1
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I. Streitig ist, ob der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) für den Streitzeitraum
März 2005 bis August 2006 einen Anspruch auf Gewährung
von Kindergeld für seine im März 1987 geborene Tochter K
und seinen im Oktober 1992 geborenen Sohn M hat.
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Der Kläger stammt aus Oberschlesien
und besitzt sowohl die deutsche als auch die polnische
Staatsangehörigkeit. Er war vom 1.3.2005 bis zum 18.4.2006 und
vom 29.5.2006 bis zum 16.8.2006 als Elektromonteur bei der S
sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Zeitraum von
März 2005 bis April 2006 war er für S zur Ausführung
von Aufträgen in Österreich tätig.
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Den Antrag auf Gewährung von
Kindergeld für seine Kinder, die mit ihrer Mutter - der
Ehefrau des Klägers - in der Familienwohnung in Polen leben,
lehnte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) ab, weil
der Kläger weder seinen Wohnsitz in Deutschland durch Vorlage
eines Mietvertrages und Nebenkostenabbuchungen noch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt durch Vorlage von Einsatzplänen
des Arbeitgebers nachgewiesen habe.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied, der Kläger habe für den
Zeitraum März 2005 bis Januar 2007 keinen Anspruch auf
Kindergeld. Er habe weder nach § 8 der Abgabenordnung (AO)
seinen Wohnsitz noch gemäß § 9 AO seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen.
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Ein Anspruch auf Kindergeld ergebe sich
auch nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil der Kläger
nicht den Nachweis geführt habe, dass er auf Antrag als
unbeschränkt steuerpflichtig behandelt worden sei.
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Das Urteil ist veröffentlicht in EFG
2011, 1437 = SIS 11 20 85.
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Der Kläger stützt seine Revision
auf die Verletzung materiellen Rechts. Die in der Entscheidung des
Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 7.4.2011 III R 89/08, BFH/NV
2011, 1324 = SIS 11 23 30) dargestellten Gründe träfen
auch auf den vorliegenden Streitfall zu. Bereits nach den
Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei es unmöglich, dass
er, der Kläger, täglich zwischen Oberschlesien und den
jeweiligen Arbeitsorten in Deutschland gependelt sei.
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Das FG verkenne den Regelungszweck der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), wenn
es ihm die Ansprüche auf Kindergeld versage, weil er in
Österreich beschäftigt sei. Seine jeweiligen Arbeitgeber
hätten ihren Sitz in Deutschland. Da nach der VO Nr. 1408/71
jeweils nur die Regelungen eines Landes Anwendung finden sollten,
werde das Territorialitätsprinzip insoweit verdrängt.
Auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) vom 12.6.2012 C-611/10 und C-612/10 - Hudzinski und
Wawrzyniak - (DStRE 2012, 999 = SIS 12 24 94) ergebe sich, dass er
die Anspruchsvoraussetzungen für das von ihm beantragte
Kindergeld erfülle.
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Schließlich seien die zutreffenden
Erwägungen des FG Münster (Urteil vom 27.8.2010 4 K
2550/09 Kg, EFG 2010, 2006 = SIS 10 34 01), wonach ein
Arbeitnehmer, der nach der Beendigung eines inländischen
Beschäftigungsverhältnisses seinen Wohnsitz und
gewöhnlichen Aufenthalt nach Polen verlegt, für eine
Übergangszeit von 90 Tagen inländisches Kindergeld
erhalte, wenn er für diesen Zeitraum soziale Leistungen aus
der inländischen Arbeitslosenversicherung beziehe, auf den
vorliegenden Streitfall anwendbar.
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Nachdem der Kläger im
Revisionsverfahren mit Schriftsatz vom 23.8.2011 den Streitzeitraum
auf März 2005 bis August 2006 begrenzt hat, beantragt er
sinngemäß,
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das Urteil des FG sowie den
Ablehnungsbescheid vom 10.8.2006 und die Einspruchsentscheidung vom
24.1.2007 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten,
für die Kinder K und M Kindergeld ab März 2005 bis August
2006 festzusetzen,
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hilfsweise, die Sache an das FG
zurückzuverweisen.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen des Klägers
entgegen.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht
entschieden, dass der Kläger im Streitzeitraum keinen Anspruch
auf Kindergeld hat.
