1
|
I. Die Beteiligten streiten um die Frage,
ob insolvenzbedingt ausgefallene Finanzierungshilfen eines nicht
geschäftsführenden, nicht unternehmerisch an der
Gesellschaft beteiligten Gesellschafters nach den Grundsätzen
des Eigenkapitalersatzrechts zu nachträglichen
Anschaffungskosten führen.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) war im Streitjahr 2007 mit 10 % (= 2.500 EUR) am
Stammkapital einer GmbH beteiligt. Die Finanzierung der 2001
gegründeten GmbH erfolgte u.a. über
Gesellschafterdarlehen. Nach einem Beschluss der Gesellschafter aus
dem Jahr 2002 sollten die Gesellschafterdarlehen „wie
Eigenkapital behandelt werden“. Zudem waren die
Gesellschafterdarlehen „vom jeweiligen Gesellschafter nicht
kündbar“. Die Darlehensrückführung war weiter
nur unter der Voraussetzung möglich, dass u.a. „die
Tilgung der Bankdarlehen nicht gefährdet ist“ und
„der Gewinn des Unternehmens nach Bedienung der Bankdarlehen
den Wert vor Steuern von mindestens 200.000 EUR in dem abgelaufenen
Geschäftsjahr erreicht hat“. Der Kläger
gewährte der GmbH von 2002 bis 2005 mehrere Darlehen über
insgesamt 90.000 EUR. Im Jahr 2006 verzichtete der Kläger
gegen Besserungsschein auf die Darlehen.
|
|
|
3
|
Im August 2007 wurde über das
Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im
Oktober 2007 wurde der Betrieb der GmbH veräußert.
Gewinnausschüttungen an den Kläger waren zu keinem
Zeitpunkt erfolgt.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung 2007 einen
Veräußerungsverlust nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Anwendung des
Halbeinkünfteverfahrens lediglich in Höhe der
hälftigen Stammeinlage (= 1.250 EUR). Zudem verständigten
sich die Beteiligten darüber, dass ein
Veräußerungsverlust im Streitjahr 2007 zu
berücksichtigen sei. Weitere nachträgliche
Anschaffungskosten wurden unter Hinweis auf das
Kleinanlegerprivileg in § 32a Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F.
(GmbHG a.F.) abgelehnt, da der Kläger nur zu 10 % am
Stammkapital der GmbH beteiligt und nicht zur
Geschäftsführung befugt war.
|
|
|
5
|
Im anschließenden Einspruchsverfahren
erkannte das FA einen Auflösungsverlust in Höhe von 2.500
EUR an. Weitere nachträgliche Anschaffungskosten wurden unter
Hinweis auf das Kleinanlegerprivileg nicht
berücksichtigt.
|
|
|
6
|
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. In
seiner in EFG 2014, 134 = SIS 14 02 47 veröffentlichten
Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Darlehen
des Klägers seien als funktionelles Eigenkapital einzuordnen
und führten in Höhe von 90.000 EUR zu nachträglichen
Anschaffungskosten. Der Kläger habe bestimmt, dass seine
Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital behandelt werden sollten
und nicht kündbar seien. Zudem sei eine
Darlehensrückführung u.a. nur dann möglich, wenn die
Tilgung der Bankdarlehen nicht gefährdet sei und der Gewinn
des Unternehmens eine bestimmte Höhe erreiche. Auch habe der
Kläger in 2006 auf seine Darlehensforderungen gegen
Besserungsschein verzichtet.
|
|
|
7
|
Mit seiner Revision rügt das FA die
fehlerhafte Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1
EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB)
und des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. Die steuerliche
Berücksichtigung von Finanzierungshilfen und damit die
Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten
i.S. des § 17 EStG richte sich nach den zivilrechtlichen
Grundsätzen des Eigenkapitalersatzrechts. Nach § 32a Abs.
3 Satz 2 GmbHG a.F. gälten die Regelungen über den
Eigenkapitalersatz nicht für den nicht
geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10 % oder
weniger am Nennkapital beteiligt sei. Insoweit sei der
Gesellschafter wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Daher
führten insolvenzbedingt ausgefallene Finanzierungshilfen
eines nicht geschäftsführenden und mit nicht mehr als 10
% am Stammkapital der GmbH beteiligten Gesellschafters nicht zu
nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. Dies gelte
unabhängig davon, ob die hingegebenen Darlehen als
Finanzplandarlehen einzuordnen seien oder nicht.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
des FG Münster für das Streitjahr 2007 aufzuheben, soweit
es nachträgliche Anschaffungskosten aus dem Verlust von
Finanzierungshilfen nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG als
funktionales Eigenkapital in Höhe von 90.000 EUR zulässt
und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
Er weist darauf hin, dass die Darlehen im
Rahmen eines Finanzplans krisenunabhängig zur
Kapitalausstattung der Gesellschaft hingegeben worden seien. Die
Vorschriften des Eigenkapitalersatzrechts fänden auf
Finanzplankredite keine Anwendung.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Das FG hat zutreffend den Ausfall der Darlehen
als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des
Auflösungsverlusts des Klägers gemäß § 17
Abs. 1, 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG berücksichtigt. Dass der
Kläger nur mit 10 % an der Gesellschaft beteiligt war, nicht
Geschäftsführer war und damit unter das
Kleinanlegerprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F.
