Medizinische Laboruntersuchungen, USt-Freiheit: 1. Ein Arzt für Laboratoriumsmedizin erbringt mit seinen medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen, die er im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften ausführt, "ärztliche Heilbehandlungen" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bzw. "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG; es ist nicht erforderlich, dass diese Leistungen unmittelbar gegenüber den Patienten erbracht werden (EuGH-Rechtsprechung). - 2. Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin aus medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften sind auch dann nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 steuerfrei, wenn er sie in der Rechtsform einer GmbH erbringt und er der alleinige Gesellschafter dieser GmbH ist. - 3. Soweit solche Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin sowohl unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 aufgrund dessen Anknüpfung an den Beruf (hier als Arzt) und dessen spezifische Umsätze als auch entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG unter die des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/ 1993 fallen, kann sich der Steuerpflichtige auf die für ihn günstigere Regelung des nationalen Rechts (§ 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993) berufen. § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 folgt insoweit einer anderen Systematik als Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG, die in erster Linie dem Ort der Leistungserbringung folgt. Der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 kann nicht im Wege der Auslegung auf den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 "begrenzt" werden. - 4. § 4 Nr. 16 UStG 1980/1991/1993 verstößt gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität, weil nicht für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannt sind, in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten. 5. Die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 bezieht sich nur auf die in § 4 Nr. 16 UStG 1980/1991/1993 genannten Umsätze selbst und nicht etwa auf den Gesamtumsatz des Unternehmers. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2007, IV A 6 - S 7172/07/0001, BStBl 2008 I S. 23 = SIS 08 05 50) - Urt.; BFH 15.3.2007, V R 55/03; SIS 07 16 76
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Ihr
alleiniger Gesellschafter ist der Arzt für
Laboratoriumsmedizin Dr. S. Die Klägerin führte in den
Jahren 1990 bis 1993 (Streitjahre) u.a. im Auftrag verschiedener,
in den Geschäftsräumen der Klägerin ansässiger
Laborgemeinschaften medizinische Analysen durch; neben den
Laboruntersuchungen für Ärzte war die Klägerin auf
folgenden Gebieten tätig: Bakteriologische
Lebensmitteluntersuchungen; Zurverfügungstellung von
Räumen, Laborgeräten und anderen Diensten an
Laborgemeinschaften; organisations- und betriebswirtschaftliche
Beratung der Laborpraxen des Dr. S und der Laborgemeinschaften;
Fahrdienste für die Laborpraxen des Dr. S und der
Laborgemeinschaften. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) entfielen ca. 60 % des Gesamtumsatzes der Klägerin auf
die Laboruntersuchungen für die Laborgemeinschaften. Die
Laborgemeinschaften waren Gesellschaften bürgerlichen Rechts,
zu denen sich praktische Ärzte zusammengeschlossen hatten.
Diese hatten die Analysen im Rahmen ihrer Heilbehandlungen
angeordnet. Jedes Mitglied einer Laborgemeinschaft rechnete
gegenüber seinen Patienten bzw. deren Versicherung die von der
Klägerin erbrachte Leistung als eigene Leistung ab.
Bis zum 31.10.1990 führten von der
Klägerin beschäftigte medizinisch-technische Assistenten
die Laboruntersuchungen durch. Wegen einer Änderung der
Labor-Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung im Jahr
1990 verließen mehrere Mitarbeiter die Klägerin und
wurden von zwei Laborgemeinschaften (X und C) als Arbeitnehmer
eingestellt. Für diese Mitarbeiter ergaben sich aber insoweit
keine Änderungen, als nach den vertraglichen Vereinbarungen
weiterhin die Klägerin die mit der Personalverwaltung
zusammenhängenden Dispositionen tätigte, ihr die Auswahl
neu einzustellenden Personals oblag und sich die Klägerin
verpflichtete, im Falle der Auflösung der Laborgemeinschaften
X und C das bei diesen beschäftigte Personal zu
übernehmen. Die von den Laborgemeinschaften X und C
beschäftigten Mitarbeiter waren weiterhin in die
Arbeitsabläufe der Klägerin eingegliedert und
führten Laboruntersuchungen auch für andere
Laborgemeinschaften durch und wurden auch mit der Ausführung
der von anderen Auftraggebern der Klägerin erteilten
Aufträge betraut.
