Keine 1 %-Regelung für Werkstattwagen: 1. Ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, unterfällt nicht der Bewertungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG (1 %-Regelung). - 2. Ob ein Arbeitnehmer ein solches Fahrzeug auch für private Zwecke eingesetzt hat, bedarf der Feststellung im Einzelnen. Die Feststellungslast obliegt dem FA. Dieses kann sich nicht auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. - Urt.; BFH 18.12.2008, VI R 34/07; SIS 09 05 14
I. Die
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine
GmbH, betreibt ein Unternehmen für ... . Ihrem
Gesellschafter-Geschäftsführer A stellte die
Klägerin zwei Firmenfahrzeuge zur Verfügung, einen Opel
Astra und einen Opel Combo. Letzterer ist ein zweisitziger
Kastenwagen, dessen fensterloser Aufbau mit Materialschränken
und –fächern sowie Werkzeug ausgestattet und mit einer
auffälligen Beschriftung versehen ist.
Nach einer
Lohnsteuer-Außenprüfung erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) für die Streitjahre
2001 und 2002 gegen die Klägerin Haftungsbescheide wegen der
auf die private Nutzung des Opel Astra entfallenden Lohnsteuer. Auf
den Einspruch der Klägerin änderte das FA nach
entsprechendem Hinweis die angefochtenen Bescheide, indem es
nunmehr für beide Fahrzeuge einen privaten Nutzungswert von 1
% des Listenpreises sowie zusätzlich für den Opel Combo
0,03 % des Listenpreises pro Kilometer der Entfernung zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte ansetzte.
Das Finanzgericht
(FG) wies die Klage ab (vgl. SIS 07 18 73).
Mit der Revision
rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts.
Die Klägerin
beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Haftungsbescheide dahingehend zu ändern, dass wegen
der Überlassung des Opel Combo von einer Besteuerung nach der
1 %-Regelung abgesehen wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist
begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der
Klage teilweise stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG
kommt § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
nicht zur Anwendung, soweit die Nutzung des Opel Combo für
private Fahrten betroffen ist.
Gemäß
§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die
Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die
Lohnsteuer wird bei Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit erhoben, soweit der Arbeitslohn von einem inländischen
Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der
Haftungstatbestand ist, soweit es um die private Nutzung des Opel
Combo geht, teilweise nicht erfüllt.
a) Zum Arbeitslohn
gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8
Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte
Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den
Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer
Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (Urteile
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6.11.2001 VI R 62/96, BFHE 197,
142, BStBl II 2002, 370 = SIS 02 06 51; vom 7.11.2006 VI R 19/05,
BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41; VI R 95/04, BFHE
215, 252, BStBl II 2007, 269 = SIS 07 03 22; vom 4.4.2008 VI R
68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890 = SIS 08 24 18).
Gemäß
§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt ab dem Veranlagungszeitraum 1996
für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten
Fahrten die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene
Regelung entsprechend; diese Nutzung ist daher für jeden
Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im
Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für
Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer
anzusetzen (1 %-Regelung). Dieser Wert erhöht sich
gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden
Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden
Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
(Zuschlag), wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt
werden kann.
b) Das
Einkommensteuergesetz definiert den Begriff
„Kraftfahrzeug“ weder in § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 2 noch in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG. Nach dem Wortlaut der
Vorschriften wird von den Regelungen jedwedes zum
Betriebsvermögen des Arbeitgebers rechnendes
„Kraftfahrzeug“ erfasst. Nach der Rechtsprechung
des X. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat
anschließt, ist es nach Sinn und Zweck jedoch geboten,
bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich auch LKW, von der
Anwendung der 1 %-Regelung auszunehmen (BFH-Urteil vom 13.2.2003 X
R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472 = SIS 03 23 21; vgl.
auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
21.1.2002, BStBl I 2002, 148 = SIS 02 04 05, Tz. 1 am Ende). Unter
dem Begriff LKW werden üblicherweise solche Kraftfahrzeuge
erfasst, die nach ihrer Bauart und Einrichtung ausschließlich
oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern dienen
(BFH-Entscheidungen in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472 = SIS 03 23 21; vom 21.8.2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006,
721 = SIS 06 37 92, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall ist
der Opel Combo, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist,
kraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtlich als LKW klassifiziert.
Zwar ist nach der BFH-Entscheidung in BFHE 201, 499, BStBl II 2003,
472 = SIS 03 23 21 diese Klassifizierung für die Feststellung
des sachlichen Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG unmaßgeblich. Der Senat lässt offen, ob dieser
Auffassung nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (vgl. dazu BFH-Beschluss
in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92; Strodthoff,
Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 4; § 8 Rz 18i) gefolgt werden
kann. Denn jedenfalls ist das Fahrzeug der Klägerin als
Werkstattwagen aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und
Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur
Beförderung von Gütern bestimmt. Ein Fahrzeug dieser Art
wird allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für
private Zwecke eingesetzt. Insbesondere die Anzahl der
Sitzplätze (2), das äußere Erscheinungsbild, die
Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer
Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum machen deutlich, dass
das Fahrzeug für private Zwecke nicht geeignet ist (vgl. zu
den Abgrenzungsmerkmalen Strodthoff, a.a.O., § 8 Rz 17a; 18h
am Ende).
c) Nach diesen
Grundsätzen ist im Streitfall die Vorschrift des § 8 Abs.
2 Satz 2 EStG nicht anwendbar. Ob ein Arbeitnehmer in einem solchen
Fall das Fahrzeug für private Zwecke eingesetzt hat, ist im
Einzelnen festzustellen; die Bewertung richtet sich nach § 8
Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Feststellungslast trifft das FA. Zwar
spricht nach der Rechtsprechung des Senats bei Überlassung
eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer aufgrund der allgemeinen
Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch
private Nutzung des Dienstwagens (vgl. BFH-Urteile in BFHE 215,
256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41, m.w.N.; vom 15.3.2007 VI R
94/04, BFH/NV 2007, 1302 = SIS 07 20 04). Diese Grundsätze
kommen jedoch nicht zur Anwendung, wenn es sich um ein Fahrzeug
handelt, das typischerweise nicht zum privaten Gebrauch geeignet
ist.
Im Streitfall liegen
keine Anhaltspunkte dafür vor, dass A das Fahrzeug
tatsächlich privat genutzt hat.
Die Revision richtet
sich nicht gegen die Anwendung der Zuschlagsregelung
gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG.