Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.8.2014 8 K 8322/11
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war alleiniger Kommanditist der Z KG. Er war auch
Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Z KG
befasste sich mit der Akquisition von Grundstücken, die
für eine Bebauung, Vermietung und Verwertung geeignet waren.
Für entsprechende Grundstücke sollte Baurecht geschaffen
werden, auch sollten die Baukosten ermittelt sowie Kapitalgeber und
Mieter gesucht werden. Nach der Vorprojektierungsphase wurden
einzelne Tochtergesellschaften der Z KG jeweils in der Rechtsform
einer GmbH & Co. KG gegründet, welche die einzelnen Vorhaben
durchführen sollten und an denen auch Mitinvestoren beteiligt
waren. Einzelne dieser Projektgesellschaften waren wirtschaftlich
erfolgreich, andere erzielten Verluste.
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Der Kläger und seine frühere
Ehefrau wurden für die Jahre 1989 bis 1993 (Streitjahre)
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Schreiben vom 19.1.2006
beantragte der Kläger beim ursprünglich für ihn
zuständigen FA X, die für die Veranlagungszeiträume
1989 bis 2004 festgesetzte Einkommensteuer sowie den
Solidaritätszuschlag von insgesamt 1.396.931,15 EUR aus
Billigkeitsgründen zu erlassen. Die erzielten Einkünfte
seien mit deutlich mehr als 100 % mit Einkommen- und Gewerbesteuer
belastet worden. Unter Berücksichtigung der
gewerbesteuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen
Tochtergesellschaften liege eine Übermaßbesteuerung
vor.
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Das aufgrund eines Wohnsitzwechsels
zuständig gewordene Finanzamt Y (Beklagter und
Revisionsbeklagter, das Finanzamt - FA - ) lehnte den Erlassantrag
durch Bescheid vom 12.12.2007 insoweit ab, als er die Jahre nach
1993 betraf. Zu den Jahren vor 1994 traf es keine Entscheidung,
weil nach seiner damaligen Ansicht hierfür noch das FA X
örtlich zuständig war. Gegen die Ablehnung wandte sich
der Kläger mit Einspruch.
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Das FA erließ für die Jahre 1989
bis 1993 eine ablehnende Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011. Es
war nunmehr der Auffassung, dass es für eine Entscheidung
über den Erlassantrag hinsichtlich aller Jahre, auf welche
sich der Erlassantrag bezog, zuständig sei. Zur
Begründung seiner Entscheidung führte das FA im
Wesentlichen aus, bei der Prüfung einer Unbilligkeit aus
sachlichen Gründen sei es sachgerecht, die steuerliche
Belastung bezogen auf die einzelnen Jahre und nicht
jahresübergreifend zu betrachten. Es sei nicht zulässig,
auf der Ebene des Klägers die Gewerbesteuerbelastung der
einzelnen Gesellschaften zusammenzufassen. Die Gewerbesteuer als
Objektsteuer könne nur die Ertragskraft eines werbenden
Betriebs eines Einzelunternehmens oder einer Mitunternehmerschaft
erfassen. Die Konzernstruktur sei vom Kläger selbst so
gewählt worden. Eine Übermaßbelastung sei auch
nicht ansatzweise erkennbar, wenn man die Gewerbesteuerbelastung
nicht dem Kläger, sondern den Gesellschaften, an welchen
dieser beteiligt sei, zurechne. Zu persönlichen
Billigkeitsgründen habe sich der Kläger trotz
Aufforderung nicht geäußert. Das FA traf für die
Jahre nach 1993 noch keine Entscheidung, weil insoweit die
Höhe der Einkommen- und Gewerbesteuerbelastung noch nicht
festgestanden habe und weil die Jahre, in denen der Kläger
zusammen mit seiner Ehefrau veranlagt worden sei (Streitjahre),
nicht mit den Folgejahren zusammengefasst werden
dürften.
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Zur Begründung der anschließend
erhobenen Klage, mit welcher das FA verpflichtet werden sollte, die
für die Jahre 1989 bis 1993 festgesetzte Einkommensteuer sowie
den Solidaritätszuschlag zu erlassen, legte der Kläger
eine Übersicht zu seiner steuerlichen Belastung vor. Danach
betrug das zu versteuernde Einkommen für die Jahre 1989 bis
1993 insgesamt 1.958.826 DM, ohne Berücksichtigung eines
Verlustausgleichs 5.502.421 DM, die kumulierte Einkommensteuer
1.011.858 DM, der Solidaritätszuschlag 33.253 DM und die auf
den Kläger entfallende Gewerbesteuer 1.212.774 DM. Auch
für die Jahre 1994 bis 2008 legte der Kläger eine
entsprechende Übersicht vor. Weiter trug er vor, für die
Jahre 1989 bis 2004 sei er mit Ertragsteuern von 4.140.883 EUR
belastet worden, bis 2008 hätten sich die Steuern auf
5.919.605 EUR belaufen. Sein - des Klägers -
„Markteinkommen“ habe im Zeitraum 1989 bis 2008
insgesamt 2.261.540 EUR betragen, so dass sich - bezogen auf das
Markteinkommen - eine Belastungsquote von 262 % ergebe. Für
den abgetrennten Zeitraum 1989 bis 1993 belaufe sich die Belastung
sogar auf 415 %. Die Gewinne der Projektgesellschaften, die
wirtschaftlich erfolgreich gewesen seien, seien der Gewerbesteuer
unterworfen worden, während die bei anderen Gesellschaften
erzielten Verluste nicht für einen Verlustausgleich
hätten genutzt werden können.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Ermessensausübung des
FA sei nicht zu beanstanden. Es sei ermessenskonform, dass das FA
den Zeitraum 1989 bis 1993 abgetrennt habe, da nur insoweit die
Veranlagungen bestandskräftig gewesen seien. Die geltend
gemachte Übermaßbesteuerung sei kein persönlicher
Billigkeitsgrund. Ein Verlust der finanziellen Existenzgrundlage
sei weder dargelegt noch nachgewiesen. Auch ein Erlass aus
sachlichen Billigkeitsgründen scheide aus, da keine
Übermaßbesteuerung vorliege. Selbst wenn dem Kläger
anteilig die von der Z KG und den Tochtergesellschaften getragene
Gewerbesteuer zuzurechnen seien, läge dessen Steuerbelastung
weit unter dem kumulierten zu versteuernden Einkommen vor
Verlustausgleich.
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Zur Begründung der Revision trägt
der Kläger im Wesentlichen vor, er sei im Zeitraum der
Projektentwicklungstätigkeit von 1989 bis 1993 und in den
Folgejahren übermäßig mit Einkommen- und
Gewerbesteuer belastet worden. Hierbei sei eine die
Veranlagungszeiträume übergreifende Betrachtung
anzustellen. Das Zusammenwirken von steuerrechtlichen Regelungen,
von denen jede für sich als verfassungskonform angesehen
werden könne, habe eine weit übermäßige
Steuerbelastung erzeugt, denn die von der Projektgesellschaft
getragenen Verluste stünden für eine Verlustverrechnung
nicht zur Verfügung. Durch die Steuerbelastung sei die
Substanz der Firma vollständig aufgezehrt worden.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 aufzuheben
und das FA zu verpflichten, die für die
Veranlagungszeiträume 1989 bis 1993 festgesetzte
Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag zu erlassen,
hilfsweise,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist zulässig. Die
Revisionsbegründung entspricht den Anforderungen des §
120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO
muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der
Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung
ergibt. Es muss eindeutig erkennbar sein, welche Norm verletzt sein
soll. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe
tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner
Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen
lassen. Er muss sich mit den tragenden Gründen des
finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb
er diese für unrichtig hält (Senatsurteil vom 16.3.2000
III R 21/99, BFHE 192, 169, 172, BStBl II 2000, 700, 702 = SIS 00 10 26; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.4.2016 VI R
13/14, BFHE 253, 384, BStBl II 2016, 778 = SIS 16 15 19).