Nach dem Überwechseln der
medizinisch-technischen Assistenten zu den Laborgemeinschaften X
und C ermittelte die Klägerin ab 1.11.1990 das für ihre
Leistungen an die jeweilige Laborgemeinschaft berechnete Entgelt
wie folgt:
Summe der an die angeschlossenen Ärzte
erbrachten Leistungen einschließlich Umsatzsteuer
(Bruttoentgeltvereinbarung)
|
./. Lohnkosten der Laborgemeinschaften X und
C
|
|
= Bruttorechnungsbetrag
|
|
./. Umsatzsteuer
|
|
= Nettorechnungsbetrag.
|
Dieses so ermittelte Entgelt rechnete die
Klägerin gegenüber den Laborgemeinschaften wie folgt ab:
„Für die im Monat …. in unserem Hause
abgearbeiteten Analysen berechnen wir Ihnen Entgelt …
zuzüglich Umsatzsteuer = Rechnungsendbetrag.“
Die Klägerin behandelte also die
Umsätze selbst als steuerpflichtig und wies in ihren
Rechnungen Umsatzsteuer gesondert aus. Durch die dargestellte Form
der Entgeltermittlung schied die Klägerin aus der
Entgeltberechnung die Lohnkosten aus, die bei den
Laborgemeinschaften X und C für die Beschäftigung der
früher von der Klägerin beschäftigten Mitarbeiter
anfielen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) behandelte die Leistungen der Klägerin an
die Laborgemeinschaften - wie die Klägerin - als
steuerpflichtig und erhöhte die Bemessungsgrundlage um die von
den Laborgemeinschaften X und C bezahlten Personalkosten. Weil die
entsprechenden Mitarbeiter nicht nur für die
Laborgemeinschaften X und C tätig geworden seien, sondern
allgemein für die Klägerin, stellten diese Personalkosten
Entgelt dar, weil X und C diese Kosten für die Klägerin
aufgewendet hätten, um deren Leistungen zu erhalten; dies
komme auch in der Art der Entgeltermittlung zum Ausdruck.
Einspruch und Klage gegen die Steuerbescheide
hatten keinen Erfolg.
Das FG war mit dem FA der Ansicht, die
Leistungen seien nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. c des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980/1991/1993 steuerfrei. Zwar stelle
das Unternehmen der Klägerin eine „andere Einrichtung
ärztlicher Befunderhebung“ dar; die Leistungen der
Klägerin seien aber nicht in dem erforderlichen Ausmaße
„unter ärztlicher Aufsicht“ erbracht
worden. Im Übrigen habe die Klägerin nicht nachgewiesen,
dass jeweils im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % ihrer
Leistungen dem in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG 1980/1991/1993
genannten Personenkreis zugute gekommen sei. Dabei ging das FG
davon aus, dass sich die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c
UStG 1980/1991/1993 auf den Gesamtumsatz der Klägerin beziehe
und nicht etwa nur auf die in dieser Vorschrift selbst genannten,
potenziell steuerfreien Umsätze. Das Urteil des FG ist in EFG
2004, 64 = SIS 03 50 46 abgedruckt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision und macht geltend, dass die entsprechenden Leistungen
entgegen der Auffassung des FG unter ärztlicher Aufsicht
erbracht worden seien. Außerdem macht sie
Verfahrensmängel geltend, soweit das FG davon ausgeht, die
Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass mindestens 40 % ihrer
Leistungen dem in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG 1980/1991/1993
genannten Personenkreis zugute gekommen sei; sie habe im
finanzgerichtlichen Verfahren immer noch auf den vom FA geforderten
Hinweis gewartet, wie dieser Nachweis erbracht werden solle und
ohne dass sie hierauf eine Antwort bekommen habe, habe das FG zu
ihren Ungunsten auf Grund der Beweislastverteilung entschieden.
