1
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I. Zum Sachverhalt
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und
Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26.10.2004
von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70
gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen
erwarb.
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3
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Kaufgegenstand des Vertrages, den die GmbH
als Forderungskäufer (im Folgenden auch Käufer oder
Forderungserwerber) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren
„Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und
Ansprüche aus den in [der] Anlage Portfoliodaten
aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der
Darlehensforderungen, aller gegenwärtigen und/oder
künftigen, bedingten und/oder befristeten Nebenforderungen wie
Zinsen, Kosten und Gebühren, sämtlicher Zusatz- und
Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und
Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, Pfandgegenstände,
Sicherungsabtretungen, Verpfändungen von
Lebensversicherungsansprüchen, Bürgschaften und sonstigen
Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse), insbesondere der
dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im
Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden
Unterlagen wie Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl.
sonstigen Geschäftsunterlagen (im Folgenden zusammen als die
„verkauften Gegenstände“
bezeichnet)“.
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4
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Der Vertrag sah eine Rückbeziehung auf
einen Stichtag (29.4.2004) vor, ab dem die „verkauften
Gegenstände“ für Rechnung und Risiko des
Käufers „geführt bzw. gehalten“ wurden.
Zahlungen auf die „verkauften Gegenstände“, die
nach dem Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach
dem Vertrag war eine Haftung des Verkäufers für die
Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den
wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ausdrücklich
ausgeschlossen.
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5
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Zum Stichtag 29.4.2004 belief sich der
Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70
Darlehensverträgen auf 15.500.915,16 EUR.
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6
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Aufgrund eines Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3.6.2004 IV B7 - S 7104 -
18/04 (BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91), das zur Umsetzung des
Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vom 26.6.2003 C-305/01, MKG (Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36) und des Folgeurteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.9.2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl
II 2004, 667 = SIS 03 46 57) ergangen ist, trafen die Parteien des
Forderungskaufvertrages eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen
Nennwert der verkauften Forderungen. Die Parteien des
Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der
„voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund
der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert
liegt und 8.956.101 EUR beträgt“ (entspricht 57,8
%).
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7
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Die Vertragsparteien waren weiter der
Auffassung, dass „der realisierbare Teil der abgetretenen
Forderungen wegen der durchzuführenden Zwangsversteigerungs-
und Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von
ca. drei Jahren realisiert werden muss“. Im Hinblick hierauf
und aufgrund eines von den Parteien angenommenen Zinssatzes von
5,97 % ergab sich nach Ansicht der Vertragsparteien eine
Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit
einem Zinsanteil von 556.293 EUR, der zu einem abgezinsten
wirtschaftlichen Nennwert von 8.399.808 EUR (entspricht
54,2 %) führte.
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8
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Der Kaufpreis für die
Forderungen betrug 8.034.883 EUR (entspricht 51,8 %). Die
Parteien waren der Auffassung, dass der Forderungserwerber an den
Forderungsverkäufer keine umsatzsteuerpflichtige Leistung
erbringt. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch
die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass die
Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert
und dem Kaufpreis, damit ein Betrag von 364.925 EUR als
Gegenleistung anzusehen sei (entspricht 2,35 %).
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9
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Nach dem Kaufvertrag war keine
nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, „wenn sich
bei rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der
realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger
ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller
oder langsamer möglich ist“, als im Vertrag
angenommen.
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10
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Dem Kaufvertrag entsprechend informierte
die Bank durch sog. „good bye letters“ über
Verkauf und Abtretung der Forderungen.
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11
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Die Klägerin gab für den
Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung
ab, in der sie - entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004,
737 = SIS 04 21 91, aber entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung -
die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem abgezinsten
wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine
umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung
ansah. Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von 364.925 EUR
als Gegenleistung, so dass sich ein Entgelt von 314.591 EUR und
eine Umsatzsteuerschuld von 50.334 EUR ergab.
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12
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Die Klägerin erhob gegen ihre
Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) wies den Einspruch als
unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin
Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens erging
der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 vom 24.5.2006, den das FA
durch Bescheid vom 9.8.2007 änderte. Beide Bescheide wurden
gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
Gegenstand des Klageverfahrens.
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13
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Das FG gab der Klage mit seinem in EFG
2008, 887 = SIS 08 23 64 veröffentlichten Urteil statt. Anders
als beim echten Factoring führe die Übertragung
zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer
umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer.
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14
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts
stützt.
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15
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das FG habe eine umsatzsteuerpflichtige
Leistung der Klägerin zutreffend verneint.
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II. Entscheidungsgründe
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Der Senat legt dem EuGH die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) des
Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis zur
Entscheidung des EuGH aus.
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1. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
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§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG) ordnet an:
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„Der Umsatzsteuer unterliegen die
folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt.
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§ 2 UStG bestimmt:
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„(1) Unternehmer ist, wer eine
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig
ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder
beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von
Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder
eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern
tätig wird. ...“
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§ 4 Nr. 8 Buchst. c und g UStG
regeln:
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„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1
fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ...
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8. c) die Umsätze im Geschäft mit
Geldforderungen und die Vermittlung dieser Umsätze,
ausgenommen die Einziehung von Forderungen,
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g) die Übernahme von
Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten
sowie die Vermittlung dieser Umsätze.“
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23
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§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG
bestimmt:
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„Der Umsatz wird bei Lieferungen und
sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem
innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem
Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der
Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten,
jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.“
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Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737 =
SIS 04 21 91, IV Tz. 11. f., einer norminterpretierenden
Verwaltungsanweisung, die für die Gerichte nicht bindend ist,
gilt Folgendes:
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25
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„11. Bemessungsgrundlage für die
Factoringleistung (Rz. 1) ist grundsätzlich die Differenz
zwischen dem Nennwert der dem Factor abgetretenen Forderungen und
dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis
für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem
Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG). Wird
für diese Leistung zusätzlich oder ausschließlich
eine Gebühr gesondert vereinbart, gehört diese zur
Bemessungsgrundlage. Bei Portfolioverkäufen ist es nicht zu
beanstanden, wenn eine nach Durchschnittswerten bemessene
Gebühr in Ansatz gebracht wird. Der Umsatz unterliegt dem
allgemeinen Steuersatz, § 12 Abs. 1 UStG.
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26
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12. Bei zahlungsgestörten Forderungen
gilt Folgendes: Berücksichtigt die vertragliche Vereinbarung
einen für die Wirtschaftsbeteiligten erkennbaren und offen
ausgewiesenen kalkulatorischen Teilbetrag für tatsächlich
eintretende oder von den Parteien zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses erwartete Forderungsausfälle, kann dieser
bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage entsprechend in Abzug
gebracht werden, da der Wesensgehalt dieser Leistung insoweit nicht
im Factoring besteht. Bemessungsgrundlage für die Leistung des
Factors beim Kauf solcher zahlungsgestörten Forderungen ist
die Differenz zwischen dem im Abtretungszeitpunkt nach Ansicht der
Parteien voraussichtlich realisierbaren Teil der dem Factor
abzutretenden Forderungen (wirtschaftlicher Nennwert) und dem
Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für
diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag
enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG). Der wirtschaftliche
Nennwert entspricht regelmäßig dem Wert, den die
Beteiligten der Forderung tatsächlich beimessen,
einschließlich der Vergütung für den Einzug der
Forderung und der Delkrederegebühr oder vergleichbarer
Zahlungen, die der Factor für das Risiko des
Forderungsausfalls erhält und die als Gegenleistung für
eine Leistung des Factors anzusehen sind.“
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2. Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
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Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
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„Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
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1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt; ...“
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Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
regelt:
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„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer
eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten
selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt,
gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem
Ergebnis.
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(2) Die in Absatz 1 genannten
wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines
Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich
der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der
freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als
wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die
Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen
Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen
umfasst.“
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30
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Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG bestimmt:
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„(1) Die Besteuerungsgrundlage
ist:
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a) bei Lieferungen von Gegenständen
und Dienstleistungen ... alles, was den Wert der Gegenleistung
bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese
Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder
von einem Dritten erhält oder erhalten soll ...“
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Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der
Richtlinie 77/388/EWG ordnen an:
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„Unbeschadet sonstiger
Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den
Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und
einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur
Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: ...
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d) die folgenden Umsätze: ...
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2. die Vermittlung und die Übernahme
von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten
und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die
Kreditgeber,
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3. die Umsätze –
einschließlich der Vermittlung – im
Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und
Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks
und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von
Forderungen, ...“
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3. Zur ersten Vorlagefrage
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33
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In dem vom Senat zu entscheidenden
Rechtsstreit kommt es darauf an, ob die Klägerin als
Forderungserwerber gegenüber dem Forderungsverkäufer eine
oder mehrere Leistungen gegen Entgelt erbrachte, die nach Art. 2
Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG in den Anwendungsbereich
der Richtlinie fallen. Insoweit ist neben den Bestimmungen der
Richtlinie 77/388/EWG insbesondere das EuGH-Urteil MKG in Slg.