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2. Entgegen der Rechtsansicht des FA
genügt die Revisionsschrift diesen Anforderungen. Hierbei ist
es unschädlich, dass der Kläger mit seinen
materiell-rechtlichen Einwendungen gegen das FG-Urteil die seiner
Ansicht nach verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich als
solche bezeichnet hat, da es genügt, wenn aus der
Revisionsbegründung erkennbar ist, welche Rechtsnorm der
Revisionskläger für verletzt hält (BFH-Urteil in
BFHE 253, 384, BStBl II 2016, 778 = SIS 16 15 19). Dies ist hier
der Fall. Aus den Ausführungen des Klägers geht hervor,
dass das FG § 227 der Abgabenordnung (AO) verletzt haben soll,
weil es die bei den Projektgesellschaften angefallene Gewerbesteuer
bei der Ermittlung seiner steuerlichen Gesamtsteuerbelastung
außer Betracht gelassen habe. Darüber hinaus hat sich
der Kläger auch in ausreichendem Maße mit den tragenden
Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt und
dargetan, weshalb er diese Gründe für rechtsfehlerhaft
hält.
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III. Die Revision ist unbegründet und
wird nach § 126 Abs. 4 FGO zurückgewiesen. Denn das FG
hat zwar zu Unrecht die Ermessensausübung des FA bei der
Entscheidung über den Erlassantrag nicht beanstandet. Aber es
hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, weil angesichts
einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als
eine Klageabweisung nicht in Betracht kam.
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1. Die Sachurteilsvoraussetzung eines
abgeschlossenen Vorverfahrens, das grundsätzlich
gemäß § 44 FGO dem Klageverfahren vorausgehen muss,
ist im Streitfall erfüllt. Zwar hat das FA vor der
Einspruchsentscheidung keinen Bescheid erlassen, durch den es den
Erlassantrag des Klägers insoweit abgelehnt hat, als er die
Jahre 1989 bis 1993 betrifft. Vielmehr betrifft der
Ablehnungsbescheid vom 12.12.2007 die Jahre nach 1993. Eine
Entscheidung über einen Erlass der für die Jahre 1989 bis
1993 festgesetzten Einkommensteuer sowie des
Solidaritätszuschlags hat das FA zunächst
ausdrücklich abgelehnt. Für diese Jahre hat es erstmals
in der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 eine (ablehnende)
Verwaltungsentscheidung getroffen. Dennoch war es im Streitfall
nicht notwendig, ein weiteres Rechtsbehelfsverfahren
durchzuführen. Denn es ist eine Einspruchsentscheidung
ergangen, die vom Kläger als Beschwertem in zulässiger
Weise durch Klage angefochten werden konnte (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 4.7.2013 X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540 = SIS 13 25 02, Rz 21, und vom 29.1.2016 X B 93/15, BFH/NV 2016, 776 =
SIS 16 07 36, Rz 23; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8.
Aufl., § 44 Rz 16).
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2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Klage
abgewiesen. Die Ermessensausübung durch das FA war zwar nicht
zutreffend, allerdings kam wegen einer Ermessensreduzierung auf
Null eine andere Entscheidung als die Ablehnung des Erlassantrags
nicht in Betracht. Wegen dieser Ermessensreduzierung auf Null
machen es die fehlerhaften Ermessenserwägungen des FA, welche
das FG nicht beanstandet hat, nicht erforderlich, das angefochtene
Urteil aufzuheben (s. Senatsurteile vom 9.2.2009 III R 37/07, BFHE
224, 290, BStBl II 2009, 928 = SIS 09 15 26, m.w.N., sowie vom
3.7.2014 III R 41/12, BFHE 247, 125 = SIS 14 30 50).
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a) Nach § 227 AO können die
Finanzbehörden Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren
Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter
den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete
Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Zweck der
§§ 163, 227 AO liegt darin, sachlichen und
persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der
Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat,
durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur
des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die
steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 20.9.2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013,
505 = SIS 12 32 50, und vom 17.4.2013 X R 6/11, BFH/NV 2013, 1537 =
SIS 13 25 01; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 11.5.2015 1 BvR 741/14, DStR 2015, 2237 = SIS 15 13 85). Die
Entscheidung des FA über den Erlass von Steuern ist eine
Ermessensentscheidung, so dass sich die gerichtliche
Überprüfung gemäß § 102 FGO darauf zu
beschränken hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck
der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht
worden ist (z.B. BFH-Urteil vom 4.6.2014 I R 21/13, BFHE 246, 130,
BStBl II 2015, 293 = SIS 14 25 05).
