Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28.10.2016 9 K 2393/14 K
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Münster zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Beteiligten streiten über den
Bilanzansatz von Anteilen an in Liquidation befindlichen offenen
Immobilienfonds, bei denen am 31.12.2012 die Anteilsrücknahme
endgültig ausgesetzt war.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine eingetragene
Genossenschaft, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der (Bank).
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Die Bank hielt in ihrem
Betriebsvermögen zum 31.12.2012 (Bilanzstichtag) Anteile an
offenen Immobilienfonds (AXA Immoselect, KanAm grundinvest Fonds,
SEB Immoinvest und CS Euroreal), die sich zum Bilanzstichtag in
Liquidation befanden und bei denen die Ausgabe und Rückgabe
von Anteilen endgültig ausgesetzt war.
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Die Klägerin nahm dies zum Anlass, die
Anteile zum 31.12.2012 vom bisher angesetzten Rücknahmepreis
auf den sog. Zweitmarktwert abzuschreiben. Der Zweitmarktwert ist
der Börsenkurs im Handel mit den Anteilen im Freiverkehr
(insbesondere der Hamburger Börse). Da die Ausgabe und
Rücknahme der Anteile endgültig ausgesetzt war, war der
Handel am Zweitmarkt an der Börse die einzige
Möglichkeit, Anteile der betroffenen Fonds zu
veräußern oder zu erwerben.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Körperschaftsteuer für das
Jahr 2012 (Streitjahr) gegenüber der Klägerin als
Gesamtrechtsnachfolgerin der Bank zunächst durch Bescheid vom
30.9.2013 erklärungsgemäß fest; der Bescheid erging
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung - AO - ).
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Nach Durchführung einer
Außenprüfung erkannte das FA im
Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid für das
Streitjahr vom 30.4.2014 die Teilwertabschreibungen hinsichtlich
der oben genannten offenen Immobilienfonds auf den Zweitmarktwert
in Höhe von 1.001.857,70 EUR nicht an. Der Einspruch blieb
erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 26.6.2014).
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Im Laufe des Klageverfahrens hat das FA
unter dem 23.10.2015 aus hier nicht streitigen Gründen einen
Änderungsbescheid wegen Körperschaftsteuer für das
Streitjahr erlassen.
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Mit ihrer Klage machte die Klägerin im
weiteren Verlauf des Verfahrens nur noch geltend, die Versagung der
Teilwertabschreibung ihrer Anteile an den vorgenannten offenen
Immobilienfonds auf den über die Börse ermittelten
Zweitmarktwert sei rechtswidrig.
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Das Finanzgericht (FG) Münster wies
die Klage mit seinem in EFG 2017, 379 = SIS 17 04 71
veröffentlichten Urteil vom 28.10.2016 9 K 2393/14 K ab. Es
nahm an, bezogen auf die Anteile der Klägerin ließen
sich die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung nicht
feststellen. Sei aus den vorgenannten Gründen bereits nach
allgemeinen Grundsätzen die von der Klägerin begehrte
Teilwertabschreibung nicht anzuerkennen, bedürfe es keiner
Entscheidung darüber, ob auch das in § 8 Abs. 2 Satz 1
des Investmentsteuergesetzes i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes
vom 19.7.2016 (BGBl I 2016, 1730) - InvStG a.F. - zum Ausdruck
kommende Transparenzprinzip eine Abschreibung der
Immobilienfonds-Anteile ausschließe oder
einschränke.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 1 und 2, Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
Die Zulässigkeit der Teilwertabschreibung ergebe sich sowohl
aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als auch aus den
allgemeinen Grundsätzen der Teilwertabschreibung. Zutreffende
Schätzungsgrundlage könne nur ein Wert sein, den ein
gedachter Erwerber tatsächlich bezahle, d.h. die
Wiederbeschaffungskosten. Im vorliegenden Fall könne
hierfür der Rücknahmepreis nicht zugrunde gelegt werden,
weil die Fondsgesellschaft gerade nicht mehr bereit sei, den
Rücknahmepreis zu zahlen.