2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 bei der Auslegung
des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen.
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34
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a) Der EuGH hat im Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 entschieden, dass ein
Wirtschaftsteilnehmer, der Forderungen unter Übernahme des
Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren
berechnet, eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Art. 2 und
Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt, und daher
gemäß Art. 17 dieser Richtlinie zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist (erster Leitsatz). Nach dem Wortlaut des
EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 (Rn. 49 Satz 1) reicht es für das Vorliegen einer vom
Forderungskäufer erbrachten Leistung aus, dass er den
Forderungsverkäufer „von der Einziehung der
Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung
entlastet“.
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35
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b) Der Senat hat Zweifel, ob Art. 2 Nr. 1 und
Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung des
EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 dahingehend auszulegen sind, dass der Forderungserwerber beim
Verkauf zahlungsgestörter Forderungen eine Leistung gegen
Entgelt an den Forderungsverkäufer erbringt.
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36
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aa) Dem EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 lag ein
Vorabentscheidungsersuchen des Senats zugrunde, bei dem der
Forderungserwerb zu einem Kaufpreis erfolgte, der dem Nennwert der
Forderungen nach Abzug einer Factoringgebühr von 2 % und einer
Delkrederegebühr von 1 %, jeweils bezogen auf den Nennwert der
Forderungen, entsprach. Die gemäß Art. 2 Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG erforderliche Entgeltlichkeit der
Forderungseinziehung ergab sich in der Rechtssache MKG in Slg.
2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 somit daraus, dass
der Erwerber der Forderung berechtigt war, eine Factoring- und eine
Delkrederegebühr in Höhe von insgesamt 3 % des Nennwerts
der übertragenen Forderungen einzubehalten.
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37
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bb) Demgegenüber fehlt es nach den
Verhältnissen des Streitfalls an einer von den
Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung eines Entgelts für
eine steuerpflichtige Leistung des Forderungserwerbers. Ein Entgelt
für die nach dem EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl
II 2004, 688 = SIS 03 29 36 (Rdnr. 49 Satz 1) dem Anwendungsbereich
der Steuer unterliegende und nach diesem Urteil auch
steuerpflichtige Entlastung von der Einziehung der Forderungen und
dem Risiko ihrer Nichterfüllung könnte sich aber aus der
Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Nennwert der Forderungen
oder aus der Differenz zum „wirtschaftlichen
Wert“ der Forderungen, wie ihn die Parteien aus
steuerrechtlichen Gründen im Kaufvertrag geregelt haben,
ergeben.
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38
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(1) Zweifelhaft ist, ob stets eine
entgeltliche Leistung anzunehmen ist, wenn eine Forderung mit einem
Abschlag auf den Nennwert der Forderung verkauft wird, so dass
jeder (endgültige) Forderungsverkauf, bei dem der
Forderungserwerber die (nunmehr ihm gehörende) Forderung
einzieht und bei dem der Kaufpreis für die Forderungen
niedriger ist als der Nennwert, zu einer entgeltlichen Leistung des
Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer führt.
Wäre dies zutreffend, läge auch beim Verkauf von
Forderungen mit einem sehr hohen Ausfallrisiko eine entgeltliche
Leistung des Erwerbers vor. Wäre dabei als Entgelt die volle
Differenz zwischen Kaufpreis und Nennwert der Forderungen
anzusehen, könnte dies dazu führen, dass die für die
Leistung des Forderungserwerbers geschuldete Steuer den Kaufpreis
für die Forderung übersteigt. Wird z.B. eine Forderung
mit einem Nennwert von 100 EUR aufgrund ihres Ausfallrisikos
für 10 % ihres Wertes verkauft, beträgt der Kaufpreis 10
EUR, während sich aus der Anwendung des im Streitjahr in
Deutschland geltenden Steuersatzes von 16 % eine Steuerschuld von
14,40 EUR ergäbe (= Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis
90 EUR x 16 %).
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39
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(2) Zweifel, ob im Streitfall die Differenz
zwischen dem Kaufpreis (8.034.883 EUR) und dem Nennwert der
Forderungen (15.500.915,16 EUR) in vollem Umfang als Entgelt
für eine Leistung des Forderungserwerbers an den
Forderungsverkäufer anzusehen ist, ergeben sich auch aus der
Rechtsprechung des EuGH. Danach unterliegt eine Dienstleistung nur
dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen ihr und einem
erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der
sich aus einem Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen
gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die von dem
Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen
Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte
Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
EuGH-Urteil vom 3.3.1994 C-16/93, Tolsma, Slg. 1994, I-743 = SIS 94 14 34 Rdnr. 13 f.).
