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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) bezog für seinen 1984 geborenen Sohn (J)
Kindergeld im Streitjahr 2007. J studierte seit dem Wintersemester
2004/2005 an der Fachhochschule C-Stadt den Studiengang
Wirtschaftsingenieurwesen, den er im März 2009 mit der
erfolgreich abgelegten Diplomprüfung abschloss.
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Das von J durchgeführte Fachstudium
umfasst zwei praktische Studiensemester. Diese sind Bestandteil des
Studiums und erstrecken sich einschließlich der
praxisbegleitenden Lehrveranstaltungen über einen
regelmäßig zusammenhängenden Zeitraum von 20 Wochen.
Sie werden unter der Betreuung der Hochschule in Betrieben
außerhalb der Hochschule abgeleistet und integrieren Studium
und Berufspraxis. Während der praktischen Studiensemester
bleibt der Student Mitglied der Hochschule.
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Zur Durchführung der praktischen
Studiensemester schloss J am 16.3.2005 mit der Firma Z (GmbH) in A
einen „Ausbildungsvertrag für das Studium mit vertiefter
Praxis“ ab. In § 1 des Vertrags ist u.a. bestimmt, dass
die betriebliche Zusatzpraxis Bestandteil des Studiums ist und
ausschließlich der Vertiefung der Ausbildungsinhalte der
praktischen Studiensemester dient. Nach § 2 des Vertrags
umfasste die betriebliche Ausbildung während der praktischen
Studiensemester und der Zusatzpraxis den Zeitraum vom 1.8.2005 bis
zum 31.7.2008. Die GmbH verpflichtete sich u.a., den
„Studenten“ in der Ausbildungszeit auszubilden,
fachlich zu betreuen und ihm die Teilnahme an Lehrveranstaltungen
und Prüfungen zu ermöglichen. J verpflichtete sich, die
gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen und dabei die
tägliche Ausbildungszeit, die der üblichen Arbeitszeit
der Ausbildungsstelle entsprach, einzuhalten. Er verpflichtete sich
auch zu einem ordnungsgemäßen Studium mit dem Ziel, das
Studium möglichst in der Regelstudienzeit abzuschließen
(s. zu den Pflichten der Vertragspartner im Einzelnen § 3 des
Vertrags). In § 4 des Vertrags wurde zudem eine monatliche
Ausbildungsvergütung vereinbart (1. Ausbildungsjahr: 716 EUR
brutto; 2. Ausbildungsjahr: 766 EUR brutto; 3. Ausbildungsjahr: 801
EUR brutto). Die Fachhochschule C-Stadt stimmte der Ableistung der
beiden praktischen Studiensemester durch J bei der GmbH am 4.4.2005
zu.
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J bezog im Streitjahr von der GmbH
Vergütungen in Höhe von 12.845 EUR abzüglich
Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.621,67 EUR. Er
suchte die GmbH an 173 und die Fachhochschule an 47 Tagen auf. Die
Entfernung von seiner Wohnung zur GmbH betrug 20 km und zur
Fachhochschule 10 km. J musste im Streitjahr Studiengebühren
in Höhe von 577 EUR aufbringen.
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Mit Bescheid vom 10.2.2009 hob die Beklagte
und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung von
Kindergeld für das Streitjahr auf und forderte das für
diesen Zeitraum bereits gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848
EUR zurück. Die Familienkasse war der Ansicht, dass die
Einkünfte und Bezüge des J den Jahresgrenzbetrag
gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes
i.d.F. des Streitjahres (EStG) überschritten
hätten.
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Im Klageverfahren machte der Kläger
u.a. geltend, die Einkünfte des J hätten sich im
Streitjahr auf lediglich 7.429 EUR belaufen und damit den
Jahresgrenzbetrag unterschritten. Die Kosten für die Wege zur
GmbH seien gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
unbeschränkt abziehbar. Die GmbH sei nicht die
regelmäßige Arbeitsstätte seines Sohnes
gewesen.
