Arbeitgeberdarlehen zu marktüblicher Verzinsung, kein lohnsteuerlicher Vorteil: 1. Gewährt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Darlehen zu einem marktüblichen Zinssatz, erlangt der Arbeitnehmer keinen lohnsteuerlich zu erfassenden Vorteil. - 2. Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 bindet die Finanzgerichte nicht in ihren Feststellungen, ob der Arbeitnehmer ein Darlehen zu einem marktüblichen Zinssatz erhalten hat. - 3. Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 enthält keine Wertfestsetzung einer obersten Finanzbehörde eines Landes i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG. - Urt.; BFH 4.5.2006, VI R 28/05; SIS 06 35 38
I. Streitig ist, ob die Gewährung
eines Darlehens durch den Arbeitgeber zu einem Zinssatz, der zwar
unter dem in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) genannten, aber
nicht unter dem marktüblichen Zinssatz liegt, beim
Arbeitnehmer einen lohnsteuerpflichtigen Vorteil
begründet.
Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr 1999 als Ehegatten zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erhielt im Jahr 1994 von
der Pensionskasse seines Arbeitgebers zur Finanzierung einer
Immobilie ein Darlehen zu einem Zinssatz von 6,5 % mit
jederzeitiger Sondertilgungsmöglichkeit. Im Mai 1999 bot die
Pensionskasse angesichts des geänderten Marktzinses für
Hypothekendarlehen ihren Darlehensnehmern eine Umstellung der
Darlehensverträge auf günstigere Zinskonditionen an. Das
Angebot sah einen Festzins von 4,99 % (effektiv) für eine
zehnjährige Laufzeit ohne Sondertilgungsmöglichkeiten
vor. Der Kläger nahm das Angebot am 9.6.1999 an.
Der Arbeitgeber erfasste - gestützt
auf Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999, wonach bei einem
Arbeitgeberdarlehen ein einkommensteuerlich zu erfassender
Zinsvorteil vorliegt, wenn dessen jährlicher effektiver
Darlehenszins 6 % unterschreitet - die Differenz zwischen dem
Zinssatz von 6 % und dem neu vereinbarten Zinssatz von 4,99 % als
geldwerten Vorteil und unterwarf ihn dem Lohnsteuerabzug.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte dementsprechend die Einkommensteuer
für 1999 fest.
Gegen den Ansatz eines geldwerten Vorteils
richtete sich die nach erfolglosem Einspruch mit der
Begründung erhobene Klage, aus der Darlehensgewährung sei
kein Vorteil entstanden, weil das Darlehen marktüblich
verzinst werde.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(vgl. SIS 05 35 67).
Das FA rügt mit der vom Senat
zugelassenen Revision die Verletzung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 2 EStG. Es
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Revision nicht
geäußert.
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass kein lohnsteuerpflichtiger
Vorteil vorliegt, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein
Darlehen zu marktüblichen Konditionen gewährt.
1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen,
Gratifikationen, Tantiemen und anderen Bezügen auch Vorteile,
die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder
privaten Dienst gewährt werden. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG
benennt die geldeswerten Güter oder Vorteile (Einnahmen, die
nicht in Geld bestehen), nämlich „Wohnung, Kost,
Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge“.
§ 8 Abs. 2 EStG bringt zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer
durch die Zuwendung objektiv bereichert sein muss, weil die
Zuwendung für ihn einen wirtschaftlichen Wert hat (vgl.
Senatsurteile vom 28.1.2003 VI R 48/99, BFHE 201, 283, BStBl II
2003, 724 = SIS 03 18 70; vom 30.5.2001 VI R 123/00, BFHE 195, 376,
BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14). § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG
bestimmt auch den Maßstab für die Bewertung des
Vorteils. Die nicht in Geld bestehenden Einnahmen sind danach mit
den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen
Endpreisen am Abgabeort anzusetzen.
2. Zu den nach § 8 EStG zu bewertenden
und zu Einnahmen führenden Vorteilen i.S. des § 19 Abs. 1
Satz 1 EStG gehören auch solche, die den Arbeitnehmern aus der
Gewährung eines zinsverbilligten Arbeitgeberdarlehens
entstehen. Gewährt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer
allerdings ein Darlehen zu einem marktüblichen Entgelt,
erlangt der Arbeitnehmer mit der Kapitalnutzung nicht mehr als das,
was er für dasselbe Entgelt - Zins - auch von Dritten
hätte erlangen können. In diesem Fall ist der
Arbeitnehmer durch die Gewährung des Darlehens nicht objektiv
bereichert. Es fehlt an einem Vorteil als Grundvoraussetzung
für Einkünfte i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG.