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Ausgehend von den Kursen der Börse
Hamburg liege auch eine voraussichtlich dauernde Wertminderung
vor.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie den Bescheid über
Körperschaftsteuer für das Jahr 2012 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 23.10.2015 dahingehend zu ändern,
dass weitere Teilwertabschreibungen in Höhe von 1.001.857,70
EUR berücksichtigt werden und die Körperschaftsteuer
entsprechend niedriger festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Maßgeblich für die Bewertung sei
der Rücknahmepreis. Dass die Rücknahme dauerhaft
ausgesetzt sei, sei unerheblich.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen,
dass im Streitjahr die Voraussetzungen für eine
Teilwertabschreibung nicht vorliegen.
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1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in
der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1
EStG. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG
für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das
Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung
auszuweisen ist und die Bewertung jenes Betriebsvermögens nach
§ 6 EStG vornehmen.
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2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die
nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter
- u.a. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens -
grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten
anzusetzen. Jedoch kann an Stelle jener Werte der Teilwert
angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden
Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).
Das Gesetz sieht insoweit für die Bewertung von
Umlaufvermögen keine abweichenden Regelungen vor (s. dazu
BeckOK InvStG 2004/Bödecker, 14. Ed. 15.01.2019, InvStG §
2 Rn. 41.11; s.a. Lübbehüsen in
Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, § 2 InvStG Rz
100).
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3. Teilwert der von der Klägerin
gehaltenen Anteile ist der Börsenkurs der Anteile.
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a) Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber
des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das
einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon
auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Bei der Ermittlung des Teilwerts als
objektivem Wert handelt es sich um eine Schätzung i.S. des
§ 162 AO, die Tatsachenfeststellung i.S. von § 118 Abs. 2
FGO ist und daher revisionsrechtlich nur daraufhin
überprüft werden kann, ob sie dem Grunde nach
zulässig war, in verfahrensfehlerfreier Weise zustande
gekommen ist und nicht gegen anerkannte
Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine
Erfahrungssätze verstößt (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16.12.2015 IV R 18/12, BFHE
252, 408, BStBl II 2016, 346 = SIS 16 04 61, Rz 29 f.; vom
17.8.2017 IV R 3/14, BFHE 259, 111 = SIS 17 16 47, Rz 21).
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b) Zutreffend ist das FG im Rahmen seiner
Schätzung zunächst davon ausgegangen, dass der Teilwert
von im Umlaufvermögen gehaltenen Anteilen an offenen
Immobilienfonds grundsätzlich der Rücknahmepreis ist.
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aa) Da bei der Teilwertermittlung die Sicht
eines gedachten Erwerbers des Betriebs einzunehmen ist (§ 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG), ist bei der
Ermittlung des Teilwerts von Anteilen an Investmentfonds im
Anlagevermögen auf den Ausgabepreis, d.h. auf den Preis, zu
dem die Anteilsscheine erworben werden können, abzustellen
(vgl. BFH-Urteile vom 5.10.1972 IV R 118/70, BFHE 107, 414, BStBl
II 1973, 207 = SIS 73 01 14; vom 21.9.2011 I R 7/11, BFHE 235, 273,
BStBl II 2014, 616 = SIS 11 39 98, Rz 14); denn der
Wiederbeschaffungspreis entspricht im allgemeinen dem Börsen-
oder Marktpreis am Bilanzstichtag (vgl. BFH-Urteil vom 13.3.1964 IV
236/63 S, BFHE 79, 529, BStBl III 1964, 426 = SIS 64 02 56, unter
1., Rz 12).