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Die Klage blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) ermittelte die gemäß § 32 Abs. 4
EStG maßgeblichen Einkünfte wie folgt:
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Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit
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12.845,00 EUR
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abzüglich Sozialversicherungsbeträge
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2.621,67 EUR
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abzüglich Werbungskosten:
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Wege
zur GmbH (173 x 20 km x 0,30 EUR/km)
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1.038,00 EUR
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besondere Ausbildungskosten:
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Fahrten zur Fachhochschule
(47 x 10 km x 0,30 EUR/km x 2)
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282,00 EUR
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Studiengebühren
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577,00 EUR
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Einkünfte
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8.326,33 EUR
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Die Einkünfte des J hätten damit
den Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR überschritten. Dem
Kläger stehe für das Streitjahr kein Kindergeld
zu.
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Die Ausbildungsstätte der GmbH sei
eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte regelmäßige
Arbeitsstätte des J gewesen. Zwar führe allein der
dreijährige Zeitraum, über den sich die Praktika
erstreckt hätten, noch nicht zu der Annahme, dass die
Arbeitsstätte auf Dauer angelegt gewesen sei. Im Streitfall
bestehe jedoch die Besonderheit, dass die theoretische Ausbildung
an der Fachhochschule und das Praktikum über einen Zeitraum
von drei Jahren nicht nur parallel gelaufen wären, sondern eng
miteinander verzahnt gewesen seien. Es habe sich ausdrücklich
um einen Ausbildungsvertrag für das Studium mit vertiefter
Praxis und nicht um eine Aneinanderkettung mehrerer zu
absolvierender Praktika - zufällig - beim selben Betrieb
gehandelt. Damit habe bereits ab Vertragsschluss für J
festgestanden, dass dieser mit Ausnahme der Zeiten für die
theoretische Ausbildung und Prüfungen im Ausbildungsbetrieb
hätte tätig sein müssen. Gerade die Zahl der Tage,
an denen J in den Jahren 2006 (117 Tage) und 2007 (173 Tage) die
GmbH aufgesucht habe, zeige deutlich, dass der Betrieb in diesen
Jahren nicht mehr gelegentlich, sondern nachhaltig und
gegenüber der Fachhochschule (47 Tage im Jahr 2007) sogar
zeitlich überwiegend aufgesucht worden sei.
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J hätte ohne Weiteres mit anderen
Arbeitnehmern oder Auszubildenden der GmbH eine Fahrgemeinschaft
bilden können, da er an den Tagen, an denen er den Betrieb
aufgesucht habe, die dortigen Arbeitszeiten habe einhalten
müssen und nach seinen Angaben an den einzelnen Tagen immer
nur entweder die GmbH oder die Fachhochschule aufgesucht habe,
nicht aber im Dreieck zwischen diesen gependelt sei.
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Vor dem Hintergrund, dass ein
Ausbildungsvertrag, der eine Vergütung für den gesamten
Zeitraum, also auch für Zeiten der theoretischen Ausbildung,
vorsehe und die Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen
Studium möglichst in der Regelstudienzeit (vgl. § 3 des
Ausbildungsvertrags) enthalte, deutlich auch vom Interesse des
Ausbildungsbetriebes an der Nachwuchsgewinnung und der Chance
für den Studierenden, dort im Anschluss an das Studium eine
Anstellung zu erhalten, geprägt sei, werde die
Praktikantenstelle bei der GmbH als regelmäßige
Ausbildungs- bzw. Arbeitsstätte angesehen.
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Die Fahrtkosten seien daher nicht nach
Dienstreisegrundsätzen, sondern lediglich mit der
Entfernungspauschale, also mit 173 Tagen x 20 km x 0,30 EUR/km in
Höhe von 1.038 EUR zu berücksichtigen.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Bescheid vom
10.2.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15.6.2009
aufzuheben.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).
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1. Für ein über 18 Jahre altes Kind,
das - wie J im Streitjahr 2007 - das 25. Lebensjahr noch nicht
vollendet hatte, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind
für einen Beruf ausgebildet wird und seine zur Bestreitung des
Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten
Einkünfte und Bezüge den für den Streitzeitraum
maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR nicht
übersteigen.