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b) Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen
oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen
haben (z.B. BFH-Urteil vom 14.7.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502,
BStBl II 2010, 916 = SIS 10 22 93). In der wirtschaftlichen
Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche)
Billigkeitsgründe hat der Kläger trotz Aufforderung nicht
substantiiert gegenüber dem FA geltend gemacht, so dass dieses
seine Prüfung zu Recht auf sachliche Billigkeitsgründe
beschränkt hat.
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c) Anlass für einen Billigkeitserlass aus
sachlichen Gründen kann eine Übermaßbesteuerung
sein, so wie sie der Kläger im Streitfall geltend macht (s.
BFH-Urteil in BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293 = SIS 14 25 05, Rz
18, m.w.N.).
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG fällt
die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach
Art. 14 des Grundgesetzes - GG - (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
31.5.1990 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 190; vom
22.6.1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 137 = SIS 95 17 08, und vom
18.1.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 117 = SIS 06 16 42). Die
steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den
Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg
grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr
angemessen zum Ausdruck kommt. Allerdings lässt sich aus Art.
14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG keine allgemein verbindliche,
absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen
Teilung ableiten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97, 114 = SIS 06 16 42). Die frühere Rechtsprechung des BVerfG zum sog.
Halbteilungsgrundsatz (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121, 138 =
SIS 95 17 08), auf die sich der Kläger noch gegenüber dem
FA berufen hatte, ist damit überholt (s.
Blümich/Ratschow, § 2 EStG Rz 19).
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Bezogen auf die Gewerbesteuer kann ein
Erlassgrund anzunehmen sein, wenn diese bei einer über mehrere
Jahre andauernden Verlustperiode nicht aus dem Ertrag des
Unternehmens, sondern aus dessen Substanz geleistet werden muss und
dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten zu
existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Härten
führt (BFH-Urteil in BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293 = SIS 14 25 05, Rz 18, m.w.N.).
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d) Wird - wie im Streitfall - eine
Übermaßbesteuerung durch eine Kumulation von Einkommen-
und Gewerbesteuer geltend gemacht, so hat das FA bei der
Entscheidung über einen Erlassantrag nicht nur die Belastung
durch die Gewerbesteuer einzubeziehen, für welche der
(Einzel-)Unternehmer selbst Steuerschuldner ist (§ 5 Abs. 1
Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - ), sondern auch die
(anteilige) Gewerbesteuer, die auf der Ebene von
Personengesellschaften entstanden ist, an denen der Unternehmer
beteiligt ist und für welche die jeweilige
Personengesellschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG
Steuerschuldnerin ist (s. BFH-Beschluss vom 15.3.2005 IV B 91/04,
BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647 = SIS 05 25 23).
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Dies hat das FA nicht beachtet; es hat in der
Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 ausgeführt, dass es
nicht zulässig sei, bei der Prüfung einer
Übermaßbesteuerung die Gewerbesteuer auf der
persönlichen Ebene mit der Gewerbesteuerbelastung auf der
Ebene von Personengesellschaften zusammenzufassen.
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e) Die fehlerhafte Ermessensausübung
durch das FA führt allerdings nicht dazu, dass das
angefochtene Urteil des FG deshalb aufzuheben wäre. Denn auch
bei einer fehlerfreien Ermessensausübung hätte das FA zu
dem Ergebnis kommen müssen, dass der Erlassantrag des
Klägers abzulehnen war.