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1. Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf
Kindergeld nach dem EStG, wer
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„1. im Inland einen Wohnsitz oder
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
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2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland
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a) nach § 1 Abs. 2 unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig ist oder
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b) nach § 1 Abs. 3 als
unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt
wird.“
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2. Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen, den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen des FG hatte der Kläger im Streitzeitraum weder
einen Wohnsitz i.S. des § 8 AO noch seinen gewöhnlichen
Aufenthalt i.S. des § 9 AO im Inland.
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a) Das FG hat ausgeführt, der Kläger
habe keine Wohnung oder andere Räumlichkeiten zum dauerhaften
Wohnen vorgehalten. Auch hinsichtlich der ihm von seinem
Arbeitgeber überlassenen Wohnung in der Z-Straße in L
habe er eine tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten als
eigene Wohnung nicht nachgewiesen. Des Weiteren habe der
Kläger auch keine Umstände nachgewiesen, aufgrund derer
von der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S.
des § 9 AO im Inland während des Streitzeitraums
auszugehen gewesen sei.
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Revisionsrechtlich beachtliche
Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat
der Kläger hiergegen nicht vorgebracht (vgl. dazu z.B.
BFH-Urteile vom 24.1.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009,
60 = SIS 08 14 79, unter II.2.c bb; vom 25.6.2009 V R 25/07, BFHE
226, 407, BStBl II 2010, 239 = SIS 09 26 35, unter II.3.c; vom
4.5.2011 XI R 35/10, BFHE 233, 379, BStBl II 2011, 836 = SIS 11 24 25, Rz 32). Dass es das FG nach der über zwölfmonatigen
Beschäftigung in Österreich nicht als belegt ansah, dass
er wieder im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt
begründet habe, verstößt bereits deshalb nicht -
wie geltend gemacht - gegen Denkgesetze, weil nicht dargelegt
worden ist, wo der Einsatzort des Klägers lag; es ist daher
nicht ausgeschlossen, dass dieser weiterhin im Ausland lag.
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b) Der Umstand, dass demgegenüber das
Finanzamt (FA) bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2005 und
2006 von einem inländischen Wohnsitz (Z-Straße, L)
ausgegangen ist und deshalb eine unbeschränkte
Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG angenommen hat,
entfaltet - wie das FG zutreffend entschieden hat - keine
Bindungswirkung für die Kindergeldfestsetzung durch die
Familienkasse. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt für die
Anspruchsberechtigung nur einen Wohnsitz oder einen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus und stellt nicht auf
die einkommensteuerrechtliche Behandlung ab. Das Gesetz geht daher
davon aus, dass es sich bei der Einkommensteuerfestsetzung und der
Kindergeldfestsetzung um unterschiedliche Verfahren handelt, so
dass der Einkommensteuerbescheid hinsichtlich des inländischen
Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts für die
Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist (vgl. BFH-Urteile vom
20.11.2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564 = SIS 09 08 96; vom
24.5.2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897 = SIS 12 17 02, Rz 12).
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3. Zutreffend ist das FG auch davon
ausgegangen, dass der Kläger nicht Anspruchsberechtigter i.S.
des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist.
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Anders als bei § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.