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a) Der Begriff der Einkünfte i.S. von
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG
definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder
Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu
verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen
die Werbungskosten abzuziehen (ständige Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH -, z.B. Urteil vom 17.6.2010 III R 59/09,
BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121 = SIS 10 23 33).
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b) Darüber hinaus sind nach dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 11.1.2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE
112, 164 = SIS 05 30 28) im Wege verfassungskonformer Auslegung des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte - ebenso wie die
Bezüge - nur zu berücksichtigen, soweit sie zur
Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder
geeignet sind. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche
Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines
sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege
verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden
dürfen (BFH-Urteile vom 9.2.2012 III R 73/09, BFHE 236, 407,
BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34; vom 5.7.2012 VI R 99/10, BFHE
238, 93 = SIS 12 25 70).
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c) Nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben
bei der Ermittlung der schädlichen Grenze von 7.680 EUR
Bezüge außer Ansatz, die für besondere
Ausbildungszwecke bestimmt sind, bzw. Einkünfte, die für
solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten
sind alle über die Lebensführung hinausgehenden
ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte
Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (§ 9
EStG) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt
werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der
Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Dabei erfolgt
die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensführung und dem
ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen
eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der
Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten
(Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen
Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und
der Höhe nach zu beachten (ständige Rechtsprechung, s.
etwa BFH-Urteile vom 22.9.2011 III R 38/08, BFHE 235, 331, BStBl II
2012, 338 = SIS 11 37 57; vom 15.7.2010 III R 70/08, BFH/NV 2010,
2253 = SIS 10 35 65; vom 27.10.2011 III R 92/10, BFH/NV 2012, 412 =
SIS 12 03 65).
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2. Die Vorentscheidung beruht teilweise auf
einer anderen Rechtsauffassung und ist daher ebenso wie die
Einspruchsentscheidung und der angefochtene Bescheid
aufzuheben.
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a) Nach den Feststellungen des FG erzielte J
im Streitjahr Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in
Höhe von 12.845 EUR. Von denen sind, wie zwischen den
Beteiligten auch nicht im Streit ist, Beiträge zur
Sozialversicherung (2.621,67 EUR) und - als ausbildungsbedingte
Mehraufwendungen - Studiengebühren (577 EUR) abzuziehen.
Darüber hinaus sind die Kosten für die Wege zur GmbH als
Werbungskosten bei den Einkünften des J aus
nichtselbständiger Arbeit in tatsächlicher Höhe
gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu
berücksichtigen. Die Abzugsbeschränkung gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG kommt nicht zur Anwendung.
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b) Nach der Rechtsprechung des Senats sind als
Werbungskosten sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit
einer beruflichen Bildungsmaßnahme stehen, abziehbar. Hierzu
gehören auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten. Sie sind
grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in
tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Die
Begrenzung der Steuererheblichkeit von Wegekosten gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist im Rahmen beruflicher
Bildungsmaßnahmen grundsätzlich nicht zu beachten. Denn
eine Bildungsmaßnahme ist regelmäßig
vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Wie bei einer
Auswärtstätigkeit hat in einem solchen Fall der
Steuerpflichtige typischerweise nicht die Möglichkeiten, sich
auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung
der Wegekosten hinzuwirken (s. im Einzelnen Senatsentscheidungen
vom 9.2.2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431 = SIS 12 07 86; VI R 42/11,
BFHE 236, 439 = SIS 12 07 85; vom 19.9.2012 VI R 78/10, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 123 = SIS 12 30 62; vom 18.9.2012 VI R 65/11, nicht veröffentlicht).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die
Kosten für die Wege zur GmbH in tatsächlicher Höhe
abzugsmindernd zu berücksichtigen. Die Tätigkeit des J in
der GmbH als eine Art Praktikant war nämlich Teil einer
Bildungsmaßnahme und im Übrigen nicht auf Dauer angelegt.
