geltung des Halbabzugsverbots in allen Fällen
ausgegangen, in denen mit der jeweiligen Beteiligung die abstrakte
Möglichkeit der Einnahmenerzielung verbunden sei. Nicht aber
sei eine Privilegierung der Verlustfälle beabsichtigt gewesen.
Die systematische Auslegung des § 3c Abs. 2 EStG gebiete eine
unterschiedliche Behandlung gegenüber § 3c Abs. 1 EStG.
Mit der Anknüpfung an den tatsächlichen Zufluss von
Einnahmen würde der das Halbabzugsverbot tragende
Typisierungsgedanke unterlaufen. Auch Gründe der
Praktikabilität sprächen für eine Anwendung von
§ 3c Abs. 2 EStG auf Fallgestaltungen, in denen
tatsächlich keine Einnahmen erzielt würden. Der konkret
zu entscheidende Fall sei vor dem Hintergrund potenziell
ähnlich gelagerter Fallgestaltungen zu entscheiden.
Einzubeziehen sei auch die künftige Gesetzeslage unter Geltung
der Abgeltungssteuer.
Das beigetretene Landesministerium der
Finanzen unterstützt diese Argumentation, hat aber keinen
Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung und
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Zutreffend hat das FG dem Grunde nach
nachträgliche Anschaffungskosten der Klägerin
abgelehnt.
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG
in der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den
Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der
Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der
Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am
Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1
% beteiligt war. Auflösungsgewinn ist der Betrag, um den der
gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten Vermögens
der Kapitalgesellschaft seine Anschaffungskosten übersteigt
(§ 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 EStG).
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1
Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu
gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die
nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten)
Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung,
wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und
weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind
(ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 4.3.2008 IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575 =
SIS 08 20 30, m.w.N.).
b) Die Grundsätze des
Eigenkapitalersatzes sind auf Finanzierungshilfen eines
Aktionärs in der Regel nur dann sinngemäß
anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der Gesellschaft
hält (BFH-Urteil vom 2.4.2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl
II 2008, 706 = SIS 08 28 65, m.w.N.). Gründe dafür, dass
ihr Aktienbesitz der Klägerin ausnahmsweise in Verbindung mit
weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung
gesichert hätte und sie ein entsprechendes unternehmerisches
Interesse hätte erkennen lassen, sind im Streitfall nicht
festgestellt.
Danach kam den streitigen Finanzierungshilfen
der Klägerin keine eigenkapitalersetzende Funktion zu.
2. Inwieweit das Halbabzugsverbot im
Streitfall anzuwenden ist, kann mangels vom FG festgestellter
Einnahmen aus der Beteiligung nicht entschieden werden.
Gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c
EStG ist die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs.
2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte
abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen
Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben,
Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem
§ 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder
Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur
Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der
Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens
oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs-
oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert
mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen
soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den
zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen
zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom
6.7.2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163 = SIS 05 41 65).
Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen
oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach
§ 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach
§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür,
entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu
berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser steht nicht - wie dies
§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die
hälftige Kürzung verlangt - in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen.
Fließen keine Einnahmen zu, kommt § 3c Abs. 2 Satz 1
EStG nicht zur Anwendung; mithin ist der Erwerbsaufwand in vollem
Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des
Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung
auszuschließen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar ist
nach den finanzgerichtlichen Feststellungen im Zeitpunkt der
Auflösung der X AG von einem gemeinen Wert der Beteiligung der
Klägerin von Null auszugehen. Den Feststellungen des FG ist
indes nicht zu entnehmen, inwieweit die Klägerin durch ihre
Beteiligung an der X AG vermittelte Einnahmen erzielt hat. Dies
wird das FG im zweiten Rechtsgang festzustellen haben.