2 Buchst. a EStG macht das Gesetz bei § 62 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG die Anspruchsberechtigung von der
einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Antragstellers
abhängig (ebenso BFH-Urteil in BFHE 237, 239, BStBl II 2012,
897 = SIS 12 17 02, Rz 13; Helmke in Helmke/ Bauer,
Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung,
§ 62 Rz 42 ff.; Hildesheim in Bordewin/ Brandt, § 62 EStG
Rz 56; Lange/Novak/Sander/Stahl/Weinhold, Kindergeldrecht im
öffentlichen Dienst, § 62 EStG Erl. III/A.1 Rz 57;
Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1
Rz D 206). Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf das
BFH-Urteil in BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897 = SIS 12 17 02, mit
dem der III. Senat die in dem Urteil des BFH in BFH/NV 2009, 564 =
SIS 09 08 96 im Rahmen eines obiter dictums vertretene andere
Auffassung aufgegeben hat. Der III. Senat hat dort u.a. darauf
hingewiesen, dass diese Auslegung verhindere, dass der
Antragsteller gegenüber Finanzamt und Familienkasse
unterschiedliche Angaben machen kann, indem er z.B. zunächst
gegenüber dem Finanzamt einen tatsächlich nicht
bestehenden Wohnsitz in Deutschland angibt, um dort bei geringen
Einkünften einen Nullbescheid auf Basis der
unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1
EStG zu erlangen, und dann - im Falle einer genaueren Prüfung
der Wohnortvoraussetzungen im Verfahren der Kindergeldfestsetzung -
gegenüber der Familienkasse eine Behandlung nach § 1 Abs.
3 EStG beantragt.
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Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des FG wurde der
Kläger von dem zuständigen FA nicht auf Antrag nach
§ 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
behandelt, sondern nach § 1 Abs. 1 EStG zur Einkommensteuer
veranlagt. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG scheidet daher aus.
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4. Die hiergegen erhobenen Einwendungen des
Klägers greifen nicht durch.
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a) Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die
in der Entscheidung des BFH (Urteil vom 7.4.2011 III R 89/08,
BFH/NV 2011, 1324 = SIS 11 23 30) dargestellten Gründe
träfen auch auf ihn zu.
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Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende
Sachverhalt ist nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. Dort
hat der Arbeitnehmer behauptet, mehr als sechs Monate zeitlich
zusammenhängend im Inland gearbeitet und seinen
Inlandsaufenthalt jeweils nur kurzfristig für Heimfahrten nach
Polen unterbrochen zu haben. Wenn dies zutrifft und er an seinen
Arbeitstagen im Inland übernachtet hat, wären die
Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nach
§ 9 Satz 2 AO erfüllt (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1324 =
SIS 11 23 30, Rz 13 f.). Abweichend hiervon liegt der
Vorentscheidung im Streitfall zugrunde, dass der Kläger von
März 2005 bis April 2006 in Österreich auf Montage war
und sich auch für den Zeitraum danach in einem Arbeitseinsatz
außerhalb Deutschlands befunden haben könnte. Diese
Würdigung des FG ist - wie dargelegt - revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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b) Entgegen der Ansicht des Klägers
ergibt sich auch keine abweichende rechtliche Beurteilung aus dem
Regelungszweck der VO Nr. 1408/71.
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aa) Soweit der Kläger geltend macht,
durch die Regelungen der VO Nr. 1408/71 werde das
Territorialitätsprinzip verdrängt, beruft er sich auf die
Erwägungsgründe und die Vorschriften des Titels II der VO
Nr. 1408/71, nach denen sich die auf innerhalb der
Europäischen Union zu- und abwandernde Erwerbstätige
anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen.
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Die Erwägungsgründe 1, 4, 8 bis 10
der VO Nr. 1408/71 lauten:
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1 „Die Vorschriften zur Koordinierung
der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale
Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und
sollen zur Verbesserung von deren Lebensstandard und
Arbeitsbedingungen beitragen.“
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4 „Es ist angezeigt, die Eigenheiten
der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale
Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine
Koordinierungsregelung vorzusehen.“
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8 „Für Arbeitnehmer und
Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und
abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur
eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender
innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus
möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden
werden.“
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9 „Zahl und Reichweite der
Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als
Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den
Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein
wie möglich zu halten.“
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32
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10 „Um die Gleichbehandlung aller im
Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und
Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es
zweckmäßig, im Allgemeinen die Rechtsvorschriften des
Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine
Arbeitnehmer- oder Selbständig[entätigkeit]
ausübt.“
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33
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Unter dem Titel II („Bestimmung der
anzuwendenden Rechtsvorschriften“) sieht Art. 13
(„Allgemeine Regelung“) der VO Nr. 1408/71
vor:
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„(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c
und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt,
den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche
Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem
Titel.
