Bürgschaft für mittelbare Beteiligung, Anschaffungskosten: Die Übernahme von eigenkapitalersetzenden Bürgschaften für eine Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner nur mittelbar beteiligt ist, führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung. - Urt.; BFH 4.3.2008, IX R 78/06; SIS 08 20 30
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr 1999 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hielt seit Dezember 1994 98
Prozent des Stammkapitals der F-GmbH; ab Januar 1999 war er deren
Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer. Die
F-GmbH war ihrerseits zu 50 Prozent an der P-GmbH beteiligt. In den
Jahren 1998 und 1999 übernahm der Kläger für die
P-GmbH zwei Höchstbetragsbürgschaften über insgesamt
300.000 DM. Hieraus wurde der Kläger in Höhe von
insgesamt 144.849,72 DM in Anspruch genommen. Ende Dezember 1999
veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der
F-GmbH.
In seiner Einkommensteuerklärung
für das Streitjahr 1999 machte der Kläger die
Aufwendungen für seine Inanspruchnahme aus den
Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten im
Rahmen des § 17 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes in
der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) geltend. Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
berücksichtigte diese Aufwendungen nicht. Der nach erfolglosem
Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in
EFG 2006, 1837 = SIS 06 43 80, veröffentlichten Urteil
statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Die Aufwendungen des Klägers
aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften für
Verbindlichkeiten der P-GmbH seien nicht als nachträgliche
Anschaffungskosten der F-GmbH zu beurteilen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen des
Klägers für seine Inanspruchnahme aus den
Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten bei der
Ermittlung des Veräußerungsverlusts i.S. des § 17
Abs. 1 und 2 EStG berücksichtigt.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich
beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der
Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 Prozent
unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4
EStG). Veräußerungsgewinn i.S. dieser Vorschrift ist der
Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1
Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu
gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die
nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten)
Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung,
wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und
weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind
(ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 16.4.1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234
= SIS 91 20 21; zu Einlagen und Nachschüssen vgl. BFH-Urteil
vom 12.12.2000 VIII R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234 =
SIS 01 05 19; siehe zum Begriff der nachträglichen
Anschaffungskosten auch Döllerer, FR 1992, 233, 234). Dazu
rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer
Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des §
32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden
Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6.7.1999 VIII R 9/98,
BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26; zu § 32a
Abs. 3 Satz 1 GmbHG: BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 52/93, BFHE
194, 120, BStBl II 2001, 286 = SIS 01 05 20). Maßgebend
dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem
Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute
Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft),
stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen
wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt
(BFH-Urteil in BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26).
2. Im Streitfall waren die Aufwendungen des
Klägers für seine Inanspruchnahme aus den
Bürgschaften weder durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst noch sind die Voraussetzungen einer (mittelbaren)
verdeckten Einlage in das Vermögen der F-GmbH gegeben.
a) Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass
die Bürgschaftsübernahmen im Streitfall bei der P-GmbH
eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt haben können. Die
Eigenkapitalersatzregeln gelten auch für den Kläger als
Gesellschafter-Gesellschafter der P-GmbH. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Grundsätzen der
Kapitalaufbringung und -erhaltung hat auch der
Gesellschafter-Gesellschafter genauso wie der unmittelbare
Gesellschafter für die Aufbringung und Erhaltung des
Stammkapitals einzustehen. Der Gesellschafter-Gesellschafter wird
jedenfalls dann einem Gesellschafter gleichgestellt, wenn er einen
beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann,
etwa aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit (vgl. BGH-Urteil
vom 21.11.2005 II ZR 277/03, NJW 2006, 1283, m.w.N., unter III. 2.
a; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a, 32b
Rz 151). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn
der Kläger konnte aufgrund seiner Beteiligung von 98 Prozent
bzw. 100 Prozent an der F-GmbH auf die F-GmbH als Gesellschafterin
der P-GmbH einen beherrschenden Einfluss ausüben.
b) Die Übernahme von
eigenkapitalersetzenden Bürgschaften für eine
Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner - wie im Streitfall der
Kläger - nur mittelbar beteiligt ist, führt jedoch nicht
zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren)
wesentlichen Beteiligung. Eigenkapitalersetzende
Finanzierungsmaßnahmen bei einer mittelbaren Beteiligung sind
nicht durch das Gesellschaftsverhältnis mit der unmittelbaren
Beteiligungsgesellschaft veranlasst (a.A. Urteil des FG
München vom 21.4.2006 8 K 1923/04, EFG 2006, 1244 = SIS 06 31 88; Dörner in: Die Information über Steuer und Wirtschaft
1999, 646).
