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I. Streitig ist der Ort der von der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im
Streitjahr 2001 erbrachten Leistungen.
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Die Klägerin, eine GmbH, betreibt nach
ihrem Unternehmensgegenstand die Warenprüfung jeglicher Art im
nationalen und internationalen Warenverkehr hinsichtlich
Quantität und Qualität. Vom zuständigen Hauptzollamt
wurde sie auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 5 Buchst. a der
gemeinsamen Durchführungsvorschriften für die
Ausfuhrerstattung bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Art.
1 der Verordnung (EG) 800/1999 - VO - ) als Kontroll- und
Überwachungsgesellschaft (KÜG) zugelassen.
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Bei bestimmten landwirtschaftlichen
Erzeugnissen wird auf Grundlage des Unionsrechts eine
Ausfuhrerstattung gewährt. Hierfür muss der Exporteur der
Erzeugnisse unter anderem die Ausfuhr nachweisen und in manchen
Fällen zusätzlich die Einfuhr der Erzeugnisse in das
Drittland innerhalb einer bestimmten Frist belegen. Der Nachweis
der Einfuhr in das Drittland kann unter anderem erbracht werden,
indem die „Bescheinigung über die Entladung und
Einfuhr“ einer KÜG vorgelegt wird.
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Um dem beauftragenden Exporteur diese
Bescheinigung ausstellen zu dürfen, hat eine KÜG zu
prüfen, ob die Einfuhrzollförmlichkeiten für die
Erzeugnisse erfüllt worden sind (Art. 15 Abs. 3, Art. 16 Abs.
1 VO). Es sind dafür im Drittland zum Zeitpunkt der Einfuhr
der Erzeugnisse alle Kontrollen durchzuführen, die
erforderlich sind, um „Art, Beschaffenheit und Menge der in
der Bescheinigung genannten Erzeugnisse zu ermitteln“ (Art.
16 Abs. 5 Buchst. b VO).
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Jede Auftragsabwicklung läuft nach den
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in der Weise ab, dass am
Geschäftssitz der Klägerin in X Arbeitsanweisungen
für die im Einfuhrstaat durchzuführenden Kontrollen
erstellt werden. Die Kontrollen erfolgen bei der Einfuhr im
Drittstaat. Bei jeder Kontrolle wird ein Prüfprotokoll in der
Landessprache des jeweiligen Einfuhrstaats abgefasst. Die
Protokolle werden am Geschäftssitz der Klägerin
übersetzt und in die nach den Vorschriften der VO
vorgeschriebene Form gebracht, wobei inhaltliche Änderungen an
den Originalprotokollen nicht vorgenommen werden dürfen.
Anschließend stellt die Klägerin die Bescheinigung
aus.
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Streitig ist zwischen den Beteiligten
ausschließlich noch die Behandlung von 5 % der
Gesamtumsätze des Streitjahres 2001 (Nettoumsätze in
Höhe von ... DM). Diese entfielen auf Aufträge, in denen
die Vor- und Nachbereitung der Kontrolluntersuchungen am Sitz der
Klägerin, die Kontrolluntersuchungen im Drittland durch freie
Mitarbeiter der Klägerin durchgeführt wurden oder
hierfür andere Kontrollgesellschaften von der Klägerin
beauftragt worden waren (sog.
Nicht-Betriebsstätten-Umsätze).
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Die Klägerin erklärte nach einer
langjährigen mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) abgestimmten Praxis in ihren Voranmeldungen
für das Streitjahr gegenüber inländischen
Exporteuren erbrachte Leistungen als steuerpflichtig. Die
gegenüber ausländischen Exporteuren erbrachten Leistungen
behandelte sie als im Inland nicht steuerbare Leistungen.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Prüfer die
Auffassung, auch die gegenüber ausländischen
Auftraggebern erbrachten Leistungen seien im Inland am Sitz der
Klägerin ausgeführt worden (§ 3a Abs. 1 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 in der im Streitjahr anzuwendenden
Fassung - UStG - ) und daher steuerbar. Dem schloss sich das FA an
und erließ unter dem 2.4.2002 geänderte
Vorauszahlungsbescheide für die Monate Januar bis August des
Streitjahres. Es hielt auch im Einspruchsverfahren an seiner
Auffassung fest.
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Im Klageverfahren erging unter dem
25.8.2003 ein entsprechender Umsatzsteuerjahresbescheid für
das Streitjahr.
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Das FG gab der Klage teilweise statt,
soweit die Klägerin die Kontrolluntersuchungen bei Ausfuhren
nach Russland über ihre russischen Betriebsstätten
abgewickelt hatte und diese Umsätze vom FA nach der
Außenprüfung als steuerbar und steuerpflichtig behandelt
worden waren. Im Übrigen wies es die Klage ab, da es die
Nicht-Betriebsstätten-Umsätze der Klägerin
gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG als im Inland
ausgeführt und damit als steuerbar und steuerpflichtig
ansah.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin
ihr Begehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts
und ist weiterhin der Auffassung, der Leistungsort der
Nicht-Betriebsstätten-Umsätze liege nicht im Inland. Ihre
Leistungen fielen unter die Ortsbestimmung für die
Begutachtung beweglicher körperlicher Gegenstände
gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG. Falls
dieser Auffassung nicht zu folgen sei, handele es sich um
„ähnliche mit der Beförderung eines Gegenstandes im
Zusammenhang stehende Leistungen“ i.S. des § 3b Abs. 2
UStG.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG vom 6.3.2008 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom
25.8.2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ...
festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Es ist der Auffassung, der Leistungsort
für die Nicht-Betriebsstätten-Umsätze bestimme sich
gemäß § 3a Abs. 1 UStG. Die Voraussetzungen einer
„Begutachtung“ i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst.
c UStG lägen nicht vor. Die Kontrolluntersuchungen im
Drittland fielen nicht unter Nebenleistungen i.S. des § 3b
Abs. 2 UStG, da es sich nicht um Leistungen handele, die
typischerweise im Zusammenhang mit der Beförderung von
Gegenständen erbracht würden.
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II. Die Revision ist aus anderen als den
geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG
ist aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat (§ 126 Abs.
3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der
Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2001 vom 25.8.2003 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit das FA die
Nicht-Betriebsstätten-Umsätze als steuerbar und
steuerpflichtig angesehen hat.
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Die Revision ist unabhängig davon
begründet, ob die Leistungen der Klägerin im In- oder im
Ausland ausgeführt worden sind. Der Senat braucht nicht zu
entscheiden, ob die Leistungen der Klägerin unter § 3a
Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG oder § 3b Abs. 2 UStG fallen und
im Inland nicht steuerbar sind. Selbst wenn die Klägerin
entgegen ihrem Vorbringen im Inland steuerbare Leistungen
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt
haben sollte, wären diese Leistungen gemäß § 4
Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 1. Alternative UStG als
„... andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen
unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen
...“ steuerbefreit.
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a) Nach der Entscheidung des XI. Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.2.2008 XI R 55/07 (BFH/NV 2008, 1211
= SIS 08 25 33) liegen - unter Beachtung des Art. 15 Nr. 13 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG - Leistungen i.S. von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a
Doppelbuchst. aa UStG vor, wenn zwischen Leistung und
Ausfuhrgegenständen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht,
ohne dass es sich um eine „handelsübliche
Nebenleistung“ zu einer Güterbeförderung als
Hauptleistung handeln muss (ebenso Wäger in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 3 Rz 24-26). Entgegen
anderen Auffassungen in der Kommentarliteratur muss für diesen
unmittelbaren Bezug die Leistung nicht unmittelbar der
Beförderung der Ausfuhrgegenstände dienen (vgl. Abschn.
47 Abs. 1 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000; Weymüller
in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 3 Rz 41; wohl
auch Schwarz in Plückebaum/Malitzky/Widmann,
Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 4 Nr. 3 Rz 84; wie hier Waza
in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 4 Nr. 3 UStG Rz 89).
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b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
vor. Die Tätigkeit der Klägerin stellt eine einheitliche
Leistung dar und steht in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang
mit der Ausfuhr der Erzeugnisse in die verschiedenen
Drittländer.
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aa) Die Gesamtwürdigung des FG, dass aus
Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Vor- und Nachbereitung der
Aufträge im Inland mit den Kontrolluntersuchungen im Ausland
ein „untrennbares Ganzes“ bilden, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung des FG
ist daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO
bindend (vgl. zur Bindungswirkung der Gesamtwürdigung bei
einheitlichen Leistungen das Senatsurteil vom 17.4.2008 V R 39/05,
BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.2.d und II.3.b). Nach
ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (vgl. Urteile vom 27.10.2005 Rs. C-41/04,
Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01
Rdnrn. 19 bis 22; vom 11.6.2009 C-572/07, Tellmer Property, Slg.
2009, I-4983 = SIS 09 21 09 Rdnrn. 17 bis 20), der der Senat folgt
(Urteile vom 25.6.2009 V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239
= SIS 09 26 35, unter II.2.b; vom 20.8.2009 V R 21/08, BFH/NV 2010,
473 = SIS 10 06 14, unter II.1.a; BFH-Urteil vom 15.10.2009 XI R
52/06, BFHE 227, 231, BStBl II 2010, 869 = SIS 09 39 20, unter
II.2.a) ist jeder Umsatz in der Regel zwar als eigenständige,
selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine
wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines
funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich
aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale
des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der
Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige
Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die
Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine
einheitliche Leistung liegt nach diesen Maßstäben
insbesondere vor, wenn der Unternehmer für den
Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder
Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie
objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden,
deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Hiervon ausgehend
ist das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt, dass es den
Auftraggebern der Klägerin allein darum gegangen sei, die
Bescheinigung zu erhalten, so dass alle dazu erforderlichen
Tätigkeiten im Inland und die Kontrolluntersuchungen im
Ausland objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung
darstellen.
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bb) Es liegt auch der notwendige unmittelbare
Zusammenhang zwischen den Leistungen der Klägerin und den
Ausfuhrgegenständen vor. Die Prüftätigkeit der
Klägerin bezieht sich unmittelbar auf Gegenstände der
Ausfuhr und den Ort dieser Gegenstände nach Abschluss des
Ausfuhrvorgangs.
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