fällt, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger hatte
von vornherein mit der Gesellschaft vereinbart, die Darlehen wie
„Eigenkapital“ und damit im Insolvenzfall nur
nachrangig zu behandeln und somit auf seine insolvenzrechtliche
Privilegierung verzichtet.
|
|
|
13
|
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb - unter
weiteren hier nicht problematischen Voraussetzungen - auch der
Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.
Entsprechendes gilt für einen Auflösungsverlust als dem
Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der
Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen
Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach §
17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen
Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder
zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft
übersteigen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
- BFH -, vgl. zuletzt Urteil vom 20.8.2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013,
1783 = SIS 13 27 98, m.w.N.).
|
|
|
14
|
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1
Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach §
255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen
Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten
einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch
nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch
das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu
in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden
Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der
Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein
Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.) und diese
Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat.
Das gleiche gilt, wenn eine Finanzierungsmaßnahme
krisenbestimmt ist. Dies ist der Fall, wenn die zur Aufnahme der
Geschäfte notwendige Finanzausstattung der Gesellschaft durch
eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll
und die Maßnahme von vornherein als Krisenfinanzierung
ausgelegt ist, der Gesellschafter sich also verpflichtet hat, das
Darlehen auch in der Krise der Gesellschaft stehen zu lassen und
dass die Darlehensforderung im Rang hinter die Forderungen der
übrigen Gesellschaft zurückzutreten hat. Das Darlehen ist
in diesem Fall nicht einseitig vom Gesellschafter kündbar
(vgl. zum Begriff des krisenbestimmten Darlehens BFH-Urteile vom
7.12.2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778 = SIS 11 12 42, unter
II.2.b, und vom 25.5.2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029 = SIS 11 36 42, unter II.1.a). Fehlt es an der zivilrechtlichen Voraussetzung
des Eigenkapitalersatzes, hat das Darlehen nicht die Funktion von
Eigenkapital und der Gesellschafter ist wie jeder
Drittgläubiger zu behandeln. Das Einkommensteuerrecht
respektiert die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft
nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu
stellen. Das (objektive) Nettoprinzip wird durch den Grundsatz
eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des
Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht
berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung, vgl.
zuletzt BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1783 = SIS 13 27 98,
m.w.N.).
|
|
|
15
|
Ist ein nicht geschäftsführender
GmbH-Gesellschafter zu 10 % oder weniger am Stammkapital der GmbH
beteiligt, gelten die Regeln über den Eigenkapitalersatz nach
§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. grundsätzlich nicht.
Gewährt er ein Darlehen und fällt mit seinem
Rückzahlungsanspruch insolvenzbedingt aus, führt dies
grundsätzlich nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten
seiner Beteiligung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1783 = SIS 13 27 98; vom 2.4.2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706 =
SIS 08 28 65; vom 25.6.2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II
2010, 220 = SIS 09 28 49, und vom 8.2.2011 IX R 53/10, GmbHR 2011,
721 = SIS 11 18 97; ebenso Blümich/Vogt, § 17 EStG Rz
623; Heuermann, DStR 2008, 2089, 2092 f.; Pung/Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG und EStG,
§ 17 EStG, Rz 318; anderer Ansicht Schmidt/Weber-Grellet,
EStG, 32. Aufl., § 17 Rz 172; Eilers/R. Schmidt in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 201a; Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 300).
|
|
|
16
|
Allerdings können auch bei einer nicht
unternehmerischen Beteiligung besondere Umstände für die
Veranlassung einer Finanzierungshilfe durch das
Gesellschaftsverhältnis sprechen (vgl. Bode, FR 2008, 1117,
1119). Dies kann dann der Fall sein, wenn der mit 10 % oder weniger
beteiligte Gesellschafter von vornherein erklärt, sein
Darlehen wie Eigenkapital zu behandeln und dieses im Insolvenzfall
nur nachrangig zu behandeln. In diesem Fall übernimmt das
Darlehen die Funktion von Eigenkapital und es wird im Insolvenzfall
nicht anders behandelt als die Darlehen der unternehmerisch
beteiligten Gesellschafter (vgl. Watermeyer, Der GmbH-Steuerberater
1999, 193, 195, 197; Groh, FR 2008, 264, 267;
Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz 172; Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 17 Rz C 305; vgl.