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40
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In der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 rechtfertigte sich die Annahme
eines Gegenwerts für die durch den Forderungserwerber
erbrachte Leistung daraus, dass die Parteien Gebühren als
Gegenwert für die durch den Forderungserwerber erbrachte
Leistung ausdrücklich vereinbart hatten. Der Senat bezweifelt
nicht, dass von einem Gegenwert auch dann auszugehen ist, wenn
anstelle vereinbarter „Gebühren“ ein
„Abschlag“ auf den Nennwert der Forderungen
vereinbart wird, der aber wie in der Rechtssache MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 ganz oder
überwiegend auf der vom Forderungserwerber zu erbringenden
Leistung beruht.
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Demgegenüber ergibt sich der im
Streitfall vereinbarte Abschlag aus einer Vielzahl von
Umständen, die bei der Bemessung des Kaufpreises für die
Übertragung der Forderungen von Bedeutung waren. Hierzu
gehörte z.B. die u.U. unterschiedliche Einschätzung
hinsichtlich der Bonität der Schuldner und der Werthaltigkeit
der für die Forderungen gestellten Sicherheiten, denen gerade
bei dem im Streitfall vorliegenden Verkauf zahlungsgestörter
Forderungen große Bedeutung zukommt, des Weiteren der
Zeitpunkt der faktischen Durchsetzbarkeit der Forderungen sowie die
hierfür anfallenden Kosten. Die Differenz zwischen Nennwert
und Kaufpreis der Forderungen beruht vorrangig auf der Beurteilung
der Werthaltigkeit der Forderungen und damit auf einem Umstand, dem
in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 =
SIS 03 29 36 keine Bedeutung zukam. Umstände, die mit der
Einziehung der Forderungen durch den Erwerber zusammenhängen,
sind im Streitfall für die Bemessung des Abschlags auf den
Kaufpreis der Forderungen von nur untergeordneter Bedeutung.
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42
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(3) Zweifelhaft ist weiter, ob die Differenz
zwischen dem von den Parteien vereinbarten wirtschaftlichen Wert
der Forderungen (8.956.101 EUR) und dem Kaufpreis (8.034.883 EUR) -
mit oder ohne Berücksichtigung des von den Parteien
angenommenen Zinsanteils (556.293 EUR) - ein Entgelt für den
Forderungseinzug ist.
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43
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Fraglich ist bereits, ob der im BMF-Schreiben
in BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, IV Tz. 11. f. vorausgesetzte
wirtschaftliche Nennwert auf einer für die Besteuerung
unbeachtlichen Fiktion beruht. Damit die Parteien eines Vertrages,
bei dem der Käufer an einem Kauf zu einem möglichst
niedrigen Kaufpreis und bei dem der Verkäufer an einem Verkauf
zu einem möglichst hohen Kaufpreis interessiert ist, einen
übereinstimmenden und auch zutreffenden wirtschaftlichen Wert
für die zu verkaufenden Forderungen festlegen, müssten
sie der jeweiligen Gegenseite ihre eigene wirtschaftliche
Kalkulation offenlegen und würden damit ihre
kaufmännische Verhandlungsposition schwächen. Dies
erscheint wirklichkeitsfremd und führt allenfalls zu einer
Schätzung von Einziehungskosten durch die Vertragsparteien,
wobei der Finanzverwaltung eine Überprüfung dieser
Schätzung kaum möglich sein dürfte.
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44
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Darüber hinaus muss es sich bei dem
Entgelt i.S. von Art. 2 Nr. 1 und Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG
um einen subjektiven, den im konkreten Fall tatsächlich
erhaltenen Wert, nicht aber um einen nach objektiven
Maßstäben geschätzten Wert handeln (EuGH-Urteil vom
15.5.2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833 = SIS 01 08 77,
Rdnr. 24). Die nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung
erforderliche Vereinbarung eines „voraussichtlich
realisierbaren Teils der abgetretenen Forderungen“
(BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, IV Tz. 11. f.)
führt zu einer Bestimmung des Entgelts nach den vermuteten
Einziehungskosten und damit zu einer nach
„objektiven“ Maßstäben vorzunehmenden
Schätzung. Im Übrigen ist fraglich, ob bei einer
Regelung, die die Parteien eines Vertrages aus rein
steuerrechtlichen Gründen wie denen des BMF-Schreibens in
BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, IV Tz. 11. f. treffen, von einer
subjektiven, d.h. vertraglichen Vereinbarung eines Entgelts
auszugehen ist.
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45
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(4) Bei der Beantwortung der Auslegungsfrage
ist auch der allgemeine Auslegungsgrundsatz von Bedeutung, nach dem
Steuerbefreiungen als Ausnahme eng und Ausnahmen von der
Steuerfreiheit wie z.B. der Einziehung von Forderungen wiederum
weit auszulegen sind (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl
II 2004, 688 = SIS 03 29 36 Rdnrn. 62 f. und 72). Eine derartige
Auslegung würde aber dazu führen, dass
Forderungsübertragungen bei einem Forderungsverkauf zu einem
Kaufpreis unter dem Nennwert nur dann steuerfrei wären, wenn
der Forderungseinzug beim Verkäufer der Forderung verbleibt,
wie es z.B. auf eine sog. stille Zession, die gegenüber dem
Schuldner der Forderungen nicht offengelegt wird, zutrifft.
Fraglich ist, ob - selbst unter Beachtung des Grundsatzes enger
Auslegung der Steuerbefreiungen - eine derartige Auslegung einem
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG
möglicherweise zu entnehmenden Regel-Ausnahmeverhältnis
entspricht. Dem würde entsprechen, dass
Forderungsübertragungen im Regelfall steuerfrei sein sollen
und nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände, wie sie
z.B. beim Factoring gegen ein von den Parteien vereinbartes Entgelt
vorliegen, zu einer steuerpflichtigen Einziehungsleistung
führen.
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46
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(5) Schließlich ist auch zu
berücksichtigen, dass die Auffassung der Klägerin und des
FG, unter den Verhältnissen des Streitfalles fehle es an einer
(entgeltlichen) Leistung des Forderungserwerbs an den
Verkäufer, dazu führen würde dass selbst bei Ankauf
und Einziehung zahlungsgestörter Forderungen über einen
längeren Zeitraum die Tätigkeit (wegen Fehlens einer
entgeltlichen Leistungstätigkeit) nicht in den
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fiele.
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4. Zur zweiten Vorlagefrage
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48
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Liegt eine dem Anwendungsbereich der Steuer
unterfallende Leistung gegen Entgelt vor, ist im Streitfall weiter
klärungsbedürftig, ob die Leistung des
Forderungskäufers beim Erwerb zahlungsgestörter
Forderungen steuerfrei ist.
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49
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a) Der EuGH hat im Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 die durch den
Forderungskäufer erbrachten Leistungen als steuerpflichtige
Einziehung von Forderungen i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3
der Richtlinie 77/388/EWG angesehen (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36, zweiter Leitsatz). Nach
den Verhältnissen der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 kam es dabei nicht auf eine
Abgrenzung des nach dieser Bestimmung steuerpflichtigen
Forderungseinzugs zu den nach Art. 13 Teil B Buchst. d der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Bank- und Finanzdienstleistungen
an. Denn Deutschland gestattet es den Steuerpflichtigen aufgrund
der Ermächtigung in Art. 13 Teil C Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG, anstelle der Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst.
d der Richtlinie 77/388/EWG zur Steuerpflicht zu optieren. Diese
Option hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens MKG in Slg.
2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 ausgeübt, um
den Vorsteuerabzug im größtmöglichen Umfang in
Anspruch nehmen zu können, so dass sich in dieser Rechtssache
die Frage nach der Abgrenzung einer nach Art. 13 Teil B Buchst. d
Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG steuerpflichtigen Leistung zu einer
nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
steuerfreien Leistung nicht stellte.
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Eine Option zur Steuerpflicht liegt im
Streitfall nicht vor, so dass im Streitfall anders als in der
Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 die Frage zu beantworten ist, ob ein steuerpflichtiger
Forderungseinzug oder eine steuerfreie Leistung vorliegen kann.