a) Danach hat das FG zu Recht einen beim
Kläger zu erfassenden einkommensteuerlichen Vorteil durch die
Darlehensgewährung verneint. Denn nach seinen Feststellungen
entsprach der Zinssatz, zu dem der Kläger von seinem
Arbeitgeber das Darlehen erhielt, dem Zinssatz für
vergleichbare Darlehen, die Banken ihren Kunden im fraglichen
Zeitraum gewährten. Dabei stellte das FG in seinem Vergleich
zu Recht auf die Untergrenze der in der Bundesbankstatistik
vorzufindenden Streubreite der statistisch erhobenen Zinssätze
ab. Dieser an der Untergrenze liegende Zinssatz ist der um
übliche Preisnachlässe geminderte übliche Endpreis
i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Denn üblicherweise nimmt
der ein Darlehen nachfragende Kreditnehmer das günstigste
Angebot an.
b) Entgegen der Auffassung des FA lässt
sich auch mit Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 unter keinem
Gesichtspunkt ein beim Kläger entstandener steuerbarer
Zinsvorteil begründen.
aa) Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 mag der
Verwaltung den Effektivzins von 6 % für Zwecke der
Verwaltungsvereinfachung als Nichtaufgriffs- oder
Nichtbeanstandungsgrenze vorgeben (vgl. Küttner/Thomas,
Personalbuch 2006, Stichwort Pauschbeträge, Rz. 9 f.), kann
aber einen steuerbaren Vorteil nicht konstitutiv begründen.
Denn den LStR kommt, wie allen Steuerrichtlinien, keine
Rechtsnormqualität zu; sie bieten keine Rechtsgrundlage
für einen steuerbegründenden Verwaltungsakt und binden
Gerichte grundsätzlich nicht (ständige Rechtsprechung,
vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.7.2000 V R 55/99,
BFHE 193, 156, BStBl II 2001, 426 = SIS 01 01 60; vom 9.7.2003 I R
48/02, BFHE 203, 71, BStBl II 2004, 425 = SIS 03 45 42).
Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften mit
materiell-rechtlichem Inhalt sind Gegenstand, nicht jedoch
Maßstab richterlicher Kontrolle (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 11.5.1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78,
214, 227 f. = SIS 88 22 02).
bb) Ein zu erfassender Vorteil folgt auch
nicht aus § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG i.V.m. Abschn. 31 Abs. 8 Satz
3 LStR 1999. Nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG kann die oberste
Finanzbehörde eines Landes mit Zustimmung des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für weitere
Sachbezüge der Arbeitnehmer Durchschnittswerte festsetzen.
Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 enthält jedoch keine solche
Festsetzung einer obersten Finanzbehörde eines Landes. Denn
die LStR werden auf Grundlage des Art. 108 Abs. 7 des Grundgesetzes
(GG) von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats
erlassen. Damit wahren die LStR weder die in § 8 Abs. 2 Satz 8
EStG vorausgesetzte Organkompetenz für die Festsetzung von
Durchschnittswerten durch eine oberste Finanzbehörde eines
Landes, noch die für die Zustimmung hierzu durch das BMF. Da
mithin schon aus formellen Gründen Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3
LStR 1999 keine hinreichende Rechtsgrundlage für eine
Wertfestsetzung nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG bietet, kann der
Senat die Frage dahinstehen lassen, ob und unter welchen
Voraussetzungen eine auf § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG gestützte
steuerbegründende Festsetzung von Werten durch die Verwaltung
rechtsstaatlichen Anforderungen genügen könnte.
cc) Das FA kann schließlich auch nicht
mit Erfolg einwenden, dass der Zweck der mit § 8 Abs. 2 Satz 8
EStG eingeräumten gesetzlichen Ermächtigung, nämlich
typisierende und pauschalierende Regelungen zur vereinfachten
Bewältigung von Massenerscheinungen zu ermöglichen, dazu
berechtige, einen lohnsteuerlich zu erfassenden Vorteil nach
Maßgabe des Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 anzunehmen.
Denn auch solche Regelungen unterliegen jedenfalls einer
Plausibilitätsprüfung durch die Gerichte sowie der
Kontrolle, ob der Gleichheitssatz i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG
beachtet ist (vgl. Senatsurteil vom 18.2.1994 VI R 65/92, BFHE 174,
69, BStBl II 1994, 532 = SIS 94 12 51). Nachdem die Verwaltung den
Maßstabzinssatz in den LStR im Zeitraum von 1990 bis 2005
lediglich in der engen Bandbreite zwischen 5,0 % und 6,0 %
festgesetzt hatte, überprüfte das FG angesichts der
gerichtsbekannten tatsächlichen Schwankungsbreite der
Zinssätze für Darlehen in den vergangenen 15 Jahren den
der streitigen Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten
Zinssatz im Hinblick auf seine Plausibilität zu Recht und traf
auch zu Recht eigene Feststellungen zur Höhe des
marktüblichen Zinssatzes.