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bb) Der Teilwert von Investmentanteilen, die
für den Betrieb entbehrlich sind, wird aber durch den
Rücknahmepreis der Anteile bestimmt (vgl. BFH-Urteile vom
22.3.1972 I R 199/69, BFHE 105, 141, BStBl II 1972, 489 = SIS 72 02 85; in BFHE 107, 414, BStBl II 1973, 207 = SIS 73 01 14). Dies ist
Ausprägung des Grundsatzes, dass der Teilwert von zum Absatz
bestimmten Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nicht
nur von ihren Wiederbeschaffungskosten, sondern auch von ihrem
voraussichtlichen Veräußerungserlös abhängt
(BFH-Urteile vom 25.8.1983 IV R 218/80, BFHE 139, 268, BStBl II
1984, 33 = SIS 83 23 16, unter 2., Rz 19; vom 6.12.1995 I R 51/95,
BFHE 179, 326, BStBl II 1998, 781 = SIS 96 09 43, unter II.2.b, Rz
15; vom 29.4.1999 IV R 14/98, BFHE 189, 51, BStBl II 1999, 681 =
SIS 99 18 31, unter II.1., Rz 8); der
Einzelveräußerungspreis entspricht dem Preis, den der
Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das
Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die
Betriebszugehörigkeit veräußert hätte (vgl.
BFH-Urteil vom 5.11.1981 IV R 103/79, BFHE 135, 6, BStBl II 1982,
258 = SIS 82 14 40, Rz 13); er wird in der Regel mit dem
Verkehrswert gleichgesetzt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 268, BStBl
II 1984, 33 = SIS 83 23 16, unter 2., Rz 19).
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c) Dieser Rechtsprechung, der sich der Senat
für den Fall, dass eine Ausgabe und Rücknahme von
Anteilen erfolgt, anschließt, liegt allerdings - wie unter b)
dargelegt - die Annahme zugrunde, dass Fondsanteile zum
Ausgabepreis (als Wiederbeschaffungskosten) von der
Fondsgesellschaft erworben bzw. zum Rücknahmepreis (als
Einzelveräußerungspreis) an die Fondsgesellschaft
zurückgegeben (veräußert) werden können. Diese
Möglichkeit kann und wird ein gedachter Erwerber des Betriebs
nutzen.
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d) Ist hingegen - wie hier - die Ausgabe von
Anteilen durch die Fondsgesellschaft endgültig ausgesetzt,
ist, was das FG nicht hinreichend beachtet hat, für jedermann
ein Erwerb von der und eine Rückgabe an die Fondsgesellschaft
ausgeschlossen.
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aa) In einer solchen Situation können
weder die Wiederbeschaffungskosten mit dem Ausgabepreis, der nicht
existiert, noch der Veräußerungserlös, den der
Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das
Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die
Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, mit dem
Rücknahmepreis, der existiert, gleichgesetzt werden; denn der
Weg des Erwerbs (zum Ausgabepreis) bzw. der Veräußerung
(zum Rücknahmepreis) ist verschlossen, und zwar nicht nur
vorübergehend, sondern endgültig.
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bb) Ein gedachter Erwerber des Betriebs muss
daher für gedachte Erwerbe bzw. Veräußerungen
andere Möglichkeiten nutzen. Entsprechend müssen die
Wiederbeschaffungskosten bzw. Einzelveräußerungspreise
anhand der objektiv zur Verfügung stehenden Erwerbs- bzw.
Veräußerungsmöglichkeiten bestimmt werden. Im
Streitfall sind dies, worauf die Klägerin zu Recht hinweist,
der Erwerb und die Veräußerung an der Börse
(Zweitmarkt). Der Veräußerungserlös, den der
gedachte Erwerber hätte erzielen können, wenn er das
Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die
Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, ist
daher der Börsenkurs an einer Börse, an der die
Fondsanteile gehandelt werden.
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4. Im Streitfall liegt auch eine
voraussichtlich dauernde Wertminderung der Anteile vor; die
Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
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a) Der Begriff der „voraussichtlich
dauernden Wertminderung“ ist weder im Handelsgesetzbuch
noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine
Minderung des Teilwerts (handelsrechtlich: des beizulegenden
Werts), die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits
aber nicht nur vorübergehend sein darf. Ob eine Wertminderung
„voraussichtlich dauernd“ ist, muss unter
Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden
Wirtschaftsguts beurteilt werden (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.1974 I
R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294 = SIS 75 01 73). Die
Feststellungs- und Beweislast trägt der Steuerpflichtige.
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aa) Bei Umlaufvermögen geht die
Finanzverwaltung davon aus, dass zusätzliche wertaufhellende
Erkenntnisse grundsätzlich in die Beurteilung einer
voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter
zum Bilanzstichtag einzubeziehen sind (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 2.9.2016, BStBl I 2016,
995 = SIS 16 19 35, Tz 16).
