Gesellschafter-Geschäftsführer, vertragswidrige PKW-Nutzung, vGA: Eine vertragswidrige private PKW-Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft stellt in Höhe der Vorteilsgewährung eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Der Vorteil ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 1 % des Listenpreises, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben mit dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung zuzüglich angemessenen Gewinnaufschlags zu bewerten (Bestätigung des Senatsurteils vom 23.2.2005 I R 70/04, BFHE 209 S. 252, BStBl 2005 II S. 882 = SIS 05 24 35). (Hinweis aus BStBl 2012 II S. 260 auf BMF-Schreiben vom 3.4.2012 IV C 2 - S 2742/08/10001 = SIS 12 09 89, BStBl 2012 I S. 478) - Urt.; BFH 23.1.2008, I R 8/06; SIS 08 18 01
I. Streitig ist der Ansatz einer verdeckten
Gewinnausschüttung (vGA) betreffend die Nutzung eines
Dienstwagens durch den
Gesellschafter-Geschäftsführer.
Unternehmensgegenstand der Klägerin
und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, ist der Betrieb
einer Buchbinderei. Gesellschafter waren in den Streitjahren 1998
bis 2000 zu jeweils 50 % X als Alleingeschäftsführer
sowie dessen Mutter. Nach dem Anstellungsvertrag war der
Geschäftsführer „nicht berechtigt, Fahrzeuge der
Gesellschaft für private Zwecke zu nutzen“. Am 24.4.1998
wurde auf den Namen der Klägerin ein (zweisitziger) PKW Jaguar
XJR V8 (Bruttolistenpreis lt. Leasingfirma: 138.800 DM) zugelassen.
Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Für bestimmte
„auswärtige Betankungen, Betankungen an Sonn- und
Feiertagen sowie die Betankungen an Wochenenden“ konnte nach
der Einschätzung einer Außenprüfung ein
„betrieblicher Zusammenhang“ von der Klägerin
nicht dargelegt werden. Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte für die Streitjahre eine vGA nach
der sogenannten 1 %-Methode zuzüglich Umsatzsteuer
einkommenserhöhend an.
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab
der Klage durch Urteil vom 2.5.2005 5 K 1131/03
(veröffentlicht in EFG 2006, 665 = SIS 06 19 08)
statt.
Das FA rügt die Verletzung materiellen
Rechts.
Es beantragt, das Urteil des FG
Rheinland-Pfalz vom 2.5.2005 5 K 1131/03 aufzuheben und die Sache
an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die tatsächlichen
Feststellungen des FG reichen für eine abschließende
Entscheidung durch den Senat zur Höhe der vGA nicht aus.
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3
Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer
Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte
Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das
Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, sich auf die
Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1
KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen
Ausschüttung steht; dabei muss diese
Unterschiedsbetragsminderung die objektive Eignung haben, beim
Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr.
1 Satz 2 EStG auszulösen (z.B. Senatsurteile vom 7.8.2002 I R
2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131 = SIS 03 06 05; vom
6.4.2005 I R 15/04, BFHE 210, 14, BStBl II 2006, 196 = SIS 05 36 33; vom 3.5.2006 I R 124/04, BFHE 214, 80 = SIS 06 33 59). Für
den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der
Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder
einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil
zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter
nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des
Senats, z.B. Urteil vom 23.2.2005 I R 70/04, BFHE 209, 252, BStBl
II 2005, 882 = SIS 05 24 35).
2. a) Eine vGA ist hiernach dem Grunde nach
gegeben. Das FG ist bei seiner Entscheidung aufgrund einer
Würdigung der Sachumstände des konkreten Falles davon
ausgegangen, dass eine Privatnutzung des PKW durch den
Gesellschafter-Geschäftsführer vorgelegen hat. Die
Klägerin habe den entsprechenden Anscheinsbeweis (keine
Führung eines Fahrtenbuchs; keine organisatorischen
Maßnahmen, um eine Privatnutzung auszuschließen;
unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des
Geschäftsführers auf den PKW; s. dazu z.B.
Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.5.1999 VI B
258/98, BFH/NV 1999, 1330 = SIS 99 51 34; vom 13.4.2005 VI B 59/04,
BFH/NV 2005, 1300 = SIS 05 32 05; vom 27.10.2005 VI B 43/05, BFH/NV
2006, 292 = SIS 06 07 80; BFH-Urteil vom 7.11.2006 VI R 19/05, BFHE
215, 256, BStBl II 2007, 116 = SIS 06 47 41; BFH-Beschluss vom
21.12.2006 VI B 20/06, BFH/NV 2007, 716 = SIS 07 09 47; FG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.6.2007 12 K 8253/06 B, EFG 2007,
1731 = SIS 07 33 51) nicht widerlegt. Der erkennende Senat ist an
diese dem Tatsachenbereich zuzuordnende Feststellung, die von den
Beteiligten nicht angegriffen wurde, gebunden (§ 118 Abs. 2
FGO; s. insoweit insbesondere BFH-Urteil in BFHE 215, 256, BStBl II
2007, 116 = SIS 06 47 41; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 716 = SIS 07 09 47); eine Privatnutzung steht damit revisionsrechtlich fest.
