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Fahrtkosten im Rahmen eines Vollzeitstudiums

Fahrtkosten im Rahmen eines Vollzeitstudiums: 1. Eine Hochschule (Universität) ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, auch wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitstudiums aufgesucht wird (Änderung der Rechtsprechung in BFH-Urteilen vom 10.4.2008 VI R 66/05, BFHE 221 S. 35, BStBl 2008 II S. 825 = SIS 08 24 17, und vom 22.7.2003 VI R 190/97, BFHE 203 S. 111, BStBl 2004 II S. 886 = SIS 03 45 47). - 2. Fahrtkosten von Studentinnen und Studenten zur Hochschule (Universität) sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. - Urt.; BFH 9.2.2012, VI R 44/10; SIS 12 07 86

Kapitel:
Lohnsteuer für Arbeitnehmer > Sonstige Werbungskosten / Lohnsteuer
Fundstellen
  1. BFH 09.02.2012, VI R 44/10
    BStBl 2013 II S. 234
    DStR 2012 S. 644
    NJW 2012 S. 1615
    LEXinform 0927973

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 21.3.2013
    St.G. in NWB 15/2012 S. 1226
    -/- in NWB 14/2012 S. 1131
    Red. in DStR 13/2012 S. 646
    TK in DStZ 9/2012 S. 307
    St.Sch. in StC 6/2012 S. 9
    W.Be. in FR 9/2012 S. 418
    M.S. in StuB 10/2012 S. 400
    J.M. in AktStR 2/2012 S. 163
    St.Sch. in BFH/PR 6/2012 S. 178
    jh in StuB 8/2012 S. 326
Normen
[EStG] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 28.04.2010, SIS 10 27 96, Universität, Zweitstudium, Regelmäßige Arbeitsstätte, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Entfernungspauschale
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 14.5.2020, SIS 20 19 10, Erste Tätigkeitsstätte bei Auslands(praxis)semestern: 1. Sieht die Studienordnung einer Universität vor, ...
  • BFH 14.5.2020, SIS 20 15 11, Erste Tätigkeitsstätte bei einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme: Die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßn...
  • BFH 13.7.2016, SIS 16 25 63, Ausbildungsdienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte: Ist ein Auszubildender im Rahmen eines Ausbildungs...
  • FG Hamburg 26.4.2016, SIS 16 15 84, Entfernungspauschale für Fahrten eines Offiziersanwärters von der Wohnung zur Universität der Bundeswehr:...
  • FG München 27.6.2015, SIS 15 24 26, Kindergeld, Haftpflichtversicherung, freiwillige Krankenkassenbeiträge und Lohnsteuer mindern das eigene ...
  • Niedersächsisches FG 28.4.2015, SIS 15 25 28, Rettungsassistent, regelmäßige Arbeitsstätte: 1. Zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte. - 2. Ist der...
  • FG Berlin-Brandenburg 19.2.2015, SIS 15 14 60, Regelmäßige Arbeitsstätte eines im gehobenen Dienst verbeamteten Streifenpolizisten: 1. Ein zeitlich über...
  • BFH 5.2.2015, SIS 15 15 14, Fahrtkosten eines Kindes wegen Fachschule und Praktikum: 1. Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen ...
  • BFH 5.2.2015, SIS 15 13 47, Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes, Gegenrüge des Revisionsbeklagten: 1. Fahrtkosten zw...
  • FG München 19.1.2015, SIS 15 09 64, Postzusteller, Keine regelmäßige Arbeitsstätte im Zustellbezirk (Rechtslage bis 2013): 1. Ein Postzustell...
  • FG Berlin-Brandenburg 19.11.2014, SIS 15 02 16, Gebiet des Polizeiabschnitts bzw. Polizeidienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte eines Polizeibeamten ...
  • FG Düsseldorf 19.11.2014, SIS 15 04 96, Kindergeld, Regelmäßige Arbeitsstätte bei Kommissaranwärtern: Ist im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhäl...
  • BMF 24.10.2014, SIS 14 28 22, Ergänztes BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014: Mit dem Gesetz zur Änd...
  • BFH 28.8.2014, SIS 14 32 55, Ermittlung des Grenzbetrages i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG: Die Beantwortung der Frage, ob im elterliche...
  • BFH 29.4.2014, SIS 14 20 96, Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft als weiträumige Betriebsstätte: 1. Fahrtkosten eines Lotsen zwischen ...
  • BFH 10.4.2014, SIS 14 18 38, Kindergeld, Fahrtaufwendungen im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, Berufsfachschule als regelm...
  • BFH 20.3.2014, SIS 14 16 52, Regelmäßige Arbeitsstätte bei längerfristiger Tätigkeit auf einer Baustelle: Eine auswärtige (Groß-)Baust...