Nach mündlicher Verhandlung vom
25.11.2004 hatte der Senat Zweifel, ob die Behandlung der
streitigen Umsätze der Klägerin nach nationalem Recht mit
den Vorgaben der Sechsten Richtlinie des Rates vom 12.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar sei
und legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) mit Beschluss vom 25.11.2004 folgende Frage vor:
|
„Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b und Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, die Steuerbefreiung
der von praktischen Ärzten angeordneten medizinischen
Laboranalysen auch dann von den dort genannten Bedingungen
abhängig zu machen, wenn die Heilbehandlung der Ärzte
ohnedies steuerfrei ist?“
|
Der Beschluss ist veröffentlicht in BFHE
208, 87, BStBl II 2005, 445 = SIS 05 15 27.
Mit Urteil vom 8.6.2006 Rs. C-106/05, L. u. P.
GmbH - im Folgenden: Vorabentscheidung - (BFH/NV Beilage 4, 2006,
442, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72 mit Anm. Klenk) hat der EuGH
Folgendes entschieden:
|
„Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG ist dahin auszulegen, dass der vorbeugenden
Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienende medizinische
Analysen, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden von
einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb
einer Heilbehandlungseinrichtung auf Anordnung praktischer
Ärzte durchgeführt werden, als ärztliche
Heilbehandlungen einer anderen ordnungsgemäß anerkannten
privatrechtlichen Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung unter die
dort vorgesehene Befreiung fallen können.
|
|
|
|
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2
Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steht einer nationalen Regelung
nicht entgegen, wonach die Befreiung derartiger medizinischer
Analysen von Bedingungen abhängt, die nicht für die
Befreiung der Heilbehandlungen der praktischen Ärzte gelten,
die sie angeordnet haben, und sich von denen unterscheiden, die
für die mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen
Umsätze im Sinne der erstgenannten Bestimmung gelten.
|
|
|
|
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG steht einer nationalen Regelung entgegen,
wonach die Befreiung der medizinischen Analysen, die von einem in
privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb einer
Heilbehandlungseinrichtung durchgeführt werden, von der
Bedingung abhängt, dass sie unter ärztlicher Aufsicht
erbracht werden. Dagegen verstößt es nicht gegen diese
Bestimmung, dass nach der nationalen Regelung die Befreiung dieser
Analysen von der Bedingung abhängt, dass mindestens 40 % von
ihnen Personen zugute kommen, die bei einem Träger der
Sozialversicherung versichert sind.“
|
In seiner Stellungnahme zu diesem EuGH-Urteil
weist das FA darauf hin, dass das FG keineswegs festgestellt habe,
dass alle Analysen der Klägerin auf Grund ärztlicher
Anordnung durchgeführt wurden und der Nachweis über die
„40-%-Grenze“ von der Klägerin erbracht
worden sei.
Die Klägerin nimmt wie folgt Stellung:
Der EuGH habe die Prüfung der Grenzen des Ermessens des
nationalen Gesetzgebers in die Verantwortung des Bundesfinanzhofs
(BFH) gestellt, auch wenn er zwei konkrete Fragen selbst
beantwortet habe; deshalb müsse der BFH noch Folgendes
prüfen:
1.
|
Verstößt es gegen den
EG-rechtlichen Grundsatz der Neutralität und der
Gleichbehandlung, wenn der nationale Gesetzgeber die 40-%-Grenze
für öffentliche und private Einrichtungen auf
verschiedene Bezugsgrößen anwendet? Bei
Krankenhäusern seien die vergleichbaren Leistungen dann
steuerfrei, wenn 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten
entfielen, bei denen nur Entgelte für allgemeine
Krankenhausleistungen oder nach der (ehemaligen)
Bundespflegesatzverordnung berechnet würden, während sich
die 40-%-Grenze bei den privaten Einrichtungen darauf beziehe, dass
40 % der Leistungen Personen zugute kommen, die bei einem
Träger der gesetzlichen Sozialversicherung versichert
seien.
|
|
|
2.
|
Verstößt es gegen die genannten
Grundsätze, dass dieselben Leistungen der klinischen Chemiker,
der Laborärzte und der Laborgemeinschaften ohne die
40-%-Grenze steuerfrei sind, weil diese direkt unter § 4 Nr.