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b) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich
der Senat angeschlossen hat, gelten für die im Streitfall
entscheidende Frage, unter welchen Bedingungen mehrere
zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu
behandeln sind, folgende Grundsätze (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom
11.6.2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, BFH/NV 2009, 1368 = SIS 09 21 09 Rdnrn. 17 ff., BFH-Urteile vom 25.6.2009 V R 25/07, BFH/NV
2009, 1746 = SIS 09 26 35, unter II.2.b, und vom 17.4.2008 V R
39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.2.b, m.w.N.):
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Jeder Umsatz ist in der Regel als
eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten;
allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im
Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht
künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die
charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln,
um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger
mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche
Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.
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Eine einheitliche Leistung liegt danach
insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die
Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen
Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der
Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer
Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den
Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern
das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter
optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
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Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer
für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen
vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden
sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche
Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd
wäre.
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c) Im Streitfall liegen hinsichtlich der
Leistung des Forderungskäufers drei mögliche
Leistungselemente vor, von denen nach Auffassung des Senats aber
nur zwei steuerrechtlich von Bedeutung sind.
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aa) Wie der EuGH bereits im Urteil MKG in Slg.
2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 entschieden hat,
besteht die Leistung beim Forderungserwerb darin, dass der
Käufer der Forderung den Verkäufer von der Einziehung der
Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet
(EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 Rdnr. 49).
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bb) Die Parteien des im Streitfall zu
beurteilenden Kaufvertrages sind darüber hinaus davon
ausgegangen, dass im Hinblick auf den voraussichtlich mehrere Jahre
dauernden Forderungseinzug und der bereits beim Forderungserwerb
erfolgten Zahlung des Kaufpreises eine nach Art. 13 Teil B Buchst.
d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Kreditgewährung
vorliege.
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Dies hält der Senat aufgrund des
EuGH-Urteils vom 27.10.1993 C-281/91, Muys’en De
Winter’s Bouw (Slg. 1993, I-5405 = SIS 93 25 14 Rdnrn. 15 und
18) für unzutreffend. Danach ist ein verzinslicher
Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes keine nach
dieser Bestimmung steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil
des steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung.
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Liegt bei einem vom Leistenden dem
Leistungsempfänger eingeräumten Zahlungsaufschub
hinsichtlich der Entgeltentrichtung keine Kreditgewährung vor,
wenn sich der Zahlungsaufschub nur auf den Zeitraum bis zur
Leistungserbringung erstreckt, so dass die Zinsen für diesen
Zahlungsaufschub als zusätzliches Entgelt für die
steuerpflichtige Lieferung anzusehen sind, fehlt es auch im
Streitfall an einer Kreditgewährung. Denn zum einen war der
Forderungserwerber zur sofortigen Kaufpreiszahlung verpflichtet. Es
liegt keine Vereinbarung vor, nach der der Forderungserwerber den
Kaufpreis erst nach Abschluss seiner Einziehungstätigkeit zu
entrichten hatte und zuvor erfolgten Zahlungen bloßer
Darlehenscharakter zukommen sollte. Zum anderen hätte der
Forderungserwerber bei einem erst nach Abschluss der
Einziehungstätigkeit geschuldeten Kaufpreis auch seine
Leistung erst zu diesem Zeitpunkt erbracht, so dass wie im
EuGH-Urteil Muys’en De Winter’s Bouw in Slg. 1993,
I-5405 ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub für einen Zeitraum
bis zur Leistungserbringung vorläge.
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d) Ist im Streitfall somit von nur zwei
Leistungsbestandteilen (Entlastung vom Forderungseinzug und vom
Nichterfüllungsrisiko) auszugehen, muss geklärt werden,
wie sich diese beiden Leistungsbestandteile zueinander
verhalten.
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aa) Bei der Auslegung von Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG ist zu
berücksichtigen, dass der EuGH im Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 das Vorliegen einer
Leistung des Forderungskäufers auf das EuGH-Urteil vom
25.5.1993 C-18/92, Bally (Slg. 1993, I-2871 = SIS 93 15 31)
gestützt hat (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II
2004, 688 = SIS 03 29 36 Rdnrn. 53 und 56). Demgegenüber hat
der EuGH, da es hierauf in der Rechtssache MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 nicht ankam (s. oben
II.4.a), bei der Beantwortung der zweiten Frage nicht auf das
Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Bezug genommen.