  • Thüringer FG 18.3.2014, SIS 14 31 60, Regelmäßige Arbeitsstätte bei einer Vollzeitlehre im dualen System liegt im Ausbildungsbetrieb, Zimmer im...
  • BFH 27.2.2014, SIS 14 13 87, Kindergeld, Fahrtaufwendungen im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, Ausbildungsbetrieb als rege...
  • BFH 26.2.2014, SIS 14 15 74, Regelmäßige Arbeitsstätte eines Flugzeugführers: 1. Ein Flugzeugführer ist schwerpunktmäßig in einem Flug...
  • BFH 26.2.2014, SIS 14 18 96, Regelmäßige Arbeitsstätte einer Kabinenchefin: Eine Kabinenchefin unterhält am Heimatflughafen ihrer Flug...
  • BFH 6.2.2014, SIS 14 10 84, Regelmäßige Arbeitsstätte des Fahrers eines Müllfahrzeugs: 1. Der Fahrer eines Müllfahrzeugs ist schwerpu...
  • Sächsisches FG 5.12.2013, SIS 14 02 42, Fachhochschule bei auf sechs Semester angelegtem Studium keine regelmäßige Arbeitsstätte eines Studenten:...
  • Thüringer FG 24.10.2013, SIS 14 06 32, Regelmäßige Arbeitsstätte eines Auszubildenden im dualen System liegt im Ausbildungsbetrieb: 1. Die regel...
  • FG Rheinland-Pfalz 24.10.2013, SIS 14 05 21, Entfernungspauschale oder tatsächliche Kosten für Fahrten eines Auszubildenden zum Ausbildungsbetrieb: Fü...
  • BMF 30.9.2013, SIS 13 27 50, Reform des steuerlichen Reisekostenrechts: Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmens...
  • Thüringer FG 29.8.2013, SIS 14 31 58, Kindergeld, Kürzung des Arbeitslohns um Sozialversicherungsbeiträge bei Ermittlung des Jahresgrenzbetrags...
  • BFH 8.8.2013, SIS 14 03 79, Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei befristeter Versetzung des Arbeitnehmers an eine andere betriebliche ...
  • BFH 11.7.2013, SIS 14 00 15, Einkünftemindernde Berücksichtigung von Fahrtkosten beim Kindergeld: Bauausführungen oder Montagen (§ 12 ...
  • FG Nürnberg 15.5.2013, SIS 13 24 15, Kindergeldanspruch bei Überschreiten der Einkunftsgrenze von 8.004 Euro: Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a ...
  • FG Baden-Württemberg 21.3.2013, SIS 14 12 06, Praktikum im Ausland im Rahmen des Freiwilligendienstes als Berufsausbildung, Berechnung des Grenzbetrage...
  • FG Köln 16.1.2013, SIS 14 06 05, Nachweis tatsächlicher Zahlung durch Versteuerung beim Empfänger: 1. Rentenzahlungen sind nicht bereits d...
  • BFH 16.1.2013, SIS 13 08 45, Kindergeld, Fahrtaufwendungen als Werbungskosten: Leistet ein Student den praktischen Teil seiner Hochsch...
  • BFH 22.11.2012, SIS 13 02 21, Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes: 1. Bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs...
  • FG Düsseldorf 25.10.2012, SIS 13 00 48, Fahrtkostenabzug für Schulbesuche und Arbeitseinsätze im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, Arb...
  • BFH 19.9.2012, SIS 12 30 62, Unterkunftskosten im Rahmen eines Studiums: 1. Kosten der Unterkunft eines Studenten am Studienort können...
  • BFH 18.9.2012, SIS 13 06 87, Kindergeld, regelmäßige Arbeitsstätte: 1. Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine dauerhafte Einrich...
  • FG Köln 20.6.2012, SIS 12 22 76, Verpflegungsmehraufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit: Ein Steuerpflichtiger mit Einsatzwechseltätigke...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 19.6.2012, SIS 12 25 97, Keine Berechnung der Fahrten zwischen Lebensmittelpunkt und betrieblicher Ausbildungsstätte nach Entfernu...
  • FG Düsseldorf 6.6.2012, SIS 12 28 78, Kehrbezirk eines Schornsteinfegers als großräumige Betriebsstätte und Tätigkeitsmittelpunkt, Abzugsbeschr...
  • FG Baden-Württemberg 24.5.2012, SIS 12 23 04, Keine regelmäßige Arbeitsstätte des Leiharbeitnehmers beim Auftraggeber des Arbeitgebers: 1. Die betriebl...
Fachaufsätze
  • LIT 02 36 20 St. Geserich, NWB 15/2012 S. 1226: Fahrtkosten bei vollzeitiger Bildungsmaßnahme und Vollzeitstudium - volle Abziehbarkeit als Werbungskoste...
  • LIT 02 39 59 J. Moritz, AktStR 2/2012 S. 163: Fahrtkosten bei Vollzeitstudium bzw. vollzeitiger Bildungsmaßnahme - Abzugsfähigkeit in tatsächlicher Höh...
  • LIT 02 40 45 M. Seifert, StuB 10/2012 S. 400: Aktuelles zum Werbungskostenabzug bei Bildungsmaßnahmen und Reisekosten - Anmerkungen zu den BFH-Urteilen...