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bb) Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei
börsennotierten Aktien von einer voraussichtlich dauernden
Wertminderung grundsätzlich dann auszugehen, wenn der
Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt
des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die
Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet
(vgl. BFH-Urteile vom 26.9.2007 I R 58/06, BFHE 219, 100, BStBl II
2009, 294 = SIS 08 08 30; vom 21.9.2011 I R 89/10, BFHE 235, 263,
BStBl II 2014, 612 = SIS 11 39 99; BFH-Beschluss vom 8.2.2012 IV B
13/11, BFH/NV 2012, 963 = SIS 12 13 27, Rz 3; BFH-Urteil vom
21.9.2016 X R 58/14, BFH/NV 2017, 275 = SIS 17 01 75, Rz 61; zu
Fällen des gezahlten Paketzuschlags s. BFH-Urteil vom
16.12.2015 IV R 18/12, BFHE 252, 408, BStBl II 2016, 346 = SIS 16 04 61, Rz 41). Maßgebend dafür ist neben der
Notwendigkeit der Typisierung im Massenverfahren, dass der aktuelle
Börsenkurs die informationsgestützte Einschätzung
einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die
künftigen Risiken und Erfolgsaussichten des jeweiligen
Unternehmens widerspiegelt und zugleich deren Erwartung
ausdrückt, dass der jetzt gefundene Kurs voraussichtlich
dauerhaften Charakter besitzt. Der aktuelle Börsenwert weist -
im Vergleich zum Kurswert bei Erwerb der Anteile - eine höhere
Wahrscheinlichkeit auf, die künftige Kursentwicklung zu
prognostizieren; deshalb kommt es nicht in Betracht, bei der
Prognose über die zukünftige Wertentwicklung einer Aktie
deren Börsennotierung durch einen vermeintlich besseren oder
jedenfalls nicht hinlänglich verifizierbaren Schätzwert
zu ersetzen (BFH-Urteil in BFHE 235, 263, BStBl II 2014, 612 = SIS 11 39 99, Rz 15 und 16).
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cc) Diese Rechtsprechung hat der BFH auf
Investmentanteile übertragen, wenn das Vermögen des
Investmentfonds überwiegend in an Börsen gehandelten
Aktien angelegt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 273, BStBl II
2014, 616 = SIS 11 39 98). Auch im Rahmen der auf die
Kursnotierungen von Aktien gestützten Bewertung von
Investmentanteilen sei anzunehmen, dass - vorbehaltlich einer
Bagatellgrenze von 5 % der Erwerbskosten - jeder Rückgang des
Ausgabepreises zugleich auch die Dauerhaftigkeit dieser
Wertminderung abbildet. Was für Wertveränderungen
aufgrund des Börsenkurses gilt, gelte auch für
Wertveränderungen aufgrund des Währungswechselkurses
(vgl. BFH-Urteil vom 21.9.2016 I R 63/15, BFHE 256, 11, BStBl II
2017, 357 = SIS 16 28 04, Rz 16, 17 ff.). Ob eine
„dauernde Wertminderung“ für
Investmentanteile im Umlaufvermögen, die regelmäßig
für Veräußerungszwecke gehalten werden, gegeben
sein kann, wurde dabei ausdrücklich offen gelassen (vgl.
BFH-Urteil vom 29.3.2017 I R 73/15, BFHE 258, 38, BStBl II 2017,
1065 = SIS 17 12 68, Rz 12, m.w.N.).
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dd) Bei festverzinslichen Wertpapieren hat der
BFH hingegen angenommen, dass sich ein Absinken des Kurswerts unter
den Nominalwert jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko
hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur
vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft erweist
(BFH-Urteile vom 8.6.2011 I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012,
716 = SIS 11 26 70; vom 18.4.2018 I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl
II 2019, 73 = SIS 18 08 72). Maßgebend dafür ist, dass
festverzinsliche Wertpapiere regelmäßig eine Forderung
in Höhe ihres Nominalwerts verbriefen. Der Inhaber eines
solchen Papiers hat mithin das gesicherte Recht, am Ende der
Laufzeit diesen Nominalwert zu erhalten. Diese Sicherheit hat er an
jedem Bilanzstichtag, und zwar unabhängig davon, ob
zwischenzeitlich infolge bestimmter Marktgegebenheiten der Kurswert
des Papiers unter dessen Nominalwert liegt.
