Baumschule, Einpflanzungen, USt-Satz: Übernimmt der Betreiber einer Baumschule auf Wunsch eines Teils seiner Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen, können die (dem ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung der Pflanzen und das (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einpflanzen umsatzsteuerrechtlich jeweils selbständige Leistungen sein (entgegen BMF in BStBl 2004 I S. 638, 646 f. = SIS 04 30 50 Rz 35 Nr. 1 Abs. 1 und Rz 41). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 4.2.2010, IV D 2 - S 7221/09/10001, BStBl 2010 I S. 214 = SIS 10 00 58) - Urt.; BFH 25.6.2009, V R 25/07; SIS 09 26 35
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) betreibt eine Baumschule. Er übernahm in den
Jahren 1998 bis 2000 (Streitjahre) auf Wunsch seiner Kunden auch
das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen. Ca. 20 % seines
Umsatzes aus Pflanzenverkauf waren mit Einpflanzarbeiten verbunden,
wobei der Pflanzenpreis regelmäßig höher war als
der nach dem Zeitaufwand berechnete Arbeitslohn. In den Rechnungen
wies der Kläger die Lieferungen der Pflanzen unter Ansatz des
ermäßigten Umsatzsteuersatzes (§ 12 Abs. 2 Nr. 1
des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 - UStG - i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der
Anlage zum UStG) und die Pflanzarbeiten unter Ansatz des
Regelsteuersatzes (§ 12 Abs. 1 UStG) gesondert aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) war dagegen im Anschluss an eine
Außenprüfung der Auffassung, dass es sich hier um
einheitliche Leistungen in Form von Werklieferungen handele und die
Aufteilung in begünstigte Pflanzenlieferungen einerseits und
nichtbegünstigte Pflanzarbeiten andererseits dem Grundsatz der
Einheitlichkeit der Leistung widerspreche. Das FA wendete
dementsprechend in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden
für die Jahre 1998 bis 2000 vom 23.8.2002 auch auf die
Umsätze, bei denen der Kläger die gekauften Pflanzen auf
Wunsch seiner Kunden eingepflanzt hatte, den allgemeinen Steuersatz
an.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene
Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung u.a. aus, bei Gesamtwürdigung aller
Umstände des Einzelfalls seien aus Sicht des
Durchschnittsverbrauchers die Pflanzenlieferung einerseits und die
sonstige Leistung des Einpflanzens andererseits als zwei
selbständige Leistungen zu beurteilen und wie vom Kläger
vorgenommen zu besteuern.
Das Urteil ist in EFG 2006, 1708 = SIS 06 32 96 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts und macht dazu geltend:
Das FG verkenne den Grundsatz der
Einheitlichkeit der Leistung mit der Folge, dass im konkreten
Streitfall zu Unrecht eine einheitliche Werklieferung, die nicht
dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 1
UStG i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG unterliege, in eine
dem ermäßigten Steuersatz zugrunde liegende Lieferung
und eine dem Regelsteuersatz zugrunde liegende sonstige Leistung
aufgeteilt worden sei.
Das Interesse eines
Durchschnittsverbrauchers, der Pflanzen in einer Baumschule erwerbe
und der Baumschule den Auftrag gebe, diese fachgerecht
anzupflanzen, sei anders zu beurteilen als das Interesse eines
Durchschnittsverbrauchers, der in einem Bau- oder Gartenmarkt
lediglich Pflanzen erwerbe. Nur im letzten Fall sei das Interesse
des Durchschnittsverbrauchers auf die bloße Verschaffung der
Verfügungsmacht an einem Gegenstand gerichtet. Im ersten Fall
beschränke sich die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers
jedoch nicht auf die bloße Verschaffung der
Verfügungsmacht an der Pflanze. Der Durchschnittsverbraucher
wolle von der Baumschule auch keine zusätzliche Dienstleistung
in Form des Anpflanzens einkaufen. Sein Interesse sei auf das
erfolgreiche Anwachsen der ausgesuchten Pflanzen gerichtet; aus
seiner Sicht sei die eingekaufte Leistung damit nicht aufteilbar.
Der Pflanzenkauf hätte für ihn keinerlei Wert, wenn die
Pflanze nicht erfolgreich anwachsen würde.