 

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kosten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für Fahrten zur Hochschule P mit der Pendlerpauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

 

 

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die 1968 geborene Klägerin hatte im Streitjahr keine Einkünfte. Sie beendete im Jahr 1995 ein Hochschulstudium als Diplom-Sozialpädagogin. Der Studienabschluss qualifizierte sie in Verbindung mit einem weiteren Fach auch für eine Lehramtstätigkeit an Berufskollegs. Nachdem die Klägerin Anfang 2005 arbeitslos geworden war, begann sie im April 2005 ein Studium bei der Hochschule in P, Studiengang Lehramt an Berufskollegs/Fach H. Ein entsprechendes Grundstudium schloss sie im Oktober 2007 erfolgreich ab. Ihr Studium an der Hochschule beendete sie im Wesentlichen im Sommer 2009. Nach dem Abschluss des Hochschulstudiums wollte die Klägerin an einer Berufsschule als Lehrerin für Sozialpädagogik und H werden.

 

 

3

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin für ihr Studium Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.787,09 EUR als (vorab entstandene) Werbungskosten geltend. Neben Semesterbeiträgen (1.586 EUR) und Kosten für Büromaterial und Bücher (286,09 EUR) handelte es sich hierbei um Kosten für insgesamt 145 Fahrten zur Hochschule nach P (3.915 EUR). Die Fahrtkosten ermittelte sie nach Dienstreisegrundsätzen, indem sie pro gefahrenem Kilometer (Entfernung zwischen Wohnung und Hochschule in P 45 km) 0,30 EUR ansetzte.

 

 

4

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 20.5.2008 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Aufwendungen für das Studium lediglich in Höhe von 3.761 EUR als Sonderausgaben an. Die Kosten für Büromaterial kürzte er dabei um einen Betrag von 68,63 EUR, weil insoweit kein Zusammenhang mit dem Hochschulstudium erkennbar sei. Die Fahrtkosten zur Schule berücksichtigte er lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 1.957,50 EUR (145 x 45 km x 0,30 EUR).

 

 

5

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und begehrten u.a. die Berücksichtigung der Kosten für die Fahrten zu der Schule in der geltend gemachten Höhe von 3.915 EUR. Das FA erließ daraufhin unter dem 17.10.2008 einen Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es weitere Kosten der Klägerin für Büromaterial und Bücher in Höhe von 41 EUR als Berufsausbildungskosten anerkannte. Der Bescheid, in dem nunmehr Berufsausbildungskosten in Höhe von insgesamt 3.802 EUR berücksichtigt sind, wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

 

 

6

Das Begehren der Kläger in Bezug auf die weitergehende Anerkennung von Fahrtkosten blieb jedoch erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 29.6.2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Die Kosten der Klägerin für ihr Zweitstudium an der Hochschule seien zwar als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen. Bei der Berechnung der abzugsfähigen Aufwendungen seien die Kosten für Fahrten zwischen der Wohnung und der Hochschule jedoch nur eingeschränkt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuerkennen. Danach seien Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Benutzung eines Kraftwagens lediglich mit 0,30 EUR für jeden Entfernungskilometer anzusetzen. Diese Begrenzung sei auch bei beruflichen Bildungsmaßnahmen zu beachten, da eine Ausbildungsstätte regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschriften sei.

 

 

7

Die hiergegen erhobene Klage blieb weitgehend ohne Erfolg. Das FA habe die Fahrtkosten für die Fahrten der Klägerin von ihrer Wohnung zur Hochschule in P zutreffend als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte behandelt und der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG unterworfen. Deshalb sei die Klage nur insoweit begründet, als das FA in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, im Streitjahr insgesamt 157 Fahrten der Klägerin zur Hochschule als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzuerkennen. Da der Steuerberechnung in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid bisher nur 145 Fahrten zugrunde gelegt worden seien, seien weitere (vorab entstandene) Werbungskosten in Höhe von 162 EUR (12 x 45 km x 0,30 EUR) bei der Einkommensteuerveranlagung 2006 zu berücksichtigen (EFG 2010, 1616 = SIS 10 27 96).

 

 

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

9

Die Kläger beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 28.4.2010 7 K 2486/09 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 17.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.6.2009 insoweit abzuändern, als die von der Klägerin geltend gemachten Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Hochschule P nach Reisekostengrundsätzen berücksichtigt werden.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Denn die Aufwendungen der Klägerin für die Fahrten zur Hochschule nach P sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe und nicht lediglich mit 0,30 EUR für jeden Entfernungskilometer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) als vorab entstandene Werbungskosten anzusetzen.