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ee) Bei nicht notierten Anteilen ist
erforderlich, dass der innere Wert der Beteiligung im Nachhinein
gesunken ist (vgl. BFH-Urteil vom 7.5.2014 X R 19/11, BFH/NV 2014,
1736 = SIS 14 27 12, Rz 31). Auch Wechselkursschwankungen
berechtigen grundsätzlich nicht zur Teilwertabschreibung (vgl.
BFH-Urteil vom 4.2.2014 I R 53/12, BFH/NV 2014, 1016 = SIS 14 15 70, Rz 11 ff.).
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b) Gemessen daran liegt im Streitfall -
entgegen der Auffassung des FG - eine voraussichtlich dauernde
Wertminderung vor.
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aa) Das FG hat angenommen, es existierten zwei
miteinander konkurrierende Werte, nämlich der
Rücknahmewert und der Zweitmarktwert; es sei aber nicht
verifizierbar, dass der Zweitmarktwert der zutreffendere Wert sei.
Aus der Aussetzung der Rücknahme lasse sich allein nicht
ableiten, dass der Anteilseigner wahrscheinlich keinen anteiligen
Erlös in Höhe der Rücknahmepreise, sondern nur in
Höhe der niedrigeren Zweitmarktwerte erwarten dürfe. Eine
zutreffende Grundstücksbewertung möge schwierig sein und
selten zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Der Gesetzgeber
gehe aber mit den Regelungen des Investmentgesetzes (InvG) von der
Möglichkeit aus, Immobilien hinreichend sicher bewerten zu
können, regele detailliert das Verfahren zur Feststellung der
Rücknahmewerte und sichere so die fachliche Qualität der
Bewertung. Für die Annahme, in den Fällen einer
Aussetzung der Anteilsrücknahme bei einem offenen
Immobilienfonds beinhalte der Zweitmarktwert eine zutreffendere
Bewertung, bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Da die
Marktteilnehmer an der Börse kaum in der Lage seien,
kurzfristig eine eigene Bewertung des Sondervermögens
durchzuführen, müssten auch sie die Verkehrswerte, die in
den Rücknahmepreisen zum Ausdruck kommen, zur Grundlage ihres
Handelns nehmen und könnten allenfalls aufgrund bestimmter,
nicht näher ermittelbarer Erwartungen Abschläge
vornehmen. Soweit es sich um die Erwartung handeln sollte, dass die
Immobilien aufgrund eines angeblichen Zeitdrucks nicht
annähernd zum Verkehrswert veräußert werden
könnten, vermöge das FG dem nicht zu folgen. Denn ein
solcher Zeitdruck bestehe nicht. Man habe im Streitfall nicht
verifizieren können, welche Umstände von den
Marktteilnehmern an der Börse in die Bewertung der Anteile
eingepreist worden seien. Nicht auszuschließende
Notverkäufe könnten nach allgemeinen Grundsätzen
eine Teilwertabschreibung nicht rechtfertigen; bei ihnen entfalle
die Indizwirkung der Realitätsgerechtigkeit des Wertes von
kürzlich durchgeführten Verkäufen. Es lasse sich
schließlich nicht einwenden, der Rücknahmepreis
könne nicht zugrunde gelegt werden, weil es sich um einen rein
fiktiven Wert handele. Solange der Anteilseigner erwarten
dürfe, dass entweder der Fonds wieder geöffnet wird und
er seine Anteile zum Rücknahmepreis zurückgeben kann,
oder eine Verwertung des Sondervermögens zu den ermittelten
Verkehrswerten erfolgen kann, sei der Rücknahmepreis
zutreffend.