Aus diesem Grunde unterscheide sich der
vorliegende Sachverhalt auch von dem „Einsaaturteil“
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9.10.2002 V R 5/02 (BFHE 200, 135,
BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03). Denn in dem hier vorliegenden
Fall seien lebende Pflanzen Gegenstand des
Umsatzsteuergeschäftes, die bei unsachgemäßer
Handhabung oder falscher Anpflanzung viel schneller absterben
würden als reines Saatgut. Zum anderen unterschieden sich die
Durchschnittsverbraucher. Ein Landwirt, der Saatgut erwerbe, werde
regelmäßig selbst in der Lage sein, dieses fachgerecht
anzusäen. Einem Besitzer eines Einfamilienhauses, der einen
Baum im Wurzelballen erwerbe, fehle regelmäßig das
entsprechende Fachwissen. Deshalb sei Letzterem eben aus seiner
Sicht an einer einheitlichen „Rundumversorgung“ durch
die Baumschule gelegen.
Für diese Sichtweise sprächen
auch die Ausführungen in Rz 41 des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5.8.2004 IV B 7 - S 7220
- 46/04 (BStBl I 2004, 638, 646 f. = SIS 04 30 50).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen des FA
entgegen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet;
sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für Lieferungen
der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände. In Nrn. 6
bis 9 der Anlage zum UStG sind u.a. Pflanzen aufgeführt, um
die es im Streitfall geht.
2. Die Lieferung der Pflanzen und das
Einpflanzen als sonstige Leistung stellen entgegen der Auffassung
des FA keine einheitliche Leistung dar. Es handelt sich vielmehr um
zwei selbständige Leistungen, die getrennt zu beurteilen sind,
wie das FG zu Recht entschieden hat.
a) Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind
Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er einen
Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand
zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige
Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG
Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Dies entspricht Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs.
1 der in den Streitjahren geltenden Sechsten Richtlinie des Rates
vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG). Danach gilt als Lieferung eines Gegenstands die
Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Art.
5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist (Art. 6 Abs. 1
der Richtlinie 77/388/EWG).
b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der sich der BFH
angeschlossen hat, gelten für die im Streitfall entscheidende
Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende
Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende
Grundsätze (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17.4.2008 V R 39/05,
BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.2.b, m.w.N.):
Jeder Umsatz ist in der Regel als
eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten;
allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im
Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht
künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die
charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln,
um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger
mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche
Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.
Eine einheitliche Leistung liegt danach
insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die
Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen
Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der
Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer
Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den
Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern
das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter
optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer
für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen
vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden
sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche
Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd
wäre.
c) Das FG ist von der Rechtsprechung des EuGH
und des BFH zu der Frage, unter welchen Bedingungen mehrere
zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu
behandeln sind, ausgegangen. Seine Entscheidung, eine einheitliche
Leistung im Streitfall zu verneinen, ist zutreffend.
aa) Das FG hat ausgeführt, das
Einpflanzen, das für sich allein als sonstige Leistung zu
werten sei, verliere durch die vorhergehende Pflanzenlieferung
nicht seine Selbständigkeit. Das Interesse des Verbrauchers,
der Pflanzen in einer Baumschule oder in einem Gartencenter
erwerbe, richte sich in erster Linie auf die Erlangung der
Verfügungsmacht über die Pflanzen. Dies werde belegt
durch das Verhältnis der Umsätze des Klägers aus
reinen Pflanzenlieferungen (80 %) und der Umsätze aus
Pflanzenlieferung verbunden mit Pflanzarbeiten (20 %). Das Angebot
des Einpflanzens stelle sich als naheliegendes Zusatzangebot dar.
Nehme der Verbraucher dieses Zusatzangebot wahr, verliere er
deswegen nicht sein primäres Interesse an der
Pflanzenlieferung. Es trete vielmehr ein weiteres Interesse in
Gestalt einer sachgemäßen Einpflanzung hinzu. Aus Sicht
des Verbrauchers bestehe die Leistung des Klägers nicht in der
Lieferung eines eingepflanzten Baumes oder Busches, sondern in der
Erbringung zweier selbständiger Leistungen. Denn es gehe weder
die sonstige Leistung des Einpflanzens in der Pflanzenlieferung
noch die Pflanzenlieferung in dieser sonstigen Leistung auf. Es
werde auch nicht etwas selbständiges
„Drittes“ im Sinne beispielsweise einer
gärtnerischen Anlage unter Verwendung von Pflanzen geschaffen.
Dass die streitgegenständlichen Pflanzarbeiten mit der
Errichtung einer Gartenanlage entsprechend einem Gesamtkonzept
durch den Kläger zusammenhingen, sei weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich.