 

 

12

1. Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn - wie zwischen den Beteiligten vorliegend zu Recht nicht in Streit steht - sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein (zuletzt Senatsurteil vom 27.10.2011 VI R 52/10, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2012, 323 = SIS 11 39 73). § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592), die nach § 52 Abs. 12, 23d und 30a EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollen, stehen dem im Streitfall schon deshalb nicht entgegen, weil die Klägerin vor Beginn ihres Studiums an der Hochschule P ein Hochschulstudium als Diplom-Sozialpädagogin und damit unstreitig eine (erste) Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschriften absolviert hatte.

 

 

13

2. Als Werbungskosten abziehbar sind sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsmaßnahme stehen. Hierzu gehören auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten. Sie sind grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen (Vorlagebeschluss des Senats vom 10.1.2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234 ff. = SIS 08 08 35).

 

 

14

a) Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Einkommensteuerrecht die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip). Auch Kosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nach Auffassung des Senats beruflich veranlasst und damit Erwerbsaufwendungen (Beschluss in BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234, 244 f. = SIS 08 08 35).

 

 

15

b) Das objektive Nettoprinzip erfährt allerdings durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG insoweit eine Einschränkung, als die Fahrtkosten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte nicht im tatsächlichen Umfang, sondern nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale steuerlich abziehbar sind. Diese Begrenzung ist nach Ansicht des Senats im Grundsatz sachlich gerechtfertigt (Urteil vom 11.5.2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782 = SIS 05 36 04). Denn liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Für diesen Grundfall erweist sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.5.2005 VI R 25/04, BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791 = SIS 05 36 01).

 

 

16

c) Die Begrenzung der Steuererheblichkeit von Wegekosten ist nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch bei Fahrten im Rahmen beruflicher Bildungsmaßnahmen zu beachten. Denn danach ist eine Bildungseinrichtung regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird (BFH-Urteile vom 29.4.2003 VI R 86/99, BFHE 202, 299, BStBl II 2003, 749 = SIS 03 27 09; vom 22.7.2003 VI R 190/97, BFHE 203, 111, BStBl II 2004, 886 = SIS 03 45 47, und vom 10.4.2008 VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825 = SIS 08 24 17; vgl. auch FG Münster, Urteil vom 27.8.2002 1 K 5930/01 E, EFG 2002, 1588 = SIS 03 00 34, m.w.N.).

 

 

17

3. Hieran hält der erkennende Senat nicht länger fest.

 

 

18

a) Denn auch wenn die berufliche Fort- oder Ausbildung die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt, ist eine Bildungsmaßnahme, auch wenn sie sich - wie vorliegend das von der Klägerin zu Erwerbszwecken durchgeführte Vollzeitstudium - über einen längeren Zeitraum erstreckt, regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Wie bei einer Auswärtstätigkeit (vgl. bereits BFH-Urteile in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782 = SIS 05 36 04; vom 11.5.2005 VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785 = SIS 05 36 03) hat in einem solchen Fall der Steuerpflichtige typischerweise nicht die vorbezeichneten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten (vgl. Bergkemper, FR 2008, 1072<1074>). Damit ist eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatz der unbeschränkten Abzugsfähigkeit von Werbungskosten in den Fällen der vollzeitigen Aus- und Fortbildung nicht gerechtfertigt.

 

 

19

b) Im Übrigen kommt eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht (vgl. bereits BFH-Urteil vom 23.8.1979 VI R 87/78, BFHE 128, 472, BStBl II 1979, 773 = SIS 79 03 94). Nach neuerer Rechtsprechung versteht der BFH unter regelmäßiger Arbeitsstätte nur eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb (Urteile vom 10.7.2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818 = SIS 08 35 53; vom 9.7.2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822 = SIS 09 29 00; VI R 42/08, BFH/NV 2009, 1806 = SIS 09 32 53, und vom 17.6.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852 = SIS 10 22 79). „Regelmäßige Arbeitsstätte“ ist damit typischerweise der Tätigkeitsmittelpunkt eines Arbeitnehmers, der in einem Arbeitsverhältnis steht; die Beschränkung des objektiven Nettoprinzips durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist auch nur insoweit gerechtfertigt.

 

 

20

4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann durcherkennen. Denn die Klägerin hat unstreitig 157 Fahrten nach der Hochschule in P (Entfernung 45 km) mit dem eigenen PKW unternommen, so dass weitere Werbungskosten in Höhe von (157 x 45 km x 0,30 EUR =) 2.119,50 EUR zu berücksichtigen sind und die Einkommensteuer 2006 entsprechend herabzusetzen ist. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 FGO dem FA übertragen.