14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 fallen?
|
|
|
3.
|
Verstößt die letztgenannte
Ungleichbehandlung auch gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG
- (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom
26.10.1976 1 BvR 191/74, BVerfGE 43, 58, UR 1977, 32)?
|
|
|
4.
|
Die praktische Umsetzung der 40-%-Grenze
für die privaten Einrichtungen sei in tatsächlicher
Hinsicht nicht erfüllbar; tatsächlich Unerfüllbares
dürfe aber nicht tatbestandliche Voraussetzung eines Gesetzes
sein (Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip von Art. 20 Abs.
3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG).
|
|
|
5.
|
Letztlich lägen auch
Verfahrensmängel vor, die zur Aufhebung und
Zurückverweisung führen müssten: Das FG habe
zunächst dem FA aufgegeben zu erläutern, wie die
Klägerin den Nachweis über die 40-%-Grenze führen
solle; das FA habe nicht geantwortet und ohne weitere
Aufklärung habe das FG dann nach
Beweislastverteilungsgrundsätzen zu Lasten der Klägerin
entschieden (Überraschungsentscheidung; Verstoß gegen
die Fürsorgepflicht; Verstoß gegen die
Ermittlungspflicht des FG).
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1993 dahin gehend
zu ändern, dass die Umsätze aus den Laboruntersuchungen
als steuerfrei behandelt sowie den Rechtsstreit zur Ermittlung der
nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge an das FG
zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 23.11.2006 hat der Senat das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, dem Verfahren
beizutreten (BFH/NV 2007, 510 = SIS 07 07 46). Das BMF ist dem
Verfahren beigetreten und hat schriftlich sowie in der
mündlichen Verhandlung zu den aufgeworfenen Fragen Stellung
genommen.
II. Die Revision ist begründet. Das FG
hat die Laborleistungen der Klägerin zu Unrecht als
steuerpflichtig behandelt; deshalb ist sein Urteil aufzuheben. Der
Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil ihm die in
Folge der Steuerfreiheit der Umsätze aufzuteilenden und zu
kürzenden Vorsteuerbeträge nicht bekannt sind; deshalb
wird die Sache zur Ermittlung dieser Tatsachen und zur erneuten
Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die Umsätze der Klägerin aus den
Laboruntersuchungen für die Laborgemeinschaften sind nach
§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 steuerfrei.
a) Die Klägerin erbringt Umsätze aus
der Tätigkeit als Arzt (Laborarzt). Zwar ist die Klägerin
keine natürliche, sondern eine juristische Person des privaten
Rechts (GmbH), ihr einziger Gesellschafter ist aber der Arzt
für Laboratoriumsmedizin Dr. S. In der Rechtsprechung des EuGH
(Urteil vom 10.9.2002 Rs. C-141/00, Kügler, BFH/NV 2003,
Beilage 1, 30, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10), des BVerfG (Urteil vom
10.11.1999 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160 =
SIS 99 23 42) und des BFH (Urteil vom 4.3.1998 XI R 53/96, BFHE
185, 305, BStBl II 2000, 13 = SIS 98 11 25) ist anerkannt, dass die
Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG bzw. nach § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 von der
Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten
ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt,
unabhängig ist. Auf den vom FG noch maßgeblich
abgestellten Aspekt, dass eine freiberufliche Tätigkeit i.S.
des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegen
müsse, kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr
an; Rz 30 des Urteils Kügler lautet:
|
„Der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität verbietet es insbesondere, dass
Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei
der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dieser
Grundsatz wäre daher verletzt, wenn die Möglichkeit einer
Berufung auf die Steuerbefreiung für die in Artikel 13 Teil A
Absatz 1 Buchstabe c genannten Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin von der Rechtsform abhinge, in der der
Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt (vgl. in diesem
Sinne Urteil Gregg, Randnr. 20).“
|
Es reicht deshalb aus, dass der alleinige
Gesellschafter der Klägerin die in § 4 Nr. 14 UStG
1980/1991/1993 erforderliche Qualifikation als Arzt aufweist.