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bb) Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Ein
Anteilseigner konnte aufgrund der endgültigen Aussetzung der
Anteilsrücknahme nicht erwarten, dass der Fonds wieder
geöffnet wird und er seine Anteile zum Rücknahmepreis
zurückgeben kann. Ebenso wenig konnte er erwarten, dass eine
Verwertung des Sondervermögens zu den ermittelten
Verkehrswerten erfolgen kann.
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(1) Der Börsenwert spiegelt nach der
unter a) genannten Rechtsprechung des BFH die Auffassungen der
Marktteilnehmer über den Wert wider. Die Preise beinhalten die
Einschätzung der künftigen Risiken und Erfolgsaussichten
und geben daher zu einem gegebenen Stichtag die Erwartungen einer
großen Zahl von Marktteilnehmern über die
zukünftige Entwicklung des Kurses sowie die Einschätzung
wieder, dass der jetzt gefundene Kurs
„voraussichtlich“ dauerhaften Charakter besitzt.
Spiegelt aber der aktuelle Börsenkurs die Einschätzung
der Marktteilnehmer über die künftige Entwicklung des
Börsenkurses wider, kann nicht, wie das FG meint, vom
Steuerpflichtigen erwartet werden, dass er über bessere
prognostische Fähigkeiten verfügt als der Markt
(BFH-Urteil in BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294 = SIS 08 08 30).
Er darf sich daher grundsätzlich auf die Einschätzung des
Marktes berufen und diese zugrunde legen.
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(2) Zwar stand, wie das FG zutreffend erkannt
hat, im Streitfall bei den endgültig von der Rücknahme
ausgesetzten offenen Immobilienfonds, anders als bei Aktien, mit
dem Rücknahmepreis der Fondsgesellschaft ein Wert zur
Verfügung, der den von der Fondsgesellschaft ermittelten
Substanzwert des Fondsanteils repräsentiert. Der Wert eines
Anteils an einem Immobilienfonds war nach den Regeln des § 36
Abs. 1 InvG zu ermitteln, wobei jedoch die Besonderheiten des
Immobilien-Sondervermögens zu berücksichtigen waren, bei
dem für die Bewertung von Immobilien (§ 79 Abs. 1 InvG)
und von Immobilien-Gesellschaften (§ 70 InvG)
eigenständige Bewertungsregeln galten (Klusak in
Berger/Steck/Lübbehüsen, a.a.O., § 79 InvG Rz 13).
Der Wert des Anteils ergab sich aus der Teilung des Wertes des
Sondervermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten
Anteile (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InvG a.F.). Der Wert des
Sondervermögens war aufgrund der jeweiligen Kurswerte der zu
ihm gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich
der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten von der
Depotbank unter Mitwirkung der Kapitalanlagegesellschaft oder von
der Kapitalanlagegesellschaft selbst börsentäglich zu
ermitteln (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvG). Bei den hier zu
beurteilenden Fonds als Immobilien-Sondervermögen (§ 66
InvG a.F.) war nach § 79 Abs. 3 InvG unter
Berücksichtigung der Bewertungen nach § 79 Abs. 1 sowie
§ 70 InvG der Wert des Anteils am Sondervermögen sowie
der Ausgabe- und Rücknahmepreis eines Anteils in Abweichung
von § 36 Abs. 1 InvG mindestens zu jedem Rücknahmetermin
und zu jedem Ausgabetermin zu ermitteln. Für
Vermögensgegenstände i.S. des § 67 Abs. 1 und 2 InvG
und des § 68 Abs. 1 InvG war als Verkehrswert der vom
Sachverständigenausschuss oder Abschlussprüfer ermittelte
Wert anzusetzen (§ 79 Abs. 1 Satz 2 InvG).