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aa) Die Ermessensausübung des FA war
nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses über den
Erlassantrag vom 19.1.2006, der sich ursprünglich auf die
Jahre 1989 bis 2004 bezogen hatte, nur hinsichtlich der Streitjahre
1989 bis 1993 entschied. Es war sachgerecht, die Streitjahre, in
denen der Kläger noch zusammen mit seiner früheren
Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, nicht mit den
Folgejahren, in denen eine Einzelveranlagung erfolgte,
zusammenzufassen. Darüber hinaus stand die Steuerbelastung in
den Folgejahren aufgrund anhängiger Einspruchsverfahren noch
nicht fest.
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bb) Die vom Kläger geltend gemachte
„übermäßige“ Belastung mit
Gewerbesteuer ist, wie aus seinem Vorbringen im
Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren hervorgeht, zum
großen Teil darauf zurückzuführen, dass die
negativen Ergebnisse aus Betrieben, die von einzelnen
Personengesellschaften, an denen der Kläger unmittelbar oder
mittelbar beteiligt war, unterhalten wurden, für Zwecke der
Gewerbesteuer nicht mit den positiven Erträgen aus den
Betrieben anderer solcher Gesellschaften verrechnet werden konnten.
Die Unzulässigkeit einer gewerbesteuerrechtlichen Saldierung
von positiven und negativen Ergebnissen mehrerer Betriebe i.S. des
§ 2 Abs. 1 GewStG ist eine Folge des Objektsteuercharakters
der Gewerbesteuer. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt
„Gewerbebetrieb“ anknüpft, losgelöst
von den Beziehungen zu einem dahinter stehenden Rechtsträger
(vgl. BVerfG-Beschluss vom 13.5.1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, 9
= SIS 69 02 69). Die Verfassungskonformität der Gewerbesteuer
als Objektsteuer wird trotz zahlreicher dagegen vorgebrachter
Bedenken vom BVerfG nicht in Frage gestellt (BVerfG-Beschlüsse
vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 27 = SIS 08 25 65, und
vom 15.2.2016 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557 = SIS 16 12 06). Wegen
der Eigenschaft der Gewerbesteuer als ertragsorientierter
Objektsteuer kann es danach zu Abweichungen vom Prinzip der
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kommen, welches zwar
das Einkommensteuerrecht prägt, nach der Rechtsprechung des
BVerfG aber bei der Gewerbesteuer allenfalls eingeschränkt
gilt (vgl. BFH-Urteil vom 20.9.2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429,
BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51, Rz 30, und BVerfG-Beschluss in
BStBl II 2016, 557 = SIS 16 12 06, Rz 33, m.w.N.). So können
Hinzurechnungen nach § 8 GewStG, die Ausdruck der
Gewerbesteuer als „ertragsorientierte
Objektsteuer“ sind, sogar zu einer - verfassungsrechtlich
zulässigen - Substanzbesteuerung führen (s. BFH-Urteil
vom 4.6.2014 I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289 = SIS 14 25 07, Rz 21).
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cc) Die Belastung des Klägers mit
Gewerbesteuer, die auf dem Fehlen einer
Verlustverrechnungsmöglichkeit beruht, ist kein Grund, sie
durch den Erlass von Einkommensteuer jedenfalls teilweise zu
kompensieren. Denn Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die
einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des
Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren. Sie
können nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen
Steuertatbestandes abhelfen (BVerfG-Beschlüsse vom 5.4.1978 1
BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 113 = SIS 78 02 49, und in DStR 2015,
2237 = SIS 15 13 85; BFH-Urteil vom
22.10.2014 II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237 = SIS 14 32 12, Rz 15); ein derartiger Fall
liegt hier allerdings nicht vor. Es widerspräche den Wertungen
des Gesetzgebers, der die Gewerbesteuer als ertragsorientierte
Objektsteuer ausgestaltet hat, wenn die Folgen, die sich aus einer
isolierten gewerbesteuerrechtlichen Betrachtung von Betrieben
ergeben (§ 2 Abs. 1 GewStG), durch Erlassmaßnahmen zu
beseitigen oder abzumildern wären.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.
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