b) Der EuGH hat im vorliegenden Verfahren
entschieden, dass die Klägerin mit den medizinischen Analysen
(wie im Streitfall), die der vorbeugenden Beobachtung und
Untersuchung der Patienten dienen (Laboruntersuchungen für die
Laborgemeinschaften), der Art nach „ärztliche
Heilbehandlungen“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
b bzw. „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
der Richtlinie 77/388/EWG erbringt (Rz 31, 39 der
Vorabentscheidung).
Aus diesem Urteil ergibt sich ferner, dass die
Leistungen der „ärztlichen Heilbehandlung“
nicht unmittelbar gegenüber dem Patienten erbracht werden
müssen, um als steuerfrei behandelt werden zu können; es
reicht vielmehr aus, dass diese Leistungen gegenüber den
Ärzten erbracht werden, die die Analysen angeordnet haben.
Diese Entscheidungsgrundsätze lassen die
Behandlung des Rechtsstreits in einem anderen Licht erscheinen, als
dies noch im Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses vom 25.11.2004 der
Fall war. Denn wenn die Klägerin - rechtsformneutral - als
Arzt i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 anzusehen
ist und ihre Laboruntersuchungen für die Laborgemeinschaften
als ärztliche Heilbehandlung und damit als
„Tätigkeit als Arzt“ auch dann zu
qualifizieren sind, wenn sie nur mittelbar den Patienten zugute
kommen, dann greift bereits nach nationalem Recht die
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993
ein, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr.
16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 ankommt.
Zwar grenzt der EuGH die Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
c der Richtlinie 77/388/EWG von den ärztlichen
Heilbehandlungen, die von einem in privatrechtlicher Form
organisiertem Labor nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden, nach dem Ort ab, an dem die
Leistungen erbracht werden (Rz 22 und 39 des Urteils L.u.P. GmbH):
Nach Buchst. c sollen Leistungen steuerfrei sein, die
außerhalb von Krankenhäusern (oder ähnlichen
Einrichtungen) im Rahmen eines persönlichen
Vertrauensverhältnisses erbracht werden, sei es in den
Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten
oder an einem anderen Ort, für alle anderen ärztlichen
Leistungen soll Buchst. b eingreifen. Diese der Richtlinie
77/388/EWG zugrunde liegende Systematik lässt sich aber nicht
im Wege der Auslegung in das nationale Umsatzsteuergesetz
übertragen, soweit es diesem Ansatz des europäischen
Rechts schon dem Grunde nach nicht folgt: In § 4 Nr. 14 UStG
1980/1991/1993 finden sich sowohl Ärzte als auch klinische
Chemiker, deren Leistungen nicht in der Arztpraxis oder der Wohnung
des Patienten erbracht werden, als auch solche, bei denen dies der
Fall ist. Durch das UStG 1980 wurde die Befreiung nach § 4 Nr.
14 UStG 1980/1991/1993 auf die Klinischen Chemiker ausgedehnt, um
eine Wettbewerbbenachteiligung dieser Unternehmer gegenüber
den Laborärzten zu verhindern (BTDrucks 8/2827, S. 14). Das
nationale Gesetz knüpft damit hinsichtlich der Steuerbefreiung
(auch der Laborärzte) in erster Linie an den Beruf an und
nicht an den Ort der Leistung. Die von § 4 Nr. 14 UStG
1980/1991/1993 erfassten Umsätze können nicht gegen den
Gesetzeswortlaut im Wege der Auslegung in den Anwendungsbereich des
§ 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993
„umdefiniert“ werden. Es bleibt vielmehr dabei,
dass sich in einem derartigen Fall der Steuerpflichtige auf das
für ihn günstigere nationale Recht - wie hier § 4
Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 - berufen kann, solange dieses
nicht entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 77/388/EWG angepasst
wird.