Das Einpflanzen stelle weder
üblicherweise eine Ergänzung der Hauptleistung dar noch
werde es üblicherweise stets mit der Hauptleistung angeboten
und ausgeführt, so dass es auch nicht als bloße
Nebenleistung zur Pflanzenlieferung mit der Folge der
ermäßigten Besteuerung der gesamten Leistung angesehen
werden könne. Der Käufer der Pflanzen entscheide vielmehr
im Einzelfall, ob er die in der Baumschule gekauften Pflanzen
selbst einpflanze und ob er den Kläger oder einen fremden
Dritten mit der Bepflanzung beauftrage.
bb) Aus diesen zutreffenden Ausführungen
des FG folgt zum einen, dass die Lieferung der Pflanzen und das
nachfolgende Einpflanzen nicht so eng miteinander verbunden sind,
dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung
bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. dazu
z.B. EuGH-Urteile vom 27.10.2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005,
I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01 Rdnrn. 22 bis 25;
vom 29.3.2007 Rs. C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697,
BFH/NV Beilage 2007, 293 = SIS 07 14 87 Rdnrn. 23 bis 26).
(1) Dem EuGH-Urteil Levob in Slg. 2005,
I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01 lag ein Fall
zugrunde, in dem ein Unternehmer einem Verbraucher eine zuvor
entwickelte und in den Verkehr gebrachte, auf einem
Datenträger gespeicherte Standard-Software überlassen und
anschließend an die besonderen Bedürfnisse dieses
Erwerbers angepasst hatte (vgl. Leitsatz 2 des Urteils).
Der EuGH führte dazu aus, der
wirtschaftliche Zweck dieses Umsatzes liege darin, dass ein
Steuerpflichtiger einem Verbraucher eine spezielle an dessen
Bedürfnisse angepasste einsatzfähige Software
überlasse. Insoweit wäre es wirklichkeitsfremd,
anzunehmen, dass ein solcher Verbraucher bei ein und denselben
Lieferanten zunächst eine bestehende Software erworben habe,
die in diesem Zustand jedoch für seine wirtschaftliche
Tätigkeit nutzlos sei, und erst später die Anpassungen,
die diese Software erst nützlich werden ließen (Rdnr.
24).
Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar,
denn die (bloße) Lieferung der Pflanzen - ohne das
nachfolgende Einpflanzen durch den Kläger - war für die
Kunden nicht nutzlos; sie konnten das Einpflanzen - wie das in ca.
80 % der Fälle geschah - entweder selbst vornehmen oder damit
einen Dritten beauftragen.
(2) Im EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg.
2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 = SIS 07 14 87 ging es um
die Veräußerung eines verlegten und
funktionstüchtigen unterseeischen Glasfaserkabels zwischen
Schweden und einem anderen Mitgliedstaat der EU, die nach Abschluss
der Installation und der probeweisen Inbetriebnahme stattfinden
sollte (Rdnrn. 12 bis 14, 24). Die Verlegung des Kabels erforderte
die Anwendung komplexer technischer Verfahren, machte den Einsatz
von Spezialausrüstung notwendig, verlangte spezifische
Sachkunde und war bei einer Leistung solchen Ausmaßes mit der
Lieferung des Gegenstands nicht nur untrennbar verbunden, sondern
auch für den weiteren Einsatz und die weitere Nutzung des
Gegenstands unerlässlich (Rdnr. 29).
Hierzu führte der EuGH aus, alle
Einzelleistungen seien zum einen zur Verwirklichung des Umsatzes
erforderlich und zum anderen eng miteinander verbunden; unter
diesen Voraussetzungen wäre es wirklichkeitsfremd, anzunehmen,
dass der Kunde zunächst das Glasfaserkabel erwerbe und dann
bei denselben Lieferanten die mit der Verlegung dieses Kabels
zusammenhängenden Dienstleistungen (Rdnr. 24) bestelle.
Damit ist der vorliegende Streitfall nicht
vergleichbar, weil hier die Einzelleistungen „Lieferung
der Pflanzen“ und „Einpflanzen“ nicht
zur Verwirklichung des geschuldeten Umsatzes erforderlich und eng
miteinander verbunden waren; sie waren vielmehr trennbar.
cc) Zum anderen lag im Streitfall kein
Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung vor (vgl dazu z.B.
BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.3.).