für den Darlehensverzicht Vogt, DStR 2001, 1881, 1882; anderer
Ansicht Gschwendtner, DStR-Beihefter zu Heft 32/1999, 5). Der
Gesellschafter entscheidet sich in diesem Fall bewusst gegen eine
Fremdkapital- und für eine (funktionale)
Eigenkapitalfinanzierung. Insoweit wird auch im zivilrechtlichen
Schrifttum die Auffassung vertreten, ein mit 10 % oder weniger
beteiligter Gesellschafter unterfalle nicht dem
Kleinanlegerprivileg, wenn er freiwillig auf seine Privilegierung
verzichtet (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 32a/b
Rz 180 i.V.m. Rz 66; Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., §
32b Rz 208; Habersack, in: Ulmer, GmbHG, § 32a/b, Rz 197,
237).
|
|
|
17
|
Dass die Regelung des § 32a Abs. 3 Satz 2
GmbHG a.F. die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts
zivilrechtlich ausschließt und insoweit den Gesellschafter
mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger im Insolvenzverfahren
gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, steht einer
steuerlichen Berücksichtigung des Darlehensausfalls als
nachträgliche Anschaffungskosten in diesem Fall nicht
entgegen. Unabhängig davon, ob die Vorschrift im Hinblick auf
ihren Charakter als Gläubigerschutzvorschrift abdingbar ist,
kann die zivilrechtliche Privilegierung nach § 41 Abs. 1 Satz
1 der Abgabenordnung steuerlich unbeachtlich sein, wenn die am
Insolvenzverfahren Beteiligten aufgrund der Vereinbarungen den
Gesellschafter wirtschaftlich wie einen mit mehr als 10 %
beteiligten Gläubiger und die Forderungen des Gesellschafters
im Insolvenzverfahren wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen
behandeln.
|
|
|
18
|
2. Daran gemessen sind dem Kläger hier
infolge des insolvenzbedingten Ausfalls der Darlehen
nachträgliche Anschaffungskosten entstanden.
|
|
|
19
|
Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen und damit den BFH bindenden (vgl. § 118 Abs. 2
FGO) Feststellungen des FG hatte der Kläger bereits im Rahmen
der Gründung und Finanzierung der GmbH erklärt, dass
seine Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital behandelt werden
sollten und auch im Krisenfall nicht gekündigt werden konnten.
Vielmehr hing die Rückführung der Darlehen u.a. davon ab,
dass „die Tilgung der Bankdarlehen nicht gefährdet
ist“ und „der Gewinn des Unternehmens nach
Bedienung der Bankdarlehen den Wert vor Steuern von mindestens
200.000 EUR in dem abgelaufenen Geschäftsjahr erreicht
hat“. Zudem hat der Kläger auch 2006 gegen
Besserungsschein auf seine Forderungen verzichtet. Die zur
Geschäftsaufnahme notwendige Finanzausstattung sollte daher
nach dem Willen und der tatsächlichen Durchführung
seitens des Klägers und der übrigen Gesellschafter durch
eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden und
war vom Zeitpunkt der Darlehenshingabe auf eine Krisenfinanzierung
hin ausgelegt. Der Kläger sollte nach dem Inhalt der
getroffenen Vereinbarungen im Fall der Insolvenz wie ein mit mehr
als 10 % beteiligter Gesellschafter behandelt werden.
|
|
|
20
|
Tatsächlich sind nach den Feststellungen
des FG die Darlehen des Klägers in der Insolvenz der
Gesellschaft auch wie Eigenkapital und damit als nachrangige
Forderungen behandelt worden. Die Beteiligten haben die Forderungen
des Klägers im Insolvenzverfahren abredegemäß wie
ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandelt und damit das
wirtschaftliche Ergebnis einer Behandlung wie Eigenkapital
eintreten und gegen sich gelten lassen. Da die am
Insolvenzverfahren Beteiligten den Kläger somit wirtschaftlich
einem mit mehr als 10 % beteiligten Gläubiger gleichgestellt
und das Zwerganteilsprivileg und die damit verbundene
insolvenzrechtliche Privilegierung in tatsächlicher Hinsicht
nicht zur Anwendung haben kommen lassen, steht die Regelung des
§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. der steuerlichen
Berücksichtigung des Darlehensausfalls als nachträgliche
Anschaffungskosten nicht entgegen.
|