c) Diese Rechtsauffassung steht nicht in
Widerspruch zum Senatsurteil vom 13.7.2006 V R 7/05 (BFH/NV 2006,
2387 = SIS 06 42 39); im dort entschiedenen Fall wiesen weder der
Kläger (Rechtsnachfolger des TÜV) noch dessen Mitglieder
die berufliche Qualifikation als Arzt auf. Kann sich ein
Steuerpflichtiger nach den Tatbestandsvoraussetzungen nicht auf die
günstigere Regelung des § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993
berufen, kann zur Abgrenzung zwischen § 4 Nr. 14 und Nr. 16
auf die Systematik der Richtlinie 77/388/EWG abgestellt werden
(richtlinienkonforme Auslegung).
d) Für die Streitjahre führt die
Behandlung der Umsätze aus den Laboruntersuchungen für
die Laborgemeinschaften als steuerfrei aber nur dazu, dass die
Steuerfestsetzungen um die Umsatzsteuer aus den vom FA
zusätzlich der Besteuerung unterworfenen Entgelten in Gestalt
der von den Laborgemeinschaften X und C übernommenen
Personalkosten ermäßigt wird, weil die Klägerin
hinsichtlich der übrigen Laborumsätze die Umsatzsteuer
offen in ihren Rechnungen ausgewiesen hat und diese daher nach
§ 14 Abs. 2 UStG 1980/1991/1993 schuldet; gleichzeitig sind
die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 UStG 1980/1991/ 1993 insoweit zu kürzen, als sie zur
Ausführung der nach § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993
steuerfreien Umsätze verwendet wurden.
Die hierzu erforderlichen tatsächlichen
Feststellungen wird das FG noch zu treffen haben. Die nach §
14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980/1991/1993 bzw. jetzt nach § 14c
Abs. 1 Satz 2 UStG mögliche Berichtigung des unrichtigen
Steuerausweises wirkt sich nach § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG erst
in dem Besteuerungszeitraum aus, in dem die Rechnungen
tatsächlich berichtigt werden. Für die Streitjahre wird
daher trotz der Steuerfreiheit der Umsätze aus den
Laboruntersuchungen eine „Verböserung“
gegenüber den bisherigen Steuerfestsetzungen eintreten.
2. Die Anwendung von § 4 Nr. 16 Buchst. c
UStG 1980/1991/1993 würde zu keinem anderen Ergebnis
führen.
Zwar hat der EuGH im vorliegenden Verfahren
entschieden, dass die Mitgliedstaaten über ein Ermessen
verfügten, die Regeln zur Anerkennung der in Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannten
privatrechtlichen Einrichtungen aufzustellen, weshalb die in §
4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/ 1993 aufgestellte 40-%-Grenze
grundsätzlich mit europäischem Recht vereinbar sei (Rz 42
und 54). Es hätten jedoch die nationalen Gerichte zu
prüfen, ob die Mitgliedstaaten bei Beachtung der
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des
Grundsatzes der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im
Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck komme, bei
der Aufstellung solcher Bedingungen nicht etwa die Grenzen ihres
Ermessens überschritten hätten (Rz 48). In Rz 50
präzisiert der EuGH dies wie folgt:
|
„Insoweit ist vorab darauf
hinzuweisen, dass die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen
Neutralität zunächst verlangt, dass für alle in
Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie
genannten Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen
Bedingungen für ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung
vergleichbarer Leistungen gelten. Im vorliegenden Fall hat daher
das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die nationale Regelung
diesem Erfordernis entspricht oder aber die Anwendung der
fraglichen Bedingungen auf bestimmte Arten von Einrichtungen
beschränkt, während andere von ihr ausgenommen
sind.“
|
Danach ist maßgeblich darauf
abzustellen, dass für alle Kategorien privatrechtlicher
Einrichtungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer
Leistungen nach dem nationalem Recht die gleichen
Bedingungen für ihre Anerkennung gelten. Dies ist aber
nicht der Fall: Die Laborärzte und klinischen Chemiker, die
unter Buchst. b zu subsumieren wären, werden nach deutschem
Recht ohne weitere Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit
(§ 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993), die privaten
Krankenhäuser nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG
1980/1991/1993 nach anderen Bedingungen als die übrigen in
§ 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 genannten
Einrichtungen, obwohl alle Kategorien in Bezug auf ihre
Umsätze aus den Laboruntersuchungen vergleichbare Leistungen
erbringen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung
derselben Leistungen verschiedener Wirtschaftsteilnehmer ist umso
weniger erkennbar, als auch der Zweck der Steuerbefreiung nach
nationalem Recht - die Entlastung der Sozialversicherung von der
Umsatzsteuer (vgl. die Nachweise im BVerfG-Urteil in BVerfGE 101,
151, BStBl II 2000, 160 = SIS 99 23 42, unter B. II. 1. b) - sich
nicht mit dem Zweck der Steuerbefreiung nach Gemeinschaftsrecht
deckt, der in der Senkung der Kosten der Heilbehandlung schlechthin
liegt (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl.