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(3) Allerdings war auch dieser Wert, was das
FG nicht hinreichend berücksichtigt hat, lediglich ein
Schätzwert. Auch dieser Wert unterlag den Schwankungen des
Marktes. Eine der Rechtslage bei festverzinslichen Wertpapieren
entsprechende Situation, dass ein gesichertes Recht besteht, am
Ende der Laufzeit einen bestimmten Wert (Nominalwert) zu erhalten,
liegt insoweit nicht vor. Ob eine Verwertung des
Sondervermögens zu den ermittelten Verkehrswerten erfolgen
kann, war objektiv ungewiss. Dann kann vom Steuerpflichtigen auch
insoweit nicht erwartet werden, dass er über bessere
prognostische Fähigkeiten verfügt als der Markt (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294 = SIS 08 08 30,
unter II.1.d, Rz 12; in BFHE 235, 263, BStBl II 2014, 612 = SIS 11 39 99, Rz 12). Der Börsenkurs weist jedenfalls eine
höhere Wahrscheinlichkeit auf, die künftige
Kursentwicklung zu prognostizieren, als dies bei den historischen
Anschaffungskosten der Anteile der Fall ist (vgl. BFH-Urteile in
BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294 = SIS 08 08 30, unter II.1.d, Rz
13; in BFHE 235, 263, BStBl II 2014, 612 = SIS 11 39 99, Rz
13).
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(4) Zwar darf - wovon das FG ebenfalls zu
Recht ausgegangen ist - eine voraussichtlich dauernde Wertminderung
nicht nach dem Kurswert bestimmt werden, wenn aufgrund konkreter
und objektiv überprüfbarer Anhaltspunkte davon auszugehen
ist, dass der Börsenpreis den tatsächlichen Anteilswert
nicht widerspiegelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 263, BStBl II
2014, 612 = SIS 11 39 99, Rz 17). Davon wird bei Investmentfonds,
bei denen die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen nicht
endgültig ausgesetzt ist, auch regelmäßig
auszugehen sein, wenn sich der Kurswert vom Ausgabe- bzw.
Rücknahmepreis entfernt. Im Streitfall liegt jedoch die
Sondersituation vor, dass sowohl die nach § 79 Abs. 1 InvG mit
der Bewertung des Investmentvermögens befassten Personen
(Sachverständige bzw. Abschlussprüfer, s. dazu auch
§ 77 InvG) als auch die Marktteilnehmer einschätzen
mussten, welchen Einfluss die Liquidation der Investmentfonds auf
den Wert des von ihnen gehaltenen Vermögens hat. Das
Vermögen war für die Marktteilnehmer aus der
Vermögensübersicht des § 79 Abs. 1 Satz 1 InvG
ersichtlich. Auch in einem solchen Fall entspricht die typisierende
- und zudem durch das Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG legitimierte - Annahme, dass sich
im Regelfall der Kurs unter den Bedingungen eines
informationseffizienten Kapitalmarkts gebildet habe, dem
Erfordernis eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 235, 263, BStBl II 2014, 612 = SIS 11 39 99, Rz
17).
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(5) Der Senat berücksichtigt im Rahmen
seiner Beurteilung auch, dass bei einem Anstieg des Teilwerts das
Wertaufholungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz
4 EStG) eingreift: Soweit die Börsenkurse in Folgejahren
gestiegen sein sollten (Scope, Offene Immobilienfonds in Abwicklung
– Ergebnisse der Fondsliquidationen vom 27.3.2018, S. 10 und
Abbildung 9, www.scopeanalysis.com), ist die Teilwertabschreibung
wieder aufzuholen.
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5. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Zwar hat die Klägerin ihr
Klagebegehren im Klageverfahren eingeschränkt, so dass nur
noch die vom Senat zu beurteilende Teilwertabschreibung streitig
ist.
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b) Das FG hat allerdings nicht geprüft,
ob die Klägerin die Höhe der Teilwertabschreibungen
zutreffend ermittelt hat. Dies ist nachzuholen.
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c) Außerdem kann aufgrund der fehlenden
tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilt werden, ob
sich aufgrund von § 8 InvStG a.F. Auswirkungen auf die
Höhe der Teilwertabschreibungen ergeben (vgl. dazu auch
BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 995 = SIS 16 19 35, Tz 26; vom
18.8.2009, BStBl I 2009, 931 = SIS 09 27 27, Tz 165 ff., sowie
§ 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F.).