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(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17
etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
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a) Eine Person, die im Gebiet eines
Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den
Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder
das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder
Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
...“
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Art. 14 („Sonderregelung für
andere Personen als Seeleute, die eine abhängige
Beschäftigung ausüben“) der VO Nr. 1408/71
lautet:
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„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz
2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und
Besonderheiten:
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1. a) Eine Person, die im Gebiet eines
Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich
angehört, abhängig beschäftigt wird und die von
diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen
Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird,
unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten
Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit
zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine
andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit
abgelaufen ist. ...“
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bb) Die Vorschriften des Titels II der VO Nr.
1408/71 bezwecken, wie sich insbesondere aus den
Erwägungsgründen 4 und 8 sowie aus Art. 13 Abs. 1 der VO
Nr. 1408/71 ergibt, dass der Betroffene grundsätzlich nur dem
System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats
unterliegt, damit es nicht wegen der parallelen Anwendung mehrerer
nationaler Rechtsvorschriften zur gänzlichen Versagung
sozialen Schutzes oder zur Kumulierung von Ansprüchen und
Beitragspflichten kommt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 14.10.2010
C-16/09 - Schwemmer -, Slg. 2010, I-9717 = SIS 10 33 42, Rz 40; -
Hudzinski und Wawrzyniak - in DStRE 2012, 999, Rz 41; Wendl, DStR
2012, 1894). Sie stellen daher - wie das FG zu Recht erkannt hat -
Kollisionsregeln dar und begründen keinen eigenständigen
Anspruch auf Kindergeld (vgl. EuGH-Urteil - Hudzinski und
Wawrzyniak - in DStRE 2012, 999, Rz 42, 44; Blümich/Treiber,
§ 62 EStG Rz 23). Da Art. 48 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union lediglich eine
Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten vorsieht, entschied der EuGH in dem Urteil -
Hudzinski und Wawrzyniak - (DStRE 2012, 999, Rz 42), dass
„im Übrigen die materiellen und formellen
Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der
einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen
der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt
[werden], so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig
bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen
Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die
Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt
werden“. Der EuGH geht daher davon aus, dass ein Anspruch
auf Kindergeld nur besteht, wenn die nationalen
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. Wendl, DStR 2012,
1894, 1896 f.). Diese sind - wie dargelegt - im Streitfall nicht
gegeben.
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36
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c) Soweit der Kläger vorbringt, aus dem
Urteil des EuGH - Hudzinski und Wawrzyniak - (DStRE 2012, 999)
ergebe sich, dass er die Anspruchsvoraussetzungen für das
Kindergeld erfülle, ist dem aus den unter II.4.b bb
erläuterten Gründen nicht zu folgen. Die Vorschriften des
Titels II der VO Nr. 1408/71 stellen nach dem genannten EuGH-Urteil
lediglich Kollisionsregeln dar.
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37
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d) Der Kläger kann sich für seine
Auffassung nicht auf den vom FG Münster (Urteil in EFG 2010,
2006 = SIS 10 34 01) entschiedenen Fall stützen. Denn dieser
ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Der Entscheidung des FG
Münster lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer,
der nach Beendigung eines inländischen
Beschäftigungsverhältnisses seinen Wohnsitz und
gewöhnlichen Aufenthalt nach Polen verlegt, noch für eine
Übergangszeit von 90 Tagen inländisches Kindergeld
erhielt, weil er für diesen Zeitraum soziale Leistungen aus
der inländischen Arbeitslosenversicherung (vgl. Art. 69 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Buchst. a ii und Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71)
bezog. Die für diesen Personenkreis bestehenden
Sonderregelungen sind auf den Streitfall nicht anwendbar.
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38
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e) Eine abweichende rechtliche Beurteilung
ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger während des
Revisionsverfahrens eingereichten Dokumenten und dem Vortrag von
neuen Tatsachen. Denn im Revisionsverfahren kann ein neuer
Tatsachenvortrag gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht
berücksichtigt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25.1.2005 I R
52/03, BFHE 209, 5, BStBl II 2005, 514 = SIS 05 21 63; vom
24.8.2011 I R 5/10, BFH/NV 2012, 271 = SIS 12 00 80, Rz 35).
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