Denn das Einpflanzen der gelieferten Pflanzen
erfüllte einen eigenen Zweck und stellte nicht nur das Mittel
dar, um die Lieferung der Pflanzen unter optimalen Bedingungen in
Anspruch zu nehmen. Die Pflanzenlieferung war bereits vom Preis her
so gewichtig, dass sie nicht in einer einheitlichen Dienstleistung
aufgeht. Umgekehrt hat auch das Einpflanzen für den Kunden
eine derartige Bedeutung, dass es keine bloße Nebenleistung
zur Pflanzenlieferung ist. Im Übrigen mussten die gelieferten
Pflanzen nicht zwingend vom Kläger, dem Lieferer, eingepflanzt
werden.
dd) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem
Senatsurteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03.
Nach diesem Urteil darf ein Unternehmer, der
einem Landwirt Saatgut liefert und es einsät, die (dem
ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung des
Getreides und die (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einsaat
jedenfalls dann getrennt abrechnen, wenn die Saatgutlieferung
bereits vom Preis her so gewichtig ist, dass sie nicht in einer
einheitlichen Dienstleistung aufgeht und umgekehrt auch die Einsaat
für den Landwirt eine derartige Bedeutung hat, dass sie keine
bloße Nebenleistung zur Saatgutlieferung ist (vgl. unter
II.3.d der Gründe). Dieser Rechtsprechung hat sich die
Finanzverwaltung angeschlossen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004,
638, 646 = SIS 04 30 50, 654 Rz 35, Nr. 1 Abs. 4 Rz 62; Abschn. 29
Abs. 4 Satz 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 2005/2008).
Die Grundsätze dieses Urteils sind auch
im vorliegenden Streitfall anwendbar, in dem nach den
Feststellungen des FG der Pflanzenpreis regelmäßig
höher war als der nach dem Zeitaufwand berechnete
Arbeitslohn.
Dem Verhältnis zwischen dem Preis des
Gegenstands und dem der Dienstleistungen darf zwar allein keine
ausschlaggebende Bedeutung für die Frage zukommen, ob zwei
getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung; es
ist aber eine objektive Gegebenheit, die einen Anhaltspunkt
für die Beurteilung geben kann.
Davon ist der EuGH im Rahmen der Beurteilung
der Frage ausgegangen, ob eine einheitliche Leistung als Lieferung
eines Gegenstands oder als Dienstleistung einzustufen ist (vgl.
EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage
2007, 293 = SIS 07 14 87 Rdnr. 37). Diese Erwägung des EuGH
gilt aber auch für die hier zu beurteilende Frage - die
vorrangig zu klären ist (vgl. EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in
Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 = SIS 07 14 87 Rdnr.
21) -, ob zwei getrennte Leistungen vorliegen oder eine
einheitliche Leistung.
Soweit das FA ausführt, der im Streitfall
vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von dem Sachverhalt, der
dem BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03
zugrunde liege, weil vorliegend lebende Pflanzen Gegenstand des
Umsatzes seien, die bei unsachgemäßer Handhabung oder
falscher Anpflanzung viel schneller absterben würden als
reines Saatgut, vermag der Senat dem keinen
entscheidungserheblichen Unterschied beizumessen. Auch der ferner
vom FA herausgestellte Unterschied im Sachverhalt, dass ein
Landwirt, der Saatgut erwerbe, regelmäßig selbst in der
Lage sein werde, dieses fachgerecht anzusäen, spricht nicht
gegen die Heranziehung der Grundsätze im BFH-Urteil in BFHE
200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03. Denn in dem dort
entschiedenen Fall ging es - wie sich aus dem Tatbestand dieses
Urteils ergibt - um die Einsaat zuvor gelieferten Saatguts mittels
einer Maisdrillmaschine, einem Spezialgerät, das wegen seines
Anschaffungspreises (ca. 25.000 DM) nur von wenigen Landwirten
vorgehalten wurde.
ee) Das FG ist ferner zutreffend davon
ausgegangen, dass der vorliegende Streitfall nicht mit
Grabpflegeleistungen zu vergleichen ist.
Grabpflegeleistungen sind
regelmäßig als einheitliche sonstige Leistungen zu
beurteilen, bei denen der Lieferung von Pflanzen kein
selbständiger rechtlicher Gehalt zukommt (vgl. BFH-Urteil vom
21.6.2001 V R 80/99, BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810 = SIS 01 12 10, unter II.1.a bb; BFH-Beschluss vom 26.8.2004 V B 196/03, V S
6/04, BFH/NV 2004, 1677 = SIS 04 40 91; BFH-Urteil vom 31.5.2007 V
R 5/05, BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202 = SIS 07 34 57, unter
II.2.b).