aa) Finanzierungsmaßnahmen einer
mittelbaren Beteiligung stehen beim Steuerpflichtigen in keinem
wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften
nach § 17 EStG, da die Veräußerung einer
mittelbaren Beteiligung nicht der Besteuerung nach § 17 EStG
unterliegt. Nur die Veräußerung unmittelbarer
Anteilsrechte erfüllt den Tatbestand des § 17 EStG, wie
der Vergleich von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 4 EStG
zeigt. Eine mittelbare Beteiligung hat allein für die Frage
des Erreichens der Wesentlichkeitsgrenze Bedeutung, da unmittelbare
und mittelbare Beteiligungen - nach Maßgabe der rein
kapitalmäßig zu bestimmenden Anteilsquoten -
zusammenzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9.5.2000 VIII R 41/99,
BFHE 192, 273, BStBl II 2000, 686 = SIS 00 10 74, m.w.N.).
Folgerichtig sind auch Aufwendungen auf die mittelbare Beteiligung
nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des FG ist
deshalb aus dem „Zählwert“ einer
mittelbaren Beteiligung für die Frage der Wesentlichkeit der
unmittelbaren Beteiligung nicht zu folgern, dass
eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen bei einer
mittelbaren Beteiligung steuerrechtlich wie bei einer unmittelbaren
Beteiligung zu behandeln sind.
bb) Eine mittelbare Beteiligung dient
überdies nicht dem Steuerpflichtigen, sondern nur der
unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft zur
Einkünfteerzielung; ein Durchgriff auf diese Gesellschaft
kommt nicht in Betracht.
Eine Kapitalgesellschaft ist ein
selbständiges Steuersubjekt (vgl. § 1 des
Körperschaftsteuergesetzes), das die von ihr aus der
Beteiligung erzielten Einkünfte unabhängig vom
Gesellschafter zu versteuern hat (sog. Trennungsprinzip). Der
Anteilseigner hat unmittelbar keinen Gewinn aus der Tätigkeit
der Kapitalgesellschaft zu versteuern (BFH-Urteil vom 27.3.2007
VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639 = SIS 07 23 57,
m.w.N.). Diese Abschirmung der Vermögenssphäre einer
Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern bewirkt,
dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine
eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht,
die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit
der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und
unabhängig von ihr besteuert werden darf (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21.6.2006 2 BvL 2/99,
BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60, unter C. III. 1. b). Die
(unmittelbare) Beteiligung des Anteilseigners erlangt
steuerrechtlich erst Bedeutung, wenn die Kapitalgesellschaft an ihn
Ausschüttungen vornimmt, die der Gesellschafter dann als
Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern hat, oder
wenn der Gesellschafter seine Beteiligung veräußert und
der Veräußerungsgewinn steuerbar ist.
c) Die Übernahme der Bürgschaften
für die P-GmbH hat auch nicht zu verdeckten mittelbaren
Einlagen in die F-GmbH geführt.
Zwar liegen zwei mittelbare Einlagen vor, wenn
der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft I, welche
Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft II ist, der
Kapitalgesellschaft II Vermögensvorteile gewährt, die
geeignet sind, Gegenstand einer verdeckten Einlage zu sein
(BFH-Urteil vom 9.9.1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II
1987, 257 = SIS 87 05 22). Gegenstand einer verdeckten Einlage kann
jedoch nur eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste
Zuwendung eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils
sein, die nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften
entspricht. Weder durch die Übernahme der Bürgschaft noch
durch die Leistung des Bürgen an den Gläubiger wird das
bilanzierungsfähige Vermögen der Gesellschaft vermehrt
(BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 = SIS 01 65 39, m.w.N.). Auch der Ausfall der Regressforderung aus einer
eigenkapitalersetzenden Bürgschaft führt nicht zu einer
verdeckten Einlage (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2001 VIII R 27/00,
BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733 = SIS 02 05 27).
d) Entgegen der Auffassung des FG sind im
Streitfall die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der
Bürgschaften auch nicht deshalb als nachträgliche
Anschaffungskosten zu beurteilen, weil ein Verzicht des
Klägers auf seine Rückgriffsforderung gegen die F-GmbH
(vgl. § 774 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches)
zu zwei mittelbaren verdeckten Einlagen geführt hätte;
denn diese wären nur in Höhe des Teilwerts der
Forderungen erfolgt (vgl. BFH-Beschluss vom 9.6.1997 GrS 1/94, BFHE
183, 187, BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34). Die
Regressforderungen waren aber nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG wertlos.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Aufwendungen
aus der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften für die
P-GmbH sind nicht als Anschaffungskosten der Beteiligung des
Klägers an der F-GmbH zu berücksichtigen. Die Klage ist
daher abzuweisen.