Sie löst im Umfang der entsprechenden Minderung des
Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG
(i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) eine vGA aus (s. insoweit Pust,
Steuer und Wirtschaft 2006, 324, 328).
b) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil
in BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882 = SIS 05 24 35 entschieden,
dass die vertraglich nicht geregelte private PKW-Nutzung durch den
Geschäftsführer und Ehemann der Alleingesellschafterin
einer Kapitalgesellschaft in Höhe der Vorteilsgewährung
eine vGA darstellt. Daraus und aus den allgemeinen Grundsätzen
der Senatsrechtsprechung zum Ansatz einer vGA ist abzuleiten, dass
in den Fällen, in denen der
Gesellschafter-Geschäftsführer den Betriebs-PKW ohne
entsprechende Gestattung der Gesellschaft für private Zwecke
nutzt, eine vGA anzusetzen ist (s. z.B. Gosch, KStG, § 8 Rz
716; Klingebiel in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, Anhang zu § 8 Abs. 3 KStG
„Kraftfahrzeugkosten“ Rz 1, 3 f.; B. Lang in
Ernst & Young, KStG, § 8 Rz 1199.1; Rengers in
Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG Rz 900
„Kraftfahrzeugkosten“; Schulte in Erle/Sauter,
KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 410; Junge, DStR 1998, 833, 834;
Briese, GmbHR 2005, 1271, 1274 f.; s.a. FG des Landes Brandenburg,
Urteil vom 26.10.2005 2 K 1763/02, EFG 2006, 115, 117 = SIS 06 01 65; FG Berlin-Brandenburg in EFG 2007, 1731 = SIS 07 33 51). So
gesehen ist nur diejenige Nutzung des PKW betrieblich veranlasst,
welche durch eine fremdübliche Überlassungs- oder
Nutzungsvereinbarung abgedeckt wird. Die ohne eine solche
Vereinbarung erfolgende oder darüber hinausgehende oder einem
ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung ist hingegen
durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst.
c) Die Vorinstanz hat sich im Rahmen der
Prüfung, ob die durch die Privatnutzung ausgelöste
Minderung des Unterschiedsbetrags durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, demgegenüber auf
die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH (Beschlüsse in
BFH/NV 1999, 1330 = SIS 99 51 34; vom 19.12.2003 VI B 281/01,
BFH/NV 2004, 488 = SIS 04 11 13, und in BFH/NV 2005, 1300 = SIS 05 32 05) bezogen und ist von einer ausschließlich betrieblichen
Veranlassung (Arbeitslohn) ausgegangen. Der VI. Senat hat auf
entsprechende Anfrage durch den erkennenden Senat (Beschluss vom
21.8.2007) jedoch mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen
Rechtsauffassung nicht länger festhält (Beschluss vom
15.11.2007 VI ER -S- 4/07). Die Frage danach, ob die private
Nutzung des PKW gesellschaftlich (mit-)veranlasst ist, wird sonach
vom I. Senat des BFH (für die Ebene der Kapitalgesellschaft)
und vom VI. Senat des BFH (für die Ebene des
Gesellschafter-Geschäftsführers) übereinstimmend
beantwortet; die Unterschiedsbetragsminderung gemäß
§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bei der Kapitalgesellschaft ist
folglich objektiv geeignet, beim Gesellschafter einen sonstigen
Bezug i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
auszulösen.
3. Zur Bewertung der vGA ist auf das
Senatsurteil in BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882 = SIS 05 24 35 zu
verweisen: Die vGA ist nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (1
% des Listenpreises des Fahrzeugs, § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) zu bewerten. Auch wenn dieser
Wert - jedenfalls vor dem Inkrafttreten des § 32a KStG
(Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006, BGBl I 2006, 2878, BStBl I
2007, 28) - bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer
für die einkommensteuerrechtliche Erfassung des
Nutzungsvorteils unbeschadet dessen Qualifizierung als Arbeitslohn
(§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder als vGA (§ 20 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG) maßgeblich sein mag (vgl. z.B.
BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 488 = SIS 04 11 13; s.a. FG des
Landes Brandenburg in EFG 2006, 115; FG Berlin-Brandenburg in EFG
2007, 1731 = SIS 07 33 51; Kuhfus, EFG 2006, 666; zu einem
entsprechenden Ansatz aus Praktikabilitätsgründen:
Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt vom 21.11.2005, DB 2005, 2661
= SIS 06 03 53; OFD Erfurt vom 3.11.2005, DStR 2006, 97 = SIS 06 01 68), ist dieser Wert im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf
der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht heranzuziehen. Der Vorteil
ist hier vielmehr ausschließlich nach
Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel
zum Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen
angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht (s. auch Gosch, a.a.O.,
§ 8 Rz 715; zustimmend z.B. Frotscher in Frotscher/Maas,
KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG Rz 302
„Dienstwagen“; Blümich/Rengers, a.a.O.,
§ 8 KStG Rz 900 „Kraftfahrzeugkosten“).
4. Da die Vorinstanz - von ihrem
Rechtsstandpunkt ausgehend zu Recht - zur Bewertung der vGA keine
Feststellungen getroffen hat, ist das Urteil aufzuheben und die
Sache zur Nachholung dieser Feststellungen
zurückzuverweisen.