Vorabentscheidung L.u.P. GmbH, Rz 25, m.N.).
Die nationale Regelung der Steuerbefreiung
vergleichbarer Leistungen zu verschiedenen Bedingungen lässt
sich deshalb mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der
steuerlichen Neutralität nicht vereinbaren. Als Konsequenz
wäre daraus Folgendes abzuleiten: Nach Art. 13 Teil A Abs. 1
der Richtlinie 77/388/EWG sind die dort genannten Umsätze
grundsätzlich von der Steuer zu befreien; die Regelungen der
Buchst. b und c sind auch hinreichend konkret. Stellt der nationale
Gesetzgeber Regeln auf, die gemeinschaftsrechtlichen
Grundsätzen widersprechen, können diese vom Standpunkt
des Gemeinschaftsrechts keine Beachtung finden. Der
Steuerpflichtige kann sich dann aber auf die
Steuerbefreiungsvorschriften des Gemeinschaftsrechts berufen, ohne
dass die - gemeinschaftsrechtlich unbeachtlichen - nationalen
Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Bei
unmittelbarer Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG wären daher die Umsätze der
Klägerin aus den Laboruntersuchungen für die
Laborgemeinschaften von der Umsatzsteuer zu befreien.
3. Im Übrigen ist das FG bei der
Anwendung des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 von
einer zu weiten Bestimmung der rechtlichen Voraussetzungen
ausgegangen: Die dort genannte 40-%-Grenze bezieht sich nach der
gesetzlichen Systematik und dem Gesetzeswortlaut nicht auf den
Gesamtumsatz des Unternehmers, sondern nur auf die in § 4 Nr.
16 UStG 1980/1991/1993 bezeichneten Umsätze selbst.
Es wäre daher selbst bei Anwendung von
§ 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 auf die Umsätze
aus den Laboruntersuchungen der Klägerin für die
Laborgemeinschaften fraglich, ob die tatsächlichen
Voraussetzungen hinsichtlich der 40-%-Grenze nicht doch
erfüllt wären. In diesem Zusammenhang sind das FA und das
BMF im Revisionsverfahren die Antwort auf die Frage schuldig
geblieben, auf welche rechtlich unbedenkliche und auch
nachprüfbare Weise die Klägerin in der gegebenen
Konstellation den Nachweis erbringen sollte, dass mindestens 40 %
ihrer Laboruntersuchungsleistungen für die Laborgemeinschaften
dem in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG 1980/1991/1993 genannten
Personenkreis zugute kommt, wenn sie selbst am
Leistungsverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht beteiligt
ist und der Arzt die Auskunft über den Versicherungsstatus des
Patienten gegenüber dem Labor verweigern darf.
4. Der Senat hat weiterhin
verfassungsrechtliche Zweifel daran, ob der Gesetzgeber mit der
Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 den
Beschluss des BVerfG in BVerfGE 43, 58, UR 1977, 32 zutreffend
umgesetzt hat (vgl. Klenk, UR 2006, 470). Da die Umsätze der
Klägerin aber schon nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG
1980/1991/1993 steuerfrei sind, ist die Frage der
Verfassungsmäßigkeit von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG
1980/1991/1993 nicht mehr entscheidungserheblich.