Wie sich aus der im Ausbildungsvertrag erwähnten
„Verordnung über die praktischen Studiensemester an
Fachhochschulen“ (Praxissemesterverordnung - PrSV - ) des
Bayrischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und
Kunst vom 16.10.2002 (GVBl 2002, 589) ergibt, ist das praktische
Studiensemester einschließlich etwaiger Zusatzpraktika (s.
dazu § 7 PrSV) ein in das Studium integriertes, von der
Fachhochschule geregeltes, inhaltlich bestimmtes, betreutes und mit
Lehrveranstaltungen begleitetes Studiensemester, das i.d.R. in
einem Betrieb oder in einer anderen Einrichtung der Berufspraxis
außerhalb der Hochschule abgeleistet wird (§ 1 Abs. 1
PrSV). Während der praktischen Studiensemester bleiben die
Studenten Mitglieder der Hochschule mit den sich daraus ergebenden
Rechten und Pflichten (§ 1 Abs. 4 PrSV). Damit ist die
Universität trotz der praktischen Ausbildung Mittelpunkt der
Tätigkeit. Insoweit unterscheidet sich das hier
streitgegenständliche Hochschulstudium von einem
herkömmlichen Ausbildungsverhältnis, in dessen Rahmen der
Steuerpflichtige bereits Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit erzielt.
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aa) Da danach die erwähnte praktische
Tätigkeit Teil der Hochschulausbildung ist, kommt - wie
regelmäßig in den Fällen der Hochschulausbildung -
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung. Der Betrieb,
in dem der Student den praktischen Teil seiner Hochschulausbildung
ableistet, ist keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.
von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.
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bb) Dem Abzug der Wegekosten gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG steht § 9 Abs. 6 i.d.F. des
Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom
7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) nicht entgegen.
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§ 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG
bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine
erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das
zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind,
wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen
eines Dienstverhältnisses stattfinden.
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Gemäß § 52 Abs. 23d Satz 5 EStG
i.d.F. des BeitrRLUmsG ist § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des
BeitrRLUmsG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.
§ 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG schließt jedoch
den Werbungskostenabzug nicht aus, weil sich J während seiner
Tätigkeit in der GmbH „im Rahmen eines
Dienstverhältnisses“ befand. Bei dem
Dienstverhältnis i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des
BeitrRLUmsG handelt es sich um ein Dienstverhältnis besonderer
Art, das durch den Ausbildungszweck geprägt ist (sog.
Ausbildungsdienstverhältnis; BFH-Urteile vom 7.8.1987 VI R
60/84, BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780 = SIS 87 21 40; vom
19.4.1985 VI R 131/81, BFHE 143, 572, BStBl II 1985, 465 = SIS 85 17 34). „Im Rahmen“ eines
Dienstverhältnisses findet die Erstausbildung bzw. das
Erststudium statt, wenn, wie hier, die Teilnahme an der Ausbildung
oder am Studium verpflichtender Gegenstand des Arbeitsvertrags ist
(Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 177).
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d) Ob und in welchem Umfang die Kosten
für die Wege zur Fachhochschule als ausbildungsbedingte
Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind, kann mangels
Entscheidungserheblichkeit offen bleiben. Zwar sind diese Kosten
als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu qualifizieren.
Allerdings orientiert sich, wie dargestellt, nach der bisherigen
Rechtsprechung der ausbildungsbedingte Mehrbedarf sowohl dem Grund
als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren
Vorschriften über den Werbungskostenabzug (BFH-Urteil in BFHE
235, 331, BStBl II 2012, 338 = SIS 11 37 57, m.w.N., zu § 9
Abs. 2 EStG). Ob dies auch für § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des
BeitrRLUmsG gilt, ist zwar nach Auffassung des Senats im Hinblick
auf die Bedeutung des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG fraglich, muss
jedoch hier nicht entschieden werden. Denn auch ohne
Berücksichtigung der Kosten für die Wege zur
Fachhochschule wird der Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680
EUR nicht überschritten:
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Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit
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12.845,00 EUR
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abzüglich Sozialversicherungsbeträge
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2.621,67 EUR
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abzüglich Werbungskosten:
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Wege
zur GmbH (173 x 20 km x 0,30 EUR/km x 2)
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2.076,00 EUR
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besondere Ausbildungskosten:
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Studiengebühren
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577,00
EUR
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Einkünfte
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7.570,33 EUR
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