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aa) Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
InvStG a.F. durften Vermögensminderungen, die aus
Wirtschaftsgütern herrühren, auf deren Erträge
§ 4 Abs. 1 InvStG a.F. anzuwenden ist, das Einkommen nicht
mindern. Nach § 4 Abs. 1 InvStG a.F. waren die auf
Investmentanteile entfallenden Ausschüttungen und
ausschüttungsgleichen Erträge u.a. bei der Veranlagung
der Körperschaftsteuer außer Betracht zu lassen, als sie
aus einem ausländischen Staat entfallende Einkünfte
enthalten, für die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund
eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die
Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Bei Ansatz
eines niedrigeren Teilwerts ist der zu berücksichtigende Teil
nach § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG, vorbehaltlich einer
Berichtigung nach Satz 4, der Unterschied zwischen dem Aktiengewinn
auf den maßgebenden Rücknahmepreis zum Zeitpunkt der
Bewertung einerseits und dem Aktiengewinn auf den
Rücknahmepreis zum Zeitpunkt der Anschaffung andererseits,
soweit dieser Unterschiedsbetrag sich auf den Bilanzansatz
ausgewirkt hat (§ 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F.). Entsprechendes
gilt bei Gewinnen aus dem Ansatz des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz
3 EStG bezeichneten Wertes für die Ermittlung des zu
berücksichtigenden Teils nach § 3 Nr. 40 EStG oder §
8b KStG (§ 8 Abs. 3 Satz 3 InvStG a.F.).
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bb) Das FG hat - ausgehend von seiner
Rechtsauffassung konsequenterweise - dazu bewusst keine
tatsächlichen Feststellungen getroffen, so dass der Senat
nicht beurteilen kann, ob diese Vorschriften Auswirkungen auf die
von der Klägerin vorgenommene Teilwertabschreibung haben. Die
Sache geht auch insoweit zur Nachholung der erforderlichen
tatsächlichen Feststellungen an das FG zurück.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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7. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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a) Das FA hat mit Schreiben vom 11.5.2017 und
die Klägerin hat mit Schreiben vom 3.12.2018 auf
mündliche Verhandlung verzichtet.
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b) Dass das FA im Schreiben vom 30.5.2017
erklärt hat, es sei abweichend vom Schreiben vom 11.5.2017
doch nicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn der
Verzicht kann aufgrund seiner prozessgestaltenden Wirkung im
Interesse einer eindeutigen und klaren prozessrechtlichen Lage
grundsätzlich weder widerrufen noch wegen Irrtums angefochten
werden (BFH-Urteil vom 8.4.2014 I R 51/12, BFHE 246, 7, BStBl II
2014, 982 = SIS 14 25 67, Rz 28, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn
sich der andere Beteiligte im Zeitpunkt des Widerrufs dazu noch
nicht erklärt hat (vgl. BFH-Urteil vom 8.6.1994 IV R 9/94,
BFH/NV 1995, 129, unter a, Rz 13; Wendl in Gosch, FGO § 90 Rz
32). Einen Verbrauch des Verzichts durch Zeitablauf gibt es
ebenfalls nicht (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
4.6.2014 5 B 11/14, Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report 2014, 740, Rz 12; Brandis
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90
FGO Rz 12).
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c) Zwar haben die Beteiligten das Recht, ihre
Verzichtserklärung zu widerrufen, wenn sich die Prozesslage
wesentlich ändert (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22.10.2003 I B
39/03, BFH/NV 2004, 350 = SIS 04 09 81, unter II., Rz 6;
Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 90 FGO Rz 57
ff.). Der im Streitfall mit Wirkung vom 1.1.2018 eingetretene
Wechsel des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers
führt aber nicht zu einer wesentlichen Änderung der
Prozesslage (vgl. BFH-Urteil vom 30.8.1994 V R 19/94, BFH/NV 1995,
684, unter II.2.a, Rz 8; BFH-Beschluss vom 3.12.1996 VIII S 3/96,
BFH/NV 1997, 292, unter b aa, Rz 5; s.a. BFH-Urteil vom 11.11.2008
IX R 14/07, BFHE 223, 308, BStBl II 2009, 309 = SIS 09 00 25, unter
II., Rz 15).
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