Dafür ist aus der maßgebenden Sicht
des Durchschnittsverbrauchers von Bedeutung, dass durch die
Vereinbarung einer „Grabpflege“ der
Auftragnehmer in der Regel das jeweilige Grab durch
Dienstleistungen in einen würdigen und der Jahreszeit
gemäßen Zustand versetzen und zur Unterstützung des
Dienstleistungserfolgs auch Pflanzen verwenden soll (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810 = SIS 01 12 10,
unter II.1.a bb).
Darum geht es im Streitfall nicht (vgl auch
BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03,
unter II.3.d).
ff) Der Senat folgt dem FG auch insoweit, als
es ausgeführt hat, die Pflanzenlieferung einerseits und das
Einpflanzen als sonstige Leistung andererseits ließen sich
regelmäßig ohne Schwierigkeiten in eine dem
ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung
(§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum
UStG) und in eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige
Leistung (§ 12 Abs. 1 UStG) trennen (vgl. dazu BFH-Urteil in
BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03, unter
II.3.d).
gg) Der Senat hält schließlich auch
die Erwägung des FG für zutreffend, dass es für den
Durchschnittsverbraucher nicht verständlich sei, wenn der
für die Pflanzenlieferung anzuwendende Steuersatz davon
abhinge, wer die Pflanzen später einpflanze.
3. Die Einwendungen des FA rechtfertigen kein
anderes Ergebnis.
a) Soweit sich das FA auf den
„Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung“
beruft, ist zweifelhaft, ob ein solcher Grundsatz mit der - unter
II.2.b dargelegten - neueren Rechtsprechung des EuGH und BFH
vereinbar wäre. Denn danach ist - jedenfalls im Ausgangspunkt
- jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung
zu betrachten (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 200, 135, BStBl II
2004, 470 = SIS 03 09 03, unter II.3.c; Abschn. 29 Abs. 2 Satz 1
UStR 2005/2008).
Überdies hat der BFH zum Grundsatz der
Einheitlichkeit der Leistung ausgeführt, zusammengehörige
Vorgänge könnten nicht allein deshalb als einheitliche
Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen
(wirtschaftlichen) Ziel dienten. Wenn mehrere, untereinander gleich
zu wertende Faktoren zur Erreichung dieses Zieles beitrügen
und aus diesem Grunde zusammen gehörten, sei die Annahme einer
einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen
Faktoren so ineinander greifen würden, dass sie bei
natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen
zurückträten (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.1980 V B
24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197 = SIS 81 09 22, m.w.N.;
ebenso Abschn. 29 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 UStR 2005/
2008).
Diese Voraussetzungen liegen - wie dargelegt -
im Streitfall nicht vor.
b) Das FA beruft sich auch ohne Erfolg auf
§ 3 Abs. 4 UStG.
aa) Diese Vorschrift lautet: „Hat der
Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands
übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst
beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen
(Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten
oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die
Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden
werden.“
bb) § 3 Abs. 4 UStG findet in der
Richtlinie 77/388/EWG keine Parallele (vgl. dazu BFH-Urteil vom
9.6.2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64, unter II.2.b) und ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. dazu
z.B. BFH-Urteil in BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64).
Schon deshalb ist der Auffassung des FA und
des BMF im Schreiben in BStBl I 2004, 638, 646 f. = SIS 04 30 50 Rz
35, Nr. 1 Abs. 1 und Rz 41 nicht zu folgen, wonach eine dem
ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung
nicht vorliege, wenn außer dem Verpacken und Befördern
bzw. Versenden der Ware weitere Tätigkeiten, die ihrer Art
nach sonstige Leistungen seien (z.B. das Einsetzen der Pflanze in
das Erdreich und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten)
erbracht würden; in diesen Fällen bestehe diese gesamte
Leistung in einer Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG), die dem
allgemeinen Steuersatz unterliege.
Dies widerspricht den unter II.2.b dargelegten
Abgrenzungsgrundsätzen des EuGH und des BFH.
c) Soweit das FA ferner vorträgt, der
Durchschnittsverbraucher wolle von der Baumschule keine
zusätzliche Dienstleistung in Form des Anpflanzens einkaufen,
sein Interesse sei auf das erforderliche Anwachsen der ausgesuchten
Pflanzen gerichtet, aus seiner Sicht sei die eingekaufte Leistung
damit nicht aufteilbar, greift es lediglich die nach den
Umständen des Streitfalls vertretbare und rechtlich nicht zu
beanstandende Würdigung des FG an.
Revisionsrechtlich beachtliche
Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat
das FA damit nicht vorgebracht (vgl. auch BFH-Urteil vom 24.1.2008
V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 = SIS 08 14 79, unter
II.2.c bb).