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bb) In der Rechtssache Bally in Slg. 1993,
I-2871 ging es um ein Kreditkarteninstitut, das mit einem
Warenlieferanten vereinbart hatte, dass dessen Kunden die
Warenlieferung mit einer vom Kreditkarteninstitut ausgegebenen
Kreditkarte bezahlen konnten. Das Kreditkarteninstitut
vergütete dem Lieferanten den Preis der Ware abzüglich
einer Provision von 5 % (EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871
Rdnr. 3). Nach dem EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 erbringt
das Kreditkarteninstitut eine Leistung an den Lieferanten, die
insbesondere die Garantie für die Bezahlung der Ware umfasst
und nach „Art. 13 Teil B Buchst. d“ der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil Bally in Slg.
1993, I-2871 Rdnrn. 9 f.).
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cc) Können nach dem EuGH-Urteil Bally in
Slg. 1993, I-2871 im Kreditkartengeschäft steuerfreie
Garantieleistungen vorliegen, stellt sich im Streitfall die Frage,
ob bei einem Forderungskauf, bei dem der Forderungskäufer -
anders als in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II
2004, 688 = SIS 03 29 36 - nicht zur Steuerpflicht optiert,
gleichfalls eine steuerfreie Leistung vorliegt. Denn auch im
Kreditkartengeschäft erfolgt die Zahlung des die Kreditkarte
ausgebenden Instituts gegen Abtretung oder sonstige
Übertragung der Forderung, die dem Lieferanten gegenüber
seinem Kunden zusteht, damit das Kreditkarteninstitut diese
Forderung gegenüber dem Kunden geltend machen kann (vgl. z.B.
Peter, in UR 1999, 238 ff., 239; Wäger, in Sölch/Ringleb,
UStG, § 4 Nr. 8 Rz 164).
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Bei Beantwortung der zweiten Auslegungsfrage
könnte weiter zu berücksichtigen sein, dass Art. 13 Teil
B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auch dazu dient,
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von
Leistungen, die ohne diese Steuerbefreiung steuerpflichtig
wären, zu vermeiden (EuGH-Urteil vom 19.4.2007 C-455/05,
Velvet & Steel, Slg. 2007, I-3225 = SIS 07 14 92 Rdnr. 24).
Derartige Schwierigkeiten bestehen für den Fall der
Steuerpflicht nach Auffassung des Senats auch bei der
Übertragung zahlungsgestörter Forderungen.
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dd) Liegt beim Erwerb zahlungsgestörter
Forderungen eine nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie
77/388/EWG steuerfreie Garantieleistung vor, ist weiter
klärungsbedürftig, ob der Forderungseinzug als Teil einer
einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung zu einer derartigen
Garantie oder Übernahme einer anderen Sicherheit anzusehen
ist. Für Letzteres könnte unter Berücksichtigung des
EuGH-Urteils RLRE Tellmer Property in BFH/NV 2009, 1368 = SIS 09 21 09 Rdnr. 23 sprechen, dass für den Forderungseinzug keine
gesonderte Entgeltvereinbarung vorliegt. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass dem Forderungseinzug
ausschließlich dienende Funktion für das Garantieelement
zukommt und es dem Forderungsverkäufer, dem Empfänger der
Leistung, letztlich nur auf die Höhe des Forderungskaufpreises
ankommt. Ob und inwieweit der Forderungskäufer die ihm
übertragenen Forderungen einzieht, ist für den
Forderungsverkäufer unerheblich, wenn eine Kaufpreisanpassung
nach Maßgabe des tatsächlichen Beitreibungserfolgs - wie
im Streitfall - ausgeschlossen ist.
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5. Zur dritten Vorlagefrage
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Liegt eine in den Anwendungsbereich der Steuer
fallende und steuerpflichtige Leistung vor, ist zu klären,
welcher Betrag als Entgelt anzusehen ist. Nach Art. 11 Teil A
Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gehört zur
Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet,
die der Dienstleistende für diese Umsätze vom
Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll.
Insoweit ist auslegungsbedürftig, ob sich dieser Wert nach den
von den Parteien des Vertrages bei Vertragsschluss vermuteten
Kosten für die Einziehung oder nach den hiervon ggf.
abweichenden Kosten bestimmt, die für die Einziehung
später tatsächlich anfallen.
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6. Rechtsgrundlage
der Vorlage
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Rechtsgrundlage
für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 des Vertrages über
die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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7.
Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des
Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 74
FGO.
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